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20.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223603

Landgericht Hannover: Urteil vom 23.04.2021 – 6 O 155/20

Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Rückzahlung überzahlter Beiträge wegen verschiedener Beitragsanpassungen einer privaten Krankenversicherung hinsichtlich Verjährung

In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
...
gegen
...
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
...
hat das Landgericht Hannover - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 16.03.2021 für Recht erkannt:
Tenor:

    1.

    Es wird festgestellt, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:
        f.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 29,00 €,
        h.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 0,97 €

    und der Kläger nicht zur Zahlung des hierauf entfallenden Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der monatliche Gesamtbeitrag um insgesamt 29,97 € zu reduzieren ist.
    2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 677,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.12.2020 zu zahlen.
    3.

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil bis zum 29.12.2020 gezogen hat, den der Kläger auf die unter Ziff. 1 aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.
    4.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    5.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
    6.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    7.

    Der Streitwert wird festgesetzt auf 31.786,38 € bis 25.02.2021, danach auf 17.656,65 €.

Tatbestand

Der Kläger greift verschiedene Beitragsanpassungen seiner privaten Krankenversicherung an und begehrt insoweit Rückzahlung überzahlter Beiträge.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer ... seit Dezember 1998 eine private Kranken-/ Pflegeversicherung. Vertragsbestandteil sind die den Musterbedingungen entsprechenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung und Tarifbedingungen (im Folgenden: AVB). Darin findet sich jeweils unter § 8b AVB die unter bestimmten Voraussetzungen bestehende vertragliche Berechtigung der Beklagten zur Beitragsanpassung.

Von der hiernach grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, die Beiträge zu erhöhen, machte die Beklagte in der Vergangenheit mehrfach Gebrauch. Streitgegenständlich waren hier ursprünglich folgende Beitragserhöhungen gegenüber dem Kläger:
Tarif    Erste Zahlung auf Beitragserhöhung    Letzte Zahlung auf Beitragserhöhung    Anzahl monatliche Zahlungen    Beitrag alt in €    Beitrag neu in €    Differenz in €
...    01.01.2011    01.12.2013    36    457,50    520,81    63,31
...    01.01.2015    17.11.2020    71    245,69    332,59    86,90
...    01.01.2015    01.05.2015    5    232,68    235,23    2,55
...    01.01.2017    17.11.2020    47    332,59    445,46    112,87
...    01.01.2019    17.11.2020    23    445,46    516,96    71,50
...    01.01.2019    17.11.2020    23    244,95    273,95    29,00
...    01.01.2020    17.11.2020    11    20,81    26,08    5,27
...    01.01.2020    17.11.2020    11    273,95    274,92    0,97

Diese Beitragsanpassungen sind in den jeweiligen Nachträgen zum Versicherungsschein (vgl. Anlagenkonvolut B 5) niedergelegt. Der Kläger zahlte die (erhöhten) Beiträge in der Folge vorbehaltlos. Hieraus resultiert eine bis zum Zeitpunkt der Klagerhebung angefallene Beitragsdifferenz in Höhe von insgesamt 16.146,84 €.

Vorangegangen waren den Beitragserhöhungen zum Januar des Folgejahres jeweils entsprechende Mittelungs- und Informationsschreiben der Beklagten aus dem November des Vorjahres, die die Beklagte als Anlagenkonvolut B 5 und B 8 vorgelegt hat. Den Anpassungen lagen die aus der als Anlage B 1 vorgelegten Übersicht ersichtlichen auslösenden Faktoren zugrunde. Die Berechnung der Beitragserhöhungen im Einzelnen resultierte aus den als Anlagenkonvolut B 3 vorgelegten tarifbezogenen versicherungsmathematischen Beitragsberechnungsbögen der Beklagten. Diese wurden von der Beklagten jeweils einem Treuhänder vorgelegt, die den Beitragserhöhungen ausweislich der als Anlagenkonvolut B 4 vorgelegten Erklärungen jeweils zustimmten.

Er ist der Ansicht, dass die von ihm angegriffenen Beitragserhöhungen rechtswidrig erfolgt seien, da ihnen keine formell ausreichende Begründung vorangegangen sei. Die Beitragsdifferenz sei von ihm somit ohne rechtlichen Grund gezahlt worden, weshalb er sie einschließlich der hiermit gezogenen Nutzungen zurückfordern bzw. für die Zukunft die Feststellung der Reduzierung des monatlichen Gesamtbeitrags beanspruchen könne.

Seinen ursprünglichen Angriff gegen die Beitragsanpassung im Tarif ... zum 01.01.2017 verfolgt der Kläger einschließlich der Rückforderung der hierauf entfallenden Beitragsdifferenz (insgesamt 9.389,19 €) nicht mehr weiter, sondern hat die Klage insoweit mit Schriftsatz vom 26.02.2021 teilweise zurückgenommen.

Der Kläger beantragt demgemäß nunmehr,

    1.

    festzustellen, dass folgende Erhöhungen des Monatsbeitrags in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer ... unwirksam sind:
        a.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2011 in Höhe von 63,31 €,
        b.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 86,90 €,
        c.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 2,55 €,
        e.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 71,50 €,
        f.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2019 in Höhe von 29,00 €,
        g.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 5,27 €,
        h.

        im Tarif ... die Erhöhung zum 01.01.2020 in Höhe von 0,97 €

        und dass die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet, sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen auf insgesamt 653,57 € zu reduzieren ist;
    2.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite 6.757,65 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
    3.

    festzustellen, dass die Beklagte
        a.

        der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
        b.

        die nach 3a. herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich unter Hinweis auf die Besonderheiten der versicherungsmathematischen Tarifkalkulation auf Entreicherung und erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Klage wurde der Beklagten am 29.12.2020 zugestellt. Im Übrigen wird für den Sach- und Streitstand Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Kläger konnte einen bereicherungsrechtlichen Anspruch nur zum Teil schlüssig darlegen. Denn soweit nicht bereits die Verjährungseinrede durchgreift, sind die Beitragsanpassungen mit Ausnahme der Beitragsanpassungen im Tarif ... rechtmäßig erfolgt.

Ohne Erfolg wendet sich der Kläger zunächst gegen jene Beitragsanpassungen, die erstmals vor dem 01.01.2017 erfolgten. Denn insoweit greift infolge der erhobenen Verjährungseinrede die kenntnisabhängige dreijährige Verjährung der §§ 195, 199 BGB, nachdem der Kläger nach Zugang der entsprechenden Mitteilung der bevorstehenden Beitragsanpassung hinreichende Kenntnis hiervon und damit von allen anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, inwiefern es dem Kläger bereits auf Grundlage dieser Mitteilungen möglich war, die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhungen zu beurteilen. Denn die materielle Rechtswidrigkeit ist ohnehin nicht streitgegenständlich. Unabhängig davon war er zu keinem Zeitpunkt an einer negativen Feststellungsklage gehindert, im Rahmen derer die Beklagte zur Darlegung und zum Beweis der materiellen Berechtigung verpflichtet gewesen wäre. Da die Beklagte versicherungsvertraglich nicht zur Vorlage ihrer Berechnungsgrundlagen verpflichtet ist (anders als prozessual im Rahmen ihrer Darlegungslast), kann sich der Kläger insoweit nicht erfolgreich darauf berufen, dass ihm diese zur eigenen Überprüfung der materiellen Berechtigung nicht vorlagen.

Gleiches gilt hinsichtlich der hier streitgegenständlichen formellen Berechtigung mit Blick auf das Begründungserfordernis des § 203 Abs. 5 VVG (bzw. § 178g Abs. 4 VVG a.F.). Dem Kläger war es auf Grundlage der ihm übersandten Ankündigungen der Beitragsanpassung unbenommen, diese auch hinsichtlich der Einhaltung des gesetzlichen Begründungserfordernisses innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist, beginnend ab dem Schluss des Jahres des Inkrafttretens der jeweiligen Beitragserhöhung, zur gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Wie der Kläger selbst ausführt, hatte der zuständige Versicherungssenat des Bundesgerichtshofs bereits mit Urteil vom 09.12.2015 - IV ZR 272/15 klargestellt, dass die Prämienanpassung der umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch die Zivilgerichte unterliegt. Dass der Senat erst mit weiterem Urteil vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) erstmals Gelegenheit hatte, sich genauer dazu zu äußern, welche Anforderungen an das Begründungserfordernis zu stellen sind, stand der Zumutbarkeit einer Klageerhebung nicht entgegen. Es ist dem Rechtssystem vielmehr immanent, dass nicht für jeden vom Gesetzgeber verwendeten Begriff (hier die "maßgeblichen Gründe") bereits eine gefestigte Rechtsprechung zur Auslegung desselben existiert. Der Kläger war somit in zumutbarer Weise gehalten, sich ggfs. selbst um diese Klärung zu bemühen und damit die Verjährung zu hemmen. Ein Herausschieben des Beginns der Verjährungsfrist ist hier nicht anzunehmen. Etwas Anderes mag nämlich allenfalls dann gelten, wenn eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert (BGH, Urteil vom 21. Februar 2018 - IV ZR 385/16 -, juris-Rn. 18). Dies ist hier nicht einmal ansatzweise ersichtlich, sondern nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen gibt es vielmehr eine kontinuierliche Rechtsprechung des Versicherungssenats, die bei Fehlen einer ausreichenden Begründung einen Rückforderungsanspruch grundsätzlich bejaht (vgl. BGH IV ZR 117/02, IV ZR 272/15, IV ZR 255/17 und IV ZR 294/19). Erst recht gilt dies schließlich im Hinblick auf die klägerseits in Zweifel gezogene AGB-rechtliche Wirksamkeit der Rechtsgrundlage.

Demgemäß unterliegen die vorstehend angeführten Beitragsanpassungen aus Ziff. 1 a) - c) bzw. die insoweit geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche insgesamt der Verjährung. Diese erfasst mit anderen Worten ausnahmslos alle Beitragsanpassungen, die vor dem 01.01.2017 wirksam wurden. Denn wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) klargestellt hat, erfolgt durch die Prämienanpassung nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern findet eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum statt. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers somit ohne Bedeutung (BGH, a.a.O., juris-Rn. 55). Weiter heißt es in juris-Rn. 56 (BGH a.a.O.): "eine spätere wirksame Prämienanpassung bildet fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe. Daher kann das Interesse des Versicherungsnehmers an der Feststellung, auch zukünftig nicht zur Zahlung des sich aus der früheren Prämienanpassung ergebenden Erhöhungsbetrages verpflichtet zu sein, zu verneinen sein, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht zugleich gegen die Wirksamkeit einer nachfolgenden Prämienanpassung wendet (vgl. Senatsurteil vom 19. Dezember 2018 a.a.O. Rn. 17). In diesem Fall stünde fest, dass künftig der aus der nachfolgenden Prämienanpassung folgende neue Gesamtbetrag der Prämie zu zahlen ist, und es käme ab diesem Zeitpunkt auf die Wirksamkeit der früheren Anpassung nicht mehr an."

Dies bedeutet gleichermaßen, dass der Kläger auch solche Beitragsanpassungen nicht mehr erfolgreich angreifen kann, die in verjährter Zeit erfolgten, von ihm aber bis zuletzt (erhöht) gezahlt wurden (betrifft hier Tarif ... und ...). Denn da der Kläger die Beitragsanpassung selbst infolge der Verjährungseinrede nicht mehr zur gerichtlichen Überprüfung stellen kann, sind angreifbar nur noch die jeweils neuen Gesamtprämien ab 2017, soweit sie Prämienanpassungen aus unverjährter Zeit enthalten. Mit anderen Worten ist vorliegend der in den neuen Gesamtprämien enthaltene Erhöhungsanteil für die Tarife ... und ... (= 63,31 € bzw. 2,55 €) insgesamt, auch hinsichtlich der Feststellungsanträge, einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. Überprüfungsgegenstand sind vorliegend allein noch die Beitragsanpassungen in den Tarifen ... zum 01.01.2019, ... zum 01.01.2019 bzw. 01.01.2020 sowie ... zum 01.01.2020.

Diese halten einer gerichtlichen Überprüfung in formeller Hinsicht (die materielle Berechtigung ist unstreitig gegeben) statt, soweit nicht der Tarif ... betroffen ist (dazu sogleich). Wie bereits ausgeführt, hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die Begründung der Beitragserhöhung mit Urteil vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) präzisiert. Demnach ist es erforderlich, dass die Begründung der Beitragserhöhung gegenüber dem Versicherungsnehmer gemäß § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage enthält, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Demgegenüber muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. (BGH, a.a.O. - juris-Rn. 26).

Diesen Anforderungen werden die "Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2019"(bzgl. ...) bzw. zum 01.01.2020 (bzgl. .., jeweils Anlagenband Bekl.) gerecht. Entgegen der Auffassung des Klägers (aus seiner vor Verkündung des vorgenannten BGH-Urteils verfassten Klageschrift) muss die Begründung der Beitragsanpassung den Versicherungsnehmer gerade nicht in die Lage versetzen, eine eigene Plausibilitätsprüfung vorzunehmen (BGH, a.a.O. juris-Rn. 36 sowie zuletzt BGH, Urt. v. 19.02.21 - IV ZR 353/19). Dementsprechend muss nicht mitgeteilt werden, in welcher Höhe sich die Rechnungsgrundlage verändert hat, solange nur die Information darüber erfolgt, welcher der beiden maßgeblichen Gründe (veränderte Leistungsausgaben oder Sterbewahrscheinlichkeiten, § 203 Abs. 2 S. 3 VVG) vorliegt. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist ferner zu entnehmen, dass sich der Versicherer gleichwohl nicht darauf beschränken darf, lediglich pauschal "gestiegene Leistungsausgaben"als Begründung mitzuteilen, sondern er zumindest auch deutlich machen muss, dass diese einen bestimmten Prozentsatz übersteigen und deshalb eine Neukalkulation der Prämie veranlasst haben (BGH, a.a.O. juris-Rn. 39).

Dem werden die Begründungen der Beitragsanpassungen in den Tarifen ... und ... gerecht. Sie nennen die gestiegenen Leistungsausgaben als auslösenden Faktor, den gesetzlichen Schwellwert sowie den Umstand, dass eben jener Schwellwert aufgrund der gestiegenen Leistungsausgaben nicht nur vorübergehend überschritten wurde. Der Versicherungsnehmer ist hierdurch ausreichend darüber informiert worden, dass die bevorstehende Beitragsanpassung auf veränderten Leistungsausgaben dergestalt beruht, dass diese im betroffenen Tarif zu einer Überschreitung des Schwellenwerts und deshalb zu einer Neukalkulation der Prämie führten.

Anders ist dies jedoch hinsichtlich der Beitragserhöhungen im Tarif ... zu beurteilen, sowohl zum 01.01.2019 als auch zum 01.01.2020. Denn die Begründung verschafft dem Versicherungsnehmer hier nicht die Kenntnis darüber, auf welcher gesetzlichen Grundlage (gestiegene Leistungsausgaben oder veränderte Sterbewahrscheinlichkeit) die Beitragserhöhung beruht. Während die Informationsschreiben unter Ziff. 1 zwar diese beiden Änderungsgründe sowie den hierfür gesetzlich vorgesehenen Schwellwert abstrakt nennen, findet sich unter Ziff. 3, wo die ... der Beklagten thematisiert werden, keinerlei Bezugnahme hierauf. Stattdessen wird dort als maßgeblicher Grund die Einführung einer neuen Sterbetafel gemäß § 8b Teil 1 der allgemeinen Versicherungsbedingungen genannt, wobei im Übrigen offenbleibt, ob damit die der Krankheitskosten- oder die der privaten Pflegepflichtversicherung gemeint sind. Bedenken bestehen insoweit bereits dahingehend, als die Beklagte hierdurch, was in ihrer Begründung letztlich ebenso offenbleibt, möglicherweise einen dritten Beitragsanpassungsgrund außerhalb der an sich abschließenden Aufzählung der auslösenden Faktoren des § 203 Abs. 2 S. 3 VVG abstellt, nämlich die Einführung einer neuen Sterbetafel. Allein dieser Umstand, auf den die Beklagte auch in ihrer Übersicht der auslösenden Faktoren (Anlage B 1) für den Tarif ... weiterhin abstellt, ist nämlich gerade kein tauglicher Beitragsanpassungsgrund, sondern es bedarf hier stets einer Rückkopplung an eine um mindestens 5% veränderte Sterbewahrscheinlichkeit, § 155 Abs. 4 VAG. Inwiefern dies - in materieller Hinsicht - tatsächlich der Fall war, kann letztlich dahinstehen. Denn die nach Maßgabe des Vorstehenden unzureichende Differenzierung zwischen Einführung einer neuen Sterbetafel einerseits und einer veränderten Sterbewahrscheinlichkeit andererseits wirkt sich maßgeblich auf die formelle Bewertung der Begründung der Beklagten aus. Denn hierbei unterlässt sie gerade eine Information des Klägers darüber, inwiefern die Einführung der neuen Sterbetafel zu einer mindestens um 5% abweichenden Sterbewahrscheinlichkeit geführt hat. Dies erschließt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang. Zwar wird der durchschnittliche, das Informationsschreiben aufmerksam lesende Versicherungsnehmer zu der Erkenntnis fähig sein, dass die Sterbetafel etwas mit der Sterbewahrscheinlichkeit zu tun hat (es ist indes nicht dasselbe, was etwa auch das OLG Köln, Urteil vom 07. Juli 2020 - I-9 U 227/19 -, juris-Rn. 34 vermengt; zugelassene Revision anhängig unter BGH IV ZR 191/20). Es bleibt aber gerade offen, ob die Beklagte den Tarif allein deshalb anpasst, weil eine neue Sterbetafel eingeführt wird (dies suggeriert ihre Formulierung), obwohl die hieraus resultierende Abweichung der Sterbewahrscheinlichkeit möglicherweise noch unter 5% liegt, oder ob dieser Schwellwert tatsächlich überschritten ist. Anders als beim auslösenden Faktor der gestiegenen Leistungsausgaben wird dies von der Beklagten nicht erläutert. Insbesondere wird in ihren abstrakten Erläuterungen unter Ziff. 1 der Begriff "Sterbetafel"nicht erwähnt.

Nichts Anderes ergibt sich im Übrigen, wenn man statt auf § 203 Abs. 2 S. 3 VVG für den Tarif ..., der jedoch nicht der privaten Pflegepflichtversicherung zuzuordnen ist, unmittelbar auf § 8b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung (Anlage B 6.1) abstellte. Denn anders als es die Begründung im Informationsschreiben suggeriert, wird hierin ebenso wenig die Einführung einer neuen Sterbetafel als Anpassungsvoraussetzung genannt, sondern - wie es § 155 Abs. 4 VAG (i.V.m. § 148 VAG) bestimmt - eine Abweichung der Sterbewahrscheinlichkeit um mindestens 5 %. Die Voraussetzungen für ein "Nachziehen"des Entlastungstarifs ... liegen damit jedenfalls nach der Begründung der Beklagten auch über § 8b der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegeversicherung nicht vor.

Die vorstehend erläuterten Unklarheiten, die die Beklagte im Übrigen bis zuletzt, auch im nachgelassenen Schriftsatz vom 06.04.2021, nicht ausgeräumt hat, führen dazu, dass die hier noch überprüfungsgegenständlichen Beitragsanpassungen zum 01.01.2019 bzw. 01.01.2020 im Tarif ... formell unwirksam waren und sind. Auch eine ex nunc-Heilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG kommt daher vorliegend nicht in Betracht.

Infolgedessen hat der Kläger den hierauf entfallenden Beitragsanteil ohne rechtlichen Grund an die Beklagte gezahlt und kann diesen nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zurückverlangen. Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände bereicherungsrechtlicher Art greifen, wie der Bundesgerichtshof zuletzt klargestellt hat (BGH, Urteil vom 10. März 2021 - IV ZR 353/19 -, juris-Rn. 27 ff.), nicht durch.

Der Höhe nach hat der Kläger damit einen Anspruch auf Rückzahlung von 667,- € für die Beitragsanpassung zum 01.01.2019 (29,- € x 23) sowie 10,67 € für die Anpassung zum 01.01.2020 (0,97 € x 11), insgesamt mithin 677,67 € (Antrag zu 2.). Der diesbezügliche Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.

Im Rahmen des Antrags zu 1. hat das Gericht die Unwirksamkeit der beiden Beitragsanpassungen festgestellt sowie eine Reduzierung des aktuellen Beitrags um den hierauf entfallenden Anteil (29,97 €/Monat).

Hinsichtlich des Antrags zu 3 a. hat der Kläger grundsätzlich gemäß § 818 Abs. 1 BGB auch Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus dem ohne Rechtsgrund geleisteten Prämienanteil, allerdings in zeitlicher Hinsicht nur bis zum Beginn der begründeten Verzinsungspflicht für die Hauptforderung (BGH, a.a.O. juris-Rn. 35), hier also der Rechtshängigkeit. Ein diesbezüglicher Zinsanspruch (Antrag 3 b.) besteht im Übrigen nicht (BGH a.a.O. juris-Rn. 36).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Hannover, 30175 Hannover, Volgersweg 65 eingeht. Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.

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