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13.06.2006 · IWW-Abrufnummer 061725

Kammergericht Berlin: Beschluss vom 29.03.2006 – 1 W 71/05

Dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl für ihr Kind darf allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht. Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls kann dann vorliegen, wenn der Vorname das Geschlecht des Namensträgers nicht hinreichend kenntlich macht. Handelte es sich um einen im Ausland gebräuchlichen Namen, so entscheidet sich die Frage, ob es sich um einen männlichen oder um einen weiblichen Vornamen handelt, nach dem Gebrauch im Herkunftsland. Zweifel können durch weitere Vornamen ausgeräumt werden, die das Geschlecht eindeutig erkennen lassen. Der Umstand, dass es sich um einen in seinem Herkunftsland gebräuchlichen Bei- oder Zwischennamen handelt, schließt es nicht aus, diesen Namen als Vornamen zu verwenden (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2005, 2049 ff.).


Kammergericht
Beschluss

Geschäftsnummer:
1 W 71/05

In dem Personenstandsverfahren

betreffend die Berichtigung des Eintrags Nr. 3nnnn im Geburtenbuch des Standesamts Pnnn von Bnnn

hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 7. Februar 2005 - 84 T 7/05 - am 29. März 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 EUR.

Eine Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, die nicht miteinander verheiratet sind, beide die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen und, soweit ersichtlich, keinerlei staatsbürgerschaftliche oder kulturelle Beziehungen zu Island haben, beabsichtigen, ihrer am 11.2.2004 geborenen gemeinsamen Tocher Jnnn Bnnnn als zweiten Vornamen den Namen Christiansdottir zu geben. Hierbei handelt es sich nach Auskunft der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig um einen ursprünglich isländischen weiblichen Beinamen mit der Bedeutung "Tochter des Christian". Christian ist der Vorname des Beteiligten zu 2).

Das Amtsgericht hat mit dem Beschluss vom 1.12.2004 den Standesbeamten angewiesen, den Namen Christiansdottir als zweiten Vornamen im Geburtenbuch als Randvermerk beizuschreiben. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat das Landgericht mit Beschluss vom 7.2.2005 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

Die Beteiligte zu 3) macht geltend, der Name Christiansdottir verletze das Gebot der Geschlechtsoffenkundigkeit, da es sich bei dem ersten Bestandteil des Namens im deutschen Rechtsbereich um einen eindeutig männlichen Vornamen handele. Der hinzugefügte Namenszusatz "Dottir" stelle lediglich ein auf das weibliche Geschlecht hindeutendes Namenselement dar, das weder die Zuordnung des Namens Christiansdottir im deutschen Sprachgebrauch zum weiblichen Geschlecht noch die Einstufung des gewünschten Namens als ambivalent zulasse. Die Beteiligte zu 3) hält eine grundsätzliche Klärung der Frage für erforderlich, ob ein Name, der sich aus einem männlichen Vornamen und einem auf das weibliche Geschlecht hindeutenden Namenselement zusammensetze, als Vorname erteilt werden könne.

Die Antragsteller verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.

1. Die gemäß §§ 48, 49 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PstG, §§ 22, 27, 29 Abs. 1 und 2 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 1. Dezember 2004 zurückgewiesen.

a) Da beide Antragsteller deutsche Staatsangehörige sind und auch ihr gemeinsames Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hat, gilt - wovon auch alle Beteiligten ausgehen - das deutsche Vornamensrecht.

Ausdrückliche gesetzliche Bestimmungen, die die Wahl des Vornamens regeln, bestehen nicht (BVerfG FamRZ 2005, 2049, 2050; BGHZ 73, 239, 241; OLG Karlsruhe, StAZ 1999, 298). Die - grundsätzlich freie - Wahl eines Vornamens ist Ausdruck des Rechts der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Darüber hinaus wird durch etwaige Reglementierungen seitens des Staates in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen (BVerfG a.a.O., 2051; FamRZ 2006, 182, 184; FamRZ 2002, 306, 308). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes ist es zuvörderst Aufgabe der Eltern, ihrem Kind in freier gemeinsamer Wahl einen Namen zu bestimmen, den es sich selbst noch nicht geben kann. Die Namensgebung soll dem Kind die Chance für die Entwicklung seiner Persönlichkeit eröffnen und seinem Wohl dienen, dessen Wahrung den Eltern als Recht und Pflicht gleichermaßen anvertraut ist. Der Name eines Menschen ist Ausdruck seiner Identität sowie Individualität und begleitet die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Dem heranwachsenden Kind hilft er, seine Identität zu finden und gegenüber anderen zum Ausdruck zu bringen (BVerfG FamRZ 2002, 306, 308; FamRZ 2005, 2049, 2050; vgl. auch für den Sonderfall eines Transsexuellen BVerfG FamRZ 2006, 182, 184).

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf dem Recht der Eltern zur Vornamenswahl für ihr Kind allein dort eine Grenze gesetzt werden, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht (BVerfG FamRZ 2002, 306, 308; FamRZ 2005, 2049, 2050). Auf die Gebräuchlichkeit und Geschlechtsbezogenheit eines von den Eltern gewählten Vornamens kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (FamRZ 2005, 2049, 2050) nur insoweit an, als das Kindeswohl beeinträchtigt sein könnte. Zum Kindeswohl gehört allerdings, dass es einen als solchen erkennbaren Namen erhält, der ihm zu einer Identitätsfindung verhilft. Dabei ist auch zu beachten, dass dem Vornamen in unserem Rechtskreis die Funktion zukommt, das Geschlecht des Namensträgers zum Ausdruck zu bringen (BVerfG FamRZ 2006, 182, 184; ebenso BGHZ 73, 239, 241).

c) Im vorliegenden Fall sind keine Gründe für eine Einschränkung des grundrechtlich geschützten Rechts der Antragsteller, ihrer gemeinsamen Tochter den für sie gewählten zweiten Vornamen zu bestimmen, gegeben. Dass das Kindeswohl der Tochter durch den zweiten Vornamen Christiansdottir beeinträchtigt werden könnte, ist weder von der Beteiligten vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Der Standesbeamte hat in seinem Schreiben vom 21. März 2004 nicht auf das Kindeswohl abgestellt, sondern geltend gemacht, Vornamen sollten "die allgemeinen Sitten und Ordnungen nicht verletzen", zur "rechten Ordnung" gehöre aber, dass nicht - wie im vorliegenden Fall - eine ungebräuchliche Bezeichnung verwendet werde. Dieser Gesichtspunkt ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht tragfähig. Der Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, bei der Anwendung deutschen Namensrechts sei es nicht zulässig, einen im ausländischen Rechtsbereich gebräuchlichen Bei- oder Zwischennamen im deutschen Rechtsbereich als Vornamen zu erteilen (Schriftsatz vom 24. Januar 2005). So hat das Bundesverfassungsgericht (FamRZ 2005, 2049, 2050) ausgesprochen, dass es aus den allein maßgeblichen Gründen des Kindeswohls nicht zu beanstanden ist, wenn Eltern ihrem Kind den im Ausland als Nachnamen gebräuchlichen Namen "Anderson" als Vornamen - neben zwei weiteren männlichen Vornamen - geben. Zum Kindeswohl gehört allerdings der Gesichtspunkt, dass dem Vornamen in unseren Rechtskreis die Funktion zukommt, das Geschlecht des Namensträgers zum Ausdruck zu bringen. Dem wird im vorliegenden Fall schon durch den eindeutig weiblichen Vornamen Jnnn Rechnung getragen. Abgesehen davon steht aufgrund der Stellungnahme der Namensberatungsstelle der Universität Leipzig fest, dass es sich bei dem Namen Christiansdottir um einen ursprünglich isländischen weiblichen Beinamen handelt, der hier auch zutreffend in der Bedeutung "Tochter des Christian" verwendet wird. Es handelt sich also gerade nicht, wie die Beteiligte zu 3) meint, um einen auf das männliche Geschlecht hindeutenden Namen. Die Gefahr, dass der einheitliche Name "Christiansdottir" wegen des darin enthaltenen Namens-teils "Christian" nach dem deutschen Verständnis als männlicher Name ausgelegt wird, besteht tatsächlich nicht. Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 73, 39, 242) bereits im Jahr 1979 ausgesprochen, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Name nach deutschem Sprachgebrauch eher auf einen weiblichen oder auf einen männlichen Vornamen hindeutet, wenn der Name in seinem Herkunftsland eindeutig als männlicher bzw. weiblicher Vorname gebraucht wird, wobei verbleibende Zweifel durch die Wahl eines weiteren Vornamens, der das Geschlecht eindeutig erkennen lässt, ausgeräumt werden.

Dementsprechend bestehen im vorliegenden Fall keine Bedenken, den Namen Christiansdottir als zweiten Vornamen neben dem Namen Jnnn einzutragen.

3. Für eine Kostenentscheidung besteht kein Anlass.

RechtsgebieteGG, PstGVorschriftenGG Art. 2 Abs. 1 GG Art. 6 PStG § 21 PStG § 22

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