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20.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216923

Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 09.06.2020 – 4 U 102/20

1.

Überträgt der Versicherungsnehmer einem Dritten die Vertragsverwaltung, muss er sich dessen Verhalten nur in Vertragsangelegenheiten und nur für Obliegenheitsverletzungen zurechnen lassen, die vor Eintritt des Versicherungsfalls liegen. Die Zurechnung eines Verhaltens des Vertragsverwalters, das zum Eintritt des Versicherungsfalls führt, kommt nur i Betracht, wenn diesem auch die Gefahrverwaltung übertragen war.
2.

Wird das von einem Gebäudeversicherungsvertrag abgedeckte Grundstück auch nur zeitweise zur Lagerung von Drogen oder für Treffen mit Personen benutzt, die als Drogenkuriere fungierten, liegt eine Gefahrerhöhung vor.


Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 102/20 am 09.06.2020
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.12.2019 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  3. 3.

    Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. 4.

    Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 194.674,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Leistungen aus einer Gebäudeversicherung aufgrund eines Brandereignisses vom 18.07.2015.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und der erstinstanzlichen Antragstellung wird auf das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.12.2019 Bezug genommen.

Das Landgericht Dresden hat mit Urteil vom 06.12.2019 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei wegen Gefahrerhöhung gemäß §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 23 Abs. 1 VVG leistungsfrei geworden. Der Sohn der Klägerin, der ihr Repräsentant sei, habe - anders als der Voreigentümer zum Zeitpunkt seiner Vertragserklärung - ohne Einwilligung der Beklagten das streitgegenständliche Grundstück zur Abwicklung von Drogengeschäften genutzt. So ergebe sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte, dass der Sohn der Klägerin K...... S...... aufgefordert habe, Drogen in ein blaues Plastikfass zu verpacken und im hohen Gras auf dem Grundstück zu verstecken. Zudem habe der Sohn der Klägerin im Bereich der Theke der auf dem Grundstück befindlichen Gaststätte "H..........." einen Schlüssel zu dem auf dem Nachbargrundstück befindlichen Gebäude, in welchem durch ihn Drogen gelagert worden seien, versteckt. Dies sei unstreitig, nachdem die Klägerin den entsprechenden Vortrag der Beklagten nicht bestritten habe. Ob die Klägerin von den Drogengeschäften ihres Sohnes gewusst habe, sei aufgrund seiner Repräsentanteneigenschaft unerheblich. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung verfolgt diese ihr erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiter. Sie beanstandet, das Landgericht führe im Hinblick auf die angenommene Repräsentanteneigenschaft ihres Sohnes keine belastbaren Tatsachen an und bezeichne ihre entgegenstehende Darstellung pauschal als Schutzbehauptung, ohne sich dezidiert mit ihrem Vorbringen auseinanderzusetzen und den Beweisangeboten nachzugehen. Dies gelte sowohl für ihre Darstellung, dass sie an den Besichtigungen bzw. Besprechungen bezüglich des Erwerbs des streitgegenständlichen Grundstücks teilgenommen, der Erwerb der Altersvorsorge gedient und sie den Kauf selbst finanziert habe als auch für den Umstand, dass sie aus gesundheitlichen Gründen teilweise Aktivitäten in diesem Zusammenhang auf ihren Sohn übertragen habe. Bei der Behauptung der Beklagten, das Grundstück sei mit den Geldern aus den Drogengeschäften ihres Sohnes finanziert worden, handele es sich um Spekulation. Anders als vom Landgericht angenommen, habe ihr Sohn keine Drogengeschäfte auf dem streitgegenständlichen Grundstück abgewickelt. Er habe K...... S...... auch nicht aufgefordert, die Drogen auf dem streitgegenständlichen Grundstück zu verbergen, sondern diesen nur beauftragt, die Drogen zu verstecken. Unabhängig davon habe ihrem Sohn aber auch das Bewusstsein dafür gefehlt, dass die Abwicklung von Drogengeschäften bzw. die Lagerung von Drogen auf dem streitgegenständlichen Grundstück einen gefahrerhöhenden Umstand darstelle.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 06.12.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 194.674,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Auffassung, dass der Vortrag der Klägerin zur Herkunft des Geldes, mit dem sie nach ihrer Darstellung den Kaufpreis bezahlt habe, unsubstantiiert geblieben sei. Angesichts der deutlichen Hinweise darauf, dass es sich um Geld aus Drogengeschäften gehandelt habe, wäre von der Klägerin eine detailliertere Darlegung geboten gewesen. Dass der Sohn der Klägerin die tatsächliche Herrschaftsgewalt über das versicherte Gebäude gehabt habe, ergebe sich aus der beigezogenen Ermittlungsakte. Zwischen dem Nutzer des Gebäudes, K...... S......, und dem Sohn der Klägerin habe eine "kriminell-geschäftliche" Beziehung bestanden. Inwiefern die Klägerin selbst in Entscheidungen über die Nutzung des Grundstücks eingegriffen habe, werde von ihr nicht dargelegt. Maßgeblich für die Gefahrerhöhung sei allein, dass der Drogenhandel in einem kriminellen Milieu stattgefunden habe. Selbst wenn der Sohn der Klägerin einen Großteil seiner Drogengeschäfte in der eigenen Wohnung abgewickelt habe, sei es für einen nicht unbedeutenden Personenkreis erkennbar gewesen, dass das versicherte Gebäude für den Sohn der Klägerin und dessen Geschäfte eine Bedeutung habe.

Der Senat hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden zum Az.: 421 Js 27004/15 sowie zum Az.: 169 Js 66956/16 beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zur Begründung wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Senatsbeschluss vom 30.03.2020 Bezug genommen. Die Stellungnahme der Klägerin mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.04.2020 bzw. 05.06.2020 gibt keinen Anlass zu einer Änderung der mit dem vorgenannten Beschluss vertretenen Auffassung.

1.

Die Auffassung der Klägerin, ihr Sohn sei bezogen auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag nicht ihr Repräsentant gewesen, setzt sich nicht hinreichend mit den Gründen des Senatsbeschlusses vom 30.03.2020 auseinander. Insbesondere wird die Klägerin aber nach wie vor nicht der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast gerecht, sondern beschränkt sich weiterhin auf pauschale Angaben, ohne zu den von ihr behaupteten Vertragsverhandlungen bzw. Besichtigungsterminen im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstücks sowie den zur Zahlung des Kaufpreises von Dritten erhaltenen Geldbeträgen oder aber dem abgeschlossenen Pachtvertrag - insbesondere zu einem ihrerseits erklärten Verzicht auf die Zahlung der Pacht im Gegenzug für Investitionen durch den Pächter -, die erforderlichen Einzelheiten vorzutragen.

Die Behauptung der Klägerin, die Geldbeträge für den Kauf des streitgegenständlichen Grundstücks im Jahr 2012 stammten nicht aus Drogengeschäften ihres Sohnes, ist insofern nicht maßgeblich. Von Bedeutung ist allein, dass sie für die Herkunft des Bargeldes, das ihr Sohn dem Verkäufer des Grundstückes als Kaufpreis übergeben hat, eine sekundäre Darlegungslast trifft. Dieser ist sie durch die nicht weiter substantiierte Behauptung, der Betrag in Höhe von 15.000,00 € sei aus ihren Ersparnissen bzw. den Ersparnissen ihres Mannes und mit Geldgeschenken ihrer Mutter finanziert worden, nicht gerecht geworden. Zu diesen Ersparnissen bzw. Geldgeschenken hat sie keinerlei konkrete Angaben gemacht, vielmehr ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2019 erstinstanzlich lediglich pauschal erklärt, von den Einnahmen ihres Mannes zu leben, der bis zu seiner Rente als Schlosser bzw. Schweißer gearbeitet habe. Erstmals mit Schriftsatz vom 05.06.2020 hat sie nunmehr zwar näher zu dem Netto-Verdienst ihres Ehemannes vorgetragen. Die hierzu vorgelegten Belege stehen jedoch zum Teil im Widerspruch zu ihrem Vorbringen, weil ihr Ehemann ausweislich der vorgelegten Anlage K2 nicht - wie behauptet - nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der A...... R...... GmbH im Jahr 2003 unmittelbar im Anschluss bei dem Montagebetrieb G...... in G...... beschäftigt war, sondern die Lohnabrechnung aus Juni 2014 als Eintrittsdatum erst den 01.08.2006 ausweist und nach dem dort angegebenen Jahresverdienst der monatliche Nettolohn nicht 2.500,00 €, sondern offenbar nur 1611,50 € betragen hat, was nach Abzug der Aufwendungen für den Lebensunterhalt zur Anschaffung eines oder mehrerer Grundstücke nicht ausreicht. Dies kann jedoch für die Entscheidung dahinstehen. Entscheidend ist nämlich, dass auch in dem vorgenannten Schriftsatz wiederum zur Höhe der im Jahr 2012 angesparten ("überwiegend zu Hause aufbewahrten") Beträge bzw. Geldgeschenke nichts vorgetragen wird. Auch die erstmals aufgestellte Behauptung, die Mutter der Klägerin habe ihr "erhebliche Teile des gegenständlichen Kaufpreises überlassen", wird durch nichts belegt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, das auch wegen dieser dubiosen Umstände in der Klägerin letztlich eine "Strohfrau" ihres Sohnes gesehen hat, gibt nach alledem keinen Anlass zu Zweifeln, die eine ergänzende Beweisaufnahme geböten (§ 529 ZPO).

2.

Auch im Hinblick auf die seitens des Senats angenommene Gefahrerhöhung wiederholt die Klägerin nur ihren allgemein gehaltenen Vortrag, ihr Sohn habe K...... S...... im Rahmen der Anweisung, die Betäubungsmittel zu verstecken, den Ort des Versteckes nicht vorgegeben und meint, dass - anders als vom Senat vertreten - eine detaillierte Vorgabe des Verstecks auch nicht nachvollziehbar wäre. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten - in Übereinstimmung mit den Feststellungen unter III. 7. aus dem von der Beklagten als Anlage B 2 vorgelegten Strafurteil des Landgerichts Dresden vom 09.03.2016 (Az.: 3 KLs 2704/15) - ist der Auftrag des Sohnes der Klägerin gegenüber K...... S......, die Betäubungsmittel zu verstecken, im Februar bzw. März 2015 erfolgt. Nachdem die Drogen auf dem streitgegenständlichen Grundstück jedoch erst Mitte August 2015 aufgefunden worden sind, hält der Senat es für lebensfremd, dass die Drogen dort über einen derart langen Zeitraum gelagert wurden, ohne dass der Sohn der Klägerin dies konkret angewiesen hätte. Aber selbst wenn die Anweisung nicht den Ort des Versteckes beinhaltet haben sollte, geht der Senat davon aus, dass der Sohn der Klägerin von K...... S...... darüber jedenfalls unmittelbar informiert worden ist. Denn anderenfalls hätte der Sohn der Klägerin über einen langen Zeitraum keinerlei Kenntnis gehabt, wo sich die - ihm gehörenden - Betäubungsmittel von nicht unerheblichem Wert befunden hätten. Dies hält der Senat für ausgeschlossen, zumal die Klägerin selbst zugesteht, dass ihr Sohn durchaus detaillierte Vorgaben (Verpacken der Drogen in einem Fass) gegenüber K...... S...... gemacht hat, indem sie auf Seite 14 ihres Schriftsatzes erklärt, "Was steht dem entgegen, den Herrn S...... aufzufordern, die Drogen in ein Fass zu verpacken und zu verstecken, ohne Anweisung des genauen Verstecks". Die Vermutung der Klägerin, ihr Sohn hätte sicher nicht diese Art des Verstecks (das hohe Gras auf dem Grundstück der H...........), sondern einen anderen - sichereren - Ort angewiesen, steht dieser Würdigung nicht entgegen. Denn ein Drogenhändler, der - wie die Klägerin unterstellt - über mehrere Monate nicht weiß, an welchem Ort seine Betäubungsmittel durch seinen Gehilfen gelagert werden, der mithin keinerlei Vorstellung davon hat, ob diese an einem sicheren Ort aufbewahrt werden, handelt sicherlich "sorgloser" als ein Drogenhändler, der seinen Gehilfen anweist, diese "im hohen Gras auf dem Grundstück der H..........." in einem Plastikfass zu verstecken.

Zudem ist unstreitig, dass K...... S......, der die Gaststätte "H..........." auf dem streitgegenständlichen Grundstück betrieben hat, unmittelbar in die Drogengeschäfte des Sohnes der Klägerin eingebunden war (vgl. dazu auch Feststellungen in dem von der Beklagten als Anlage B 2 vorlegten Strafurteil), mag er auch den Verkauf der Drogen von seiner Wohnung aus vorgenommen haben. Darüber hinaus ist unstreitig, dass sich der Sohn der Klägerin mehrfach mit Personen aus dem Drogenmilieu auf dem Grundstück der "H..........." getroffen hat, wobei der Senat dahinstehen lässt, ob im Zusammenhang mit diesen Treffen auch Drogengeschäfte vorbereitet oder abgewickelt worden sind.

Hierdurch ist ein Zustand erhöhter Gefahr für eine gewisse Dauer (vgl. nur BGH, Urteil vom 10.09.2014, Az. IV ZR 322/13 - juris) geschaffen worden. In der Gesamtschau der Indizien ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, das von einer der Klägerin zuzurechnenden Gefahrerhöhung ausgegangen ist, gemäß § 529 ZPO nicht zu beanstanden. Danach hat der Sohn der Klägerin durch sein Handeln (auch) die Gefahr der Brandstiftung erhöht. Denn im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Grundstücks in die Drogengeschäfte, insbesondere durch die Lagerung von Drogen auf dem Grundstück und das Betreiben einer Gaststätte durch den in die Drogengeschäfte eingebundenen Gehilfen, ist die Gefahr einer Brandstiftung, sei es zur Beseitigung von Spuren oder aus anderen im kriminellen Milieu naheliegenden Motiven - wie beispielsweise Rache, Revierkämpfe etc. - jedenfalls gestiegen (vgl. auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 18.01.2020, Az. 5 U 82/18 - juris; OLG Celle, Urteil vom 10.11.2016, Az. 8 U 101/16 - juris).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Für die Streitwertfestsetzung waren die §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO maßgeblich.

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