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23.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223068

Arbeitsgericht Berlin: Beschluss vom 05.05.2021 – 55 BV 2053/21

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Arbeitsgericht Berlin

55 BV 2053/21

Verkündet am 05.05.2021

Beschluss
 
In Sachen
 
hat das Arbeitsgericht Berlin, 55. Kammer, auf die Anhörung vom 05.05.2021 durch den Richter am Arbeitsgericht … als Vorsitzender
sowie die ehrenamtliche Richterin Frau  … und den ehrenamtlichen Richter Herrn …beschlossen:
 
Die Zustimmung des Beteiligten zu 2 zur beabsichtigten fristlosen und außerordentliche Kündigung der Beteiligten zu 3 wird ersetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten noch über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung eines Ersatzmitgliedes, welches als ordentliches Mitglied aufgrund der Verhinderung eines Betriebsratsmitgliedes in das Gremium nachgerückt ist.

Antragstellerin ist ein Handelsunternehmen, welches ein Warenhaus in Berlin betreibt (im Folgenden Arbeitgeberin).

Beteiligter zu 2 ist der für den Berliner Betrieb gebildete Betriebsrat (im Folgenden Betriebsrat). Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21.03.2018 seine Wahl unter namentlicher Benennung seiner 15 Mitglieder und aller Ersatzmitglieder mit (Blatt 16, 17 der Akte). Innerhalb der durchnummerierten Liste der Ersatzmitglieder erscheint der Name der Mitarbeiterin A (Beteiligte zu 3) an 18. Stelle.

Beteiligte zu 3 ist eine bei der Arbeitgeberin angestellte Verkäuferin, die zugleich Ersatzmitglied des Betriebsrates ist (im Folgenden Mitarbeiterin). Sie ist seit dem 16.10.1989 bei der Arbeitgeberin beschäftigt (Blatt 14, 15 der Akte). Zugleich ist sie Ersatzmitglied des aus 15 Mitgliedern bestehenden Betriebsrats.

Am Mittwoch, den 03.02.2021 verteilte der Departement-Manager, Herr B in der Abteilung Punktelisten an die Mitarbeiter:innen. Bei Übergabe einer entsprechenden Liste an die Mitarbeiterin erklärte diese an ihre Kollegin C gewandt:

„Heute muss ich darauf achten, dass ich die ausgesuchten Artikel richtig abhake, sonst gibt es wieder Ärger mit der Ming-Vase.“

Auf Nachfrage des Herr B, was sie damit ausdrücken wolle, äußerte sie:

„Na Sie wissen schon, die Ming-Vase.“

Dabei zog die Klägerin gleichzeitig die Augen mit den Fingern nach hinten, um eine asiatische Augenform zu imitieren.

Nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Arbeitgeberin hat eine weitere anwesende Kollegin die Klägerin auf den richtigen Namen der als Ming-Vase bezeichneten Führungskraft, Frau D hingewiesen.

Welche und wie viele Personen bei diesem Gespräch anwesend waren und ob diese im Einzelnen die Worte der Klägerin gehört haben, ist ungeklärt. Unstreitig handelte es sich um mehrere Personen, darunter unter anderem wahrscheinlich zwei Auszubildende.

Frau D hat zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis von dem Vorfall erhalten und sich am 08.02.2021 bei der Arbeitgeberin über das Verhalten der Mitarbeiterin beschwert und dabei ausdrücklich die „rassistischen Äußerungen“ kritisiert. Wodurch Frau D Kenntnis von dem Vorfall hatte, ist ungeklärt.

Nachdem Herr B durch E-Mail vom 03.02.2021 Frau E über das Vorgefallene vom selben Tag informiert hatte (Blatt 20 der Akte), hörte die Arbeitgeberin am 10.02.2021 die Mitarbeiterin durch Herrn B und die HR-Managerin F in Anwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden, Frau G, und der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden, Frau H, an. In der Anhörung bestätigte sich der Sachverhalt. Die Mitarbeiterin hat dabei erklärt, ihr sei der Name von Frau D entfallen und wandte sich an eine Kollegin mit der Frage, wie die Führungskraft aus der Nachbarabteilung heiße „Frau .., D, …“ und erneut unter Imitieren der asiatischen Augenform hinzufügte: „na, Frau Ming Vase“. In der Anhörung hat die Mitarbeiterin diskriminierende und rassistische Äußerungen zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass eine Ming Vase für einen schönen und wertvollen Gegenstand stehe. Das Imitieren der asiatischen Augenform sei erfolgt, um nicht „Schlitzauge“ zu sagen. Bei „schwarzen Menschen/Kunden“ verwende sie den Begriff „Herr Boateng“, weil sie diesen toll finde.

Mit Schreiben vom 15.02.2021 an Frau D hat sich die Mitarbeiterin für ihr Verhalten entschuldigt (Blatt 72 der Akte).

Die Arbeitgeberin beantragte am 11.02.2021 schriftlich beim Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung sowie zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist der Mitarbeiterin (Blatt 23-35 der Akte).

Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin am 15.02.2021 zu beiden Anträgen mit, dass er die Zustimmung verweigere und begründete seine Entscheidung ausführlich unter Hinweis darauf, dass er Rassismus aufs Schärfste verurteile. Er schätze die Mitarbeiterin so ein, dass ihr nichts ferner stehe als rassistisches Gedankengut (Blatt 35-41 der Akte).

Der Betriebsrat informierte die Arbeitgeberin mit E-Mail vom 15.02.2021 zudem, dass er die Anwaltskanzlei X mit der Angelegenheit betraut habe (Blatt 42, 43 der Akte).
Die Arbeitgeberin hat die Mitarbeiterin durch Schreiben vom 17.02.2021 außerordentlich gekündigt. Das Kündigungsschutzverfahren ist beim Arbeitsgericht Berlin zum Geschäftszeichen 20 Ca 2765/21 anhängig.

Mit dem am 17.02.2021 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin vorsorglich die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin.

Zunächst noch bestehende Zweifel der Arbeitgeberin, ob die Mitarbeiterin zum Zeitpunkt 17.02.2021 in den Betriebsrat nachgerückt sei, hat sie zum Schluss nicht mehr aufrechterhalten.

Die Arbeitgeberin sehe im Verhalten der Mitarbeiterin rassistische Äußerungen, die an sich geeignet seien, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Die Mitarbeiterin habe die abwertenden Äußerungen in Worten und Gesten in Gegenwart von sechs weiteren Kollegen, darunter zwei Auszubildenden, abgegeben. Das Verhalten stelle eine Diskriminierung der Frau D wegen ihrer ethnischen Herkunft dar. Selbst im Anhörungsgespräch habe die Klägerin die Äußerungen wiederholt und mit dem weiteren Beispiel zu Bezeichnung schwarzer Menschen/Kunden bewiesen, dass sie in Kenntnis des Verstoßes mehrfach gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoße.

Bei der Interessenabwägung sei sowohl die lange Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiterin als auch der Status des Unternehmens mit einem großen internationalen Kundenstamm berücksichtigt worden. Ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung sei nicht ersichtlich.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Antragsschrift (Blatt 5-13 der Akte) sowie die Schriftsätze vom 24.04.2021 (Blatt 90-94 der Akte) sowie vom 30.04.2021 (Blatt 101-103 der Akte) nebst Anlagen verwiesen.

Die Arbeitgeberin hat zuletzt noch beantragt,

die Zustimmung des Betriebsrats zur fristlosen außerordentlichen Kündigung der Frau A zu ersetzen,

hilfsweise    
die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist der Frau A zu ersetzen.

Der Betriebsrat und die Mitarbeiterin A beantragen jeweils,
die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat meint, ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sei nicht gegeben. Die unstreitige Äußerung der Klägerin sei lediglich an ihre Kollegin K gerichtet gewesen. Andere hätten die Äußerungen nicht oder nur Bruchstückhaft hören können. Insbesondere sei die mit der Äußerung gemeinte Frau D nicht anwesend gewesen. Eine Beleidigung sei dadurch nicht erfolgt und auch nicht beabsichtigt gewesen. Die Mitarbeiterin habe nicht damit rechnen müssen, dass Frau D davon Kenntnis erlangt.

Der Betriebsrat meint, die Äußerung der Mitarbeiterin in Bezug auf Frau D sei nicht herabsetzend und negativ gewesen. Sie sei zwar unangemessen und nicht akzeptabel, rechtfertige jedoch keine außerordentliche Kündigung.

Die Mitarbeiterin habe sich den Namen von Frau D nicht merken können. Sie habe nicht die Absicht gehabt, der Bezeichnung eine negative Konnotation beizumessen. Der Betriebsrat mutmaßt, dass Frau D erst durch die Arbeitgeberin über den Vorfall unterrichtet worden ist, und dies teilweise unzutreffend und bereits mit der Wertung „rassistisch“.

Zu berücksichtigen sei zugunsten der Mitarbeiterin, dass sie seit 31 Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigt sei und das Arbeitsverhältnis weitgehend ungestört verlaufen sei. Eine Änderung des Verhaltens sei zu erwarten. Zudem sei zu beachten, dass sich die Mitarbeiterin bei Frau D entschuldigt hat. Die Mitarbeiterin sei zu keiner Zeit mit einem vergleichbaren Verhalten aufgefallen und habe auch keine entsprechende Gesinnung.

Zudem habe die Arbeitgeberin in vergleichbaren Fällen nach Kenntnis des Betriebsrats nicht in gleicher Weise reagiert.

Wegen der Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 19.03.2021 (Blatt 62-71 der Akte) und vom 28.04.2021 (Blatt97, 98 der Akte) nebst Anlagen verwiesen.

II.

Der gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zulässige Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin A ist begründet. Die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist zu ersetzen.  

1.    
Nachdem zuletzt zwischen den Beteiligten unstreitig war, dass die Mitarbeiterin wegen Urlaubs und Erkrankung mehrerer regulärer Betriebsratsmitglieder sowie in der Reihenfolge vor dieser stehender Ersatzmitglieder als Betriebsratsmitglied nachgerückt war, ist der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung als zulässig zu betrachten.

Ersatzmitglieder vertreten ordentliche Mitglieder des Betriebsrats nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, wie etwa in der Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Sie rücken vielmehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Dauer der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds in den Betriebsrat nach. Der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Er hängt nicht davon ab, dass die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied bekannt ist. Damit erwirbt das Ersatzmitglied den Sonderkündigungsschutzschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Dauer der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds. Der Schutz hängt nicht davon ab, dass das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebsratsaufgaben erledigt (BAG, Urteil vom 08. September 2011, 2 AZR 388/10, NZA 2012, 400-404).

Da die Mitarbeiterin unstreitig in den Betriebsrat nachgerückt war, bedarf es für deren außerordentliche Kündigung der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 103 BetrVG, die im Fall der Verweigerung auf entsprechenden Antrag der Arbeitgeberin vom Arbeitsgericht ersetzt werden kann (§ 103 Abs. 2 BetrVG).

2.    
Gem. § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

2.1.    
Für die Annahme eines wichtigen Grundes ist grundsätzlich eine beharrliche und hartnäckige Pflichtverletzung erforderlich; ein einmaliger Verstoß reicht regelmäßig nicht aus. Die einmalige Vertragsverletzung kann das Merkmal der Beharrlichkeit nur dann erfüllen, wenn daraus der nachhaltige Wille des Arbeitnehmers erkennbar wird, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen zu wollen (vergleiche unter anderem BAG vom 17.06.1992, 2 AZR 568/91, veröffentlicht in juris mit weiteren Nachweisen).

Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist.

2.2.    
Grobe Beleidigungen von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, sind grundsätzlich geeignet, einen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigenden Grund darzustellen (BAG, Urteil vom 27.09.2012, 2 AZR 646/11, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 43, Randnummer 22).

Es handelt sich um einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (BAG, Urteil vom 10.12.2009, 2 AZR 524/08, NZA 2010, 698-701, Randnummer 17). Entsprechendes gilt für das Abgeben ausländer- oder fremdenfeindlicher oder rassistischer Äußerungen.

3.    
Die Äußerungen der Mitarbeiterin am 03.02.2021 sind nach übereinstimmender Ansicht der Kammer nicht lediglich unangemessen und inakzeptabel, sondern Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

3.1.    
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Mitarbeiterin die unstreitigen Äußerungen in Worten und Gesten selbst als solche angesehen hat, sondern ob ein unvoreingenommener Dritter sie so verstehen konnte. Die Bezeichnung der mit den Worten „Ming Vase“ gemeinten Frau D und die zur Verstärkung der Worte verwendeten Gesten der Mitarbeiterin sind zur Ausgrenzung von Mitmenschen anderer Herkunft, deren Beleidigung und zu deren Herabsetzung geeignet und zugleich Ausdruck eines Alltagsrassismus, der im „Kleinen“, also im täglichen Alltag auftritt und gerade deswegen umso nachhaltiger wirkt. Diese Formen werden - wie auch vorliegender Fall zeigt - von den Betroffenen und auch „Unbeteiligten“ verinnerlicht. Rassistisches Denken und Handeln fällt den Beteiligten selbst nicht auf. Sie glauben oft fest daran, tatsächlich nicht rassistisch zu sein. ´

Alltagsrassismus zeigt sich aber gerade in kleinen Gesten und Äußerungen. Rassistische und fremdenfeindliche Vorurteile werden sprachlich oder in Gesten reproduziert. Selbst vermeintlich positive Zuschreibungen an eine Gruppe von Menschen anderer ethnischer Herkunft wie besondere Bewegungsfähigkeiten oder besondere sportliche Fähigkeiten können Ausdruck von Rassismus sein.

Der latent in der Gesellschaft existierende Alltagsrassismus ist indes letztlich Ausgangspunkt für offenen und gewollten Rassismus, der sich derzeit immer mehr in der Gesellschaft ausbreitet.

3.2.    
Die Ausdrucksweise und Gesten der Mitarbeiterin zur Charakterisierung der Frau D beinhalten für den Empfänger der Botschaft eine generalisierende, auf bestimmte typische körperliche Merkmale bezogene Beschreibung, die eine ganze Gruppe von Menschen betrifft, welche von der vermeintlichen gesellschaftlichen „Norm“ abweichen und durch die Beschreibung davon ausgrenzen.

Zunächst ist es bereits bemerkenswert, dass die Mitarbeiterin überhaupt einen Begriff wie „Ming Vase“ und zusätzlich eine die asiatische Augenform imitierende Geste verwendete, um Dritten mitzuteilen, welche Person sie meinte. Unterstellt man zugunsten der Klägerin, dass sie den Namen nicht kannte oder vergessen hatte, hätte sie diese aufgrund der ihr zweifellos bekannten beruflichen Position als stellvertretende Department Managerin einer bestimmten Abteilung unzweideutig bezeichnen können. Das Verhalten der Mitarbeiterin hat also keinen nachvollziehbaren Hintergrund.

Stattdessen verwendete sie einen unangemessenen Vergleich mit einem Gegenstand verstärkt durch eine fragwürdige Geste. Zudem kann die „Ming Vasen“ -Charakterisierung angesichts der Gesamtumstände nicht isoliert betrachtet werden, wie dies die Mitarbeiterin selbst und der Betriebsrat versuchen, weil er eben nicht isoliert gefallen ist. Hätte es die Mitarbeiterin allein bei der Bezeichnung der Frau D als „Ming Vase“ belassen, wäre dies zwar ebenfalls inakzeptabel, unter Umständen jedoch anders zu bewerten. Die verstärkende Beschreibung durch eine eindeutige Geste mit Händen und Augen, um eine asiatische Augenform zu imitieren, lässt die Aussage aber in einem anderen Licht erscheinen. Denn die ergänzende Geste in Bezug auf ein typisches körperliches Merkmal zu Charakterisierung gibt auch der Bezeichnung als Ming Vase eine andere Qualität. Dies umso mehr, als die Mitarbeiterin in ihrer Anhörung deutlich gemacht hat, dass sie gedanklich genau das abwertende Wort der „Schlitzaugen“ verinnerlicht hatte, dieses aber nicht habe aussprechen wollen. Auch insoweit hätte es im Übrigen mit dem beschreibenden Wort „asiatisch“ ebenfalls eine neutralere Alternative gegeben.

Diese abwertende und fremdenfeindliche Grundhaltung und die fehlende Bereitschaft und/oder Fähigkeit, ihr Verhalten zu reflektieren, zeigt sich gerade und insbesondere im Anhörungsgespräch, welches eine Woche nach dem Vorfall am 10.02.2021 durchgeführt wurde. Die Mitarbeiterin ist nicht einmal nach der Einladung zu diesem Gespräch, dessen Grund und Anlass sie kannte, in der Lage oder bereit gewesen, sich den einfachen Namen der Frau D zu merken, sondern sie ist erneut zur Beschreibung ihrer Person auf den unsäglichen Ming Vasen ‒ Vergleich und die Augengeste verfallen. Sie zeigte keinerlei Bemühen, an dem kritisierten Verhalten irgendetwas zu ändern und Reue zu zeigen. Vielmehr hat sie noch eins draufgesetzt, indem sie bekundete „schwarze Menschen/Kunden“ allgemein als „Herr Boateng“ zu bezeichnen, weil sie diesen für einen tollen Menschen halte. Diese Erklärung belegt zusätzlich, dass die Mitarbeiterin das Problem nicht verstanden hatte oder zu verstehen bereit ist. Denn auch hier verwendete und verwendet sie ein mittelbar körperliches Merkmal einer bestimmten Menschengruppe generalisierend und ausgrenzend für diese Gruppe. Dabei ist der Umstand zu beachten, dass gerade namentlich Herr Boateng durch einen prominenten AfD-Politiker für einen rassistischen Ausfall öffentlichkeitswirksam verwendet wurde und aus der bloßen vergleichenden Verwendung seines Namens durch die Mitarbeiterin nicht deutlich wird, ob sie dies mit demselben Verständnis oder als Zeichen der Hochachtung verwendet.

Vor diesem Grund erscheint auch eine Entschuldigung für ihr Verhalten vom 03.02.2021 nicht ernst gemeint, sondern wie eine Formalie, um den Konsequenzen ihres Handelns zu entgehen.

4.    
Im Rahmen der Interessenabwägung ist zwar zugunsten der Mitarbeiterin deren langjährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen.

Auf der anderen Seite ist zu betrachten, dass ihr Verhalten offenbar Ausdruck einer Grundhaltung und keine ernstgemeinte Reue bei ihr zu erkennen ist. Sie hat sich innerhalb einer Woche überhaupt keine Gedanken zu ihrem Verhalten und Möglichkeiten der Änderung gemacht. Die aktuelle gesellschaftliche Situation nicht nur in Deutschland, sondern weit über seine Grenzen hinaus, ist geprägt auf der einen Seite von zunehmenden öffentlichen und vor allem offenen Bekundungen, mit denen Minderheiten diskriminiert, Menschen und Menschengruppen ausgegrenzt und beleidigt werden, Schwache belästigt und gedemütigt werden, und auf der anderen Seite von einer erfreulichen, wünschenswerten und zu unterstützenden Sensibilisierung der Gesellschaft. Diese ist an der Mitarbeiterin offenbar vollständig vorbeigegangen.

Von Bedeutung ist auch, dass die Mitarbeiterin in einem Kaufhaus von großem internationalen Ruf mit einem vielfältigen internationalen Publikum tätig ist. Entgegen der Ansicht des Betriebsrats geht es in diesem Zusammenhang nicht allein um das Renommee des Kaufhauses selbst. Vielmehr ist die Klägerin als Verkäuferin ein Aushängeschild dieses Kaufhauses und täglich mit internationalem Publikum in Kontakt, welches sie unter Umständen mangels passender und angemessener Ausdrucksmöglichkeiten wahlweise als Ming Vase oder Herr Boateng oder mit sonstigen abwertenden Formulierungen bezeichnen könnte.

Schließlich ist nicht unbeachtlich, dass sie die Äußerungen vor mehreren Kollegen:innen, darunter Auszubildenden getätigt hat. Es mag sein, dass im konkreten Fall die Äußerungen nicht von jedem gehört oder verstanden und die Gesten nicht von jedem gesehen wurden. Es ist aber auch nicht auszuschließen.

III.
Arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren sind gem. § 2 Abs. 2 GKG in Verbindung mit § 2a Abs. 1 ArbGG gerichtskostenfrei.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss kann von d. Beteiligten zu 2 und 3 Beschwerde eingelegt werden.
Die Beschwerdeschrift muss von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt bzw. einer Vertreterin oder einem Vertreter einer Gewerkschaft, einer Arbeitgebervereinigung oder eines Zusammenschlusses solcher Verbände unterzeichnet sein.
 
Die Beschwerdeschrift muss innerhalb
 
einer Notfrist von einem Monat
 
bei dem
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin
Telefax: 030 90171-841/842/222/333
 
eingegangen sein.

Die Beschwerdeschrift muss die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Beschwerde gerichtet ist, sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt werde.
 
Die Beschwerde ist gleichzeitig oder innerhalb
 
einer Frist von zwei Monaten
 
schriftlich zu begründen.
 
Der Schriftform wird auch durch Einreichung eines elektronischen Dokuments im Sinne des § 46c Arbeitsgerichtsgesetz genügt. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

• von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und auf einem zugelassenen elektronischen Übermittlungsweg oder

• von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 46 c Abs. 4 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eingereicht wird.


Bei Nutzung des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP), des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) oder des besonderen elektronischen Behördenpostfachs (beBPo) kann das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg unter der Suchbezeichnung  Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg adressiert werden. Bei Nutzung von DE-Mail ist das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg mit larbg-berlin-brandenburg@egvp.de-mail.de zu adressieren.
 
Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgesetzten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
 
Dabei ist zu beachten, dass der Beschluss mit der Einlegung in den Briefkasten oder einer ähnlichen Vorrichtung für den Postempfang als zugestellt gilt. Dies gilt nicht bei Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis gemäß § 174 Zivilprozessordnung.
Wird bei der Partei eine schriftliche Mitteilung abgegeben, dass der Beschluss auf der Geschäftsstelle eines Amtsgerichts oder einer von der Post bestimmten Stelle niedergelegt ist, gilt das Schriftstück mit der Abgabe der schriftlichen Mitteilung als zugestellt, also nicht erst mit der Abholung der Sendung.
Das Zustellungsdatum ist auf dem Umschlag der Sendung vermerkt.
 
Für d. Antragsteller/in und Beteiligten zu 1.  ist kein Rechtsmittel gegeben.

Von der Begründungsschrift werden zwei zusätzliche Abschriften zur Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter erbeten.

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