19.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061447
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 19.10.2005 – 7 AZR 31/05
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESARBEITSGERICHT
Im Namen des Volkes!
URTEIL
7 AZR 31/05
Verkündet am 19. Oktober 2005
In Sachen
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Oktober 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesarbeitsgerichts Dörner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Gräfl und den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Koch sowie die ehrenamtlichen Richter Bea und Becher für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. November 2004 - 15 Sa 1035/04 - aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 15. April 2004 - 4 Ca 3636/03 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 30. September 2003 geendet hat.
Der Kläger war vom 18. Juni 2001 bis zum 12. Oktober 2001 als Praktikant im Rahmen einer beruflichen Fortbildung ohne Vergütung bei der Beklagten tätig. Am 11. Oktober 2001 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag, wonach der Kläger befristet vom 15. Oktober 2001 bis zum 31. Dezember 2002 als Bezirksleiter bei der Beklagten beschäftigt wurde. Unter dem 9. Juli 2002 unterzeichneten die Parteien ein von der Beklagten vorformuliertes, an den Kläger gerichtetes Schreiben folgenden Wortlauts:
"Sehr geehrter Herr S,
im Nachgang zu unserem Schreiben vom 11. Oktober 2001 bestätigen wir Ihnen, dass sich Ihr Einsatz als Bezirksleiter im Vertriebsbereich bis zum 30. September 2003 verlängert.
Im Übrigen gelten die mit Ihnen getroffenen arbeitsvertraglichen Regelungen."
Mit Schreiben vom 26. August 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er werde ab 1. Oktober 2002 befristet bis zum 30. September 2003 zum kommissarischen Gebietsverkaufsleiter ernannt. In dieser Funktion war der Kläger bis zur Beendigung der Beschäftigung am 30. September 2003 tätig.
Mit der am 3. September 2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 30. September 2003 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei mangels eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes unwirksam. Bei der Befristung zum 30. September 2003 handle es sich nicht um eine nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zulässige Vertragsverlängerung, da ihm auf Grund des Schreibens der Beklagten vom 26. August 2002 im Zusammenhang mit der Vertragsverlängerung zum 1. Oktober 2002 die höherwertige und höher vergütete Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter übertragen worden sei. Dies habe nicht einseitig im Wege des Direktionsrechts geschehen können. Deshalb unterliege die Vereinbarung vom 26. August 2002 als Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrags der Befristungskontrolle. Die darin vereinbarte Befristung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG wegen des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten ohne Sachgrund unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder auf Grund des Vertrages vom 9. Juli 2002 noch des Vertrages vom 26. August 2002 zum Ablauf des 30. September 2003 geendet hat,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Gebietsverkaufsleiter weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt unter Aufhebung des Berufungsurteils zur Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat auf Grund Befristung am 30. September 2003 geendet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unterliegt ausschließlich die in der Vereinbarung vom 9. Juli 2002 getroffene Befristungsabrede der gerichtlichen Kontrolle. Diese Befristung ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ohne Sachgrund wirksam, da es sich um die erstmalige Verlängerung des am 11. Oktober 2001 abgeschlossenen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags handelt. In Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom 26. August 2002 haben die Parteien keine weitere der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Befristung vereinbart, sondern lediglich die Arbeitsbedingungen während der Laufzeit des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses geändert. Dies hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der zuvor vereinbarten Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht einen Vertrag vom 26. August 2002 der Befristungskontrolle unterzogen. Der gerichtlichen Kontrolle nach § 14 Abs. 2 TzBfG unterliegt allein die am 9. Juli 2002 getroffene Befristungsabrede.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen grundsätzlich nur die zuletzt vereinbarte Befristung auf ihre Rechtswirksamkeit zu prüfen. Durch den vorbehaltlosen Abschluss eines weiteren befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue rechtliche Grundlage, die für ihre Vertragsbeziehung künftig allein maßgeblich sein soll. Dadurch wird zugleich ein etwaiges unbefristetes Arbeitsverhältnis aufgehoben (st. Rspr., vgl. etwa 8. Mai 1985 - 7 AZR 191/84 - BAGE 49, 73 = AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 97 = EzA BGB § 620 Nr. 76, zu II der Gründe; 4. Juni 2003 - 7 AZR 523/02 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 252 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 4, zu 2 a der Gründe). Vereinbaren die Parteien während der Dauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags unter Beibehaltung der Vertragslaufzeit eine Änderung der Arbeitsbedingungen, unterliegt diese Vereinbarung nicht der Befristungskontrolle, weil die Vereinbarung keine neue Befristungsabrede enthält (BAG 25. Mai 2005 - 7 AZR 286/04 -, zu I der Gründe; vgl. zu § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BeschFG 1996: BAG 19. Februar 2003 - 7 AZR 648/01 -, zu I 2 b der Gründe; 19. Februar 2003 - 7 AZR 2/02 -, zu III der Gründe). Der erkennende Senat hat zwar zur Sachgrundbefristung entschieden, dass ein Änderungsvertrag, durch den während der Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses eine Änderung der geschuldeten Tätigkeit und der Vergütung vereinbart wird, als zuletzt abgeschlossener Arbeitsvertrag der Befristungskontrolle auch dann unterliegt, wenn die Vertragslaufzeit unverändert bleibt, weil die Parteien mit der vertraglichen Vereinbarung anderer Hauptpflichten zum Ausdruck bringen, dass diese neue Vereinbarung für ihr Arbeitsverhältnis künftig allein bestimmend sein soll und gerade nicht mehr der hiervon abweichende Inhalt des vorhergehenden Arbeitsvertrags (BAG 21. März 1990 - 7 AZR 286/89 - AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 135 = EzA BGB § 620 Nr. 106, zu II 1 b der Gründe). Es kann dahinstehen, ob an dieser Aussage zur Sachgrundbefristung festzuhalten ist. Sie kann jedoch auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht übertragen werden. Die Wirksamkeit einer Sachgrundbefristung hängt in der Regel wesentlich von der vertraglich geschuldeten Tätigkeit ab. Da die Wirksamkeit einer Befristung nach den Umständen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen ist und nachträgliche Änderungen grundsätzlich keine Auswirkungen auf eine zunächst wirksam vereinbarte Befristung haben, kann es bei der Sachgrundbefristung geboten sein, bei nach Vertragsschluss vereinbarten Änderungen der Hauptpflichten, insbesondere der geschuldeten Tätigkeit, den Änderungsvertrag auch dann der Befristungskontrolle zu unterziehen, wenn durch ihn die Vertragsdauer nicht geändert wird. In der Vereinbarung einer geänderten Tätigkeit kann in einem solchen Fall zugleich eine erneute, auf diese Tätigkeit bezogene Befristungsabrede liegen. Demgegenüber spielt die Art der Tätigkeit für die sachgrundlose Befristung keine Rolle. Eine sachgrundlose Befristung ist nach § 14 Abs. 2 TzBfG in Bezug auf jede denkbare Tätigkeit zulässig. Deshalb enthält eine während der Vertragslaufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags getroffene Vereinbarung über die Änderung der Tätigkeit und der Vergütung keine neue, der Befristungskontrolle zu unterziehende Befristungsabrede, wenn die Vertragslaufzeit beibehalten wird.
b) Hiernach unterliegt allein die Vereinbarung vom 9. Juli 2002 über die Verlängerung des Einsatzes des Klägers bis zum 30. September 2003 als zuletzt getroffene Befristungsabrede der Befristungskontrolle nach § 14 Abs. 2 TzBfG. Am 26. August 2002 haben die Parteien keine neue Befristung vereinbart. Die auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 26. August 2002 vorgenommenen Änderungen betreffen ausschließlich die Tätigkeit und die Vergütung des Klägers, nicht jedoch die bereits zuvor am 9. Juli 2002 vereinbarte Vertragslaufzeit bis zum 30. September 2003. Diese ist unverändert geblieben.
2. Die am 9. Juli 2002 vereinbarte Befristung zum 30. September 2003 ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG wirksam.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall eingehalten. Die Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren wurde nicht überschritten. Der Kläger war auf Grund zweier befristeter Arbeitsverträge in der Zeit vom 15. Oktober 2001 bis zum 30. September 2003 bei der Beklagten beschäftigt. Bei der Befristungsabrede vom 9. Juli 2002 handelt es sich um eine nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG statthafte Verlängerung.
a) Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG ist bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren die höchstens dreimalige Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Nicht zulässig ist hingegen der mehrfache Neuabschluss sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge in diesem Zeitraum. Eine Verlängerung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz TzBfG setzt voraus, dass sie noch während der Laufzeit des zu verlängernden Vertrags vereinbart und nur die Vertragsdauer geändert wird, nicht aber die übrigen Arbeitsbedingungen (BAG 25. Mai 2005 - 7 AZR 286/04 -, zu II 2 a der Gründe; vgl. zu § 1 Abs. 1 BeschFG 1996: BAG 26. Juli 2000 - 7 AZR 51/99 -BAGE 95, 255 = AP BeschFG 1996 § 1 Nr. 4 = EzA BeschFG 1985 § 1 Nr. 19, zu III 1 und 2 der Gründe).
b) Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Parteien haben die im Arbeitsvertrag vom 11. Oktober 2001 vereinbarte Befristung zum 31. Dezember 2002 noch während dessen Laufzeit mit Vereinbarung vom 9. Juli 2002 einmal bis zum 30. September 2003 verlängert. In der Vereinbarung vom 9. Juli 2002 wurden die Arbeitsbedingungen mit Ausnahme der Vertragslaufzeit nicht geändert. Die später auf der Grundlage des Schreibens der Beklagten vom 26. August 2002 erfolgte Änderung der Tätigkeit und der Vergütung des Klägers ist für die Wirksamkeit der Befristung nicht von Bedeutung. Eine Vereinbarung der Parteien über die Änderung der Arbeitsbedingungen ist während der Laufzeit eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags ohne weiteres zulässig. Eine solche Vereinbarung hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Befristung (BAG 25. Mai 2005 - 7 AZR 286/04 -; 19. Februar 2003 - 7 AZR 2/02 -, zu III der Gründe; 19. Februar 2003 - 7 AZR 648/01 -, zu I 2 b der Gründe).
3. Der Wirksamkeit der Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits vom 18. Juni 2001 bis zum 12. Oktober 2001 als Praktikant bei der Beklagten tätig war. Dadurch wurde das Anschlussverbot des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht verletzt.
Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Anschlussverbot betrifft nur frühere Arbeitsverhältnisse. Zuvor bestandene andere Vertragsverhältnisse mit dem späteren Arbeitgeber hindern die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht. Dies gilt auch für eine berufsvorbereitende Beschäftigung als Praktikant, wenn mit diesem kein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde (vgl. dazu etwa APS/Backhaus 2. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 390; KR-Lipke 7. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 300; ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 121). Der für die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG darlegungspflichtige Kläger hat nicht geltend gemacht, das Praktikum auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags absolviert zu haben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 ZPO.