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05.05.2021 · IWW-Abrufnummer 222149

Hessisches Landesarbeitsgericht: Beschluss vom 08.02.2021 – 16 TaBV 185/20


Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 12.11.2020 ‒ 8 BV 10/20 ‒ wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag nicht unzulässig, sondern unbegründet ist.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.



Gründe



I.



Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsantrag des Betriebsrats, Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb vor 5:45 Uhr, hilfsweise 5:30 Uhr zu verwehren.



Im Gemeinschaftsbetrieb der Beteiligten zu 2 und 3 ist ein aus 11 Mitgliedern bestehender Betriebsrat (Antragsteller) gebildet. Die betriebsübliche Arbeitszeit beginnt frühestens um 6:00 Uhr und endet spätestens um 0:30 Uhr. Der Zugang zum Betrieb ist in der Betriebsvereinbarung über die Ordnung des Betriebs vom 4. März 2020 geregelt und erfolgt mittels Ausweis an 2 so genannten Vereinzelungsanlagen (Drehkreuze); wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf Bl. 7-14 der Akte Bezug genommen. Die Öffnungszeiten des Gemeinschaftsbetriebs sind nicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt. Im März 2020 stellte der Betriebsrat fest, dass sich die Drehkreuze durch den Werksausweis erst um 5:30 Uhr öffnen lassen. Er forderte die Arbeitgeber erfolglos auf, die Drehkreuze vor 5:30 Uhr mittels Werksausweis benutzen zu können.



Die Arbeitgeber haben bestritten, dass der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2020 einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens gefasst hat. Deshalb sei der Antrag bereits unzulässig. Sie haben die Auffassung vertreten, jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Festlegung der Öffnungszeiten des Betriebsgeländes nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege.



Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten und der gestellten Anträge wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Beschluss unter I. (Bl. 111-112 der Akte) Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen; wegen der Begründung wird auf die Ausführungen im Beschluss unter II. (Bl. 112-113 der Akte) verwiesen.



Dieser Beschluss wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats am 19. November 2020 zugestellt, der dagegen am 27. November 2020 Beschwerde eingelegt und diese am 16. Dezember 2020 begründet hat.



Der Betriebsrat rügt, das Arbeitsgericht habe den Antrag zu Unrecht bereits als unzulässig abgewiesen. Der Betriebsrat habe bereits erstinstanzlich zur Beschlussfassung vorgetragen und die Vorlage des Einladungsschreibens und des Sitzungsprotokolls des Betriebsrats von einer entsprechenden Anordnung des Gerichts abhängig gemacht. Spätestens nach dem detaillierten Vortrag des Betriebsrats sei ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen nicht mehr ausreichend gewesen. Der Betriebsrat habe im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht alle erforderlichen Unterlagen dabeigehabt und hätte sie auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts vorlegen können. Soweit das Arbeitsgericht im Beschluss ausführe, Geheimhaltungspflichten seien nicht erkennbar, berücksichtige es § 79 BetrVG nicht hinreichend. Der Antrag sei auch begründet. Es möge zwar sein, dass die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten mitbestimmungsfrei sei. Regelungen des Betretens und Verlassens des Betriebs unterlägen jedoch der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Diese gehörten zur Ordnung des Betriebes. Es sei mitbestimmt zu regeln, wie sich die Arbeitnehmer in Anbetracht der festgelegten Betriebsöffnungszeiten verhalten sollen. Fehlerhaft nehme das Arbeitsgericht an, dass dadurch, dass die in Bezug genommene Betriebsvereinbarung keine Regelungen zu den Betriebsöffnungszeiten vorsehen würde, auch kein Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung gegeben sei. Dies ergebe sich hier aber daraus, dass der Zutritt allein unter der Voraussetzung erfolge, dass sich die Arbeitnehmer ordnungsgemäß ausweisen. Daher sei der Arbeitgeber gehindert, faktisch weitere Zugangsbeschränkungen einzuführen. Dies gelte besonders im Hinblick auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, wenn durch die Festlegung der Betriebsöffnungszeiten Fragen des Gesundheitsschutzes angesprochen werden. Bei Betriebsöffnungszeiten, die fast identisch mit den betriebsüblichen Arbeitszeiten sind, sei zu gewährleisten, dass der Hygieneschutz und die Einhaltung der Abstandsregelungen eingehalten werden.



Der Betriebsrat beantragt,



Die Beteiligten zu 2 und 3 beantragen,



Sie behaupten, die Betriebsöffnungszeiten seien seit Jahren unverändert. Es treffe nicht zu, dass die Arbeitgeber die Zugangsregelung noch verschärft hätten und dass niemand vor 5:45 Uhr den Betrieb betreten dürfe. Der Betrieb werde seit Jahren um 5:30 Uhr geöffnet. Die Betriebsvereinbarung über Sicherheitseinrichtungen und Diebstahlsprävention sowie die Betriebsvereinbarung Betriebsordnung regelten nicht die Betriebsöffnungszeiten. Der Antrag des Betriebsrats sei bereits unzulässig. Dies ergebe sich zunächst daraus, dass er unbestimmt sei. Im Übrigen fehle es an einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrats im Hinblick auf die Einleitung des vorliegenden Verfahrens sowie an einer wirksamen Bevollmächtigung des Rechtsanwalts. Dies gelte auch für das Beschwerdeverfahren. Die Arbeitgeber hätten die Beschlussfassung des Betriebsrats zulässig mit Nichtwissen bestritten. Der Betriebsrat habe die Ladung und das Sitzungsprotokoll bewusst nicht vorgelegt. Angesichts der fehlenden Vorlage des Sitzungsprotokolls sowie des fehlenden Vortrags zum Zugang der Einladungen sei dem Arbeitgeber nichts anderes übriggeblieben, als zu bestreiten, dass



• am 10. Juni 2020 eine Betriebsratssitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden hat,



• die Betriebsratsmitglieder und Ersatzmitglieder rechtzeitig geladen wurden,



• der Betriebsrat beschlussfähig war,



• eine ordnungsgemäße Sitzungsniederschrift angefertigt wurde.



Außerdem sei bestritten worden, dass Frau A, die am 10. Juni 2020 nicht im Betrieb, sondern vorübergehend mobil arbeitete, die Teilnahme an der Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz ermöglicht wurde. Zudem werde bestritten, dass über die Teilnahme von Frau A ordnungsgemäß entschieden wurde. Der Betriebsrat habe nicht in der nach § 83 Absatz 1 S. 2 Arbeitsgerichtsgesetz vorgesehenen Weise am Verfahren mitgewirkt. Da der Betriebsrat nach wie vor keine Unterlagen vorlege, bestreite die Arbeitgeberseite auch in 2. Instanz, dass ordnungsgemäß zur Betriebsratssitzung am 10. Juni 2020 geladen wurde, die Betriebsratssitzung stattgefunden hat und die Beschlussfassung zum streitgegenständlichen Verfahren erfolgte. Eine Heilung sei nur bis zum Ergehen einer erstinstanzlichen Prozessentscheidung möglich und daher hier ausgeschlossen. Dies gelte auch im Hinblick auf das Fehlen der Vollmacht für die Einlegung und Begründung der Beschwerde.



Jedenfalls sei die Beschwerde des Betriebsrats unbegründet. Der Betrieb sei bereits vor 5:45 Uhr geöffnet. Es gebe keine Betriebsvereinbarung, die die Betriebsöffnungszeiten festlege. Diese seien mitbestimmungsfrei. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG sei nicht einschlägig, weil die Organisation des Betriebs nicht gleichbedeutend mit der Ordnung des Betriebs ist. Auf § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG stütze sich der Betriebsrat 2. Instanz nicht mehr. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei nicht einschlägig. Mit Regelungen über den Gesundheitsschutz hätten die Betriebsöffnungszeiten nichts zu tun. Die Betriebsöffnungszeiten seien keine Frage des Gesundheitsschutzes.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Anhörungsprotokolle Bezug genommen.



II.



1. Die Beschwerde statthaft, § 87 Abs. 1 ArbGG, und zulässig, da sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet wurde, § 87 Abs. 2 S. 1, § 66 Abs. 1 S. 1, § 89 Abs. 1 und 2 ArbGG, § 594 ZPO. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeber war keine gesonderte Beschlussfassung des Betriebsrats über die Bevollmächtigung seines Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren erforderlich. Die einem Rechtsanwalt erteilte Verfahrensvollmacht umfasst auch die Berechtigung zur Einlegung von Rechtsmitteln, § 80 Abs. 2, § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 81 ZPO (Bundesarbeitsgericht 6. November 2013 -7 ABR 84/11- Rn. 21; 6. Dezember 2006 -7 ABR 62/05- Rn. 12).



2. Die Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.



Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.



Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung vom 10. Juni 2020 einen wirksamen Beschluss über die Einleitung des vorliegenden Verfahrens und die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten gefasst.



Der Betriebsrat hat in einem gerichtlichen Verfahren im Bestreitensfall die Voraussetzungen für eine wirksame Beschlussfassung darzulegen. Diesen Anforderungen genügt der Betriebsrat zunächst, wenn er vorträgt, dass in einer ordnungsgemäß einberufenen Betriebsratssitzung von den anwesenden Betriebsratsmitgliedern ein Beschluss gefasst worden ist. Den Vortrag des Betriebsrats über die Beschlussfassung kann der Arbeitgeber nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) bestreiten. Die Einladung zu der Betriebsratssitzung und deren Ablauf sind regelmäßig nicht Gegenstände seiner eigenen Wahrnehmung. Legt allerdings der Betriebsrat die Einhaltung der Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss des Gremiums dar, ist ein sich daran anschließendes pauschales Bestreiten des Arbeitgebers mit Nichtwissen unbeachtlich. Dieser muss dann konkret angeben, welche der zuvor vorgetragenen Tatsachen er bestreiten will (BAG 29. Juli 2009 - 7 ABR 95/07 - Rn. 19; 9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 1 b der Gründe, BAGE 109, 61). Ein danach zulässiges Bestreiten des Arbeitgebers führt nach § 83 Abs. 1 ArbGG zur Verpflichtung des Arbeitsgerichts, die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats aufzuklären (BAG 30. September 2008 - 1 ABR 54/07 - Rn. 11, BAGE 128, 92; 19. Januar 2005 - 7 ABR 24/04 - zu B I 3 der Gründe). Die Beweisbedürftigkeit der zwischen den Betriebsparteien umstrittenen Beschlussfassung entfällt nicht bereits, wenn der Betriebsrat eine Sitzungsniederschrift über die Betriebsratssitzung vorlegt, aus der die Beschlussfassung ersichtlich ist (Bundesarbeitsgericht 30. September 2014 -1 ABR 5/13- Rn. 31-33).



Dieser Anforderung, die Voraussetzungen einer wirksamen Beschlussfassung im gerichtlichen Verfahren vorzutragen, ist der Betriebsrat erstinstanzlich nachgekommen, indem sein Verfahrensbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 auf den Seiten 2 und 3 (Bl. 98, 99 der Akte) im Einzelnen zur Ladung vom 4. Juni 2020 zur Betriebsratssitzung am 10. Juni 2020 und der mitgeteilten Tagesordnung sowie zu den bei der betreffenden Betriebsratssitzung anwesenden Mitgliedern und der Beschlussfassung vorgetragen hat. Aus dem Vortrag ergibt sich auch, welche Betriebsratsmitglieder verhindert waren und welche Ersatzmitglieder für diese geladen wurden, ferner, dass das Betriebsratsmitglied A unentschuldigt fehlte. Neben diesem, sämtliche notwendigen Voraussetzungen einer wirksamen Beschlussfassung enthaltenden Tatsachenvortrag, brauchte der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats nicht eine Fotokopie der Ladung zur Betriebsratssitzung und des Protokolls vorzulegen. Auf das (zulässige) pauschale Bestreiten des Arbeitgebers einer wirksamen Beschlussfassung musste er nur die Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss darlegen , was zwar durch Vorlage einer Fotokopie der Sitzungsniederschrift erfolgen kann, aber -wie sich aus der oben zitierten BAG-Rechtsprechung ergibt- nicht zwingend erfolgen muss. Auch auf der Grundlage des gehaltenen Tatsachenvortrags ist der Arbeitgeber in der Lage konkret anzugeben, welche der zuvor vorgetragenen Tatsachen er bestreiten will (Bundesarbeitsgericht 30. September 2014 -1 ABR 5/13- Rn. 32). Dies hat der Arbeitgebervertreter mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 auf Seite 3 (Bl. 103 der Akte) auch getan. Sodann hätte das Arbeitsgericht die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats aufklären müssen. Unabhängig hiervon hätte es nach § 89 Abs. 1 ZPO einen vollmachtlosen Vertreter einstweilen zur Prozessführung zulassen müssen (Bundesarbeitsgericht 6. November 2013 -7 ABR 84/11- Rn. 53).



Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Betriebsratsmitglieder ordnungsgemäß zur Betriebsratssitzung am 10. Juni 2020 geladen wurden und dort ein wirksamer Beschluss über die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens gefasst wurde. Dies hat die Vernehmung der Betriebsratsvorsitzenden als Beteiligte (§ 83 Abs. 2 ArbGG) ergeben. Diese hat ausgesagt, dass die Ladungen zu den Betriebsratssitzungen in Papierform an die Betriebsratsmitglieder bis spätestens Dienstag (also einen Tag vor der betreffenden Betriebsratssitzung) verteilt werden. Ersatzmitglieder werden entsprechend der Liste im Falle der Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern geladen. Die Betriebsratsvorsitzende hat auch unter Hinzuziehung der Beschwerdebegründung ihres Verfahrensbevollmächtigten als Gedächtnisunterstützung bestätigt, dass die dort aufgeführten Betriebsratsmitglieder in der Sitzung vom 10. Juni 2020 anwesend waren und der Beschluss zum Tagesordnungspunkt 4 einstimmig gefasst wurde. Die Aussage der Betriebsratsvorsitzenden ist glaubhaft. Hierfür spricht insbesondere, dass sie zum üblichen Ablauf der Ladung zu Betriebsratssitzungen nur allgemein aus ihrer Erinnerung Angaben machen konnte und sie für die konkrete Beschlussfassung als Gedächtnisunterstützung die Akte ihres Verfahrensbevollmächtigten einsehen musste. Es wäre sogar unglaubwürdig gewesen, wenn sie sich nach so langer Zeit noch an konkrete Details erinnern könnte, ohne in Unterlagen Einsicht zu nehmen. Die Schilderung zu den allgemeinen Verfahrensabläufen zeigt, dass die Betriebsratsvorsitzende es mit der Wahrung der Formalien genau nimmt und diese beachtet. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass es vorliegend hinsichtlich der Betriebsratssitzung vom 10. Juni 2020 anders als sonst gewesen sein könnte, sind nicht ersichtlich.



Im Übrigen liegt jedenfalls eine Heilung vor, da der Betriebsrat beschlussfähig war und die Anwesenden einstimmig beschlossen haben, über den Tagesordnungspunkt zu beraten und abzustimmen (Bundesarbeitsgericht 22. November 2017 -7 ABR 46/16- OS. 2).



Der Betriebsratsvorsitzenden ist auch im Hinblick auf die Nichtteilnahme des Betriebsratsmitglieds A kein Verfahrensfehler unterlaufen. Weder steht es im Belieben des Betriebsratsmitglieds -auch wenn es sich im Home Office befindet- nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob es an einer Betriebsratssitzung teilnimmt oder nicht. Das bloße Arbeiten im Home Office stellt keinen Hinderungsgrund für die Teilnahme an der Betriebsratssitzung dar. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus § 129 Betriebsverfassungsgesetz. Danach kann zwar die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats sowie die Beschlussfassung mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Die Entscheidung hierüber liegt jedoch nicht bei dem einzelnen Betriebsratsmitglied, sondern setzt - jedenfalls dann, wenn nicht die Betriebsratsvorsitzende von sich aus nach § 29 Abs. 2 BetrVG zu einer (auch hybriden) Betriebsratssitzung als Video- und Telefonkonferenz einlädt - eine entsprechende Beschlussfassung des Gremiums voraus. Sofern ein Betriebsratsmitglied mittels Video- und Telefonkonferenz an einer Sitzung teilnehmen möchte, muss es gegebenenfalls nach § 29 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz beantragen, dass dieser Gegenstand auf die Tagesordnung gesetzt wird. Weigert sich die Betriebsratsvorsitzende, den Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, müssen dies ¼ der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragen, § 29 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (siehe dazu: Hess.LAG 31. Juli 2017 ‒ 16 TaBV 221/16 ). Soweit Hagedorn (NZA 2021, 158, 159) die Entscheidung über das Stattfinden einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz zwar grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Betriebsratsvorsitzenden sieht, das im Einzelfall, etwa bei Betriebsratsmitgliedern, die sich in häuslicher Quarantäne befinden, zu einem Anspruch des betreffenden Mitglieds auf virtuelle Teilnahme erstarken könne, ändert dies nichts daran, dass bei einer Weigerung d. Betriebsratsvorsitzenden diesen Gegenstand auf die Tagesordnung zu nehmen, nach § 29 Absatz 3 BetrVG vorgegangen werden muss. Auch Hagedorn (a.a.O., S. 159 rechte Spalte oben) räumt ein, dass § 129 BetrVG dem Gremium die Entscheidung überlässt, welche Art der Sitzungsdurchführung geeignet erscheint. Sofern das erforderliche Quorum des § 29 Absatz 3 BetrVG erreicht wird, ist vom Betriebsrat als Gremium abzuwägen, ob er eine ausschließliche Präsenzsitzung abhalten, eine virtuelle Zuschaltung einzelner Betriebsratsmitglieder ermöglichen oder die Sitzung insgesamt mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen möchte. Ein einzelnes Betriebsratsmitglied kann dagegen nicht die Betriebsratsvorsitzende dazu zwingen, Betriebsratssitzungen ganz oder für einzelne Teilnehmer als Video- und Telefonkonferenz abzuhalten.



Die vom Arbeitgeber im Anhörungstermin vom 8. Februar 2021 behauptete Anfrage von Frau A an den Betriebsrat, ob sie per Telefon-/Videokonferenz an den Betriebsratssitzungen teilnehmen kann, war insoweit nicht ausreichend.



Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers ist der Antrag des Betriebsrats auch hinreichend bestimmt. Dem Betriebsrat geht es darum, dem Arbeitgeber zu untersagen ohne Zustimmung des Betriebsrats Arbeitnehmern den Zugang zum Betrieb vor 5:45 Uhr, hilfsweise vor 5:30 Uhr zu verwehren. Damit ist jedenfalls im Wege der Auslegung hinreichend deutlich, worum es dem Betriebsrat geht. Er möchte darüber mitbestimmen, ob die Drehkreuze bereits vor den genannten Zeiten vom Arbeitgeber zu öffnen sind.



Der Antrag ist nicht begründet. Dem Betriebsrat steht ein Unterlassungsanspruch weder aus § 23 Abs. 1 BetrVG noch als so genannter allgemeiner Unterlassungsanspruch aus § 87 Abs. 1 BetrVG zu.



Die Praxis des Arbeitgebers, die Drehkreuze erst ab einer bestimmten Uhrzeit zu öffnen, betrifft nicht die Ordnung des Betriebs im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die „Ordnung des Betriebs“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht gleichbedeutend mit dessen Organisation. Diese unterfällt nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bundesarbeitsgericht 21. Juli 2009 -1 ABR 42/08- Rn. 23). Mit der Festlegung eines bestimmten Zeitpunkts, zu dem die Drehkreuze geöffnet werden, wird lediglich der Zeitpunkt des Zugangs zum Betriebsgelände vor der eigentlichen Arbeitsaufnahme festgelegt. Die Berechtigung hierzu folgt unmittelbar aus dem Hausrecht des Arbeitgebers.



Insbesondere werden Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) hiervon nicht betroffen, denn es geht gerade darum, wie lange vor Beginn der Arbeitsaufnahme Mitarbeiter bereits den Betrieb betreten dürfen.



Auch § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften) ist nicht betroffen. Es geht allein darum, dass die Mitarbeiter erst ab einem bestimmten Zeitpunkt die Drehkreuze passieren können, um den Betrieb zu betreten. Der Arbeitgeber trifft insofern keine Regelung auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes, sondern bestimmt schlicht, ab welchem Zeitpunkt die Mitarbeiter frühestens die Drehkreuze durchschreiten können. Fragen des Gesundheitsschutzes stellen sich insoweit nicht.



III.



Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, liegen nicht vor, § 92 Abs. 1, § 72 ArbGG.

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