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05.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222156

Finanzgericht Köln: Urteil vom 25.02.2021 – 10 K 1622/18

Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.
 
Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Berechtigung des Klägers, auch für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (50 Abs. 1 EStDV) erteilen zu dürfen.

2

Der Kläger ist ein anerkannter gemeinnütziger e. V., dessen Satzungszweck die Förderung der Volksbildung, der Erziehung und Ausbildung sowie der Kunst im Bereich der Bläsermusik ist (§ 2 Abs. 2 der Satzung). Es handelt sich um Zwecke nach § 52 Abs. 2 Nr. 5 AO (Förderung von Kunst und Kultur) und § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO (Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe). Der Satzungszweck wird nach § 2 Abs. 3 der Satzung insbesondere verwirklicht durch

3

1.  die Unterhaltung und den Betrieb eines sinfonischen Blasorchesters,

4

2.  die Förderung der musikalischen Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht,

5

3.  Aufführung von und Mitwirkung an Konzerten, Platzmusiken, kulturellen und kirchenmusikalischen Veranstaltungen, Musikfesten und -Wettbewerben.

6

Der Kläger hatte in der Vergangenheit zwischen ... und ... Mitglieder. Der Jahresbeitrag für erwachsene, nicht in Ausbildung befindliche Mitglieder beträgt 36 €. Manche Mitglieder zahlen freiwillig einen höheren Beitrag. Das Beitragsaufkommen betrug laut Anlage 17 zum Schreiben des Klägers vom 3.6.2020 im Jahr 2017 1.164 €, im Jahr 2018 1.466 € und im Jahr 2019 1.576 €. Bei den Vereinsmitgliedern handelt es sich überwiegend um Laien, daneben um Musikstudenten und vereinzelt um Berufsmusiker. Zudem gibt es Fördermitglieder, die nicht aktiv am Musikbetrieb teilnehmen. Die Mitglieder des Vereins wirken überwiegend im sinfonischen Blasorchester mit, welches nach § 13 Abs. 1 der Satzung als „... Q“ auftritt, wenngleich der im Jahre 19... gebildete Vereinsname „...“ Q bis heute beibehalten wurde. Der Kläger bildet auch Musiker im Bereich der Bläsermusik und des Dirigats in Praxis und Theorie aus. Dabei wird die Ausbildung sowohl in gesonderten Veranstaltungen (vgl. unter a) als auch integriert in dem Orchesterbetrieb (vgl. unter b) durchgeführt.

7

a)

8

Seit Jahren führt der Kläger einen vom Kreis M im Rahmen der Kulturförderung geförderten Workshop in R als Maßnahmen der Jugendbildung für mehr als ... Teilnehmer durch (Förderbescheid vom 23.5.2018, Bl. 84 der Gerichtsakte). Bei den Teilnehmern handelt es sich überwiegend um jugendliche Instrumentalschüler, die dem Kläger nicht als Mitglieder angehören. Soweit Vereinsmitglieder teilnehmen, üben sie zugleich unterrichtende und/oder organisatorische Tätigkeiten aus. Regelmäßig entsendet der Kläger Mitglieder zu Fortbildungslehrgängen der musikalischen Theorie und Praxis mit dem Ziel, dass diese im Verein notwendige Aufgaben der Unterrichtung und Fortbildung im Rahmen des Orchesters übernehmen, etwa durch Stimmführerschaft und Satzproben. Zudem unterhält der Kläger seit Mai 20... in Kooperation mit einer Schule in Q eine eigene kleine Musikschule für Blasinstrumente (Bläserklasse), in der Vereinsmitglieder und ein externer Musikstudent Instrumentalunterricht erteilen und in der die Schüler zugleich in das Ensemblespiel eingeführt werden, wobei die Vorbereitungstätigkeiten hierzu bereits Mitte 20... anliefen.

9

b) Der Kläger fördert auch die Ausbildung von Musikstudenten oder Schülern, die ein Musikstudium erwägen oder bereits Jungstudenten sind, im Rahmen des theoretischen und praktischen Orchesterbetriebs. Auf dieser Grundlage sind aus dem Kläger auch einige Berufsmusiker hervorgegangen. Das Ausbildungsangebot betrifft sowohl Mitglieder als auch Nichtmitglieder. Obgleich der Kläger immer eigene Stammdirigenten hatte, wurde die Möglichkeit des Dirigats darüber hinaus durchgängig auch Musikstudenten zu Ausbildungszwecken geboten, weil die Musikhochschulen Studenten des Fachbereichs Dirigat in der Regel nur zweimal jährlich die Gelegenheit bieten, ein komplettes Orchester zu dirigieren. Daneben erhalten Instrumentalstudenten Ausbildungsmöglichkeiten, etwa zur Übernahme von Solopartien, was im Hochschulbetrieb sonst nicht möglich wäre. Überdies erhalten künftige Musiklehrer die Möglichkeit praktischer Unterrichtsübungen, etwa in Satzproben.

10

Die kulturelle Gesamtbetätigung des Klägers setzt sich im jährlichen Durchschnitt nach seinen Angaben (Bl. 5 f. der Gerichtsakte) wie folgt zusammen:

11

--              3 Konzerte jährlich je 2 - 2,5 Std. zzgl. Einspielproben (je 1 Std.): 6-10,5 Std. (zugleich Zweckbetriebe),

12

--  3 - 4 Marschmusiken mit einem Teil der aktiven Mitglieder (je 1 -1 1/2 Std.): 4 - 6 Std. (Zweckbetriebe),

13

--  2 musikalische Gestaltungen von Gottesdiensten (je 2,5 Std. inkl. Einspielprobe): 5 Std. (unentgeltlich),

14

--  3-4 Auftritte in Alten- und Pflegeheimen und im Heim M (je 3/4 Std.  keine Einspielproben): ca. 2 - 3 Std. (unentgeltlich),

15

--  Workshop: 35 Std. (Zweckbetrieb) zzgl. Vorbereitungszeit,

16

--  Bläserklasse: wöchentl. Unterrichts- und Probeneinheiten in der Schulzeit (Zweckbetrieb),

17

--  Orchesterproben: ca. 45 x 2,5 Std. zzgl. 1 Probenwochenende (14 Std.) sowie 8 Satzproben für einzelne Instrumentengruppen je 1 Std.

18

Die Proben dienen überwiegend der Auswahl und Einstudierung des Repertoires und schließen auch Stücke und Übungen ein, die allein für Ausbildungszwecke von Studenten, insbesondere des Dirigats, gespielt bzw. durchgeführt werden und nicht zum Auftrittsrepertoire des Orchesters gehören. Da durchgängig Musikstudenten und Instrumentalschüler im Orchester mitwirken, dient jede Probe auch Ausbildungs- und Jugendbildungszwecken,

19

--  Auswahl des Repertoires durch Dirigenten und einige Mitglieder.

20

In den Freistellungsbescheiden für 2002 bis 2004 vom 24.9.2007, für 2005 bis 2007 vom 11.9.2008 (Berichtigungsbescheid gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO), für 2008 bis 2010 vom 10.8.2011 und für 2011 bis 2013 vom 29.9.2014 wurde im Anschluss an die Bescheid-Feststellungen unter der Überschrift „Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen“ zur Behandlung der Mitgliedsbeiträge ausgeführt:

21

„Die Körperschaft ist berechtigt, für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (50 Abs. 1 EStDV) auszustellen.“

22

Aufgrund der Angaben in den Erklärungen für begünstigte Körperschaften für das Kalenderjahr 2016 erließ der Beklagte unter dem 31.5.2017 einen Freistellungsbescheid für 2014 bis 2016 zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, in welchem es im Anschluss an den Feststellungsteil zum „Umfang der Steuerbegünstigung“ nebst dem ausdrücklichen Hinweis, dass die Rechtsbehelfsbelehrung sich nur auf den Feststellungsteil beziehe, unter der Überschrift „Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen“ heißt:

23

„Die Körperschaft ist nicht berechtigt, für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen, weil Zwecke im Sinne des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG gefördert werden“.

24

Dieser Freistellungsbescheid wurde mit Bescheid vom 16.6.2017 auf der Grundlage von § 129 AO bezüglich der „Hinweise zur Steuerbegünstigung“ dahin berichtigt, dass es hinsichtlich der geförderten gemeinnützigen Zwecke über die bisherige Angabe,

25

„-- Förderung von Kunst und Kultur

26

-- Förderung der Erziehung“

27

nun auch aufgeführt wurde:

28

„ -- Förderung der Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe“

29

Am 6.6.2017 erging zudem der „Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO über die gesonderte Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO“. Danach erfüllt die Satzung des Klägers „die satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO.“ Unter der Überschrift „Hinweise zur Feststellung“ wird sodann u.a. ausgeführt: „Diese Feststellung bindet das Finanzamt hinsichtlich der Besteuerung der Körperschaft und der Steuerpflichtigen, die Zuwendungen in Form von Spenden und Mitgliedsbeiträgen an die Körperschaft erbringen (§ 60a Abs. 1 Satz 2 AO).“ In der Folge fett gedruckt ist der weitere Hinweis „Die Rechtsbehelfsbelehrung bezieht sich nur auf die vorstehende Feststellung“. Schließlich enthält der Bescheid einen Hinweis u.a. zur Steuerbegünstigung und zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen dahin, dass insoweit „auf den letzten gültigen Freistellungsbescheid verwiesen“ werde.

30

Gegen den Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO und den berichtigten Freistellungsbescheid vom 16.6.2017 legte der Kläger am 25.6.2017 Einspruch ein. Hierzu machte er geltend, der Einspruch richte sich gegen die unter Hinweis auf § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG erfolgte Festlegung, dass für die Mitgliedsbeiträge keine Zuwendungsbestätigungen erteilt werden dürften. Denn er ‒ der Kläger ‒ verfolge gemischte, insbesondere auch der Ausbildung dienende Zwecke und nicht „in erster Linie“ der Freizeitgestaltung dienende Betätigungen.

31

Mit Einspruchsentscheidung vom 13.6.2018 verwarf der Beklagte den Einspruch wegen „Hinweis zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen für Mitgliedsbeiträge im Freistellungsbescheid für 2014 bis 2016 zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer“ als unzulässig.

32

Hierzu führte er aus, der streitbefangene Bescheid beinhalte zwei Teile, nämlich zum einen die Anerkennung des Klägers als gemeinnützig und die Feststellung von dessen Freistellung von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer und zum anderen den Teil, der u.a. Hinweise zur Ausstellung von Spendenbestätigungen enthalte. Streitig seien nur die Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen für Mitgliedsbeiträge. Insofern liege jedoch kein Verwaltungsakt vor. Denn es handele sich insoweit lediglich um eine unverbindliche Auskunft bzw. um einen Hinweis des Finanzamts ohne Regelungswirkung, auf die kein rechtsverbindlicher Anspruch bestehe. So beziehe sich die Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich lediglich auf die Feststellung, nicht aber auf die Hinweise. Deshalb habe er ‒ der Beklagte ‒ auch nicht den Schein eines Verwaltungsaktes gesetzt.

33

Die in dem streitigen Hinweis enthaltene Mitteilung über die Nichtberechtigung des Klägers, für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen nach amtlichem Vordruck auszustellen, sei im Übrigen zutreffend. Der Abzug von nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG neben Spenden grundsätzlich ebenfalls begünstigten Mitgliedsbeiträgen scheide aus, wenn die steuerbegünstigte Körperschaft kulturelle Betätigungen fördere, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienten (vgl. § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG). Die Vorschrift greife ein bei Körperschaften, die selbst (aktiv) eigene kulturelle Betätigungen mit den Mitgliedern betrieben. Das Musizieren der Mitglieder des Klägers im Rahmen seiner Aktivitäten z.B. bei Auftritten und Proben sei eine Form der Freizeitgestaltung der Mitglieder.

34

Der Kläger hat am 6.7.2018 die vorliegende Klage erhoben, mit der er in der Hauptsache die Feststellung begehrt, dass er berechtigt ist, Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen.

35

Hierzu macht er im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen der Ausschlussregelung für die Begünstigung von Mitgliedsbeiträgen gemäß § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG seien nicht erfüllt, weil er nicht in erster Linie kulturelle Betätigungen fördere, die der Freizeitgestaltung dienten.

36

Der Senat hat durch Gerichtsbescheid vom 2.4.2020 der Klage mit ihrem Hauptantrag stattgegeben und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei als Feststellungsklage zulässig. Sie habe auch in der Sache Erfolg, weil der Kläger keine kulturelle Betätigung fördere, die in erster Linie der Freizeitgestaltung i.S. des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG diene. Der in dieser Vorschrift normierte Ausschluss der Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen greife nicht ein, wenn die Körperschaft unterschiedliche Zwecke verfolge und einer der nicht untergeordneten Zwecke nicht der Freizeitgestaltung diene. So liege der Fall hier, weil der Kläger in nicht untergeordneter Weise die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO betreibe, indem er die musikalische Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht fördere. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des Gerichtsbescheids Bezug genommen.

37

Der Beklagte ‒ der mit Schriftsatz vom 26.3.2020 (Bl. 178 der Gerichtsakte) noch mitgeteilt hatte, aus seiner Sicht sei der Sachverhalt unstreitig ‒ hat hierauf mit Schriftsatz vom 29.4.2020 nach § 90a Abs. 2 FGO die mündliche Verhandlung beantragt und hierzu geltend gemacht, er sei angesichts des Verfahrensablaufs bisher davon ausgegangen, dass es nicht auf die Frage ankomme, ob die kulturellen Betätigungen der Klägers, die der Freizeitgestaltung dienten, die anderen Betätigungen überwögen. Deshalb sei er bisher auf eine Gewichtung der einzelnen Betätigungen nicht eingegangen, was aber nicht dazu führen könne, dass der entsprechende Sachvortrag des Klägers als von ihm ‒ dem Beklagten ‒ unbestritten übernommen worden sei. Soweit im Gerichtsbescheid ausgeführt werde, der Vereinszweck bestehe nicht nur in der Förderung von Kunst und Kultur, sondern zumindest auch in nicht untergeordneter Weise in der Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsausbildung einschließlich der Studentenhilfe, möge der Kläger dies anhand geeigneter Unterlagen nachweisen. Denn der Kläger habe hierzu bisher keine aussagekräftigen Unterlagen vorgelegt. Er ‒ der Beklagte ‒ könne im Übrigen die Richtigkeit der Angaben des Klägers auf Bl. 5 ff. der Klagebegründung vom 2.7.2018 zu den Zeitanteilen seiner kulturellen (Gesamt-) Betätigungen (Konzerte, Marschmusiken, Auftritte, Workshop, Bläserklasse, Orchesterproben etc.) auf Grundlage der bisher vorliegenden Informationen nicht kennen und damit auch nicht unbestritten lassen.

38

Der Kläger macht hierzu mit Schriftsatz vom 3.6.2020 ergänzend geltend, soweit der Beklagte den wesentlichen Sachverhalt nach Ergehen des Gerichtsbescheids nunmehr mit Nichtwissen bestreite, komme allenfalls ein ‒ bisher nicht erfolgtes ‒ qualifiziertes Bestreiten in Betracht, sofern der Beklagte damit nicht ohnehin im Hinblick auf die Bestandskraft der Freistellung präkludiert sei.

39

Aktenkundig sei im Übrigen die alljährliche Durchführung des Workshops und dessen (jugend-)bildender Charakter mit den eingereichten Aufstellungen der Einnahmen und Ausgaben aller Jahre, den Protokollen der Mitgliederversammlungen 2012 bis 2014 und dem Homepageausdruck vom 6.6.2018. Aus den Aufstellungen gehe weiter hervor, dass ihm ‒ dem Kläger ‒ Aufwendungen für Seminare entstanden seien, wenngleich nicht in jedem Jahr. Der Beklagte habe diese Tatsachenangaben in seiner „Checkliste Bearbeitung von gemeinnützigen Körperschaften" auch zutreffend dahin gewertet, dass die Verwirklichung der Vereinszwecke, die in der Checkliste vereinfacht mit „Förderung Volksmusik § 52 (2) Nr. 7 Volksbildung, Erziehung“ genannt seien, „aus den Unterlagen nachzuvollziehen“ seien, nämlich anhand der „Ausgaben: Noten, Seminare, Instrumente, Uniformen, Workshops, Konzerte". Bezüglich der zeitnahen Verwendung führe der Beklagte aus: „Ja, Ausgaben für Musikzwecke - Förderung musikalische Erziehung".

40

Seine ‒ des Klägers ‒ Homepage spiegele seine Aktivitäten nur unzureichend wider, da sie nicht professionell geführt werde und nicht gepflegt sei; die letzten Eintragungen aus dem Ausdruck vom 6.6.2018 stammten aus dem Jahr 2013.

41

Zur Darstellung seiner Gesamttätigkeit hat der Kläger als Anlage 16 zu seinem Schriftsatz vom 3.6.2020 die Geschäftsberichte für die Jahre 2018 und 2019 vorgelegt. Hierzu trägt er vor, im Jahr 2019 sei die Bildungsarbeit erweitert worden, indem das Zwischenorchester „K" zur vertieften Ausbildung für fortgeschrittene Mitglieder des Juniororchesters (Vororchesters) und zur ergänzenden Probenarbeit für Mitglieder des Orchesters gegründet worden sei. Damit würden jugendliche und erwachsene Schüler speziell für die fortgeschrittene Orchesterarbeit ausgebildet. Für das Jahr 2017 entspreche die Gesamttätigkeit - mit Ausnahme des Zwischenorchesters „K" - im Wesentlichen derjenigen der Jahre 2018 bis 2019. Für die Jahre 2014 bis 2016 habe sich die Vereinstätigkeit insoweit von derjenigen der Folgejahre unterschieden, als die Bläserklasse und das damit verbundene Juniororchester (Vororchester) noch nicht existiert hätten.

42

Zu den vom Beklagten bestrittenen Kostenverhältnissen verweist der Kläger auf Finanzübersichten für die Jahre 2017 bis 2019 (Anlage A 17 zum Schriftsatz vom 3.6.2020) und macht hierzu geltend, für die Vorjahre befänden sich die Aufstellungen in den Akten des Beklagten. Danach ergäbe sich der Anteil der unmittelbaren Kosten der Ausbildung/ Erwachsenenbildung (Lehrgänge, Bläserklasse, Workshop) an den Gesamtkosten wie folgt:

43

2011 33,5%
2012 35,3 %
2013 23,4 %
2014 31,%
2015 27,8 %
2016 41,0%
2017 50,6 %
2018 55,2 %
2019 53,8 %

44

Zu den zeitlichen Verhältnissen der Einzeltätigkeiten verweist der Kläger exemplarisch auf weitere Anlagen zu seinem Schriftsatz vom 3.6.2020, nämlich auf die Anlage A 18 zu den Regelprobezeiten, die Anlage A 19 zur Dauer von Umzugsmusiken, die Anlage A 20 zur Dauer von Konzerten und die Anlage A 21 zur Dauer von Probetagen.

45

Zum Beleg für andere musikalische Mitwirkungen, insbesondere im sozialen Bereich, wie an Martinsumzügen, am Volkstrauertag und in Gottesdiensten verweist der Kläger auf seine jeweils zum Jahresbeginn erstellten Terminübersichten für die Jahre 2017 bis 2019 (Anlage A 22 zum Schriftsatz vom 3.6.2020) sowie auf Schreiben der Gemeinde Q und E-Mails vom 15. und 31.10.2019 (Anlage A 23 Schriftsatz vom 3.6.2020). Weitere Veranstaltungen und Mitwirkungen (wie in Altenheimen, im Heim M und in Gottesdiensten) würden ‒ so der Kläger ‒ meist nur (fern)mündlich abgesprochen. Im Übrigen entsprächen die vorgetragene Dauer der musikalischen Veranstaltungen sowie der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad (gering bei Kirchenliedern, Martinsliedern, den meisten Märschen; hoch bei den meisten sinfonischen Konzertstücken) und daran anknüpfend nicht gebotener oder hoher Probenaufwand der allgemeinen Lebenserfahrung und bedürften mangels substantiierten Bestreitens deshalb keines Beweises.

46

Desweiteren trägt der Kläger vor, er betreibe schon immer auch Jugendbildungsarbeit. Insbesondere aufgrund langjähriger Kooperation mit dem Musikbereich der Schule in R habe er stets viele jugendliche Orchestermitglieder. In der Regel habe es sich um fortgeschrittene Instrumentalschüler gehandelt, die musikalisch über die Anforderungen eines Schulorchesters hinausgewachsen seien und denen von Musiklehrern der Eintritt in das Orchester des Klägers empfohlen worden sei.

47

Zu seiner Tätigkeit im Rahmen der Bläserklasse (Juniororchester) verweist der Kläger auf die Anlagen A 26 bis A 30 zu seinem Schriftsatz vom 3.6.2020 und macht dazu geltend, u.a. nach der Einführung der Ganztagsschule sei der Anteil der jugendlichen Orchestermitglieder kontinuierlich zurückgegangen, so dass die Neustrukturierung der Nachwuchsarbeit dergestalt notwendig geworden sei, dass die Arbeit altersmäßig früher als bisher hätte angesetzt und auch die musikalische Grundausbildung hätte einbezogen werden müssen. Mitte des Jahres 2016 seien deshalb konkrete Vorbereitungen für die Gründung einer kleinen Musikschule (Bläserklasse) in Kombination mit einem Nachwuchsorchester aufgenommen worden. Zu dem Konzept gehörten auch das Angebot von Musikunterricht und der Verleih von Instrumenten über den Verein. Den Musikunterricht für jeweils mehrere Schüler führten die Orchestermitglieder und ein eigens hierfür engagierter Musikstudent durch. Der Instrumentenverleih sei in Zusammenarbeit mit einem Musikhaus erfolgt. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Dauerbetrieb einer Bläserklasse und eines Ausbildungsorchesters mit einem erheblichen organisatorischen und musikpädagogischen Vorbereitungsaufwand verbunden sei, der zeitlich weit über die eigentliche Zeit des Musizierens hinausgehe und bei ihm als kleiner Verein nur unter hohem persönlichem Einsatz von Mitgliedern möglich sei. Zudem entspreche es der Lebenserfahrung, dass das Einbringen der eigenen musikalischen Betätigung im Rahmen von Unterricht und der Ensembleausbildung Teil der Ausbildungstätigkeit sei und nicht Ausdruck der Ausübung eines Hobbys.

48

Zu dem Workshop als Bildungsmaßnahme trägt der Kläger ergänzend vor, die Maßnahme werde von ihm seit vielen Jahren in Kooperation mit der Musikschule R durchgeführt. Für die Durchführung der Veranstaltung würden überwiegend nicht vereinsangehörige Berufsmusiker als (Haupt-)Dozenten verpflichtet. Zum weiteren Beleg für die jährliche Durchführung der Maßnahme und ihren (jugend-) bildenden Charakter verweist der Kläger ergänzend auf die Anlage A 31 zu seinem Schriftsatz vom 3.6.2020. Zur Einbindung von Musikstudenten und Referendaren in den Orchesterbetrieb listet der Kläger diverse Personen auf, für die dies seit dem Jahr 2014 zutrifft. Zum Nachweis sonstiger Bildungsmaßnahmen nimmt der Kläger Bezug auf die Anlage A 32 zu seinem Schriftsatz vom 3.6.2020 (Zahlungsnachweise über Schulungsmaßnahmen für verschiedene Mitglieder).

49

In verfahrensrechtlicher Hinsicht trägt der Kläger ergänzend vor, der Beurteilung der Feststellungsklage als zutreffende Klageart liege zugrunde, dass die Negativaussage, er ‒ der Kläger ‒ sei nicht berechtigt, Zuwendungsbestätigungen (Spendenbescheinigungen) für Mitgliedsbeiträge auszustellen, nicht zum Regelungsgehalt der Freistellungsbescheide bzw. Bescheide nach § 60a AO gehöre. Daraus sowie aus der Eigenschaft des Feststellungsinteresses als Sachurteilsvoraussetzung folge, dass keine Bindung an den Zeitraum der Bescheide bestehe, sondern bezüglich des maßgeblichen Sachverhalts auf den Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung abzustellen sei. Nach erfolgter Abfrage gebe es kein einziges Vereinsmitglied mehr, bei dem die Einkommensteuer für die Jahre 2014 bis 2016 noch offen sei. Auch für die Mitgliederwerbung sei eine Aussage für diesen Zeitraum nicht mehr von Bedeutung. Ein Feststellungsinteresse könne damit an diesen Zeitraum nicht mehr anknüpfen. Der trotz Vortrags des Sachverhalts für die Jahre 2017 und 2018 gestellte Klageabweisungsantrag des Beklagten belege indes das Fortbestehen des Feststellungsinteresses auch für den Zeitraum nach dem Jahr 2016. Im Übrigen habe er ‒ der Kläger ‒ unmittelbar nach der Bereitstellung der amtlichen Erklärungsvordrucke am 8.5.2020 die Erklärungen für die Jahre 2017 bis 2019 abgegeben. Mangels zeitlicher Bindungswirkung der ergangenen Bescheide für die Feststellungsklage bedeute die zeitliche Verlagerung weder eine (teilweise) Erledigung des bisherigen Verfahrens noch eine Klageänderung oder Klageerweiterung.

50

Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.6.2020 als Anlage 33 (Bl. 341 f. der Gerichtsakte) eine Kopie des Freistellungsbescheids für die Jahre 2017 bis 2019 zu den Akten gereicht und hierzu geltend gemacht, der Beklagte halte darin an seiner Auffassung fest, dass er ‒ der Kläger ‒ nicht berechtigt sei, Zuwendungsbestätigungen für Mitgliedsbeiträge auszustellen. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.

51

Der Kläger beantragt

52

festzustellen, dass er berechtigt ist, Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen,

53

hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten, die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszusprechen,

54

äußerst hilfsweise die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 13.6.2018.

55

Der Beklagte beantragt,

56

die Klage abzuweisen,

57

hilfsweise die Revision zuzulassen.

58

Er macht ergänzend geltend, der Kläger gebe in seinem Schriftsatz vom 3.6.2020 die Kosten der Ausbildung/Erwachsenenbildung für die Jahre 2011 bis 2019 prozentual an. Diese Prozentsätze ergäben sich aus dem Verhältnis der Ausgaben für Seminare und Workshops zu den gesamten Kosten. Dabei werde unberücksichtigt gelassen, dass den Ausgaben zumindest in Bezug auf die Workshops Einnahmen und Zuschüsse gegenüberstünden, die die Kosten für die Workshops nicht nur deckten, sondern im Ergebnis zu einem Überschuss führten. Eine Verwendung der Mitgliedsbeiträge für die Kosten der Ausbildung/Erwachsenenbildung komme jedenfalls nicht zum Zuge.

59

Der Kläger sei wegen Förderung von Kunst und Kultur sowie Erziehung und Bildung freigestellt, es seien also beide Zwecke nebeneinander festgestellt worden. Es sei bei den einzelnen Bereichen nicht eindeutig klar, welchem Zweck des § 52 AO sie (mehr) zuzurechnen seien. Zudem sei dann auch fraglich, wie damit umzugehen sei, wenn Schwankungen in den Verhältnissen der Kosten für die Ausbildung/ Erwachsenenbildung zu den gesamten Kosten existierten und einzelne Tätigkeiten nicht durchgängig angeboten, neu aufgenommen oder eingestellt würden. Es stelle sich dann die Frage, bei welchem Prozentsatz von „nicht untergeordneten Zwecken" auszugehen sei und wie dies in der Praxis gehandhabt werden solle, wenn die Verhältnisse nicht gleichbleibend seien. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen für Mitgliedsbeiträge auch für die Zukunft ergehe.

60

Darüber hinaus überschnitten sich regelmäßig die Bereiche Förderung von Kunst und Kultur sowie Erziehung und Bildung. Deswegen stelle er ‒ der Beklagte ‒ in Frage, ob die Zuordnung zu den einzelnen Betätigungen allein durch die Gewichtung der getätigten Ausgaben vorgenommen werden könne. So „lerne" zwar auf der einen Seite jedes Mitglied im Rahmen einer Orchesterprobe etwas, auf der anderen Seite sei aber das Unterhalten eines Orchesters und eines Nachwuchsorchesters als eigene kulturelle Betätigung der (jugendlichen) Vereinsmitglieder anzusehen. Weiter stelle sich die Frage, ob die Einführung eines Nachwuchsorchesters und Zwischenorchesters, die Aus- und Fortbildung der Mitglieder und die Übernahme von Kosten durch den Verein für einzelne Mitglieder für die „Teilnahme an den qualifizierenden Lehrgängen für die Laienmusik" anderer Veranstalter nicht vorrangig dazu diene, den Fortbestand des Orchesters und damit auch des Vereins zu sichern, das Orchester qualitativ aufzuwerten und entsprechend das kulturelle Niveau zu heben und damit dem Zweck der Förderung von Kunst und Kultur diene.

61

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Klageschrift vom 2.7.2018, der Klageerwiderung vom 2.10.2018, des Gerichtsbescheids vom 2.4.2020, den Schriftsätzen des Beklagten vom 29.4.2020 und 31.7.2020 und den klägerischen Schriftsätzen vom 3.6.2020 und 29.6.2020 nebst Anlagen Bezug genommen.

62

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.2.2021 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

63

I.

64

Die Klage hat mit ihrem Hauptantrag Erfolg.

65

1.

66

Die Klage ist als Feststellungsklage zulässig.

67

Gemäß § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒ kann durch die Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Nach Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

68

Unter „Rechtsverhältnis“ i.S. dieser Vorschrift ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen zu verstehen. Die begehrte Feststellung braucht sich nicht auf das Rechtsverhältnis als Ganzes zu beziehen, sondern kann sich auf einzelne Berechtigungen oder Verpflichtungen beschränken, die aus einem umfassenden Rechtsverhältnis erwachsen. Nicht feststellungsfähig sind hingegen einzelne Vorgänge oder Elemente eines Rechtsverhältnisses (BFH-Urteil vom 23.9.1999 XI R 66/98, BStBl II 2000, 533 m.w.N.).

69

a.

70

Hier begehrt der Kläger die Feststellung, ob und in welchem Umfang er befugt ist, Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Diese Feststellung ist nicht auf Tatsachen oder auf die Auslegung einer Rechtsnorm gerichtet, sondern betrifft die Frage, ob dem Kläger eine bestimmte öffentlich-rechtliche Befugnis zusteht. Besteht diese Befugnis nicht, droht eine Haftung wegen des Ausstellens einer unrichtigen Bestätigung (§ 10b Abs. 4 Satz 2 EStG). Hinsichtlich der so geregelten rechtlichen Beziehung zur Finanzverwaltung kann der Kläger nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gerade im Hinblick auf das Haftungsrisiko nicht darauf verwiesen werden, dass eine Entscheidung über die Voraussetzungen der Abziehbarkeit im Veranlagungsverfahren des einzelnen Vereinsmitglieds ergehen könne (BFH-Urteil vom 23.9.1999 XI R 66/98, BStBl II 2000, 533 unter Hinweis auf BT-Drucks 11/4176, 17).

71

b.

72

Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung gemäß § 41 Abs. 1 FGO, das auch in einem ideellen oder wirtschaftlichen Interesse bestehen kann (BFH-Urteil vom 23.9.1999 XI R 66/98, BStBl II 2000, 533), ergibt sich bereits daraus, dass jedenfalls die Bereitschaft zur Fördermitgliedschaft wesentlich von der steuerlichen Berücksichtigungsfähigkeit der Vereinsbeiträge beeinflusst wird.

73

c.

74

Der Kläger kann sein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung auch nicht im Wege einer anderen Klageart geltend machen. Die Voraussetzungen für eine Verpflichtungsklage bzw. eine allgemeine Leistungsklage sind nicht gegeben, da keine Verpflichtung zur Erteilung einer entsprechenden Rechtsauskunft besteht (BFH-Urteil vom 23.9.1999 XI R 66/98, BStBl II 2000, 533; FG Münster, Urteil vom 16.2.2007, 9 K 4907/02 S, EFG 2007, 1434), worauf der Beklagte zu Recht hinweist. Gemeinnützige Einrichtungen haben keinen Anspruch auf eine Auskunft bzw. einen Hinweis des Finanzamts dahin, dass eine Berechtigung des Vereins zur Erteilung für Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge besteht.

75

Der unter dem 16.6.2017 zuletzt geänderte Freistellungsbescheid vom 31.5.2017 enthält ‒ ebenso wie der Freistellungsbescheid für die Jahre 2017 bis 2019 vom 25.6.2020 ‒ hinsichtlich der Aussage zur Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen auch keinen anfechtbaren Verwaltungsakt. Der Beklagte wollte insoweit ausdrücklich keine Regelung treffen, hat dies deutlich zum Ausdruck gebracht und nicht den Anschein einer Regelung gesetzt. Vor diesem Hintergrund wäre allenfalls noch denkbar ein Antrag auf isolierte Aufhebung der den Einspruch des Klägers als unzulässig verwerfenden Einspruchsentscheidung vom 13.6.2018, womit jedoch keine Aussage zu der vom Kläger eigentlich begehrten Feststellung hinsichtlich seiner Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen auch für Mitgliedsbeiträge getroffen würde.

76

2.

77

Die Klage ist auch begründet.

78

Der Kläger ist berechtigt, entsprechend der Vorschrift des § 50 Absatz 1 EStDV Bestätigungen auch über die an ihn geleisteten Mitgliedsbeiträge auszustellen. Denn bei diesen handelt es sich, wie § 50 Abs. 1 Satz 1 EStDV voraussetzt, um Zuwendungen i.S. des § 10b EStG.

79

a.

80

Gemäß § 10b Abs. 1 EStG sind Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung im Rahmen der dort aufgeführten Grenzen als Sonderausgaben abziehbar. Nicht abziehbar sind allerdings Mitgliedsbeiträge u.a. an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen (§ 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG).

81

Nach dem von der Rechtsnorm danach vorgeschriebenen Regel-Ausnahmeprinzip erfüllen die im Streitfall an den Kläger entrichteten Mitgliedsbeiträge nicht die Voraussetzungen für den Ausschluss vom Sonderausgabenabzug, weil die Ausschlussregelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ‒ entgegen der Auffassung des Beklagten ‒ nicht eingreift, wenn die Körperschaft unterschiedliche Zwecke verfolgt und einer der ‒ nicht untergeordneten ‒ Zwecke nicht der Freizeitgestaltung dient. Das ergibt sich aus einem Vergleich der hier anzuwendenden Regelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG mit der Vorgängerregelung des § 48 EStDV. Im Einzelnen:

82

Die Regelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG über die Nichtabziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen an Körperschaften mit in erster Linie der Freizeitgestaltung dienender kultureller Betätigung beruht historisch auf § 48 EStDV, der im Zuge der Neuregelung des Spendenrechts zum 1.1.2000 durch Änderung der EStDV vom 10.12.1999 (BGBl. I 1999, 2413) eingeführt worden war. Die Regelung des § 48 Abs. 3 EStDV enthielt die Bestimmung, dass die steuerlich begünstigten abzugsfähigen Zuwendungen grundsätzlich Spenden und Mitgliedsbeiträge umfassten. Für die jeweilige Abziehbarkeit wurde nach § 48 Abs. 4 Satz 1 EStDV danach differenziert, ob die Körperschaft in Abschnitt A der Anlage 1 zu dieser Verordnung bezeichnete Zwecke förderte (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStDV: Abziehbarkeit der Zuwendungen insgesamt, also von Spenden und Beiträgen) oder ob in Abschnitt B der Anlage bezeichnete Zwecke gefördert wurden (§ 48 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStDV: Abziehbarkeit ausschließlich der Spenden). Eine weitere Einschränkung enthielt § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV, nach dem Mitgliedsbeiträge an Körperschaften nicht abgezogen werden durften, die Zwecke förderten, „die sowohl in Abschnitt A als auch in Abschnitt B der Anlage 1 zu dieser Verordnung“ bezeichnet waren. In Abschnitt B der Anlage 1 waren als schädliche Zwecke u.a. die Förderung des Sports aufgeführt und die Förderung „kultureller Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“.

83

In der damaligen Gesetzesbegründung war dazu ausgeführt, dass die bis einschließlich 1999 für die Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen geltende Abgrenzung nicht mehr nachvollziehbar sei. Von der grundsätzlich bestimmten Abziehbarkeit der Mitgliedsbeiträge sollten solche ausgenommen sein, „aus denen bei typisierender Betrachtung überwiegend Leistungen gegenüber Mitgliedern erbracht werden oder die in erster Linie im Hinblick auf die eigene Freizeitgestaltung geleistet werden“ (BR-Drucks. 418/99, S. 11 f.). Im Hinblick auf die Mitgliedsbeiträge begünstigt sein sollten mithin die in Abschnitt A der Anlage 1 zu § 48 Abs. 4 EStDV genannten gemeinnützigen Zwecke, während für die in Abschnitt B bezeichneten Zwecke nur Spenden steuerlich abziehbar sein sollten. Maßgeblich für die Zuordnung zu den beiden Abschnitten der Anlage sollte sein, ob die Mitgliedsbeiträge zur Förderung des jeweiligen Zwecks „bei typisierender Betrachtung in der Regel aus altruistischen Motiven geleistet werden oder ob sie überwiegend der Finanzierung von Leistungen an Mitglieder dienen bzw. in erster Linie der eigenen Freizeitgestaltung förderlich sind“, mit der Folge, dass die Mitgliedsbeiträge insgesamt nicht abziehbar sein sollten, wenn ein Verein sowohl in Abschnitt A als auch in Abschnitt B aufgeführte Zwecke fördert (vgl. BR-Drucks. 418/99, S. 15).

84

Nach Aufhebung des § 48 EStDV durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007 (BGBl. I S. 2332) mit Wirkung vom 1.1.2007 nicht übernommen in die für die Streitjahre maßgebliche Neuregelung wurde die Bestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV, nach der Mitgliedsbeiträge an Körperschaften nicht abgezogen werden dürfen, die Zwecke fördern, „die sowohl in Abschnitt A als auch in Abschnitt B der Anlage 1 zu dieser Verordnung bezeichnet sind“. In der Gesetzesbegründung für die Änderung wird in einem allgemeinen Teil ausgeführt, dass die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements in der heutigen, durch wachsenden Wettbewerbsdruck und ökonomische Zwänge gekennzeichneten Zeit immer mehr zunimmt, in der wachsende Fliehkräfte unserer Gesellschaft deren Zusammenhalt gefährden. Zur Bewahrung des Zusammenhalts der Gesellschaft sollte die in gemeinnützigen Vereinen „zivilgesellschaftlich organisierte Mitmenschlichkeit“ vor allem durch den Abbau von Bürokratiehemmnissen gefördert werden, damit ehrenamtlich tätige Menschen mehr Zeit für ihre Mitmenschen haben. Hierzu bezweckte die Neuregelung u.a. die „Rücksichtnahme auf besondere Verhältnisse im kulturellen Bereich durch verbesserten Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Vereine zur Förderung kultureller Einrichtungen“ (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3.5.2007 in BT-Drucks. 16/5200, S. 12 ff.).

85

Zu diesem Zweck sollten die bis dahin in § 10b Abs. 1 EStG enthaltenen Begriffe der Ausgaben und Zuwendungen zusammengefasst werden zu dem Begriff  „Zuwendungen“ bei gleichzeitiger Klarstellung, dass unter diesem Begriff ‒ entsprechend der bisher in § 48 Abs. 3 EStDV enthaltenen Regelung ‒ grundsätzlich sowohl Spenden als auch Mitgliedsbeiträge gemeint waren (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3.5.2007 in BT-Drucks. 16/5200, S. 15). Zur Begründung der Einschränkung der Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen durch die Regelung in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG heißt es sodann in der Gesetzesbegründung vom 3.5.2007 (BT-Drucks. 16/5200, S.16), dass der Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Körperschaften versagt werden sollte, die die bisher in Abschnitt B der Anlage 1 zu § 48 Abs. 4 EStDV genannten Zwecke fördern, also insbesondere „die aktiv ausgeführten eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder (z. B. im Laientheater, Laienchor, Laienorchester)". Die Gesetzesbegründung ist mithin fokussiert auf die Motivation für die Fortführung der Prioritätsbestimmung für „eigene“ kulturelle Betätigungen „die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“ in Abschnitt B Nr. 2 der Anlage 1 zu § 48 Abs. 4 EStDV (jetzt § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG); sie enthält ‒ abgesehen vom allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung ‒ aber keinen Hinweis darauf, warum die in der Vorgängerregelung zusätzlich enthaltene Kollisionsregelung des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV nicht auch fortgeführt wurde, nach der Mitgliedsbeiträge nicht abgezogen werden dürfen, die Zwecke fördern, „die sowohl in Abschnitt A als auch in Abschnitt B der Anlage 1 zu dieser Verordnung bezeichnet sind“.

86

b.

87

Ausgehend von dieser Regelungshistorie teilt das Gericht nicht den Ansatz des Beklagten, der es unter Bezugnahme auf die einschlägigen Richtlinienbestimmungen für irrelevant hält, ob die kulturellen Betätigungen, die der Freizeitgestaltung dienen, die anderen Betätigungen (die z.B. der Jugendbildung dienen) überwiegen und die Nichtabziehbarkeit der Mitgliedsbeiträge schon dann anzunehmen sei, wenn „auch“ kulturelle Tätigkeiten mit in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG genannten Zwecken verfolgt werden. Der insoweit vom Beklagten zur Begründung angeführte Hinweis auf die Vorgängerregelung in§ 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV a.F., nach dem es bei gleichzeitiger Förderung von beitragsschädlichen und -unschädlichen Zwecken zu einer „Gesamtinfektion“ der Mitgliedsbeiträge kommt, überzeugt nicht. Denn diese Regelung ist trotz ausdrücklicher Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf die früheren Regelungen in den Absätzen 3 und 4 der Vorgängerregelung in § 48 EStDV a.F. in die Neuregelung gerade nicht übernommen worden. Wenn der Beklagte insoweit von einer „inhaltlichen“ Übernahme spricht, folgt der Senat dem nicht. Vielmehr muss die Nichtübernahme der Kollisionsregelung in § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV a.F. bei Inbezugnahme der übrigen Regelungen in den Absätzen 3 und 4 der Vorgängerregelung in § 48 EStDV a.F. als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden. Das gilt insbesondere angesichts der bei der Neuregelung bekannten Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 23.9.1999 XI R 66/98, BStBl II 2000, 533), nach der die von der Verwaltung vertretene sog. Überlagerungs- und Abfärbetheorie, die in der früheren Kollisionsregelung des§ 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV a.F. kodifiziert war, ausdrücklich abgelehnt wurde. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG, soweit es dort heißt, dass durch die Ausnahmevorschrift der Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Körperschaften versagt werden soll, „die die bisher in Abschnitt B der Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EStDV genannten Zwecke fördern, also insbesondere die aktiv ausgeführten eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder (z. B. im Laientheater, Laienchor, Laienorchester)...". Denn insoweit kann es angesichts der bewussten Nichtübernahme der früheren Kollisionsregelung in § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV a.F. nur um kulturelle Betätigungen gegangen sein, „die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“, nicht aber um solche Betätigungen, mit denen verschiedene, einander nicht untergeordnete Zwecke verfolgt werden, von denen einer nicht die Freizeitgestaltung, sondern einen durch die zusätzliche Abziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen begünstigten Zweck betrifft.

88

c.

89

Ebenfalls nicht zwingend ist der Ansatz des Klägers und von Teilen des Schrifttums (vergl. Urban, DStZ 2018, 22, 27 f.) die die Prioritätsbestimmung „in erster Linie“ in § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG dahin verstehen, dass diesen Worten ein quantitativer Maßstab i.S. eines (erheblichen) Überwiegens zu entnehmen ist. Denn die Ausführungen in der Gesetzesbegründung stützen diese These jedenfalls nicht ausdrücklich.

90

d.

91

Angesichts des danach mit der Gesetzesänderung erstrebten „verbesserten Sonderausgabenabzuges“ und des in § 10b EStG durch die Sätze 1 und 8 angeordneten Regel-Ausnahmeprinzips versteht der erkennende Senat die Ausnahmeregelung von der Abziehbarkeit der Mitgliedsbeiträge in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG über die Nichtabziehbarkeit von Mitgliedsbeiträgen an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, „die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“, vielmehr dahin, dass diese Regelung nicht eingreift, wenn mit der Betätigung der Körperschaft verschiedene (nicht untergeordnete) Zwecke verfolgt werden, und einer dieser ‒ nicht untergeordneten ‒ Zwecke nicht der Freizeitgestaltung dient. Wenn der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG nämlich bewusst von einer Gesamtinfektion der Mitgliedsbeiträge bei einer gleichzeitigen Förderung von beitragsschädlichen und -unschädlichen Zwecken Abstand genommen hat und zudem eine differenzierte Behandlung der Mitgliedsbeiträge bei der Verfolgung verschiedener Zwecke in der Neuregelung nicht vorgesehen ist, sollte nach Auffassung des Senats damit eine Verbesserung der Abzugsfähigkeit der Mitgliedsbeiträge einhergehen, wenn sich die Gesamtbetätigung der Körperschaft nicht also solche darstellt, die typischerweise der eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder dient ‒ wie dies etwa bei den „klassischen“ Laientheatern, Laienchören oder Laienorchestern der Fall ist ‒ sondern darüber hinaus geht, indem weitere ‒ nicht untergeordnete ‒ Zwecke verfolgt werden, die erkennbar nicht der Freizeitgestaltung der Mitglieder dienen.

92

Dieser Ansatz steht im Einklang mit der Gesetzesbegründung, die in ihrem allgemeinen Teil ausführt, dass die Bedeutung bürgerschaftlichen Engagements in der heutigen Zeit immer mehr zunimmt, in der wachsende Fliehkräfte unserer Gesellschaft deren Zusammenhalt gefährden, sodass die in gemeinnützigen Vereinen „zivilgesellschaftlich organisierte Mitmenschlichkeit“ durch den Abbau von Bürokratiehemmnissen gefördert werden sollte, wozu ausdrücklich auch ein verbesserter Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Vereine zur Förderung kultureller Einrichtungen gehörte (Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 3.5.2007 in BT-Drucks. 16/5200, S. 12 ff.). Vor diesem Hintergrund erscheint die vom Kläger betriebene musikalische Ausbildung und Anleitung junger Menschen in der heutigen Zeit überragend wichtig und förderungswürdig, zumal insoweit nicht von einer für den Beitragsabzug schädlichen „aktiv ausgeführten eigenen kulturellen Betätigung der Mitglieder“ des Klägers im Sinne der Gesetzesbegründung gesprochen werden kann.

93

e.

94

Ausgehend von dem oben dargestellten Ansatz steht vorliegend fest, dass die Betätigung des Klägers nicht nur in der Förderung von Kunst und Kultur besteht (§ 52 Abs. 2 Nr. 5 AO), sondern auch in der Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO), indem er die musikalische Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht fördert. Insofern unterscheidet sich der Kläger ‒ worauf es nach Ansicht des Senats entscheidend ankommt ‒ von einem „klassischen“ Laienorchester, in dem sich die Aktivität regelmäßig im eigentlichen Orchesterbetrieb erschöpft und damit in erster Linie der Freizeitgestaltung der Mitglieder dient.

95

Dass sich der Kläger von dem „klassischen“ Laienorchester unterscheidet, räumt letztlich auch der Beklagte ein, indem er selber in dem jüngsten Freistellungsbescheid für die Jahre 2017 bis 2019 vom 25.6.2020 neben dem Förderungszweck „Förderung von Kunst und Kultur“ zusätzlich die „Förderung der Erziehung“ und die „Förderung der Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe“ explizit aufführt. Das wird bei einem „klassischen“ Laienorchester ‒ bei dem sich musikalische Bildung und Ausbildung lediglich als untergeordneter Reflex des Orchesterbetriebs darstellt ‒ regelmäßig nicht der Fall sein.

96

f.

97

Die Betätigung des Klägers zur Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe ist neben der Förderung von Kunst und Kultur auch nicht von untergeordneter Bedeutung.

98

Vom Vorliegen einer solchen untergeordneten Bedeutung geht der Senat ‒ unter Zugrundelegung der Gesetzesintention ‒ regelmäßig in den Fällen aus, in denen die musikalische Bildung und Ausbildung nicht einen eigenständigen Bereich der Körperschaft bildet, sondern sich ‒ wie oben beschrieben ‒ als reiner Reflex des Orchesterbetriebs darstellt. Denn in diesem Zusammenhang macht der Beklagte mit seiner Klageerwiderung vom 2.10.2018 zu Recht geltend, die in der Gesetzesbegründung explizit aufgeführten Laientheater, -chöre und -orchester entfalteten unbestritten regelmäßig auch „Nebenwirkungen" wie die Jugendbildung und die erzieherische Wirkung. Insoweit handele es sich jedoch im Wesentlichen um Körperschaften, die der Freizeitbetätigung ihrer Mitglieder dienen, so dass hier der Gegenleistungsgedanke überwiege.

99

So liegt der Fall hier indes nicht. Denn der Kläger hat mit der Klageschrift und ‒ nach Ergehen des Gerichtsbescheids ‒ zusätzlich mit seinem Schriftsatz vom 3.6.2020 nebst Anlagen substantiiert und für den Senat überzeugend dargelegt, dass seine Aktivitäten sich nicht in dem Betrieb des Orchesters erschöpfen, sondern darüber hinausgehend umfangreiche eigenständige Aktivitäten unternommen werden, die ausschließlich der musikalischen Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht dienen. Exemplarisch ‒ und zur Vermeidung von Wiederholungen ‒ nimmt der Senat insoweit Bezug auf die klägerischen Ausführungen zu den Veranstaltungen von Workshops und zur Organisation der Bläserklasse im Rahmen der Schulkooperation. Belegt wird die Eigenständigkeit der Ausbildungstätigkeit ‒ unabhängig vom Orchesterbetrieb ‒ durch den Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach der Orchesterbetrieb derzeit aufgrund der allgemeinen Pandemielage zwangsweise ruhen muss, die Ausbildungstätigkeit aber dennoch im Rahmen von Videokonferenzen fortgeführt werde. Derartige Ausbildungstätigkeiten per Videokonferenz dürften den „klassischen“ Laienorchestern, die der Gesetzgeber im Rahmen des § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG im Blick hatte, derzeit fremd sein.

100

Dass diese eigenständigen Aktivitäten für Ausbildungszwecke ‒ ohne dass es insoweit einer Quantifizierung bedarf ‒ auch ein gewisses Gewicht gegenüber dem Orchesterbetrieb hatten und die finanziellen Mittel des Klägers in den Jahren seit 2011 zwischen ¼ und ½ aufzehrten ‒ ist ebenfalls nachvollziehbar und zur Überzeugung des Gerichts dargelegt. Auch deswegen sind die Aktivitäten des Klägers zur Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe (§ 52 Abs. 2 Nr. 7) gegenüber dem Zweck „Förderung von Kunst und Kultur“ nach Überzeugung des Gerichts nicht von untergeordneter Bedeutung.

101

g.

102

Soweit der Beklagte demgegenüber geltend macht, der Kläger habe keine brauchbaren Kriterien vorgetragen, die eine Gewichtung seiner Tätigkeiten im Bereich der Förderung der Kunst und Kultur einerseits und der Ausbildung andererseits ermöglichten, so dass er sich veranlasst sehe, den Vortrag des Klägers insgesamt zu bestreiten, folgt der Senat dem nicht. Denn diesem Vortrag liegt offensichtlich der gedankliche Ansatz zugrunde, es gelte im Rahmen des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG das Merkmal „in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen“ derart zu bestimmen, dass die verschiedenen Betätigungen der Körperschaft zueinander in Beziehung gesetzt und gewichtet werden, um dann bei einem quantitativen Überwiegen eines der Bereiche die Abzugsfähigkeit der Mitgliedsbeiträge entweder ganz anzuerkennen oder ganz zu versagen. Dem folgt der Senat indes, wie oben dargestellt, nicht. Dass dies nicht der zutreffende Ansatz sein kann, erkennt der Beklagte letztlich auch selber, wenn er konstatiert, es sei unklar, bei welchem Prozentsatz von „nicht untergeordneten Zwecken“ auszugehen sei, zumal die verschiedenen Förderzwecke nicht klar voneinander abgegrenzt werden könnten und wie dies in der Praxis gehandhabt werden solle, wenn die Verhältnisse nicht gleichbleibend seien. Sein Ansatz in letzter Konsequenz zu Ende gedacht bedeutete dann aber im Ergebnis, den Abzug der Mitgliedsbeiträge regelmäßig zu versagen, weil bei einem Verein der vorliegenden Art selbstverständlich auch in nicht unerheblichem Maß die Freizeitgestaltung der Mitglieder im Rahmen des Orchesterbetriebs betroffen ist und eine Abgrenzung und/oder Gewichtung der einzelnen Förderzwecke regelmäßig nicht einwandfrei möglich sein wird. Damit führte der Beklagte aber in Fällen der vorliegenden Art „durch die Hintertür“ eine Infektionswirkung des mitgliedsbeitragsschädlichen Teils der Aktivitäten der Körperschaft auf ihre Gesamtbetätigung ein, die vom Gesetzgeber im Rahmen der Regelung des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG aber ‒ wie dargelegt ‒ ersichtlich nicht mehr gewollt war.

103

Vor diesem Hintergrund braucht der Senat nicht weiter der Frage nachzugehen, welche Umstände den Beklagten motivieren, weiterhin den Vortrag des Klägers zu bestreiten, zumal er ‒ der Beklagte ‒ selber nicht substantiiert dargelegt hat, welche konkreten Tatsachen er nach wie vor für aufklärungsbedürftig hält.

104

II.

105

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

106

III.

107

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

108

IV.

109

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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