21.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062116
Landgericht Saarbrücken: Urteil vom 30.06.2005 – 12 S 6/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäfts-Nr. 12 S 6/05
42 C 462/04 Amtsgericht Saarbrücken
verkündet am 30. Juni 2005
Landgericht Saarbrücken
Urteil
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts in Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005 XXX für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 2. März 2005 (Az.: 42 C 462/04) abgeändert und wie folgt gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der. Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 560,21 ? festgesetzt.
Gründe
1. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Haftpflichtversicherung (AHB, BI. 41 ff. d. A.) und die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen der Beklagten zur Haftpflichtversicherung für private Risiken (BBR, BI. 49 f. d. A.) zugrunde liegen. Am 3. März 2004 öffnete die Klägerin mittels der Funkfernsteuerung in ihrem Fahrzeug das elektrisch betriebene Garagentor, um in die Garage einzufahren. Dabei bemerkte sie zu spät, dass das vor der Garage geparkte Fahrzeug des Herrn XXX so nah an der Garage stand, dass das Garagentor beim Öffnen die Heckklappe des Fahrzeugs streifte. Dadurch entstand am Fahrzeug des Herrn XXX ein Sachschaden von 560,21 ?, den er von der Klägerin ersetzt verlangt. Deswegen begehrt die Klägerin von der Beklagten Versicherungsschutz aus der privaten Haftpflichtversicherung. Die Beklagte macht geltend, dass die in Frage stehende Haftpflicht der KIägerin gem. Nr. III Satz 1 BBR nicht versichert sei, da sie durch den Gebrauch ihres Fahrzeugs verursacht worden sei.
Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Freistellung von den Schadensersatzansprüchen des Herrn ~ in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben mit der Begründung, dass der Schaden nicht durch den Gebrauch des Fahrzeugs entstanden sei, sondern nur gelegentlich des Gebrauchs. Die Berufung gegen das Urteil hat das Amtsgericht zugelassen. Gegen das ihr am 8. März 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. März 2005 Berufung eingelegt, die sie am 2. Mai 2005 begründet hat. Sie begehrt mit der Berufung wie im erstinstanzlichen Verfahren die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Im übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, auf die zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift der Kammer vom 30. Juni 2005 Bezug genommen.
II. Die Berufung ist gem. § § 511, 517, 519, 520 ZPO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann nicht gem. §§ 1, 149 VVG, §§ 1 Nr. 1, 3 Ziff. II Nr. 1 AHB, Nr. I BBR die Freistellung von den Schadensersatzansprüchen des Herrn XXX verlangen. Die Haftpflicht der Klägerin ist gem. Nr. III Satz 1 BBR nicht versichert, weil sie auf einem Schaden beruht, der durch den Gebrauch des Fahrzeugs der Klägerin entstanden ist.
1. Der in Nr. III Satz 1 BBR vereinbarte Risikoausschluss dient der Abgrenzung der Privathaftpflichtversicherung von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung schützt vor Haftpflichtansprüchen, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs entstehen (§ 10 Nr. 1 AKB). Dem entspricht der Ausschluss in der Privathaftpflichtversicherung. Auf diese Weise soll einerseits ein lückenloser Versicherungsschutz ermöglicht, andererseits aber auch eine Doppelversicherung vermieden werden (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1991, 1400; BGH, Urteil vom 22. Juni 1984, IV a ZR 7/83, unter 2. a, veröffentl. z. B. in VersR 1984, 854, jew. m. w. Nachw.). Ein Schadensereignis, das Haftpflichten zur Folge hat, kann mithin nur entweder in den Schutzbereich der privaten Haftpflichtversicherung oder in den Schutzbereich der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung fallen, nicht aber Deckungsschutz in beiden Versicherungen begründen.
2. Für den hier streitigen Schadensfall besteht - soweit die übrigen Voraussetzungen vorliegen - Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, die Beklagte hat aber als privater Haftpflichtversicherer der Klägerin keinen Versicherungsschutz zu gewähren. Der Schaden ist nämlich durch den Gebrauch des Fahrzeugs der Klägerin entstanden.
a) Ausgangspunkt für die Abgrenzung des Umfangs des Versicherungsschutzes, in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung muss die Erwägung sein, dass dort die typische, vom Gebrauch des Kraftfahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahr gedeckt sein soll. Damit erschöpft sich der Versicherungsschutz indes nicht. Er kann auch in den Fällen bestehen, in denen die Gefahr nicht unmittelbar vom Fahrzeug ausgeht, sondern von einer Person, die mit dem Fahrzeug in Zusammenhang steht. In diesen Fällen ist allerdings eine enge Auslegung des Begriffs "durch den Gebrauch" geboten, weil andernfalls das Haftungsrisiko des Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers nur schwer zu kalkulieren wäre. Steht deshalb - wie hier - eine schadensbegründende Handlung des Fahrers in Frage, so besteht Schutz in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nur, wenn der Schaden durch eine typische Fahrerhandlung verursacht wurde. Das ist der Fall, wenn die Handlung in den gesetzlichen oder durch die Verkehrsauffassung bestimmten Aufgabenkreis eines Kraftfahrers fällt und in Zusammenhang mit einer bestimmten Fahrt geschieht, nicht aber wenn die Handlung nur gelegentlich des Gebrauchs des Fahrzeug vorgenommen wird, wenn sie also von den Aufgaben des Kraftfahrers unabhängig ist und von anderen Personen in gleicher Weise und mit gleichem Risiko vorgenommen' zu werden pflegt (vgl. zu all dem BGH, Urteil vom 10. Juli 1980, IVa ZR 17/80, unter 2. e, veröffentI. z. B. in BGHZ 78,52 = NJW 1980,2525 = VersR 1980, 1039; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. Juli 2001, 5 W 223/01, unter II. 3., veröffentl. z. B. in ZfS 2001,501; Feyock/Jacobsen/Lemor, Rdnr, 7 zu § 10 AKB).
b) Der Schaden ist hier nicht auf grund einer vom Fahrzeug der Klägerin selbst und unmittelbar ausgehenden Gefahr eingetreten, sondern weil die Klägerin den elektrischen Garagenheber bedient hat, also durch eine Handlung der Fahrerin. Die Kammer teilt indes nicht die Auffassung des Amtsgerichts, dass es sich um eine bloß gelegentlich der Fahrt ausgeführte Tätigkeit handelte. Das Öffnen eines Garagentors zum Abstellen des Fahrzeugs zählt vielmehr nach Auffassung der Kammer zum Aufgabenkreis eines Kraftfahrers, nicht anders etwa als das Beseitigen von Gegenständen, um eine Fahrt beginnen oder fortsetzen zu können (vgl. dazu Stiefel/Hofmann, Rdnr. 72 zu § 10 AKB; Feyock/Jacobsen/Lemor, Rdnr. 13 zu § 10 AKB; Prölss/Martin/Knappmann, Rdnr. 11 zu § 10 AKB, jew. m. Nachw. zur Rspr.). Die Klägerin hat den Schaden mithin durch eine fahrertypische Handlung verursacht. Dem steht nicht etwa entgegen, dass Garagentore nicht zwangsläufig von einem Kraftfahrer und zum Abstellen oder Herausholen von Kraftfahrzeugen geöffnet zu werden pflegen. Maßgeblich ist nämlich nicht, ob die Handlung allgemein von anderen Personen in gleicher Weise vorgenommen wird wie von den Personen, die mit dem Fahrzeug in Zusammenhang stehen. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass vielmehr jeweils auf den konkreten Fall abzustellen ist, also darauf, ob sich im konkreten Fall die Handlung des Fahrers als fahrertypisch darstellt oder ob gerade diese Handlung durch andere Personen genauso hätte vorgenommen werden können und deshalb kein innerer Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs besteht (vgl. auch dazu BGH, Urteil vom 10. Juli 1980, a. a. 0., unter 3.; dort wird geprüft, ob sich das Überqueren der Straße im konkreten Fall als fahrertypische Handlung darstellte).
III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, §§ 63 Abs. 2, 47 GKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, weil sie klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können, ist nicht ersichtlich. Die Grundsätze der Abgrenzung der privaten Haftpflichtversicherung von der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, so dass die Fortbildung des Rechts nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Eine Entscheidung des Revisionsgerichts ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Soweit ersichtlich befindet sich die Kammer In Einklang mit den wenigen veröffentlichten Entscheidungen anderer Gerichte in vergleichbaren Fällen (vgl. LG Hannover VRS 68, 374, BI. 28 f. d. A.; LG Wiesbaden VersR 1991, 872).