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05.03.2021 · IWW-Abrufnummer 220967

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 24.09.2020 – 18 Sa 210/20

Ist ein Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche ausgetreten und erfährt der kirchliche Arbeitgeber dies während der Wartezeit nach § 1 KSchG, so verstößt eine daraufhin ausgesprochene Kündigung nicht gegen §§ 1, 7 AGG.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.01.2020 - 4 Ca 3024/19 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer während der Wartezeit ausgesprochenen Kündigung sowie über einen Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung.



Die Klägerin wurde am 13.12.1972 geboren. Sie ist geschieden und hat drei Kinder, von denen zwei studieren und finanziell von der Klägerin unterstützt werden. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Krankenhaus in E. Sie ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Die Klägerin arbeitete zunächst von 1994 bis Mitte 2014 für die Beklagte als angestellte Hebamme. Danach war sie als Hebamme selbständig tätig. Im September 2014 trat die Klägerin aus der katholischen Kirche aus.



Nachdem die Parteien ein Gespräch über die erneute Einstellung der Klägerin geführt hatten, in dem die Zugehörigkeit der Klägerin zur katholischen Kirche nicht thematisiert wurde, übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 15.03.2019 einen schriftlichen Dienstvertrag sowie einen Personalfragebogen an die Klägerin, der auch Angaben zur Frage des Kirchenaustritts vorsieht. Die Klägerin füllte den Personalfragebogen aus und gab an, sie sei im September 2014 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Den Personalfragebogen überreichte die Klägerin zusammen mit dem von ihr gegengezeichneten Dienstvertrag am 01.04.2019 an der Personalabteilung der Beklagten. Die Klägerin trat ihren Dienst am 04.04.2019 an.



Im Dienstvertrag vereinbarten die Parteien unter anderem Folgendes:



§ 1



Die Mitarbeiterin wird ab 01.04.2019 als Hebamme eingestellt. ...



§ 2



Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Mitarbeiterin ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die AVR gegeben.



§ 9



Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse ist Bestandteil des Dienstverhältnisses.



Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 27.04.2015 lautet auszugsweise:



Artikel 1 Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes



Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). 2Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.



Artikel 3 Begründung des Arbeitsverhältnisses



(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden. (...)



(4) Für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.



(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages über die geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) aufzuklären und sich zu vergewissern, dass die Bewerberinnen oder Bewerber diese Loyalitätsobliegenheiten erfüllen.



Artikel 4 Loyalitätsobliegenheiten



(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die



Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. (...)



(2) Von nicht katholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.



(3) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bereit sein, die ihnen in einer kirchlichen Einrichtung zu übertragenden Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.



(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.



Artikel 5 Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten



(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muss der Dienstgeber durch Beratung versuchen, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z. B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.



(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Verstöße gegen die Loyalitätsobliegenheiten im Sinn des Art. 4 als schwerwiegend an:



1. Bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:



a) das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z. B. die Propagierung der Abtreibung oder von Fremdenhass), (...)



2. Bei katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern:



a) den Austritt aus der katholischen Kirche (...)



In der Personalabteilung der Beklagten fiel bei Prüfung der Unterlagen der Klägerin im Laufe der Monats April 2019 auf, dass die Klägerin aus der katholischen Kirche ausgetreten war. Der Personalleiter der Beklagten führte daraufhin mit der Klägerin zwei Gespräche, in denen er die Klägerin darauf aufmerksam machte, dass der Austritt aus der katholischen Kirche mit der Grundordnung des kirchlichen Dienstes nicht im Einklang stehe. Falls die Klägerin nicht wieder in die katholische Kirche eintrete, werde der Ausspruch einer Kündigung in Betracht gezogen. Ferner führte der Personalleiter aus, die Klägerin solle noch ein Gespräch mit dem Institutspfarrer führen, womit die Klägerin einverstanden war. In diesem Gespräch, welches am 24.05.2019 stattfand, erläuterte die Klägerin dem Pfarrer die Gründe für ihren Kirchenaustritt, die sie zuvor auch schon dem Personalleiter mitgeteilt hatte. Die Klägerin gab an, sie habe sich als Hebamme selbst in besonderer Weise dem Kinderschutz verschrieben und die Konsequenz daraus gezogen, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche strafrechtlich gar nicht verfolgt werden. Sie werde sofort wieder in die Kirche eintreten, wenn "die Schuldigen bestraft" würden. Der Pfarrer richtete sodann eine E-Mail an den Personalleiter der Beklagten, in der es heißt: "Frau F. war heute zu einem einstündigen Gespräch bei mir: Es wäre schade, wenn das T eine solche religiös geprägte Mitarbeiterin verlieren würde." Am 20.06.2019 fand ein weiteres Gespräch zwischen der Klägerin und dem Personalleiter der Beklagten statt. Als die Klägerin die Frage, ob sie jetzt wieder in die Kirche eintreten wolle, verneinte, stellte der Personalleiter ihr eine Kündigung in Aussicht.



Mit Schreiben vom 05.07.2019 teilte die Beklagte der Mitarbeitervertretung mit, es sei beabsichtigt, das Dienstverhältnis mit der Klägerin "in der Probezeit" zu kündigen. Mit Schreiben vom 12.07.2019 äußerte die Mitarbeitervertretung Bedenken gegen die Kündigung. Nachdem der Personalleiter der Beklagten am 18.07.2019 diese Bedenken mit der Mitarbeitervertretung erörterte, erklärte die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 19.07.2019, sie halte ihre Bedenken aufrecht.



Mit Schreiben vom 26.07.2019, das der Klägerin am 30.07.2019 zuging, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.08.2019. Am 15.08.2019 ist die Klage bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, mit der sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewandt und Weiterbeschäftigung verlangt hat.



Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung in Abrede gestellt und die Auffassung vertreten, die Kündigung benachteilige sie unrechtmäßig wegen ihrer fehlenden Zugehörigkeit zur katholischen Kirche. Darin liege ein Verstoß gegen § 1 AGG. Einen Verstoß gegen Loyalitätsobliegenheiten stelle nur der Austritt von Mitarbeitern aus der katholischen Kirche dar; die Klägerin sei jedoch vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages aus der katholischen Kirche ausgetreten und habe dies im Personalfragebogen wahrheitsgemäß angegeben. Das Begehren der Beklagten, sie solle wieder in die katholische Kirche eintreten, um ihren Arbeitsplatz zu behalten, sei als treuwidriges Verhalten der Beklagten anzusehen. Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte beschäftige eine konfessionslose Hebamme, Frau H..



Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 26.07.2019 nicht aufgelöst ist;2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ungekündigt weiter fortbesteht;3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den vertraglichen Arbeitsbedingungen als Hebamme bis zur Rechtskraft des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nicht treuwidrig im Sinne des § 242 BGB. Der Arbeitgeber sei befugt, die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zu nutzen, um die Eignung des Arbeitnehmers zu überprüfen. Aufgrund ihrer bewussten Abkehr von der katholischen Kirche sei die Klägerin für die Tätigkeit einer Hebamme im Krankenhaus der Beklagten nicht geeignet. Die Beklagte hat behauptet, vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht gewusst zu haben, dass die Klägerin aus der katholischen Kirche ausgetreten war. Sie sei vielmehr aufgrund der Vorbeschäftigung der Klägerin davon ausgegangen, dass diese der katholischen Kirche angehöre. Die Klägerin wäre nicht eingestellt worden, wenn die Beklagte von ihrem Kirchenaustritt gewusst hätte. Die Beklagte habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, keine Hebammen zu beschäftigen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten seien. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aufgrund dieser unternehmerischen Entscheidung sei ihr eine Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht möglich.



Das Arbeitsgericht hat der Klage mit den Anträgen zu 1) und 3) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung für die klagestattgebende Entscheidung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Kündigung sei wegen widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten nach § 242 BGB unwirksam. Die Beklagte behaupte einerseits, die Entscheidung getroffen zu haben, keine Hebammen beschäftigen zu wollen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten seien; sie habe aber andererseits vor der Einstellung der Klägerin keine entsprechenden Prüfungen vorgenommen. Die Beklagte habe die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche auch nicht arbeitsvertraglich zur unabdingbaren Grundlage der Beschäftigung gemacht. Das Verhalten der Beklagten vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages stelle sich vielmehr so dar, dass es für sie von untergeordneter Bedeutung sei, ob die Klägerin der katholischen Kirche angehöre. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte eine Vielzahl von konfessionslosen Mitarbeitern beschäftige, die - wie die Klägerin als Hebamme - ebenfalls in unmittelbarem Kontakt zu Patienten stünden. Die Klägerin habe auch nicht gegen die sich aus der Grundordnung ergebenden Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Ein Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 2 Ziffer 2 a der Grundordnung liege nicht vor, da die Klägerin nicht als "katholische Mitarbeiterin" aus der katholischen Kirche ausgetreten sei, sondern schon vor ihrer Einstellung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin die sich aus Art. 4 Abs. 2 der Grundordnung ergebenden Erwartungen an nicht katholische christliche Mitarbeiter nicht erfülle. Sie sei schon im Zeitraum von 1994 bis 2014 beanstandungslos für die Beklagte tätig gewesen und habe die Werte des Evangeliums geachtet. Die Beklagte selbst habe gegen die Grundordnung verstoßen, indem sie sich vor dem Abschluss des Arbeitsvertrages nicht über die weitere Zugehörigkeit der Klägerin zur katholischen Kirche vergewissert habe.



Das Urteil erster Instanz ist der Beklagten am 14.02.2020 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 17.02.2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt. Die Beklagte hat die Berufung mit einem am 14.05.2020 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist durch gerichtlichen Beschluss bis zum 14.05.2020 verlängert worden war.



Die Beklagte begründet die Berufung - zusammengefasst - wie folgt: Ihr könne nicht vorgeworfen werden, sich vor Abschluss des Arbeitsvertrages nicht ausdrücklich nach der (weiteren) Kirchenmitgliedschaft der Klägerin erkundigt zu haben. Für die Beklagte habe keine Veranlassung bestanden, von einem Kirchenaustritt der Klägerin auszugehen; sie habe sich insoweit im Irrtum befunden. Das Fehlen eines Kirchenaustritts stelle eine gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, die die Klägerin nicht erfülle. Es bestehe ein Unterschied zwischen Mitarbeitern, die von vornherein atheistisch seien, und solchen, die sich durch einen Kirchenaustritt ausdrücklich von der katholischen Kirche abwendeten. Atheistische Mitarbeiter stünden der katholischen Kirche gleichgültig gegenüber. Aus der katholischen Kirche ausgetretene Mitarbeiter lehnten diese hingegen ab.



Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.01.2020 (4 Ca 3024/19) die Klage abzuweisen.



Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und trägt vor, sich nur wegen des Missbrauchs an minderjährigen Kindern und der mangelnden strafrechtlichen Verfolgung von der katholischen Kirche abgewandt zu haben; sie erfülle die Erwartung, die an nicht katholische christliche Mitarbeiter gestellt würden, nämlich die Wahrheiten und Werte des Evangeliums zu achten und dazu beizutragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.



Die Klägerin wird seit März 2020 von der Beklagten weiterbeschäftigt. Die Beklagte ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 23.03.2020 mitteilen, die Beschäftigung erfolge allein zur Abwehr der angedrohten Zwangsvollstreckung.



Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung ist zulässig.



Die Beklagte hat die Berufung insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.



II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.



1. Die Klage mit dem Kündigungsschutzantrag ist unbegründet.



Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund der Kündigung, die die Beklagte mit dem Schreiben vom 26.07.2019 aussprach, mit Ablauf des 31.08.2019. Die Kündigung ist rechtswirksam.



a) Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG.



Die Kündigung bedarf gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nur dann der sozialen Rechtfertigung, wenn das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Die Klägerin war, als ihr die Kündigung zuging, noch nicht ununterbrochen sechs Monate lang für die Beklagte tätig. Das Arbeitsverhältnis begann erst am 01.04.2019. Die Vorbeschäftigung der Klägerin bis Mitte 2014 ist aufgrund der langen Unterbrechungszeit nicht zu berücksichtigen.



b) Die Kündigung ist nicht unwirksam gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 1, 7 Abs. 1 AGG.



aa) Das Berufungsgericht geht zugunsten der Klägerin davon aus, dass sie durch den Ausspruch der Kündigung wegen ihrer Religion oder Weltanschauung benachteiligt wurde.



(1) Der Kirchenaustritt, den die Klägerin vollzog, unterfällt dem Schutzbereich des Merkmals "Religion oder Weltanschauung" (§ 1 AGG).



Merkmal einer Religion oder Weltanschauung (dazu BAG, Beschluss vom 22.03.1995 - 5 AZB 21/94) ist eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens; während der Religion eine den Menschen überschreitende und umgreifende ("transzendente") Wirklichkeit zugrunde liegt, beschränkt sich die Weltanschauung auf innerweltliche ("immanente") Bezüge Der Glaube an Gott ist dabei keine notwendige Bedingung; geschützt ist auch die negative Religions- und Bekenntnisfreiheit, also die Freiheit, einer Religion anzugehören oder nicht bzw. eine Religion zu praktizieren oder nicht zu praktizieren (Linck, in: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 17. Aufl. 2017, § 36 Rdnr. 10; Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Plum, 5. Aufl. 2019, § 1 AGG Rdnr. 66; Weth/Schmidt, in: juris PK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 1 AGG Rdnr. 24). Dafür spricht eine Auslegung des § 1 AGG und der zugrundeliegenden Richtlinie 2000/78/EG im Lichte des Art. 9 EMRK (BAG, Urteil vom 25.10.2018 - 8 AZR 501/14).



Mit dem Kirchenaustritt machte die Klägerin von ihrer negativen Religions- und Bekenntnisfreiheit Gebrauch. Sie hob nach außen erkennbar ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche auf.



(2) Die Kündigung erfolgte wegen des Kirchenaustritts.



Hätte die Klägerin durch den Kirchenaustritt nicht von ihrer negativen Religionsfreiheit Gebrauch gemacht, wäre die Kündigung nicht ausgesprochen worden. Die Beklagte rechtfertigt den Ausspruch der Kündigung gerade damit, dass die Klägerin, weil sie aus der katholischen Kirche austrat, für den Dienst nicht mehr geeignet sei.



(3) Die Kündigung stellt eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 AGG dar.



Auch der Ausspruch einer Kündigung kann als Benachteiligung in Betracht kommen. Verstößt eine (Wartezeit-) Kündigung gegen die Vorgaben des AGG, so ist sie gemäß § 134 BGB unwirksam. § 2 Abs. 4 AGG steht dem nicht entgegen. Die Vorschrift erfasst nicht das Verhältnis des AGG zu zivilrechtlichen Generalklauseln, sondern das Verhältnis zwischen dem AGG und dem Kündigungsschutzgesetz (BAG, Urteil vom 19.12.2013 - 6 AZR 190/12).



Die Klägerin erfährt durch den Ausspruch der Kündigung eine weniger günstige Behandlung, als eine Vergleichsperson, die nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, sie erfahren würde. Zwar ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte überhaupt Mitarbeiter beschäftigt, die aus der katholischen Kirche ausgetreten - und nicht wieder eingetreten - sind. Als hypothetische Vergleichspersonen kommen jedoch auch Mitarbeiter in Betracht, die, wie die Klägerin bei Abschluss des Arbeitsvertrages, konfessionslos sind, jedoch zuvor nicht katholisch waren und die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht durch einen Kirchenaustritt verloren. Solche Mitarbeiter beschäftigt die Beklagte auch als Hebammen. Das ist im Ergebnis zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin hat dies vorgetragen und eine Mitarbeiterin - Frau H. - konkret benannt. Dem ist die Beklagte nicht konkret entgegengetreten.



bb) Die Ungleichbehandlung ist jedoch nach § 9 Abs. 1, 2. Var. AGG gerechtfertigt.



Es kann offenbleiben, ob der Kirchenaustritt, wenn er - wie im Streitfall - vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, einen Verstoß gegen die Verpflichtung zu loyalem Verhalten aus § 9 Abs. 2 AGG oder einen Verstoß gegen die Loyalitätsobliegenheiten aus Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 a der Grundordnung darstellt, oder ob diese Obliegenheiten den Arbeitnehmer erst nach Beginn des Arbeitsverhältnisses treffen. Soweit die Beklagte von neu einzustellenden Hebammen erwartet, nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten zu sein, handelt es sich jedenfalls um eine nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigte berufliche Anforderung.



(1) Die Beklagte kann sich auf die Vorschrift des § 9 Abs. 1 AGG berufen, da die Einrichtung, die sie führt, der katholischen Kirche zugeordnet ist.



§ 9 Abs. 1 AGG gilt nicht nur für Religionsgemeinschaften, sondern auch für die ihnen zugeordneten Einrichtungen, unabhängig von deren Rechtsform. Wie sich aus der Entwurfsbegründung ergibt (BT-Drucksache 16/1780, S. 35; NZA Beilage zu Heft 16/2006, S. 18), ist Voraussetzung für die Zuordnung der Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft, dass ihr Zweck in der Pflege oder Förderung eines religiösen Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist; Maßstab für das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Ausmaß der institutionellen Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft oder die Art der verfolgten Ziele sein. Einrichtungen, die ein Stück des Auftrags der Kirche wahrnehmen und erfüllen, sind selbst Teil der Kirche und Träger des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV (BAG, Urteil vom 24.09.2014 - 5 AZR 611/12; BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014 - 2 BvR 661/12). Damit sind auch Einrichtungen der Caritas erfasst (Richardi, NZA 2006, 881, 885).



Die Beklagte widmet sich als Mitglied des Deutschen Caritasverbandes caritativer Hilfe als Wesens- und Lebensäußerung der katholischen Kirche. Dass die Beklagte dem Deutschen Caritasverband angeschlossen ist, ergibt sich aus der Präambel des Dienstvertrages vom 15.03.2019; Abweichendes haben die Parteien nicht vorgetragen. Auch der Kreis ihrer Gesellschafter belegt die institutionelle Verbindung der Beklagten zur katholischen Kirche. Gesellschafter sind die Katholische Kirchengemeinde T1 E, die Kath. Kirchengemeinde T2 E, die Kath. Kirchengemeinde T3 E, die Kath. Kirchengemeinde T4 I, die Stiftung T5 sowie - zuvor firmierend unter D Beratungs- und Beteiligungsgesellschaft für soziale Einrichtungen mbH - die D gem. Beteiligungsgesellschaft mbH (www.T...de/unsere-gesellschaft.html). Diese Gesellschaft wurde durch das Erzbistum Paderborn im Jahr 1984 gegründet. Alleinige Gesellschafterin der "D gem. Beteiligungsgesellschaft mbH" ist die Schleden'sche Stiftung Paderborn. Die Schleden'sche Stiftung ist eine kirchliche Stiftung privaten Rechts, deren Alleinvorstand statuarisch der jeweilige Generalvikar des Erzbistums Paderborn ist (www.D-beteiligung.de).



Mit dem Krankenhaus, das die Beklagte in E führt, nimmt sie eine Aufgabe der Krankenbehandlung und -pflege wahr. Die Krankenbehandlung und -pflege stellt sich als Teil des Sendungsauftrages der römisch-katholischen Kirche dar; sie ist als karitative Tätigkeit auf die Erfüllung der aus dem Glauben erwachsenden Pflicht zum Dienst am Mitmenschen und damit auf die Wahrnehmung einer kirchlichen Grundfunktion gerichtet (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014 - 2 BvR 661/12, Beschluss vom 11.10.1977 - 2 BvR 209/76).



(2) Unter der Beachtung des Selbstverständnisses der katholischen Kirche stellt es eine gerechtfertigte berufliche Anforderung dar, die Ausübung der Tätigkeit einer Hebamme davon abhängig zu machen, dass ein Austritt aus der katholischen Kirche nicht erfolgt ist.



(a) Im Hinblick auf die Konkretisierung der Bestimmung des § 9 Abs. 1, 2. Var. AGG hat das BAG in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH folgende Grundsätze aufgestellt, denen sich das Berufungsgericht anschließt (BAG, Urteil vom 25.10.2018 - 8 AZR 501/14):



§ 9 Abs. 1, 2. Var. AGG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, die ihnen zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform oder durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Religion oder Weltanschauung zur Aufgabe machen, auch zulässig ist, wenn eine bestimmte Religion oder Weltanschauung unter Beachtung des Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft oder Vereinigung nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt.



Der Gesetzgeber wollte mit § 9 AGG den Art. 4 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht umsetzen (BT-Drucksache 16/1780, S. 35). Dass § 9 Abs. 1 2. Var. AGG nur von der "nach der Art der Tätigkeit gerechtfertigten" beruflichen Anforderung spricht, steht einer Auslegung der Bestimmung dahin, dass es sich um eine "nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte" berufliche Anforderung handeln muss, nicht entgegen. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/1780, S. 35) wollte der Gesetzgeber mit § 9 AGG von der durch Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, bereits geltende Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten beizubehalten, wonach eine Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung einer Person nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung angesichts des Ethos der Organisation eine wesentliche und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung unter Bezugnahme auf den Erwägungsgrund 24 der Richtlinie 2000/78/EG ausgeführt, dass dieser Erwägungsgrund es zulasse, dass die Mitgliedstaaten "... spezifische Bestimmungen über die wesentlichen, rechtmäßigen und gerechtfertigten beruflichen Anforderungen beibehalten oder vorsehen, die Voraussetzung für die Ausübung einer diesbezüglichen beruflichen Tätigkeit sein können" (BT-Drucksache 16/1780, S. 35). Damit ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber in der 2. Variante des § 9 Abs. 1 AGG auch nur in irgendeinem Punkt von den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG abweichen wollte.



Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 17. April 2018 - C-414/16 - [Egenberger] zur Auslegung des Begriffs "wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung" zunächst ausgeführt, dass aus Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG ausdrücklich hervorgehe, dass es von der "Art" der fraglichen Tätigkeiten oder den "Umständen ihrer Ausübung" abhänge, ob die Religion oder Weltanschauung eine solche berufliche Anforderung darstellen könne. Damit hänge die Rechtmäßigkeit einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung vom objektiv überprüfbaren Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen der vom Arbeitgeber aufgestellten beruflichen Anforderung und der fraglichen Tätigkeit ab, wobei sich ein solcher Zusammenhang entweder aus der Art dieser Tätigkeit ergeben könne, z.B. wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden sei, oder aus den Umständen ihrer Ausübung, z.B. der Notwendigkeit, für eine glaubwürdige Vertretung der Kirche oder Organisation nach außen zu sorgen.



Aus dem vorgenannten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. April 2018 ergibt sich ferner, dass die berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Kirche oder Organisation "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt" sein muss. Auch wenn es den staatlichen Gerichten im Regelfall nicht zusteht, über das der angeführten beruflichen Anforderung zugrundeliegende Ethos als solches zu befinden, obliegt es ihnen jedoch festzustellen, ob diese drei Kriterien in Anbetracht des betreffenden Ethos im Einzelfall erfüllt sind.



Hinsichtlich dieser drei Kriterien hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 17. April 2018 erstens festgestellt, dass die Verwendung des Adjektivs "wesentlich" bedeutet, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung, auf der das Ethos der betreffenden Kirche oder Organisation beruht, aufgrund der Bedeutung der betreffenden beruflichen Tätigkeit für die Bekundung dieses Ethos oder die Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie notwendig erscheinen muss.



Zweitens, so hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der genannten Entscheidung ausgeführt, zeige die Verwendung des Ausdrucks "rechtmäßig", dass der Unionsgesetzgeber sicherstellen wollte, dass die die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung, auf der das Ethos der in Rede stehenden Kirche oder Organisation beruht, betreffende Anforderung nicht zur Verfolgung eines sachfremden Ziels ohne Bezug zu diesem Ethos oder zur Ausübung des Rechts dieser Kirche oder Organisation auf Autonomie dient.



Drittens - so der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 17. April 2018) - impliziere der Ausdruck "gerechtfertigt" nicht nur, dass die Einhaltung der in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Kriterien durch ein innerstaatliches Gericht überprüfbar sein müsse, sondern auch, dass es der Kirche oder Organisation, die diese Anforderung aufgestellt hat, obliege, im Licht der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls darzutun, dass die geltend gemachte Gefahr einer Beeinträchtigung ihres Ethos oder ihres Rechts auf Autonomie wahrscheinlich und erheblich ist, so dass sich eine solche Anforderung tatsächlich als notwendig erweist.



Letztlich müsse die Anforderung, um die es in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG geht, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen. Auch wenn Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG im Gegensatz zu der in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG getroffenen Regelung nicht ausdrücklich vorsehe, dass die Anforderung "angemessen" sein müsse, so bestimme sie jedoch, dass jede Ungleichbehandlung u.a. die "allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts", zu denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehöre, beachten müsse. Deshalb müssten die nationalen Gerichte prüfen, ob die fragliche Anforderung angemessen ist und nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche hinausgeht.



(b) Danach gilt im Streitfall Folgendes:



(aa) Wenn die Beklagte es zur Bedingung für eine Beschäftigung macht, dass Hebammen nicht aus der katholischen Kirche ausgetreten sein dürfen, handelt es sich um eine "wesentliche" Anforderung, die aufgrund der Bedeutung der beruflichen Tätigkeit für die Bekundung des Ethos der katholischen Kirche notwendig erscheint.



(aaa) Die katholische Kirche betrachtet den Kirchenaustritt als besonders schwerwiegenden Verstoß gegen ihr Ethos.



Der Kirchenaustritt gehört nach kirchlichem Recht (CIC can. 2314) zu den schwersten Vergehen gegen den Glauben und die Einheit der Kirche. Die Kirche betrachtet den Ausgetretenen als Abtrünnigen und dem Kirchenbann verfallen. Der Kirchenaustritt verträgt sich aus der Sicht der Kirche weder mit ihrer Glaubwürdigkeit noch mit der von ihr geforderten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien (BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83). Zum Ausdruck kommt dies in Art. 3 Abs. 4 der Grundordnung, wonach derjenige, der aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, sich für keinen Dienst in der Kirche eignet.



(bbb) Die Tätigkeit der Klägerin als Hebamme ist für die Bekundung dieses Ethos von besonderer Bedeutung.



Nach dem Selbstverständnis der Kirchen erfordert der Dienst am Herrn die Verkündigung des Evangeliums (Zeugnis), den Gottesdienst (Feier) und den aus dem Glauben erwachsenden Dienst am Mitmenschen (Nächstenliebe). Wer in Einrichtungen tätig wird, die der Erfüllung eines oder mehrerer dieser christlichen Grunddienste zu dienen bestimmt sind, trägt demnach dazu bei, dass diese Einrichtungen ihren Teil am Heilswerk Jesu Christi leisten und damit den Sendungsauftrag seiner Kirche erfüllen können (BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12).



Als Hebamme wirkt die Klägerin unmittelbar an der Verwirklichung des karitativen Ziels der Krankenbehandlung und -pflege mit, das die Beklagten in ihrem Krankenhaus verfolgt. Damit ist gleichzeitig die Mitwirkung der Klägerin am missionarischen Auftrag der Kirche verbunden. Die mit pflegerischen Aufgaben betrauten Mitarbeiter katholischer Dienstgeber verkörpern daher auch dann, wenn die religiöse Betreuung der Patienten nicht Gegenstand ihrer Tätigkeit ist, in besonderem Maße das Ethos der katholischen Kirche. Sie leisten im Sinne christlicher Caritas unmittelbar Dienst am Menschen, der nach dem Ethos der katholischen Kirche die Übereinstimmung mit ihren Glaubensüberzeugungen verlangt. Das entspricht Art. 1 der Grundordnung, die der Arbeitsvertrag vom 15.03.2019 durch Inbezugnahme zum Gegenstand der vertraglichen Pflichten der Klägerin macht.



Ihrer vertraglich übernommenen Verpflichtung kann die Klägerin nicht glaubwürdig nachkommen, da sie aus der katholischen Kirche ausgetreten ist und sich damit klar und eindeutig von dieser Kirche distanziert und losgesagt hat. Der Austritt aus der verfassten Kirche macht deutlich, dass der Austretende mit der aktiv tätigen Glaubensgemeinschaft bricht. Das gilt selbst dann, wenn der Kirchenaustritt nur aus finanziellen Erwägungen zum Zwecke der Ersparnis von Kirchensteuern erfolgt wäre, sich aber innerlich der katholischen Kirche noch verbunden fühlte (BAG, Urteil vom 04.03.1980 - 1 AZR 1151/78). Dass finanzielle Motive für ihren Austritt aus der katholischen Kirche maßgebend gewesen wären, hat die Klägerin allerdings nicht vorgetragen. Sie hat vielmehr als Grund für den Austritt Unzufriedenheit mit der Behandlung von Missbrauchsfällen durch die katholische Kirche angegeben. Nach dem Selbstverständnis des Beklagten können jedoch auch diese Aspekte das Gewicht des Loyalitätsverstoßes nicht entscheidend mindern. Selbst berechtigte Kritik an Missständen kann danach nicht den Kirchenaustritt und die Aufkündigung der Zugehörigkeit zur gesamten Glaubensgemeinschaft rechtfertigen. Der Mitarbeiter, der aus der katholischen Kirche austritt, kehrt sich gänzlich von der nach ihrem Verständnis auch in der Dienstgemeinschaft wirksamen Glaubensgemeinschaft ab. Von ihm kann nicht mehr zuverlässig erwartet werden, dass er noch am Sendungsauftrag der Kirche teilnehmen und sich an der Glaubens- und Sittenlehre der katholischen Kirche orientieren will (BAG, Urteil vom 25.04.2013 - 2 AZR 579/12).



(ccc) Die sich aus dem Selbstverständnis der katholischen Kirche ergebende Annahme, eine aus der katholischen Kirche ausgetretene Person sei für die Tätigkeit einer Hebamme nicht mehr geeignet, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.



Die Gerichte für Arbeitssachen haben die vorgegebenen kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten und -obliegenheiten zugrunde zu legen, soweit die Verfassung das Recht der Kirchen anerkennt, hierüber selbst zu befinden (eingehend: BVerfG, Beschluss vom 22.10.2014 - 2 BvR 661/12). Es bleibt grundsätzlich den verfassten Kirchen überlassen, verbindlich zu bestimmen, was "die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Verkündigung erfordert", was "spezifisch kirchliche Aufgaben" sind, was "Nähe" zu ihnen bedeutet, welches die "wesentlichen Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre" sind und was als Verstoß gegen diese anzusehen ist. Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Mitarbeiter eine "Abstufung" der Loyalitätspflichten eingreifen soll, ist grundsätzlich eine dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterliegende Angelegenheit (BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - 2 BvR 1703/83). Die staatlichen Gerichte sind an die kirchliche Einschätzung arbeitsvertraglicher Loyalitätspflichten gebunden, es sei denn, sie begäben sich dadurch in Widerspruch zu Grundprinzipien der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), im Begriff der "guten Sitten" (§ 138 Abs. 1 BGB) und im ordre public (Art. 30 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben.



Die an die Klägerin gerichtete Erwartung des Beklagten, aus Gründen der Loyalität nicht aus der katholischen Kirche auszutreten, hält einer Plausibilitätskontrolle im dargestellten Sinne stand. Die Annahme, Personen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, seien für den Dienst in einer der katholischen Kirche zuzuordnenden Einrichtung nicht mehr geeignet, erscheint nicht willkürlich. Sie lässt sich vielmehr folgerichtig aus dem kirchlichen Recht und aus der Idee der Gemeinschaft der Dienste ableiten. Die Nichtbeschäftigung von Personen, die aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, verstößt auch weder gegen die guten Sitten noch gegen den ordre public.



(ddd) Die Beschäftigung auch von konfessionslosen Hebammen im Krankenhaus der Beklagten steht der Annahme nicht entgegen, das Fehlen eines Kirchenaustritts sei nach dem Ethos der katholischen Kirche sei eine wesentliche Voraussetzung für die Berufsausübung.



Dieser Umstand deutet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht darauf hin, dass die Beklagte auf die religiöse Einstellung ihrer Mitarbeiter keinen besonderen Wert lege (so im Ergebnis auch BAG, Urteil vom 04. März 1980 - 1 AZR 1151/78 hinsichtlich des Kirchenaustritts einer Lehrerin an einer kirchlichen Schule). Daraus ergibt sich nur, dass die Beklagte auch konfessionslose Mitarbeiter für geeignet hält, an der Verwirklichung des karitativen Ziels der Einrichtung mitzuwirken, wenn sie ihren besonderen Charakter tolerieren. Die Beschäftigung von konfessionslosen Hebammen ist aber nicht gleichzusetzen mit der Beschäftigung einer Hebamme, die sich durch ihren Austritt aus der katholischen Kirche von ihr öffentlich losgesagt hat. Konfessionslose Mitarbeiter, die nicht zuvor Mitglied der Kirche waren, stehen ihr - jedenfalls, solange keine Anhaltspunkte für eine besondere aktiv kirchenfeindliche Einstellung vorliegen - gleichgültig gegenüber. Die Klägerin steht der katholischen Kirche aber nicht lediglich gleichgültig gegenüber, vielmehr lehnt sie die verfasste Kirche ab. Das hat sie durch den Kirchenaustritt deutlich gemacht.



(eee) Schließlich stellt auch die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin seit März 2020 nicht in Frage, dass ihr aufgrund ihres Kirchenaustritts nach dem Ethos der katholischen Kirche die Eignung für die Tätigkeit als Hebamme fehlt.



Zwar mögen Kündigungsgründe durch die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an Bedeutung verlieren können (so BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84, Rn. 88). Jedoch ist schon das freiwillige Angebot einer Prozessbeschäftigung zur Vermeidung des Annahmeverzuges nach Ausspruch der Kündigung grundsätzlich nicht geeignet, Zweifel am Vorliegen eines personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrundes zu wecken (Stück, MDR 1983, 1483, 1488 m.w.N.). Denn für die Frage, ob ein Kündigungsgrund gegeben ist, kommt es auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung an, nicht auf später eintretende Ereignisse. Jedenfalls lässt sich aus einer Weiterbeschäftigung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung nicht schließen, der Arbeitgeber habe die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses subjektiv wieder für zumutbar gehalten (BAG, Urteil vom 22.09.2016 - 2 AZR 848/15).



(bb) Das Verbot des Kirchenaustritts ist eine "rechtmäßige" berufliche Anforderung.



Sie beruht auf dem Ethos der katholischen Kirche und nicht auf sachfremden Zielen ohne Bezug zu diesem Ethos. Gerechtfertigte berufliche Anforderungen sind nicht nur dann gegeben, wenn sie ein gleichsam handwerkliches Erfordernis darstellen, sondern auch dann, wenn sie im Einklang mit der Richtlinie 2000/78/EG auf den religiösen Grundsätzen des Arbeitgebers und der Bedeutung der Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers für diesen beruhen (BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 2 AZR 579/12 m.w.N.).



Mit dem Ausspruch der Kündigung verfolgt die Beklagte im Streitfall das Ziel, das Ethos der katholischen Kirche zu wahren und zu schützen. Die Beklagte orientierte sich bei dem Ausspruch der Kündigung an dem Wertmaßstab der katholischen Kirche, wonach derjenige, der aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, sich für keinen Dienst in der Kirche eignet (Art. 3 Abs. 4 der Grundordnung). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit dem Ausspruch der Kündigung auch andere sachfremde Ziele verfolgte, sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich.



(cc) Es handelt sich um eine "gerechtfertigte" berufliche Anforderung.



Die Gefahr, dass im Falle der Beschäftigung der Klägerin als Hebamme das Ethos der katholischen Kirche beeinträchtigt wird, ist wahrscheinlich und erheblich. Wäre die Beklagte verpflichtet, auch Mitarbeiter zu beschäftigen, die sich von der katholischen Kirche losgesagt haben, müsste sie davon Abschied nehmen, den Sendungsauftrag der Kirche durch karitatives Wirken im Bereich der Krankenbehandlung und -pflege zu verwirklichen. Die Verkündung des Evangeliums im Sinne der verfassten Kirche könnte von solchen Mitarbeitern nicht erwartet werden. Jedenfalls bei einer Beschäftigung als Hebamme besteht auch die Gefahr, dass eine aus der Kirche ausgetretene Person sich während ihrer Arbeit kirchenfeindlich oder jedenfalls kritisch zur verfassten Amtskirche äußert. Hebammen haben aufgrund des unmittelbaren Kontakts zu den Patienten vielfältige Möglichkeiten, entsprechende Äußerungen abzugeben und den Versuch zu unternehmen, Patienten im Sinne von Ansichten zu beeinflussen, die mit dem kirchlichen Ethos nicht vereinbar sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Gründe für den Kirchenaustritt - wie bei der Klägerin - in Vorfällen zu suchen sind, die immer noch den Gegenstand öffentlicher Diskussionen bilden.



(dd) Schließlich ist die berufliche Anforderung, die hier in Rede steht, auch als "angemessen" anzusehen.



Die Beschäftigung einer aus der Kirche ausgetretenen Person wäre ein schwerwiegender Eingriff in das Ethos der katholischen Kirche und führte zu den vorstehend aufgezeigten vielfältigen Unzuträglichkeiten. Die Interessen der Klägerin müssen dahinter zurückstehen. Sie hat die Möglichkeit, in anderen, nicht-katholischen Einrichtungen ihren Beruf als Hebamme auszuüben oder selbständig tätig zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund besonderer Umstände des Streitfalles diese Möglichkeit für die Klägerin nicht besteht, sind nicht ersichtlich. Darüber hinaus hätte der Klägerin die Möglichkeit zu Gebote gestanden, die Kündigung durch einen Wiedereintritt in die katholische Kirche abzuwenden. Die Beklagte hat ihr dieses Angebot mehrfach unterbreitet und damit einen Weg aus dem Konflikt gewiesen, den die Klägerin indes nicht zu beschreiten gewillt war.



c) Die Kündigung verstößt nicht gegen § 242 BGB.



aa) Insoweit gelten folgende Grundsätze (BAG, Urteil vom 05.12.2019 - 2 AZR 107/19, Urteil vom 16.09.2004 - 2 AZR 447/03):



Eine Kündigung verstößt nur gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Dies gilt jedenfalls für eine Kündigung, auf die wegen Nichterfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet. Sonst würde für diese Fälle über § 242 BGB der kraft Gesetzes ausgeschlossene Kündigungsschutz doch gewährt und außerdem die Möglichkeit des Arbeitgebers eingeschränkt, die Eignung des Arbeitnehmers für die geschuldete Tätigkeit in seinem Betrieb während der gesetzlichen Wartezeit zu überprüfen.



Über § 242 BGB ist der Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen geschützt; der Willkürvorwurf scheidet jedoch aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für den Ausspruch der Kündigung vorliegt. Typische Tatbestände einer treuwidrigen Kündigung sind insbesondere ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers und der Ausspruch einer Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form.



bb) Im Streitfall scheidet ein Verstoß gegen § 242 BGB schon deshalb aus, weil die Beklagte die Kündigung aus Gründen aussprach, die von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erfasst sind.



Die Beklagte nahm den Kirchenaustritt der Klägerin zum Anlass für die Kündigung. Damit erfolgte die Kündigung aus Gründen im Verhalten bzw. (wegen des aus Sicht der Beklagten vorliegenden Eignungsmangels) aus Gründen in der Person der Klägerin.



Bei dem Kirchenaustritt der Klägerin handelt es sich um einen einleuchtenden Grund für den Ausspruch der Kündigung. Das Fehlen eines Kirchenaustritts stellt eine nach dem Ethos der katholischen Kirche gerechtfertigte und im Streitfall verhältnismäßige berufliche Anforderung dar (s.o. unter II 1 b bb der Entscheidungsgründe).



cc) Die Umstände, unter denen die Kündigung ausgesprochen wurde, begründen keine Treuwidrigkeit im Sinne des § 242 BGB.



Die Beklagte sprach die Kündigung nicht zur Unzeit oder in ehrverletzender Form aus. Sie verhielt sich auch nicht widersprüchlich. Die Beklagte schuf keinen Vertrauenstatbestand zugunsten der Klägerin. Die Klägerin durfte nicht darauf vertrauen, dass die Beklagte den Kirchenaustritt nicht zum Anlass für eine Kündigung nehmen wird.



Zwar kann die Kündigung wegen eines Kirchenaustritts gemäß § 242 BGB unzulässig sein, sofern der Arbeitgeber die Tatsache, dass der Arbeitnehmer aus der Kirche ausgetreten ist, schon bei der Einstellung kennt (so BAG, Urteil vom 04.03.1980 - 1 AZR 1151/78). Die Beklagte hatte jedoch bei der Einstellung keine Kenntnis von dem Kirchenaustritt. Eine solche Kenntnis konnten die Personalunterlagen der Klägerin, die sich aufgrund der Vorbeschäftigung bis 2014 möglicherweise noch bei der Beklagten befanden, nicht vermitteln. Denn während des Zeitraums der Vorbeschäftigung war die Klägerin noch Mitglied der katholischen Kirche. Auch aus dem Verlauf des Einstellungsgesprächs erhielt die Beklagte keine Kenntnis von dem Kirchenaustritt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Frage der Kirchenmitgliedschaft nicht Gegenstand des Einstellungsgesprächs war. Andere Umstände, aufgrund derer der Kirchenaustritt der Beklagten hätte bekannt sein können, lassen sich dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen.



War der Beklagten aber nicht bewusst, dass die Klägerin aus der katholischen Kirche ausgetreten war, so durfte die Klägerin nicht annehmen, der Beklagten sei dieser Umstand im Hinblick auf die Fortführung des Arbeitsverhältnisses über die Wartezeit hinaus gleichgültig gewesen. Die Klägerin kann nicht einwenden, die Beklagte habe das Recht zur Wartezeitkündigung wegen des Kirchenaustritts verwirkt, weil sie im Verlauf des Einstellungsgesprächs sich nicht nach der Kirchenmitgliedschaft erkundigte und damit gegen die sich aus der Grundordnung verstoßenden arbeitgeberseitigen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen habe. Dabei kann offenbleiben, ob ein kirchlicher Dienstgeber, der bei der Einstellung seine Loyalitätsobliegenheiten aus Art. 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 der Grundordnung verletzt, das Kündigungsrecht während der Wartezeit gegenüber einem neu eingestellten Mitarbeiter überhaupt verwirkt. Im Streitfall liegt kein Verstoß der Beklagten gegen ihre Loyalitätsobliegenheiten aus Art. 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 der Grundordnung vor. Die Beklagte erkundigte sich zwar im Laufe des Einstellungsgesprächs nicht nach der Kirchenmitgliedschaft der Klägerin. Sie übersandte aber vor Beginn des Arbeitsverhältnisses zusammen mit dem Arbeitsvertrag einen Personalfragebogen. In dem Personalfragebogen wird die Religionszugehörigkeit und der Austritt aus der katholischen Kirche erfragt.



Außerdem musste der Klägerin klar sein, dass die Beklagte sich auf den Standpunkt stellen wird, die Klägerin sei in Folge des Kirchenaustritts für den Dienst ungeeignet, weil der übersandte Dienstvertrag unter § 9 auf die Grundordnung Bezug nimmt. Nach Art. 3 Abs. 4 der Grundordnung ist aber für keinen Dienst in der Kirche geeignet, wer aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.



dd) Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Verstoß des kirchlichen Dienstgebers gegen die Beratungspflicht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 der Grundordnung dazu führt, dass eine Wartezeitkündigung als unverhältnismäßig und rechtsunwirksam anzusehen ist.



Im Streitfall liegt kein Verstoß der Beklagten gegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 der Grundordnung vor. Die Beklagte führte mehrere Personalgespräche mit der Klägerin, in deren Verlauf sie darauf hinwies, sie werde den Kirchenaustritt der Klägerin zum Anlass für eine Kündigung nehmen, falls nicht die Klägerin sich dazu entschließe, wieder in die katholische Kirche einzutreten.



d) Die Kündigung ist nicht unwirksam gemäß § 30 Abs. 5 MAVO.



Die Beklagte hat der Mitarbeitervertretung nach § 30 Abs. 1 S. 1 MAVO schriftlich die Absicht der Kündigung mitgeteilt. Dies geschah mit dem Schreiben vom 05.07.2019. Aus dem Schreiben ergibt sich, dass die Beklagte fristgemäß innerhalb der "Probezeit" zum 31.08.2019 eine Kündigung gegenüber der Klägerin aussprechen will. Außerdem werden in diesem Schreiben die Sozialdaten der Klägerin mitgeteilt. Einer Darlegung von Kündigungsgründen bedurfte es nicht, da das Arbeitsverhältnis noch nicht sechs Monate bestand (§ 30 Abs. 1 S. 2 MAVO).



Auch das Verfahren nach § 30 Abs. 2 MAVO ist vor Ausspruch der Kündigung durchgeführt worden. Nachdem die Mitarbeitervertretung mit dem Schreiben vom 12.07.2019 Einwendungen gegen die Kündigung erhoben hatte, wurden diese Einwendungen in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Personalleiter der Beklagten am 18.07.2020 beraten.



All dies muss zwischen den Parteien als unstreitig gelten. Die Klägerin hat zwar mit der Klageschrift die ordnungsgemäße Anhörung der Mitarbeitervertretung bestritten. Sie hat aber, nachdem die Beklagte Vortrag zur Beteiligung der Mitarbeitervertretung gehalten hat, ihr Bestreiten nicht näher spezifiziert. Die Klägerin hat insbesondere nicht dargetan, inwiefern sie in Abrede stellen will, dass das Schreiben vom 05.07.2019 die Mitarbeitervertretung erreicht habe oder eine gemeinsame Erörterung am 18.07.2020 gar nicht stattfand. Die Klägerin hat vielmehr selbst das Schreiben der Mitarbeitervertretung vom 19.07.2019 mit der Klageschrift zu den Gerichtsakten gereicht. In diesem Schreiben wird eingangs das gemeinsame Einigungsgespräch zwischen Mitarbeitervertretung und Dienstgeberseite erwähnt.



e) Die Kündigung, die der Klägerin am 30.07.2019 zuging, beendet das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2019.



Das entspricht der Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsschluss gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 AVR. Die AVR finden nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 15.03.2019 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Es ist nicht ersichtlich, dass zugunsten der Klägerin eine längere Kündigungsfrist gilt. Insbesondere ist ihre Vorbeschäftigungszeit bis Mitte 2014 bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht zu berücksichtigen, da das Arbeitsverhältnis mehrjährig unterbrochen war.



2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist nicht zur Entscheidung angefallen, da die Klägerin mit dem Kündigungsschutzantrag unterlag.



Über den Weiterbeschäftigungsantrag ist nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag zu entscheiden. Bei dem Weiterbeschäftigungsantrag handelt es sich um einen unechten Hilfsantrag, auch wenn er nicht ausdrücklich als solcher gestellt worden ist (BAG, Urteil vom 29.06.2017 - 2 AZR 302/16). Das entspricht dem Kosteninteresse des klagenden Arbeitnehmers.



III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin unterlag im Rechtsstreit und hat die Kosten zu tragen.



IV. Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden. Aus Sicht des Berufungsgerichts kommt der Frage, ob das Nichtvorliegen eines Kirchenaustritts eine gerechtfertigte berufliche Anforderung im Sinne des § 9 Abs. 1 AGG darstellt, grundsätzliche Bedeutung zu.

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