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17.04.2020 · IWW-Abrufnummer 215247

Oberlandesgericht Celle: Beschluss vom 10.02.2020 – 2 Ws 43/20

1.) Die Zahlungsverpflichtung des Kostenschuldners im Strafverfahren entsteht erst durch die Kostengrundentscheidung unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Rechtskraft (Anschluss: KG Berlin, Beschluss vom 16. März 2015 - 1 Ws 8/15 -, juris).

2.) Die von dem Verurteilten zu tragenden Kosten für die Vorbereitung der öffentlichen Klage stellen deshalb selbst dann keine Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO dar, wenn diese bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verurteilten begründet wurden.


Oberlandesgericht Celle

Beschluss vom 10.02.2020

Az.: 2 Ws 43/20

In der Strafsache
gegen L.,
geb. 1971,
wohnhaft: ...,
- Verteidiger: Rechtsanwalt ... -

wegen Bankrott u.a.

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die weitere Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Verden vom 10.09.2019 durch die Richter am Oberlandesgericht XXX und XXX sowie die Richterin am Landgericht XXX am 10. Februar 2020beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird verworfen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Diepholz hat den Beschwerdeführer, über dessen Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 30. Juli 2014 (Az: 15 IN 148/14) das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, mit Urteil vom 26. Januar 2018 wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 20 EUR verurteilt und ihm zugleich die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Entscheidung ist seit dem 03. Februar 2018 rechtskräftig.

Im Rahmen des gegen den Beschwerdeführer geführten Ermittlungsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft Verden bereits vor Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens Bankauskünfte und ein Sachverständigengutachten eingeholt; die diesbezüglich von der Landeskasse beglichenen Forderungen wurden dem Verurteilten mit Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Verden vom 10. April 2018 unter den lfd. Nr. 4 und 5 in Höhe von 17.493 € sowie 132,50 € in Rechnung gestellt.

Die gegen die Kostenrechnung gerichtete Erinnerung des Verurteilten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22. August 2018 zurückgewiesen. Seine Beschwerde hiergegen hat das Landgericht, nachdem der Einzelrichter das Verfahren gem. § 66 Abs. 6 S. 2 GKG wegen dessen grundsätzlicher Bedeutung auf die Wirtschaftsstrafkammer als Beschwerdekammer übertragen hatte, durch Beschluss vom 10. September 2019 verworfen und die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage gem. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zugelassen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Verurteilte mit seiner weiteren Beschwerde und macht geltend, bei den Kosten für das im Ermittlungsverfahren erstellte Gutachten sowie die eingeholten Bankauskünfte handele es sich um Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO, da die anspruchsbegründenden Tatbestände bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen gewesen seien. Die Landeskasse habe bereits vor der Insolvenzeröffnung am 30. Juli 2014 eine mit einer sog. "gesicherten Anwartschaft" vergleichbare Rechtsposition erlangt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das nach § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG statthafte Rechtsmittel ist unbegründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 66 Abs. 4 S. 2 GKG.

1.) Zu den Kosten des Verfahrens, die dem Beschwerdeführer mit seiner Verurteilung gemäß § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO auferlegt worden sind, gehören neben den Gebühren auch die Auslagen der Staatskasse (§ 464a Abs. 1 Satz 1 StPO). Darunter fallen nach § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO die zur Vorbereitung der öffentlichen Klage im Ermittlungsverfahren entstandenen Kosten. Das sind alle Auslagen, die zur Aufklärung der Tat des Beschuldigten aufgewendet worden sind, darunter auch die Kosten für die eingeholten Bankauskünfte und das Sachverständigengutachten. Sie sind gemäß den Nrn. 9005, 9015 KV GKG in voller Höhe der nach dem JVEG gezahlten Beträge zu erheben.

2.) Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen hatte der Senat nicht zu prüfen, da eine derartige Prüfung im Verfahren nach § 66 GKG lediglich dann veranlasst ist, wenn ein Fall unrichtiger Sachbehandlung im Sinnedes § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG gegeben ist, bei dem mit der die beanstandeten Kosten verursachenden Maßnahme gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen worden ist und die Gesetzesverletzung offen zu Tage tritt (vgl. hierzu: OLG Celle, Beschluss vom 7. August 2012 - 1 Ws 293/12 - juris; OLG Koblenz wistra 1986, 121). Davon kann im vorliegenden Fall keine Redesein.

3.) Der Umstand, dass durch Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 30. Juli 2014 (Az: 15 IN 148/14) über das Vermögen des Verurteilten das Privatinsolvenzverfahren eröffnet wurde, steht der Pflicht des Beschwerdeführers, die zur Vorbereitung der öffentlichen Klage im Ermittlungsverfahren entstandenen Kosten zu tragen, nicht entgegen.

Bei den unter den lfd. Ziffern Nr. 4 und 5 in der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Verden vom 10. April 2018 aufgeführten Beträgen handelt es sich entgegen der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht um Insolvenzforderungen i.S.v. § 38 InsO.

Insolvenzgläubiger ist nur derjenige, dessen Vermögensanspruch im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch begründet war (BeckOK InsO/Jilek, 16. Ed. 15.10.2019, InsO § 38 Rn. 20). Begründet i.S.d. § 38 InsO ist ein Vermögensanspruch dann, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits abgeschlossen war (BGH, Beschluss vom 07.04.2005 - Az.: IX ZB 129/03, BeckRS 2005, 05085).

Vorliegend ist es zwar zutreffend, dass sowohl die infolge der Einholung von Bankauskünften, als auch durch das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten entstandenen finanziellen Verpflichtungen bereits vor der Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Verurteilten begründet wurden; diese trafen indes allein das Land Niedersachsen, mit dem gem. § 1 ff. JVEG ein Auftragsverhältnis zustande gekommen war. Die Zahlungsverpflichtung des Beschwerdeführers selbst entstand erst durch die Kostengrundentscheidung der Verurteilung vom 26. Januar 2018 unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Rechtskraft (KG Berlin, Beschluss vom 16. März 2015 - 1 Ws 8/15 -, juris).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Landeskasse könne nicht bessergestellt werden, als jeder andere Gläubiger, bei dem eine aus einem Lebenssachverhalt vor der Insolvenzeröffnung resultierende Forderung auch dann eine Insolvenzforderung bleibe, wenn diese erst nach der Insolvenzeröffnung gerichtlich festgestellt werde, greift der Einwand nicht durch.

Zwar wird in der Rechtsprechung in Fällen, in denen ein Gläubiger eine Rechtsposition erlangt hat, die - gleich einer gesicherten Anwartschaft - nicht mehr einseitig durch den Schuldner verhindert werden kann, in der Tat von einem begründeten Vermögensanspruch i.S.d. § 38 InsO ausgegangen (BeckOK InsO/Jilek, aaO, § 38 Rn. 20).

In Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft - wie hier - kostenpflichtige Ermittlungen in Auftrag gibt, erlangt das Land Niedersachsen allerdings gerade keinen gesicherten Anspruch auf Rückzahlung der gem. § 1 ff. JVEG durch die Landeskasse entrichteten Zahlungen zur Aufklärung der im Raume stehenden Straftat gegen den Beschuldigten. Das ergibt sich schon daraus, dass es zu diesem Zeitpunkt häufig nicht einmal einen namentlich bekannten Beschuldigten gibt, gegen den das Land einen Rückforderungsanspruch erlangen könnte, denn kostenpflichtige Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft werden häufig auch in Verfahren gegen Unbekannt in Auftrag gegeben; zu den Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage, die der verurteilte Angeklagte nach § 465 Abs. 1 StPO zu tragen hat, gehören im Übrigen auch solche, die entstanden sind, während das Verfahren noch nicht gegen diesen Angeklagten, sondern gegen eine andere verdächtig gewesene Person gerichtet war (Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a, Rn. 13).

Selbst wenn - wie vorliegend - in dem Zeitpunkt, in dem die Staatsanwaltschaft kostenpflichtige Ermittlungen in Auftrag gibt, der Beschuldigte namentlich bekannt ist, hängt dessen spätere Zahlungsverpflichtung alleine vom Ausgang des Strafverfahrens ab; ergeben die Ermittlungen keinen hinreichenden Tatverdacht, so ist das Ermittlungsverfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO einzustellen mit der Folge, dass das Land Niedersachsen die Kosten für die in Auftrag gegebenen Ermittlungen trägt. Die Annahme, dem Land Niedersachsen stünde bereits zu diesem Zeitpunkt eine gesicherte Rückzahlungsforderung gegen den Beschuldigten zu, würde im Übrigen der im Strafverfahren geltenden Unschuldsvermutung eklatant zuwiderlaufen. Selbst nach der im vorliegenden Verfahren am 13.03.2015 erfolgten Anklageerhebung und der am 15.10.2015 beschlossenen Eröffnung des Hauptverfahrens hing die Pflicht des Beschwerdeführers, die Kosten der Vorbereitung der öffentlichen Klage zu tragen, davon ab, dass sich das erkennende Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit von der Schuld des Beschwerdeführers verschaffen und diesen schuldig sprechen würde.

Nach alledem handelt es sich vorliegend bei den unter den lfd. Nr. 4 und 5 der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Verden vom 10. April 2018 geltend gemachten Rechnungsbeträgen nicht um Insolvenzforderungen gem. § 38 InsO, so dass die weitere Beschwerde als unbegründet zu verwerfen war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

RechtsgebietInsolvenzVorschriften§ 38 InsO

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