28.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215392
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 06.06.2019 – 1 K 113/17
Der zwischen einer Organgesellschaft und einer Organträgerin geschlossene Ergebnisabführungsvertrag wird nicht i. S. d. §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz, 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG tatsächlich durchgeführt, wenn die Organgesellschaft den ihr gegenüber der Organträgerin zustehenden Anspruch auf Verlustübernahme in ihrer Bilanz nicht ausweist. Das gilt auch dann, wenn die Organträgerin der Organgesellschaft den Verlustbetrag tatsächlich erstattet.
Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil vom 06.06.2019
Az.: 1 K 113/17
In dem Rechtsstreit
wegen Körperschaftsteuer 2009-2012, gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2009-31.12.2012 sowie gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zum 31.12.2009-31.12.2012
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob in den Jahren 2009 bis 2012 eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der B GmbH als Organträgerin bestanden hat.
Die B GmbH erwarb mit Vertrag vom 26. Juni 2008 mit Wirkung zum 1. Juli 2008 sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin. Ebenfalls am 26. Juni 2008 schlossen die Klägerin und die B GmbH einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (im Folgenden: EAV), mit dem sich die Klägerin der geschäftlichen Leitung der B GmbH unterwarf. Gem. § 3 Nr. 1 EAV verpflichtete sich die Klägerin, beginnend ab dem 1. Januar 2009 ihren gesamten Jahresüberschuss an die B GmbH abzuführen. Im Gegenzug verpflichtete sich die B GmbH gem. § 3 Nr. 4 EAV dazu, jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag der Klägerin entsprechend § 302 AktG auszugleichen. Gem. § 5 EAV wurde der Vertrag für die Zeit ab dem 1. September 2009 abgeschlossen und war nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit seinem Wirksamwerden kündbar.
Die Klägerin bilanzierte zum 31. Dezember 2008 einen handelsrechtlichen Verlustvortrag in Höhe von (Verlustvortag aus Vorjahren i.H.v. 16.688,15 EUR zzgl. Jahresfehlbetrag 2008 i.H.v. 30.282,65 EUR =) 46.970,80 EUR. Für die Jahre 2009 bis 2012 ergaben sich laut den Jahresabschlüssen der Klägerin Gewinne in folgender Höhe:
2009 9.640,64 EUR
2010 3.640,51 EUR
2011 18.077,77 EUR
2012 6.420,92 EUR.
Diese gab die Klägerin in ihren Körperschaftsteuererklärungen jeweils zu Kennziffer 111 der amtlichen Erklärungsvordrucke ("Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag wenn keine Steuerbilanz aufgestellt ist") an. Ferner wurde in Zeile 2 der Anlage ORG zur Körperschaftsteuererklärung jeweils auf die B GmbH als Organträgerin hingewiesen, in Zeile 28 wurde eine Zurechnung der Jahresüberschüsse der Klägerin zur B GmbH erklärt.
Im Jahr 2013 erwirtschaftete die Klägerin einen Verlust in Höhe von 8.453,92 EUR. Die Eintragungen in den Körperschaftsteuererklärungsvordrucken erfolgten entsprechend der soeben dargestellten Handhabung betreffend die Jahresüberschüsse; der Verlust sollte der B GmbH zuzurechnen sein (Zeilen 28 der Anlage ORG). In Zeile 21 der Anlage ORG ("Vom Organträger an die Organgesellschaft zum Ausgleich eines sonst entstehenden Jahresfehlbetrages zu leistender Betrag") wurde keine Eintragung vorgenommen.
Die Bilanz der Klägerin auf den 31. Dezember 2013 wurde am 10. November 2014 erstellt und wies keine Forderung der Klägerin gegenüber der B GmbH aus. Im Erstellungsbericht zum Jahresabschluss befand sich ein Hinweis auf den EAV.
Der Jahresabschluss wurde der Klägerin von ihrem damaligen Steuerberater am 20. November 2014 zusammen mit den gefertigten Steuererklärungen sowie einem Begleitschreiben übersandt. Letzteres enthält unter anderem folgende Ausführungen:
" [...]
Für 2013 weisen wir einen endgültigen Verlust von 8.453,92 € aus nach 6.420,92 € Gewinn im Vorjahr.
Der Verlustvortrag zum 31.12.2013 beträgt nunmehr 17.644,88 €. Wie am 27.04.2011 mitgeteilt, dürfen Gewinne an die B GmbH erst nach Aufrechnung dieses Betrages erfolgen. [...]
Andererseits ist erstmals seit Beginn der Organschaft der o.g. Verlust entstanden. Die B GmbH hat ihn gemäß Ergebnisabführungsvertrag zu erstatten [Hervorhebung im Original].
[...]"
Die B GmbH überwies am 11. Februar 2015 einen Betrag in Höhe von 8.453,92 EUR an die Klägerin. Als Überweisungszweck wurde folgendes angegeben:
"Erstattung Jahresverlust 2013 wg. Ergebnisabführungsvertrag"
Die Steuerveranlagungen für die genannten Jahre erfolgten zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß, die für 2013 und 2014 erlassenen Bescheide enthielten - anders als die für 2009 bis 2012 erlassenen Bescheide - keinen Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Jahr 2016 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die die Veranlagungszeiträume 2012 bis 2014 umfasste. Der Prüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass die körperschaftsteuerliche Organschaft von Anfang an nicht anzuerkennen sei, weil der EAV innerhalb des insoweit maßgeblichen Fünfjahreszeitraums nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Denn der gegenüber der B GmbH bestehende Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des im Jahre 2013 erwirtschafteten Verlustes sei weder bei der Klägerin noch bei der B GmbH bilanziell ausgewiesen worden.
Für die Jahre 2009 bis 2012 ergingen daraufhin unter dem 26. Juli 2016 entsprechende Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer. Dabei wurden die Änderungsbescheide für 2009 auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und diejenigen für 2010 bis 2012 auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und § 164 Abs. 2 AO gestützt.
Gegen die Bescheide legte die Klägerin am 10. August 2016 Einsprüche ein. Der EAV sei insbesondere auch mit Blick auf das Jahr 2013 ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 22. November 2017 zurück. Die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft i.S.d. §§ 14, 17 KStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (im Folgenden: KStG) erfordere gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG insbesondere, dass ein EAV für die Dauer von fünf Jahren abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer tatsächlich durchgeführt werde. Letzteres setze voraus, dass der EAV entsprechend den in ihm enthaltenen Vereinbarungen und nach Maßgabe des Gesetzes vollzogen werde. Dazu gehöre entsprechend § 301 AktG zum einen die Abführung des gesamten Gewinns der Organgesellschaft an die Organträgerin und zum anderen entsprechend § 302 Abs. 1 AktG der Ausgleich von Jahresfehlbeträgen der Organgesellschaft durch die Organträgerin innerhalb eines angemessenen Zeitraums, wobei der Anspruch auf Verlustübernahme bereits mit Ablauf des jeweiligen Bilanzstichtages entstehe und zudem sofort fällig sei. Regelmäßig werde ein EAV dadurch vollzogen, dass Organgesellschaft und Organträgerin bei der Aufstellung ihrer Jahresabschlüsse wechselseitige Forderungen bzw. Verbindlichkeiten in ihre Bilanzen einstellten und anschließend die Forderungen/Verbindlichkeiten ausglichen. Im vorliegenden Fall könne eine solche Durchführung des EAV allerdings nicht festgestellt werden. Denn in der Bilanz zum 31. Dezember 2013 fehle es an einer zutreffenden Bilanzierung des Anspruchs der Klägerin gegen die B GmbH auf Übernahme des Verlustes. Angesichts dieses Durchführungsmangels sei die Anerkennung der Organschaft insgesamt zu versagen, denn der Mangel sei innerhalb der fünfjährigen Mindestvertragslaufzeit aufgetreten. Darauf, dass eine Verlustübernahme tatsächlich erfolgt sei, komme es schon deshalb nicht an, weil die Ausgleichszahlung erst im Februar 2015 und damit über ein Jahr nach dem insoweit maßgeblichen Bilanzstichtag erfolgt sei. Eine solche Zeitspanne könne nicht als "angemessener Zeitraum" im oben genannten Sinne angesehen werden.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage, die am 14. Dezember 2017 beim Gericht eingegangen ist. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der EAV in den Jahren 2009 bis 2012 ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Gleiches gelte aber auch für die Folgezeit. Zwar sei die aus der Verlustausgleichsverpflichtung der B GmbH resultierende Forderung der Klägerin auf den 31. Dezember 2013 nicht bilanziert worden. Die Verpflichtung habe aber unabhängig von ihrem Ausweis in der Bilanz bestanden. Es sei nicht auf den Inhalt der Bilanz, sondern vielmehr auf die zivilrechtliche Rechtslage abzustellen. Diese habe sich so dargestellt, dass sich die Verlustausgleichsverpflichtung der B GmbH aus dem EAV ergeben habe, worauf die beteiligten Personen mit dem Schreiben des Steuerberaters vom 20. November 2014 ausdrücklich hingewiesen worden seien. Das Bestehen dieser Verpflichtung sei auch von keiner dieser Personen in Zweifel gezogen worden, vielmehr habe die B GmbH den Ausgleichsanspruch der Klägerin durch Zahlung erfüllt. Das sei auch zeitnah erfolgt, denn insofern sei nicht auf den Abschlussstichtag, sondern auf den Zeitpunkt der Bilanzer-/-feststellung im November 2014 abzustellen. Insgesamt sei für die Frage der Durchführung eines EAV nicht der bilanzielle Ausweis, sondern vielmehr die tatsächliche Erfüllung der Verlustausgleichsverpflichtung entscheidend.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftsteuerbescheide 2009 bis 2012 vom 27. Juni 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2017 dergestalt zu ändern, dass für die Klägerin jeweils ein zu versteuerndes Einkommen von 0 EUR angesetzt und eine Körperschaftsteuer in Höhe von 0 EUR festgesetzt wird, und
die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2009, 2010, 2011 und 2012 sowie die Bescheide zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG vom 27. Juni 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und bezieht sich dazu auf die bereits in der Einspruchsentscheidung angeführten Argumente.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur zum Teil zulässig. Soweit dies der Fall ist, ist die Klage unbegründet.
I. Die Klage ist nur zum Teil zulässig.
Zwar ist ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide und hinsichtlich der Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlusts zu Körperschaftsteuer gegeben. Das gilt auch, soweit es sich bei den Festsetzungsbescheiden um sog. "Nullbescheide" handelt, denn es geht der Klägerin ausdrücklich um die Frage der Zurechnung der Einkünfte.
Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG. Hier ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin durch die Änderungsbescheide, die den Ursprungsbescheiden entsprechen, i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO beschwert ist.
II. Die Klage ist allerdings unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Insbesondere hat der Beklagte die seitens der Klägerin erwirtschafteten Gewinne und Verluste zu Recht ihr selbst und nicht etwa der B GmbH als Organträgerin steuerlich zugerechnet und daraus auch im Hinblick auf die angefochtenen (Verlust-)Feststellungsbescheide die zutreffenden Konsequenzen gezogen.
1.) Sowohl die Klägerin als auch die B GmbH stellen als juristische Personen in der Rechtsform einer GmbH eigenständige (Steuer-)Rechtssubjekte dar, denen die von ihnen erzielten Einkünfte nach allgemeinen Grundsätzen jeweils steuerlich zuzurechnen sind. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen stellt die körperschaftsteuerliche Organschaft dar, bei deren Vorliegen das von einer Organgesellschaft erzielte und gesondert zu ermittelnde Einkommen gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG der Organträgerin zuzurechnen ist (vgl. zur sog. Zurechnungstheorie nur die BFH-Urteile vom 14. April 1992 VIII R 149/86, BFHE 168, 128, BStBl II 1992, 817; und vom 23. Januar 2002 XI R 95/97, BFHE 198, 99, BStBl II 2003, 9). Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen zwei im Inland ansässigen Gesellschaften mit beschränkter Haftung erfordert gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG zunächst, dass sich die eine GmbH - die Organgesellschaft - wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an die andere GmbH - die Organträgerin - abzuführen. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 KStG ist weitere Voraussetzung, dass die Gewinnabführung den in § 301 AktG genannten Betrag nicht überschreitet und dass zwischen den Gesellschaften zudem durch Verweis auf § 302 AktG eine Verlustübernahmevereinbarung dergestalt getroffen wird, dass die Organträgerin die von der Organgesellschaft erwirtschafteten Verluste auszugleichen hat. Schließlich muss - neben weiteren Voraussetzungen - der entsprechende EAV gem. §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz, 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden.
2.) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn der EAV wurde jedenfalls für das Jahr 2013 nicht i.S.d. §§ 17 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz, 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG durchgeführt.
a.) Ein EAV wird nur dann tatsächlich durchgeführt, wenn der Gewinn auch tatsächlich an den Organträger abgeführt und der Verlust auch tatsächlich von ihm übernommen wird (vgl. Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 Rz. 446). Regelmäßig vollzieht sich dies in zwei Stufen, nämlich zunächst durch den bilanziellen Ausweis der entsprechenden Forderung bzw. Verbindlichkeit aus dem EAV in den Jahresabschlüssen von Organträgerin und Organgesellschaft sowie anschließend durch zeitlich nachgelagerte Erfüllung (vgl. Schell/Schrade, DStR 2017, 86; Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz. 649; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 14 Rz. 517).
Dabei ergibt sich die bei der Durchführung des EAV zu beachtende "erste Stufe" aus dem Gesetz. Danach ist der vorliegend allein in Rede stehende Verlustausgleichsanspruch der Organgesellschaft gegenüber der Organträgerin, wenn - wie hier - aufzulösende Gewinnrücklagen nicht bestehen, gem. § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB in der Gewinn- und Verlustrechnung der Organgesellschaft in den Posten "Erträge aufgrund eines Gewinnabführungsbetrages" einzustellen, der den bei der Organgesellschaft sonst entstehenden Jahresfehlbetrag ausschließt. Die entsprechende Forderung gegenüber der Organträgerin ist gem. § 266 Abs. 2 B. II. Nr. 2 HGB als Forderung gegenüber verbundenen Unternehmen zu aktivieren (vgl. zum Ganzen etwa Altmeppen in MüKo zum AktG, § 302 Rz. 18; Neumann in Gosch, KStG, 3. A., § 14 Rz. 321).
Wie sich der zeitlich nachfolgende Erfüllungsakt auf der "zweiten Stufe" zu gestalten hat und zu welchem Zeitpunkt er zu erfolgen hat, wird uneinheitlich beurteilt (vgl. dazu etwa die Übersichten bei Krumm in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 14 KStG Rz. 138 f. und Stangl/Winter, Formularbuch Recht und Steuern, 9. A., A 10.00 Rz. 264 ff., jeweils m.w.N. aus Literatur und Rechtsprechung).
b.) Der letztgenannte Punkt bedarf vorliegend jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn für die ordnungsgemäße tatsächliche Durchführung eines EAV ist jedenfalls erforderlich, dass er entsprechend den genannten gesetzlichen Vorgaben in den Jahresabschlüssen der beteiligten Gesellschaften abgebildet wird. Zwar mag die bilanzielle Erfassung der Ansprüche/Verbindlichkeiten allein noch nicht ausreichen, um eine tatsächliche Durchführung eines EAV bejahen zu können (anders u.U. Kolbe in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 14 KStG Rz. 203 m.w.N.). Sie ist aber deren Grundvoraussetzung (so zutreffend Krumm in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 14 KStG Rz. 138; in diesem Sinne auch Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herrlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz. 317; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 Rz. 447; Vogt, Beck'sches Handbuch der GmbH, 5. A., § 17 Rz. 117). Schon diese Grundvoraussetzung hat die Klägerin in ihrem Jahresabschluss für 2013 nicht erfüllt, indem sie ihren Anspruch auf Verlustausgleich gegen die B GmbH nicht ausgewiesen hat. Damit hat sie den EAV nicht ordnungsgemäß durchgeführt.
aa.) Der EAV kann nicht trotz des Nichtausweises der Forderung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 KStG als durchgeführt gelten. Zwar ist diese Norm hier gem. § 34 Abs. 9 Nr. 7 KStG grundsätzlich anzuwenden. Allerdings liegen ihre Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht nicht vor. Zunächst ist die Nichtbilanzierung der Forderung schon nicht als fehlerhafter Bilanzansatz im Sinne der normierten Fiktion anzusehen. Darunter sind nämlich (nur) solche Bilanzansätze zu verstehen, die vorgreiflich für die Bestimmung der Höhe der Abführungsverpflichtung bzw. des Verlustausgleichs maßgeblich sind (vgl. Neumann in Gosch, KStG, 3. A., § 14 Rz. 332), nicht aber die bilanzielle Behandlung des Verlustausgleichsanspruchs selbst. Zudem hätte die Fehlerhaftigkeit der Bilanz aufgrund der Nichterfassung dieses Anspruchs entgegen dem Erfordernis des § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 4 lit. b.) bei der Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkannt werden müssen.
bb.) Schließlich kann die Nichtbilanzierung des Anspruchs der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als zu vernachlässigender geringfügiger Durchführungsmangel angesehen werden (vgl. dazu allgemein die Nachweise bei Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 402 ff.).
(1) Auch wenn bei der Beurteilung der Frage, ob ein EAV tatsächlich durchgeführt worden ist, kein kleinlicher Maßstab anzulegen ist, hat der Senat bereits grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf Mängel bei der tatsächlichen Durchführung eines EAV zwischen geringfügigen Mängeln, die ohne Auswirkung bleiben sollen, und gewichtigeren Mängeln zu differenzieren, die zur Nichtanerkennung einer Organschaft führen sollen. Denn in diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass den vertragsbeteiligten Gesellschaften die (zeitweilige) Nichtdurchführung des GAV durch Herbeiführung - bewusster - Durchführungsmängel auch als Gestaltungsmittel zur Verfügung steht, um die steuerliche Organschaft zu beenden oder zeitweilig auszusetzen, wenn dies steuerlich von Vorteil ist. Die Vertragsparteien müssten bei vergleichsweise als gering erachteten Mängeln bei der Durchführung konsequenterweise an der Organschaft festgehalten werden, auch wenn sie das Gegenteil beabsichtigten. Diese Folge kann man mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur schwerlich erklären. Andererseits einen "geringfügigen" Durchführungsmangel ausschließlich zu Gunsten des Steuerpflichtigen mal als beachtlich und mal als unbeachtlich je nach Sachlage zu würdigen, ist nicht plausibel zu begründen. Es spricht also viel dafür, auch sog. geringfügige Verstöße als schädlich für die Organschaft zu erachten, gleichgültig, ob die steuerliche Folge für die Beteiligten günstig oder nachteilig sind (so auch Neumann in Gosch, KStG, 3. A., § 14 Rz. 310 m.w.N.; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 402).
(2) Der Senat muss diese Frage hier nicht abschließend beantworten. Denn der Nichtausweis der Forderung der Klägerin gegen die B GmbH in der Bilanz auf den 31. Dezember 2013 stellt von vornherein keinen nur geringfügigen Mangel dar (a.A. - allerdings ohne nähere Begründung - Olbing in Streck, KStG, 9. A., § 14 Rz. 120 a.E.). Vielmehr liegt damit - wie oben dargelegt - schon die Grundvoraussetzung für die tatsächliche Durchführung des EAV nicht vor. Letztlich hat die Klägerin damit dokumentiert - und angesichts der Publikationswirkung der Bilanz auch nach außen zu erkennen gegeben -, dass zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung eine Verlustausgleichsforderung gegenüber der B GmbH nicht bestand, folglich also der EAV in einem wesentlichen Punkt nicht gelten sollte. Daran vermag auch der Umstand, dass die B GmbH den Verlust der Klägerin später - wenn auch in relativ engem zeitlichen Zusammenhang zur Bilanzerstellung - tatsächlich ausgeglichen hat, nichts (mehr) zu ändern. Gleiches gilt für die Ausführungen des damaligen Steuerberaters der Klägerin in seinem Schreiben vom 20. November 2014. Letzteres stand zudem in eindeutigem Widerspruch zum Inhalt des Jahresabschlusses. Abgesehen davon, dass dem Jahresabschluss angesichts der von ihm ausgehenden Dokumentations- und Publikationswirkung Vorrang vor einem für rein interne Zwecke bestimmten Schreiben beizumessen ist, kann auch ein solch widersprüchliches Verhalten nicht als ordnungsgemäße Durchführung des EAV angesehen werden. Dementsprechend kann es auch nicht darauf ankommen, ob der Anspruch entgegen der u.U. unverändert fortbestehenden zivilrechtlichen Rechtslage und damit auch entgegen den oben genannten gesetzlichen (Bilanzierungs-)Vorschriften nicht in der Bilanz ausgewiesen worden ist. Maßgeblich ist allein, dass der EAV insoweit nicht umgesetzt worden ist.
3.) Der Durchführungsmangel führt im vorliegenden Fall dazu, dass ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der B GmbH von Beginn an nicht anerkannt werden kann. Denn die Nichtdurchführung in den ersten fünf Jahren der Laufzeit des EAV ist schädlich mit Rückwirkung auf den Beginn der Fünfjahresfrist (vgl. nur Olbing in Streck, KStG, 9. A., § 14 Rz. 111). Das Geschäftsjahr 2013 fällt in diese Frist. Das erste Jahr der Frist umfasste das gesamte Geschäftsjahr 2009. Ausweislich seines § 5 Nr. 1 sollte der EAV zum 1. September 2009 wirksam werden und gem. § 3 Nr. 1 EAV das Geschäftsjahr ab dem 1. Januar umfassen. Dementsprechend war das Geschäftsjahr 2013 vom Fünfjahreszeitraum umfasst (vgl. zur Fristberechnung allgemein Neumann in Gosch, KStG, 3. A., § 14 Rz. 212 ff. hier insbesondere Rz. 214).
4.) Die Klägerin hat weder dargetan, noch ist sonst ersichtlich, dass die angefochtenen Bescheide aus anderen Gründen rechtswidrig sein könnten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
IV. Die Revision wird gem. § 115 Abs. Nrn. 1 und 2 FGO zugelassen.