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25.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062131

Landgericht Trier: Urteil vom 09.05.2006 – 4 O 250/05

1. Die Regelung in 24.2 des ARGE-Mustervertrages, wonach im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters eine Gewährleistungsrückstellung zu bilden ist, ist grundsätzlich wirksam, auch wenn diese im Gesellschaftsvertrag mit 5 % angegeben ist.


2. Die Rückstellung ist für die Bewertung des Auseinandersetzungsguthabens endgültig. Eine Auflösung der Rückstellung und damit eine nachträgliche Korrektur des Auseinandersetzungsguthabens erfolgt nicht, auch dann nicht, wenn kein Gewährleistungsfall eintritt


LG Trier

Urteil vom 09.05.2006

Az: 4 O 250/05

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Auseinandersetzung einer Bauarbeitsgemeinschaft,

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier durch den Richter am Landgericht Specht als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 11.04.2006 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Baugesellschaft ############# mbH. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 01.04.2004 öffnet.

Die Insolvenzschuldnerin gründete mit den Beklagten und fünf weiteren Baugesellschaften drei Arbeitsgemeinschaften in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts, die ####################################### durchführen wollten. In diesem Rechtsstreit geht es um die ARGE
#############. Am Gewinn und Verlust dieser Gesellschaft sowie der Haftung und Gewährleistung sollten die Parteien sowie die ############# ############# und die ############# ursprünglich mit je 20% beteiligt sein. Die Gesellschafter verwendeten einen Muster-Arbeitsgemeinschaftsvertrag der Deutschen Bauindustrie in der Fassung 1995. Danach scheidet ein Gesellschafter aus, wenn über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird. Durch Beschluss der einfachen Mehrheit der übrigen Gesellschafter kann ein Gesellschafter ausgeschlossen werden, wenn über sein Vermögen die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt wird.

Am 15.01.2003 wurde die Gesellschafterin M############# aus der Arbeitsgemeinschaft ausgeschlossen, weil über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Die Beteiligungsquote ist den übrigen Gesellschaftern zugewachsen, die danach je 25 % hielten.

Nachdem die in Auftrag gegebenen Arbeiten im Wesentlichen ausgeführt waren, die Gewährleistungsfristen jedoch noch liefen, beantragte die Insolvenzschuldnerin am 27.01.2004, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Am 28.01.2004 beschlossen die drei übrigen Gesellschafter den Ausschluss der Insolvenzschuldnerin aus der Arbeitsgemeinschaft. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde auch die K############# insolvent.

Die Parteien streiten um die Auslegung der §§ 24.2 bis 24.4 des ARGE- Vertrags, der die Auseinandersetzung der Gesellschaft für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens eines Gesellschafters regeln.

Der Kläger ist der Auffassung, es seien in die Auseinandersetzungsbilanz Rückstellungen in Höhe von 5% des Gesamtauftragswerts eingestellt worden. Nachdem im Januar 2005 die Gewährleistungsfristen für das Bauprojekt abgelaufen seien, müssten die Rückstellungen aufgelöst werden. Dem Kläger stehe als Insolvenzverwalter ein Anspruch auf Restverteilung des sich durch die Auflösung der Gewährleistungsrückstellungen realisierenden Gewinns zu.

Der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 595.999,51 ? nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie tragen vor, der Kläger sei mit seinen Ansprüchen bereits deshalb ausgeschlossen, weil Einsprüche gegen die Auseinandersetzungsbilanz gemäß § 24.2 Abs. 4 des ARGE-Vertrags innerhalb von drei Monaten nach Zustellung erheben werden müssten. Diese Passage des Mustervertrags sei sogar durch individuelle Vereinbarung in § 25 des Vertrags auf einen Monat verkürzt worden. Jedenfalls habe der Kläger die Frist nicht eingehalten.

Der Kläger habe aber auch deshalb nichts zu beanspruchen, weil es sich bei der Auseinandersetzungsbilanz um eine Stichtagsbilanz handele. Es treffe nicht zu, dass darin Gewährleistungsrückstellungen gebildet würden, die irgendwann einmal aufzulösen seien. Vielmehr werde das Risiko auf 5% der Auftragssumme pauschaliert, dass die verbliebenen Gesellschafter für die von dem ausgeschiedenen Gesellschafter ausgeführten Arbeiten gewährleistungspflichtig würden.

Es treffe auch nicht zu, dass die Gewährleistungszeit im Januar 2005 abgelaufen sei. Die Bauherrin habe diverse Mängel gerügt, die teilweise bereits beseitigt worden seien und teilweise noch beseitigt werden müssten. Die Gewährleistungsfrist sei entsprechend der VOB/B. für zwei Jahre gehemmt beziehungsweise für fünf Jahre neu ausgelöst worden. Es stehe also noch gar nicht fest, inwieweit di verbleibenden Gesellschafter der Arbeitsgemeinschaft auf Gewährleistung in Anspruch genommen würden.

Hilfsweise tragen die Beklagten vor, dass der beanspruchte Verzugszinssatz zu hoch sei.

Für das weitere Vorbringen der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Kammer schließt sich der von den Beklagten vertretenen und durch Rechtsprechungszitate belegten Auslegung des Gesellschaftsvertrags an.

Die Verteilung von Gewinn und Verlust im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Gesellschafters wird in § 24.2 des Gesellschaftsvertrags geregelt. Danach ist zur Ermittlung des Ausscheidungsguthabens eine Auseinandersetzungsbilanz zum Stichtag des Ausscheidens zu erstellen.

Der ausgeschiedene Gesellschafter nimmt am Gewinn und Verlust der bis zu seinem Ausscheiden ausgeführten Arbeiten teil; er nimmt nicht teil am Gewinn und Verlust noch auszuführender Arbeiten und schwebender Geschäfte, mit Ausnahme bereits erkennbarer Verluste. In der Auseinandersetzungsbilanz sind die Aktiva und Passiva zu ermitteln. Unabhängig vom Stand des Bauvorhabens im Zeitpunkt des Ausscheidens ist eine angemessene Bewertung des Gewährleistungsrisikos und sonstige Risiken bezüglich des Gesamtbauvorhabens vorzunehmen. Für die Bewertung des Gewährleistungsrisikos gilt ein Prozentsatz von 5% des Auftragswertes ohne Umsatzsteuer als angemessen.

Sowohl der Wortlaut als auch der erkennbare Sinn und Zweck dieser Regelung sprechen gegen die Auffassung des Klägers, dass hier eine Rückstellung für Gewährleistung gebildet werden soll, die zu einem späteren Zeitpunkt aufgelöst werden und dem ausgeschiedenen Gesellschafter zugute kommen könnte.

Sinn der Regelung ist es, die verbliebenen Gesellschafter in den Stand zu versetzen, den Auftrag weiter auszuführen und damit den Gesellschaftszweck bis zum Ende zu erfüllen. Es soll gerade vermieden werden, dass die verbliebenen Gesellschafter über einen langen Zeitraum mit dem insolvent gewordenen ausgeschiedenen Gesellschafter über Vergütung- und Gewährleistungsansprüche streiten. Deshalb ist eine Auseinandersetzungsbilanz zum Stichtag des Ausscheidens aufzustellen.

Alle Gesellschafter haften gegenüber dem Auftraggeber mit ihrem gesamten Vermögen für Mängel des gesamten Werks. Das ergibt sich aus der Rechtsnatur der Bauarbeitsgemeinschaft als Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im Innenverhältnis der Gesellschafter haftet jeder für die Mängel, die er selbst bei der Ausführung des Auftrags verursacht hat. Diese interne Haftungsverteilung führt aber nur solange zu vertretbaren Ergebnissen, wie die Gesellschafter solvent sind.

Wird ein Gesellschafter insolvent, so können die anderen Gesellschafter gegen ihn die interne Haftungsverteilung für Mängel des Bauwerks nicht mehr durchsetzen. Die Haftung für von ihnen selbst nicht verursachte Mängel gegenüber dem Auftraggeber trifft sie damit nicht mehr nur juristisch sondern auch in voller Härte wirtschaftlich.

Diese Situation soll durch § 24 des Gesellschaftsvertrags geregelt und für die Beteiligten erträglich gestaltet werden. Es ist daher interessengerecht und auch unter dem Gesichtspunkt der unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB (früher: § 9 AGBG) nicht zu beanstanden, wenn das Gewährleistungsrisiko auf 5 % des Werts der bis zum Stichtag ausgeführten Arbeiten des ausgeschiedenen Gesellschafters pauschaliert wird.

Um es nochmals zu betonen: es geht nicht um eine Rückstellung sondern um eine reine Bewertung eines bestehenden Risikos zu einem bestimmten Stichtag.

Wenn sich später herausstellen sollte, dass Gewährleistungsansprüche nicht oder nur in einem geringeren Maß bestehen, dann entsteht den verbliebenen Gesellschaftern daraus ein Gewinn. Der ausgeschiedene Gesellschafter ist daran nach dem Wortlaut und dem Zweck der Regelung nicht zu beteiligen.

Würden nämlich andererseits den verbliebenen Gesellschaftern Verluste dadurch entstehen, dass die Gewährleistungen den Pauschalbetrag von 5% des Auftragswertes übersteigen, so würde sich der ausgeschiedene Gesellschafter daran auch nicht beteiligen. § 24.4 des Vertrags enthält zwar eine Regelung, die in diese Richtung weist. Zumindest im Falle der Insolvenz verhindert jedoch das Insolvenzrecht dass ein solcher weitergehender Anspruch durchgesetzt werden kann.

Folgt man der Rechtsmeinung des Klägers, könnte er gleichwohl die Auszahlung eines Restguthabens noch nicht verlangen. Solange die Beklagten dem Risiko einer Inanspruchnahme aus Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt sind, können gebildete Rückstellungen nicht aufgelöst werden. Dass diese Gefahr noch besteht, haben die Beklagten durch Vorlage des Schriftverkehrs mit der Auftraggeberin nachgewiesen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

RechtsgebietARGE-MustervertragVorschriftenARGE-Mustervertrag § 24.2

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