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05.01.2021 · IWW-Abrufnummer 219634

Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.10.2020 – 13 K 1756/18 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1

Tatbestand:

2

Streitig ist, ob bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung steuerlich anzuerkennen sind.

3

Nach Abschluss ihrer Schulausbildung absolvierte die am ...1992 geborene Klägerin in den Jahren 2013 bis 2015 eine Berufsausbildung zur ... in C.. In dieser Zeit wohnte sie in einem angemieteten Zimmer an ihrem Ausbildungsort.

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Seit dem 01.09.2015 war die Klägerin für die X. in K. tätig. Ihr Arbeitsvertrag war ursprünglich bis zum 31.08.2018 befristet, da sie zur Vertretung einer Arbeitnehmerin in Mutter- bzw. Elternzeit beschäftigt wurde. Die Klägerin mietete zum 01.01.2016 eine 54 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung mit Küche, Bad und Kellerraum in K. an. Die Wohnung befand sich in unmittelbarer räumlicher Nähe ihrer Arbeitsstätte bei der X.. Die Klägerin meldete ihre Wohnung in K. beim dortigen Einwohnermeldeamt als Zweitwohnsitz an. Ihren melderechtlichen Hauptwohnsitz hatte die Klägerin wie bisher im Haus ihrer Eltern unter der Anschrift Q.-Straße 01, U..

5

Nach eigenen Angaben der Klägerin befand sich ihr Lebensmittelpunkt im Streitjahr 2016 nach wie vor an ihrem Heimatort in U.. Mit ihren Eltern vereinbarte die Klägerin eine Kostenbeteiligung in Höhe von 200,00 € pro Monat. Diesen Betrag hat die Klägerin im Streitjahr per Dauerauftrag auf ein Bankkonto ihrer Eltern überwiesen.

6

Am 01.06.2019 bezog die Klägerin eine andere Wohnung in K., in der sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenlebt, den sie nach eigenen Angaben Anfang 2018 kennengelernt hat. Ebenfalls seit dem 01.06.2019 hat die Klägerin ihren Hauptwohnsitz in K. gemeldet. Der befristete Arbeitsvertrag der Klägerin mit der X. lief im März 2020 endgültig aus. Seit dem 01.04.2020 arbeitet die Klägerin für eine ... in D..

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In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2016 machte die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Werbungskosten für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 9.903,20 € geltend (Fahrtkosten: 1.780,20 €, Unterkunftskosten: 6.667,00 €; Verpflegungsmehraufwand: 1.296,00 €, Telefonkosten: 160,00 €).

8

Am 13.07.2017 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für 2016, in welchem er die erklärten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung nicht anerkannte. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin keinen eigenen Hausstand in U. unterhalten habe.

9

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2017 darauf hin, dass mit der Einspruchsentscheidung eine höhere Einkommensteuer festzusetzen sei, da in dem angefochtenen Bescheid irrtümlich die Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt seien, welche die Klägerin für die doppelte Haushaltsführung geltend gemacht hatte. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.05.2018 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer von ... € auf ... € herauf. Im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung berücksichtigte der Beklagte Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitstätte in Höhe von 3.308,00 €. Hierbei handelte es sich um die wöchentlichen Familienheimfahrten sowie um zusätzliche Fahrten zwischen K. und U., welche die Klägerin nach eigenen Angaben jeweils innerhalb der Woche zusätzlich zu den Familienheimfahrten unternommen hat.

10

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Ausgaben für die doppelte Haushaltsführung entgegen der Auffassung des Beklagten steuerlich zu berücksichtigen seien. Sie trägt vor, dass sich ihr Lebensmittelpunkt im Streitjahr 2016 in ihrem Heimatort U. befunden habe. Sie habe hier eine aktive Tätigkeit in einem Verein ausgeübt; hier lebten außerdem ihre Familie und Freunde.

11

Sie, die Klägerin, habe entgegen der Auffassung des Beklagten auch einen eigenen Hausstand in U. unterhalten. Sie sei gemeinsam mit ihren Eltern ein wesentlich bestimmender Teil der Haushaltsführung. Der ursprünglich kleinfamilientypische Haushalt der Eltern habe sich mit zunehmendem Alter und zunehmender Lebenserfahrung der Klägerin in einen gemeinsamen Mehrgenerationenhaushalt entwickelt. Die Klägerin habe das Haus gemeinsam mit ihren Eltern bewohnt und sich wie in einer fremden Wohngemeinschaft an der Haushaltsführung beteiligt. Der Umstand, dass die Klägerin während ihrer Ausbildung in C. auswärtig gewohnt habe, spreche dafür, dass sie schon in frühen Jahren an Lebenserfahrung gewonnen habe, die sie in den gemeinsamen Haushalt in U. habe einbringen können. Ihr Rat sei bei ihren Eltern gefragt und geschätzt. Es sei geplant, dass die Klägerin später den elterlichen Hof der Eltern übernehme, der allerdings nicht mehr aktiv bewirtschaftet werde. Die Mitbestimmung im elterlichen Haushalt zeige sich daran, dass die Klägerin im Jahr 2016 nicht nur Familienheimfahrten am Wochenende durchgeführt habe, sondern an 59 Tagen auch in der Woche u.a. zwecks Besprechung von Investitionsentscheidungen mit den Eltern nach U. gefahren sei.

12

Dass die Klägerin im Haushalt ihrer Eltern ihr früheres Kinder-/Jugendzimmer genutzt habe, welches lediglich 14 qm groß sei, spreche entgegen der Auffassung des Beklagten nicht gegen das Unterhalten eines eigenen Hausstandes. Die Klägerin habe auch sämtliche andere Räume der Wohnung (Wohnzimmer, Küche, Bad etc.) mitbenutzen können.

13

Die steuerlich anzuerkennenden Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung betrügen 9.799,00 € (vgl. Klagebegründung vom 28.08.2018). Nach Abzug der vom Beklagten steuerlich berücksichtigten Fahrtkosten verblieben zusätzlich zu berücksichtigende Werbungskosten in Höhe von 6.491,00 €.

14

Die Klägerin beantragt,

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den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 13.07.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.05.2018 dergestalt zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 6.491,00 € berücksichtigt werden.

16

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin in U. einen eigenen Hausstand unterhalten habe. Wenn junge Arbeitnehmer nach Beendigung ihrer Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt wohnten, sei regelmäßig nicht davon auszugehen, dass sie dort einen eigenen Hausstand unterhalten. Dies gelte auch dann, wenn eine Kostenbeteiligung vereinbart worden sei. Der Vergleich der Wohnsituation in U. und in K. spreche gegen das Unterhalten eines eigenen Hausstandes in U.. Während die Klägerin in U. ihr 14 qm großes früheres Kinder-/Jugendzimmer nutze, stehe ihr in K. eine 54 qm große eigene Wohnung zur Verfügung. Die mit den Eltern vereinbarte finanzielle Beteiligung in Höhe von 200,00 € erscheine fragwürdig. Aufgrund der erheblichen Aufwendungen für die Wohnung in K. und für die häufigen Familienheimfahrten habe sich die Klägerin eine solche Kostenbeteiligung finanziell kaum leisten können. Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass zwei Schwestern der Klägerin, ... und ..., am Wohnsitz der Eltern in U. gemeldet seien. Auch dies lasse fraglich erscheinen, ob die Klägerin dort tatsächlich einen eigenen Hausstand unterhalten habe.

19

Der Rechtsstreit ist am 18.08.2020 vor dem Berichterstatter erörtert und am 07.10.2020 mündlich vor dem Senat verhandelt worden. Auf die Protokolle zum Erörterungstermin und zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

20

Entscheidungsgründe:

21

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes ‒ EStG ‒ im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Weiterhin war es verfahrensrechtlich zulässig, dass der Beklagte die festgesetzte Einkommensteuer mit der Einspruchsentscheidung zuungunsten der Klägerin erhöht hat.

22

I.   Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der Tätigkeitsstätte wohnt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG setzt das Unterhalten eines eigenen Hausstandes unter anderem das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.

23

1.   Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt regelmäßig aufhält, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin ‒ wenn auch gegen Kostenbeteiligung ‒ im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein, sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ‒BFH‒ vom 05.06.2014 ‒ VI R 76/13, BFH/NV 2014, 1884, Juris Rn. 10; BFH-Urteil vom 14.11.2013 ‒ VI R 10/13, BFH/NV 2014, 507, Juris Rn. 13; BFH-Urteil vom 16.01.2013 ‒ VI R 46/12, BStBl. II 2013, 627, Juris Rn. 9).

24

Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen zu vermuten, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als „eigener“ zugerechnet werden kann. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht zwingend entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 05.06.2014 ‒ VI R 76/13, BFH/NV 2014, 1884; BFH-Urteil vom 14.11.2013 ‒ VI R 10/13, BFH/NV 2014, 507).

25

Die Frage, ob der alleinstehende Arbeitnehmer einen eigenen Hausstand unterhält oder aber nur in einen fremden Hausstand eingegliedert ist, entscheidet sich unter Einbeziehung und Gewichtung aller tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen einer den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18.12.2017 ‒ VI B 66/17, BFH/NV 2018, 430; BFH-Beschluss vom 12.06.2012 ‒ VI B 73/12, BFH/NV 2012, 1593).

26

2.   Die vorstehend dargestellte Rechtsprechung ist zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in der bis zum 31.12.2013 geltenden Fassung ergangen. Diese Bestimmung ist durch das „Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des Reisekostenrechts“ mit Wirkung zum 01.01.2014 neu gefasst worden. Ungeachtet dieser Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG gelten die vorstehend dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze nach Auffassung des Senats indes unverändert fort.

27

Eine der wesentlichen Änderungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG lag darin, dass der Gesetzgeber in Satz 3 den Begriff des eigenen Hausstands konkretisiert hat. Danach setzt ein eigener Hausstand ‒ zusätzlich zu den durch der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen ‒ das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus. Unter der bisherigen Rechtslage und nach der hierzu ergangenen BFH-Rechtsprechung handelte es sich bei dem Innehaben einer Wohnung und der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht um unabdingbare Tatbestandsvoraussetzungen eines eigenen Hausstandes; vielmehr handelte es sich um Indizien, die nicht zwingend erfüllt sein mussten, jedoch im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung für das Unterhalten eines eigenen Hausstandes sprechen konnten (zur alten Rechtslage vgl. insb. das BFH-Urteil vom 16.01.2013 ‒ VI R 46/12, BStBl. II 2013, 627, welches den Gesetzgeber zur Änderung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG veranlasst hat).

28

Die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG beinhaltet indes nach zutreffender Auffassung keine abschließende Definition des Merkmals „eigener Hausstand“, so dass die bisherige BFH-Rechtsprechung ‒ abgesehen von den vorstehend dargestellten Änderungen ‒ weiterhin Bestand hat. Wie schon unter der bisherigen Gesetzeslage ist mithin zu prüfen, wo der Steuerpflichtige seinen Lebensmittelpunkt hat und ob er an diesem Ort tatsächlich einen eigenen Hausstand unterhält oder lediglich in einen fremden Hausstand eingegliedert ist (allgemeine Auffassung, z.B.: Schmidt-Krüger, EStG § 9 Rn. 225; Herrmann/Heuer/Raupach-Bergkemper, EStG, § 9 Rn. 497; Blümich-Thürmer, EStG § 9 Rn. 337; Kirchhof-Oertel, EStG, § 9 EStG Rn. 102; im Ergebnis ebenso, wenn auch die fehlende Klarheit des Gesetzes kritisierend: Bordewin/Brandt-Köhler, EStG § 9 Rn. 1007f.). Falls auf die Prüfung dieser allgemein anerkannten Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung verzichtet würde, würde dies zu einer erheblichen Ausweitung des Abzugstatbestands des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG führen. Dies widerspräche dem Willen des Gesetzgebers, nach dessen Vorstellung durch die Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG die bisherige Rechtsprechung konkretisiert und lediglich im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Kostenbeteiligung revidiert werden sollte (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf, Bundestags-Drucksache 17/10774, S. 13f.). Wenn man der Auffassung der Klägerin folgte, dass die bislang geltenden Rechtsgrundsätze zum Begriff des Hausstands und des Lebensmittelpunkts aufgrund der Gesetzesänderung hinfällig wären, könnten Aufwendungen für doppelte Haushaltsführungen zudem auch dann steuerlich abzugsfähig sein, wenn diese gänzlich privat veranlasst wären, z.B. wenn eine Wohnung bzw. ein früheres Kinder-/Jugendzimmer lediglich für gelegentliche oder auch regelmäßige Familienbesuche vorgehalten wird. Dies läge in erkennbarem Widerspruch zum allgemeinen Grundsatz, dass nur solche Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind, die durch den Beruf oder die Erzielung steuerlicher Einnahmen veranlasst sind (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).

29

II.   Unter Berücksichtigung der vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze sind die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

30

Insoweit kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin im Streitjahr 2016 ihren Lebensmittelpunkt in U. hatte. Die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung sind aber jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil es an einem eigenen Hausstand der Klägerin in U. fehlte. Die gebotene Gesamtwürdigung aller tatsächlichen Verhältnisse führt nach Auffassung des Senats zu der Schlussfolgerung, dass die Klägerin im Streitjahr 2016 einen eigenen Hausstand lediglich in K. gehabt hat und in U. noch in den Haushalt ihrer Eltern eingegliedert war.

31

1.   Wie vorstehend ausgeführt ist bei jungen Arbeitnehmern, die ‒ wie die Klägerin ‒ nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen, zu vermuten, dass sie im Haus ihrer Eltern bzw. gemeinsam mit ihren Eltern keinen eigenen Hausstand unterhalten. Vielmehr ist der junge Arbeitnehmer in einer solchen Konstellation in den (fremden) Hausstand der Eltern eingegliedert, den er nicht wesentlich bestimmt bzw. mitbestimmt. Dieser vom BFH aufgestellten Regelvermutung ist nach Auffassung des Senats zu folgen; die ihr zugrundeliegenden Wertungen sind zutreffend und überzeugend. Es widerspräche nach Auffassung des Senats dem gesetzlichen Bild der doppelten Haushaltsführung, wenn bei jungen Steuerpflichtige, die sich zu keinem früheren Zeitpunkt vollständig aus dem elterlichen Haushalt gelöst hatten und denen ‒ wie dies oftmals der Fall sein dürfte ‒ bei ihren Eltern noch ihr altes Kinder-/Jugendzimmer zur Verfügung steht, im Regelfall von einer doppelten Haushaltsführung auszugehen sein sollte. Die vom BFH formulierte Regelvermutung begründet auch keine unangemessene Benachteiligung junger Steuerpflichtiger. Denn auch bei jungen Steuerpflichtigen ist das Bestehen einer doppelten Haushaltsführung nicht generell ausgeschlossen, vielmehr handelt es sich bei dem Alter des Steuerpflichtigen um eines von mehreren Kriterien, welches in der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist.

32

2.   Von der vorgenannten Regelvermutung ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Die von der Klägerin vorgetragenen und sonst ersichtlichen Umstände sind nach der Überzeugung des Senates nicht geeignet, die Vermutung dafür zu erschüttern, dass die Klägerin bei ihren Aufenthalten in U. noch in den Hausstand ihrer Eltern eingegliedert war.

33

Bereits der Vergleich der Wohnverhältnisse in U. und K. spricht nach Auffassung des Senats für das vorstehend gefundene Ergebnis. Während der Klägerin im Haus ihrer Eltern keine abgeschlossene Wohnung, sondern nur ihr früheres Kinder-/Jugendzimmer zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stand, verfügte sie in K. über eine eigene, vollständig eingerichtete Wohnung. Diese objektiven Wohnverhältnisse sprechen dafür, dass die Klägerin einen eigenen Hausstand nur in K. hatte und sie sich in U. ‒ wenngleich auch häufig ‒ zu Besuch im fremden Haushalt ihrer Eltern aufgehalten hat. Für die fortbestehende Eingliederung der Klägerin in den Haushalt der Eltern spricht ferner die seit Kindheit/Jugend der Klägerin durchgehend unveränderte Wohnsituation der Klägerin im Haus ihrer Eltern. Die Klägerin ist nicht nach einer längerfristigen Abwesenheit oder nach Beendigung einer Beziehung in das Haus ihrer Eltern zurückgekehrt. Sie war während ihrer Ausbildung durchgehend in den fremden Haushalt ihrer Eltern eingegliedert und hat einen eigenen Haushalt in K. nach Abschluss ihrer Ausbildung erst zu Beginn des Streitjahres begründet. Auch haben sich weder während ihrer Ausbildung noch im Streitjahr Veränderungen in Bezug auf die Wohnsituation der Klägerin im Haus ihrer Eltern ergeben.

34

Der Umstand, dass der Arbeitsvertrag der Klägerin mit der X. in K. befristet war, ist ebenfalls nicht geeignet, die Vermutung für ihren alleinigen Hausstand in K. zu erschüttern. Insoweit ist zu bedenken, dass ihr Arbeitsvertrag nicht auf einen Zeitraum von nur wenigen Monaten, sondern vielmehr auf eine Zeitraum von immerhin drei Jahren befristet war, wobei zusätzlich ‒ wie der weitere Geschehensablauf zeigt ‒ auch die Möglichkeit einer Verlängerung der Befristung bestand. Da der Aufenthalt der Klägerin in K. somit von Beginn an auf einen vergleichsweise langen Zeitraum angelegt war, erscheint nicht ausgeschlossen, dass sie dort bereits im Streitjahr 2016 ihren eigenen Hausstand geführt hat. Die grundsätzliche Bereitschaft der Klägerin, ihren dauerhaften Hausstand in K. zu nehmen, zeigt sich auch daran, dass sie im Jahr 2019 mit ihrem Lebensgefährten eine gemeinsame Wohnung in K. bezogen hat.

35

Auch dass die Klägerin eine Kostenbeteiligung an ihre Eltern gezahlt hat, kann die Vermutung der Eingliederung in den Haushalt ihrer Eltern nicht erschüttern. Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung handelt es sich bei der Vereinbarung einer Kostenbeteiligung zwar um ein durchaus gewichtiges, jedoch nicht um ein zwingendes Indiz für das Unterhalten eines eigenen, gemeinsam Hausstands (BFH-Urteil vom 16.01. 2013 ‒ VI R 46/12, BStBl. II 2013, 627, Juris Rn. 11, unter Verweis auf BFH-Urteil vom 28.03.2012 ‒ VI R 87/10, BStBl. II 2012, 800). Da die Vereinbarung einer Kostenbeteiligung somit nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Hausstands schließen lässt, kann sie allein die zuungunsten der Klägerin greifende Regelvermutung nicht erschüttern, zumal sie eigene Aufwendungen dadurch erspart hat, dass der von ihr genutzte Pkw von ihren Eltern angeschafft worden ist.

36

Der Senat vermochte auch nicht festzustellen, dass die Klägerin den Haushalt in U. gleichberechtigt mit ihren Eltern geführt hat. Zwar hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe bei Gelegenheit im Haushalt in U. anfallende Arbeiten übernommen. Es ist jedoch schon nicht ersichtlich, dass die Klägerin in größerem Umfang Aufgaben im Haushalt übernommen hat, als dies von noch im Haushalt befindlichen erwachsenen Kindern verlangt werden kann; derartige Aufgaben sind zudem auch von der ebenfalls in U. wohnhaften und als Studentin in den Haushalt ihrer Eltern eingegliederten Schwester der Klägerin übernommen worden. Soweit die Klägerin ferner geltend gemacht hat, sie sei als geschätzte Ratgeberin in Investitionsentscheidungen ihrer Eltern einbezogen gewesen, spricht dies nach Auffassung des Senates ebenfalls nicht für eine gleichberechtigte Haushaltsführung, denn eine gleichberechtigte Haushaltsführung nach Art einer Wohngemeinschaft zeichnet sich nicht dadurch aus, dass einer der Beteiligten lediglich Ratschläge zu Investitionsentscheidungen erteilt, sondern dass derartige Entscheidungen gemeinsam getroffen und umgesetzt werden.

37

Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie später den elterlichen Hof in U. übernehmen solle, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Annahme eines eigenen Hausstandes in U.. Zum einen hat die Klägerin auf Nachfrage erklärt, dass der Hof von den Eltern nicht mehr bewirtschaftet werde, so dass es zu einer „Übernahme“ des Hofes im üblichen Wortsinne ohnehin nicht mehr kommen kann. Zum anderen begründet der Umstand, dass die Klägerin im Jahr 2019 mit ihrem Lebensgefährten in K. zusammengezogen ist, zusätzliche Zweifel daran, dass konkrete Pläne zur Übernahme des Hofes durch die Klägerin bestanden.

38

Die Klägerin kann sich schließlich auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 18.09.2019 (9 K 209/18, EFG 2020, 262, Revision anhängig unter VI R 39/19) berufen. Das Niedersächsische Finanzgericht stützt sein Urteil ausdrücklich auf die BFH-Rechtsprechung, die auch dem vorliegenden Urteil zugrunde liegt (z.B. BFH-Urteil vom 05.06.2014 ‒ VI R 76/13, BFH/NV 2014, 1884; BFH-Urteil vom 16.01.2013 ‒ VI R 46/12, BStBl. II 2013, 627). Der Umstand, dass das Niedersächsische Finanzgericht der dortigen Klage stattgegeben hat, ist offenbar darauf zurückzuführen, dass es nicht über die doppelte Haushaltsführung eines jungen Steuerpflichtigen unmittelbar nach der Berufsausbildung zu entscheiden hatte, sondern vielmehr über die doppelte Haushaltsführung eines älteren, wirtschaftlich selbständigen Steuerpflichtigen. Damit unterscheidet sich der vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedene Fall in einem zentralen Punkt von dem vorliegenden Fall der Klägerin.

39

III.   Der Beklagte durfte mit der Einspruchsentscheidung vom 07.05.2018 eine höhere Einkommensteuer zuungunsten der Klägerin festsetzen. Gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO darf ein Steuerbescheid auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Vorliegend hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 13.11.2017 unter Angabe der zugrundeliegenden rechtlichen Erwägungen auf eine mögliche verbösernde Einspruchsentscheidung hingewiesen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

40

IV.   Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

41

V.  Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO sind nicht ersichtlich. Das vorliegende Urteil beruht auf der gefestigten BFH-Rechtsprechung zum Begriff des eigenen Hausstands.

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