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20.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214882

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 04.02.2020 – 4 U 1942/18

1. Der Versicherer kann sich der Leistungspflicht in der Gebäudeversicherung nicht mit dem Einwand entziehen, der Schaden wäre auch aufgrund einer "Reserve-Ursache" entstanden. Der Einwand, es habe sich bei Abriss- und Aufräumkosten um Sowieso-Kosten gehandelt, weil das Gebäude auch ohne den versicherte Ereignis eingestürzt wäre, ist unerheblich.

2. Besteht nach Eintritt des Versicherungsfalls Streit über die Leistungspflicht des Versicherers, kann der Versicherungsnehmer auf Feststellung der Erstattungspflicht klagen.


Oberlandesgericht Dresden

Urteil vom 04.02.2020


Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 1942/18 am 4. Februar 2020 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers - unter ihrer Zurückweisung im Übrigen - wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 06.11.2018 (Az.: 3 O 819/18) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger bis zu der hierfür vereinbarten Versicherungssumme die infolge des Sturmereignisses vom 23.02.2017 für den Abbruch des ehemaligen Kuhstalls auf dem Flurstück Nr. x der Gemarkung YYY (S...... Straße xx, 00000 M...........) tatsächlich - auf Nachweis - entstandenen Aufwendungen für notwendige Aufräumungs- und Abrisskosten zu erstatten hat.

2. Im Übrigen wird die Klage bezogen auf den Antrag zu Ziffer 1.a) als derzeit unbegründet und bezogen auf den Antrag zu Ziffern 1. b), 2. als unbegründet abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 50.00,00 € festgesetzt.

Gründe

A

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer landwirtschaftlichen Gebäudeversicherung aufgrund eines Sturmereignisses vom 23.02.2017.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlichen Antragstellung wirdauf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 06.11.2018 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach den Versicherungsbedingungen sei Voraussetzung für eine Leistungspflicht der Beklagten, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein entsprechender "Versicherungswert" am (Neben-)Gebäude noch bestanden habe. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Aufgrund dessen sei auch ein kausaler, infolge des streitgegenständlichen Naturereignisses bestehender Schaden weder ausreichend dargetan noch ersichtlich, sondern es handele sich bei dem beanspruchten Betrag um Sowieso-Kosten. Im Übrigen würde der Anspruch aber auch daran scheitern, dass nach den in den Vertrag einbezogenen Bedingungen eine Leistungspflicht der Beklagten nur hinsichtlich tatsächlich entstandener Aufwendungen bestehe. Schließlich sei auch die hilfsweise erhobene Feststellungsklage mangels eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses bzw. eines Feststellungsinteresses nicht zulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht zugrunde gelegt, dass das Gebäude vor dem streitgegenständlichen Schadensfall keinen Wert mehr gehabt habe. Dies habe selbst die Beklagte im Verfahren nicht behauptet. Die Erstattung der geltend gemachten Aufräum- und Abbruchkosten richte sich nach § 9 Ziffer 5.4.1 und 8.2.4 ABL 2015. Zwar sei danach für die Entschädigungsberechnung der Nachweis tatsächlich angefallener Kosten maßgeblich, dennoch erschließe sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer angesichts weiterer Regelungen in den Versicherungsbedingungen nicht, dass nur tatsächlich entstandene Kosten erstattet würden. So fehle eine ausdrückliche Regelung zur Vorschusszahlung. Zudem folge aus § 9 Ziffer 8.2.4 c ABL 2015, dass der erzielbare Verkaufspreis von Resten der versicherten Sache angerechnet werde sowie aus § 14 Nr. 1 ABL 2015, dass die Entschädigung fällig werde, wenn die Feststellungen des Versicherers zu Grund und Höhe des Anspruchs abgeschlossen seien. Im Übrigen könne der Kläger mangels entsprechender Eigenmittel die Aufräum- und Abbruchkosten auch nicht vorstrecken. Dies entspreche dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom 19.06.2013 (Az.: IV ZR 228/12) zugrunde gelegen habe. Aufgrund der dargestellten Umstände sei die Regelung mit dem vom Landgericht zugrunde gelegten Verständnis zudem nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Jedenfalls sei aber dem hilfsweise geltend gemachten Feststellungsantragstattzugeben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 06.11.2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,


1.

a)

an den Kläger 47.481,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 4 %-Punkten pro Jahr vom 24.02.2017 bis zum 30.06.2017 und in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz, mindestens jedoch 4 % pro Jahr, seit dem 01.07.2017 zu zahlen sowie

b)

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Aufwendungen für den Abbruch des ehemaligen Kuhstalles auf dem Flurstück Nr. x der Gemarkung YYY, Postanschrift S...... Straße xx, 00000 M..........., Ortsteil YYY auf Nachweis zu erstatten.

2. vorgerichtliche Rechtsanwaltsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie meint, § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015 sei mangels eines Versicherungsfalles nicht einschlägig und Abbruchkosten müssten von vornherein nicht geleistet werden. Insofern behauptet sie, das Gebäude sei schon vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis so beschädigt gewesen, dass es nicht mehr standfähig gewesen sei und ohnehin habe abgerissen werden müssen. Durch den Sturm sei daher kein weiterer Sachschaden entstanden, vielmehr handele es sich bei den Abrisskosten um solche, die der Kläger auch ohne Sturm hätte aufwenden müssen. Sie ist der Ansicht, der Kläger mache entgegen seiner Darstellung keinen Kostenvorschuss geltend, sondern Bruttokosten aus einem Angebot, mithin eine fiktive Abrechnung. Grundlage für einen Anspruch sei nach § 9 Ziff. 8.2.6 ABL 2015 jedoch der Nachweis tatsächlich angefallener Kosten. Der Feststellungsantrag sei unzulässig, da nach dem Vortrag des Klägers nicht verbindlich feststehe, ob Abbruchkosten tatsächlich anfielen, so dass es auch an einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis fehle.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 05.03.2019, ergänzt mit Beschluss vom 02.05.2019, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. D...... K...... vom 28.08.2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 16.09.2019 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.01.2020 verwiesen.

Wegen des Parteivorbringens wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 05.03.2019 und 07.01.2020 verwiesen.

B

Die zulässige Berufung des Klägers hat lediglich teilweise Erfolg.

Soweit der Kläger Leistungen aus dem Versicherungsvertrag in Höhe von 47.481,00 € nebst Zinsen begehrt, war die Klage als derzeit unbegründet (1.) und bezogen auf den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als unbegründet abzuweisen (2.). Dagegen hat die hilfsweise erhobene Feststellungsklage in der aus dem Tenor ersichtlichen Fassung Erfolg (3).

1.

Soweit der Kläger Aufräum- und Abrisskosten in Höhe von 47.481,00 € nebst Zinsen geltend macht, ist zwar ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall in Form eines Sturmschadens am streitgegenständlichen Gebäude eingetreten (a), jedoch scheitert der Zahlungsanspruch daran, dass der Kläger bisher - unstreitig - den Abbruch und Abtransport der Gebäudeteile weder beauftragt noch tatsächlich hat durchführen lassen.

a)

Nach § 4 ABL 2015 hat die Beklagte für einen Sturmschaden einzutreten, wenn durch die unmittelbare Einwirkung des Sturmes auf versicherte Sachen oder auf Gebäude versicherte Sachen zerstört oder beschädigt werden. Die Voraussetzungen liegen hier vor.

Denn als Sturm gilt nach § 4 Ziffer 2 ABL 2015 eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit mindestens 62 km/h). Dass hier ein Sturm von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort zum Schadenszeitpunkt vorgelegen und auf das streitgegenständliche Gebäude eingewirkt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Dabei ist auch ein Schaden an dem streitgegenständlichen Gebäude entstanden, der - wie nach § 4 Ziffer 1 ABL 2015 vorausgesetzt - auf eine unmittelbare Einwirkung des Sturmes zurückzuführen ist.

Eine solche unmittelbare Einwirkung ist immer dann gegeben, wenn der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist. Die Frage, ob der Schaden allein durch den Sturm ausgelöst worden ist, oder ob seine Entstehung durch Vorschäden zumindest begünstigt oder überhaupt erst ermöglicht worden ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, weil der Sturm nicht die alleinige oder jedenfalls wesentliche Ursache des Schadens gewesen sein muss. Für die Annahme des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Sturm als versicherter Gefahr und dem Schadenseintritt genügt vielmehr schon eine Mitursächlichkeit (vgl. zu Vorstehendem OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.04.2006, Az. 5U 496/05 - juris; OLG Koblenz, Urteil vom 15.05.2009, Az.: 10 U 1018/08 - juris; Senat, Urteil vom 11.03.2010, Az.: 4 U 846/09 - juris).

Unter Berücksichtigung dessen steht die Ursächlichkeit, jedenfalls eine Mitursächlichkeit, des Sturmes für den Gebäudeschaden in Form eines Fassadeneinsturzes fest. Denn nach dem von der Beklagten eingeholten und in Bezug genommenen Gutachten vom 21.06.2017 (Anlage B1) nebst Stellungnahme vom 04.10.2017 (Anlage B3), auf welches insoweit nicht nur der Kläger, sondern auch die Beklagte Bezug genommen hat, kam es nach den Feststellungen des Sachverständigen "durch das Sturmereignis ... zum Einsturz eines Teils der Fassade". Unter Berücksichtigung dessen hat die Beklagte, worauf der Senat sowohl in der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2019 als auch mit Beschluss vom 12.06.2019 hingewiesen hat, jedenfalls zugestanden, dass ein Teil des nunmehr vorhandenen Gebäudeschadens durch den Sturm verursacht worden ist, so dass der Senat von dem Eintritt eines Versicherungsfalles ausgeht.

b)

Soweit der Kläger im vorliegenden Verfahren Aufräum- und Abbruchkosten begehrt, scheitert der geltend gemachte Zahlungsanspruch derzeit jedoch daran, dass der Kläger bisher - unstreitig - den Abbruch und Abtransport der Gebäudeteile weder beauftragt noch tatsächlich durchführen lassen hat. Vielmehr macht der Kläger die Kosten im Verfahren lediglich fiktiv auf Grundlage von ihm eingeholter Angebote (Anlagenkonvolut K4) geltend.

aa)

Nach § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015 ersetzt der Versicherer (bis zu der jeweils vereinbarten Versicherungssumme) jedoch nur die infolge eines Versicherungsfalles tatsächlich entstandenen Aufwendungen für notwendige Aufräum- und Abbruchkosten. Nach Ziffer 5.4.1 sind Aufräum- und Abbruchkosten die notwendigen Aufwendungen für das Aufräumen der Schadensstätte einschließlich des Abbruchs stehengebliebener Teile. Zudem heißt es in § 9 Ziffer 8.2.6 ABL 2015, dass Berechnungsgrundlage für die Entschädigung versicherter Kosten gemäß Ziffer. 4 und Ziffer. 5.4 der Nachweis tatsächlich angefallener Kosten unter Berücksichtigung der jeweils vereinbarten Entschädigungsgrenzen ist. Die Versicherungsbedingungen stellen nach ihrem Wortlaut damit klar auf das tatsächliche Entstehen derartiger Kosten für den Abbruch und das Aufräumen ab, so dass eine fiktive Abrechnung ausscheidet (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.01.2016, Az.: 5 U 15/15 - juris- m.w.N.). Für eine Auslegung der Versicherungsbedingungen - insbesondere mit dem vom Kläger aufgezeigten Verständnis - ist angesichts des klaren Wortlautes kein Raum. Ferner kommen im Hinblick auf derartige Versicherungsbedingungen auch AGB-rechtliche Bedenken nicht in Betracht (vgl. Prölss/Martin, 30. Aufl., VVG, A § 5 AFB 130 Rz. 1).

Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des BGH vom 19.06.2013 (Az.: IV ZR 228/12 - juris) beruft, in der der BGH entschieden hat, dass der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für Aufräum-, Abbruch- oder Schadensminderungskosten nicht voraussetzt, dass der Versicherungsnehmer diese Aufwendungen seinerseits bereits erbracht oder zumindest entsprechende Zahlungsverpflichtungen begründet hat, lagen der Entscheidung von dem hiesigen Fall in den maßgeblichen Punkten abweichende Versicherungsbedingungen zugrunde. Denn der BGH hat sich in der Entscheidung mit der Frage befasst, wie der in den Versicherungsbedingungen ohne erläuternde Zusätze verwendete Begriff der "Aufwendung" auszulegen ist und hat hierzu ausgeführt: "Ohne begleitende Einschränkungen oder Erläuterungen, welche verdeutlichen, dass Aufwendungen bei einer Person bereits angefallen oder von ihr veranlasst sein sollen, bringt allein das Substantiv "Aufwendungen" selbst bei gleichzeitiger Benennung ihres Zwecks nicht zum Ausdruck, ob der damit angesprochene Mitteleinsatz bereits geschehen ist oder nur geboten erscheint, aber noch aussteht". Die streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen enthalten aber die vom BGH angesprochenen "begleitenden Einschränkungen oder Erläuterungen", indem sie ihrem Wortlaut nach das tatsächliche Entstehen der Kosten gerade zur Bedingung für die Versicherungsleistung gemacht haben, so dass die vom Kläger zitierte Entscheidung hier nicht einschlägig ist.

bb)

Die Regelung in den Versicherungsbedingungen ist - vergleichbar mit der Sicherstellung der Wiederherstellung für den Ersatz der Neuwertspanne - als Anspruchsvoraussetzung anzusehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.12.2000, Az. IV ZR 280/99 - juris). Das Fehlen dieser Voraussetzung führt, da noch nachholbar, unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 26.10.2016 (Az. IV ZR 193/15 - juris) dazu, dass die Klage (nur) als derzeit unbegründet abzuweisen ist.

2.

Soweit der Kläger die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wegen Verzuges der Beklagten mit der Leistung geltend macht, besteht der Anspruch nicht. Denn Verzug mit der Leistung ist mangels Vorliegens aller Anspruchsvoraussetzungen des § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015, nämlich des tatsächlichen Entstehens der Kosten (s. oben), nicht eingetreten.

3.

Die Feststellungsklage ist dagegen zulässig und begründet.

a)

Der Senat geht insbesondere von einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO aus, obwohl der Kläger kein Unternehmen verbindlich mit der Durchführung der Aufräum- und Abrisskosten beauftragt hat.

Maßgeblich ist insoweit, dass nach Eintritt des Versicherungsfalles die Grundlagen des Anspruchs bereits gegeben sind und es vorliegend lediglich noch der Beauftragung eines Unternehmens mit der tatsächlichen Durchführung der Arbeiten bedarf. Bei der Frage nach der Gegenwärtigkeit des Rechtsverhältnisses ist nicht entscheidend auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung abzustellen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Januar 2019, Az.: 12 U 129/18 - juris; a.A. OLG Köln, Beschluss vom 12.03.2018, Az. 9 W 7/18 - juris - jeweils zur Nichterfüllung der Voraussetzungen der strengen Wiederherstellungsklausel). Maßgebend ist vielmehr, dass die Grundlagen des Anspruchs nach Eintritt des Versicherungsfalles bereits angelegt sind und es zur Entstehung des Anspruchs hier lediglich noch der Beauftragung eines Unternehmens sowie der tatsächlichen Durchführung der Arbeiten bedarf. Bei Vorliegen derart verdichteter Rechtsbeziehungen verdient der Kläger gerichtlichen Schutz. Insbesondere ist dabei auch zu berücksichtigen, dass Versicherungsnehmern, die nicht über die erforderlichen Mittel zur Finanzierung des Gebäudeabrisses verfügen, ansonsten keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen einen Versicherer zur Verfügung stünde. Gerade in solchen Fällen bleibt dem Versicherungsnehmer dann nur die Möglichkeit, die entsprechende Feststellung einer grundsätzlichen Leistungspflicht aufgrund Eintritts des Versicherungsfalles durch eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., m.w.N.).

b)

Das erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor, nachdem die Beklagte mit Hinweis auf die fehlende Kausalität, weil es sich um "Sowieso-Kosten" handele, die Erstattung von Abriss- bzw. Aufräumkosten abgelehnt hat und die Leistungsklage derzeit mangels Vorliegen aller Anspruchsvoraussetzungen, nämlich der tatsächlichen Entstehung der Kosten (s. oben), keinen Erfolg hat.

c)

Das Feststellungsbegehren ist auch begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten gemäß § 9 Ziffer 5.4. ABL 2015 nach Eintritt des Versicherungsfalles (s. oben) grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der infolge des Versicherungsfalles tatsächlich entstandenen Aufwendungen für notwendige Abbruch- bzw. Aufräumkosten. In welchem Umfang dem Kläger der Anspruch zukünftig tatsächlich zustehen wird, bleibt hiernach jedoch (noch) offen.

Die Beklagte kann dem Anspruch jedenfalls nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass das Gebäude bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles so mangelhaft gewesen sei, dass es auch ohne den Sturm eingestürzt wäre und damit generell der Anspruch ausgeschlossen ist. Denn der Versicherer kann die Erfüllung des Versicherungsanspruchs grundsätzlich nicht mit der Begründung verweigern, der Schaden an dem Gebäude wäre auch aufgrund einer "Reserve-Ursache" entstanden (vgl. Senat, Urteil vom 11.03.2010, Az.: 4 U 846/09 - juris; Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 1 VVG Rz. 184, 185).

Dahingestellt bleiben kann, ob entsprechendes auch für den Einwand der Beklagten gilt, es handele sich jedenfalls bei den Abriss- bzw. Aufräumkosten um "Sowieso-Kosten". Die Frage, ob der Abriss des streitgegenständlichen Gebäudes aufgrund der bereits vor dem Versicherungsfall vorhandenen Mängel und damit verbundenen Einsturzgefahr sowieso hätte durchgeführt und damit die Abriss- bzw. Aufräumkosten sowieso entstanden wären, wäre im Schadensersatzrecht zu berücksichtigen. Hier sind jedoch keine Schadensersatzansprüche streitgegenständlich, sondern ausschließlich ein versicherungsvertragsrechtlicher Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten. In welchem Umfang dem Kläger anlässlich des Versicherungsfalles die geltend gemachten Ansprüche zustehen, bestimmt sich jedoch allein auf Grundlage des Versicherungsvertrages. Nach der Regelung unter § 9 Ziffer 5.4 ABL 2015 hat der Versicherer die "infolge" des Versicherungsfalles tatsächlich entstehenden Aufwendungen zu ersetzen. Diese Bestimmung ist - wie allgemeine Versicherungsbedingungen regelmäßig - so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei vollständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. Unter Berücksichtigung dessen kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer die Bestimmung grundsätzlich nur dahin verstehen, dass zwischen dem eingetretenen Versicherungsfall (unmittelbar durch Sturm bedingter Gebäudeschaden) und den entstandenen Aufwendungen ein direkter Ursachenzusammenhang bestehen muss, d. h. zwischen beide Umstände keine weitere Ursache tritt. Weitergehende Einschränkungen im Hinblick auf die Kausalität zwischen Versicherungsfall und entstehender Aufwendungen ergeben sich nicht. Damit sieht die Regelung jedoch einen Ausschluss von Sowieso-Kosten nicht vor. Zudem knüpft die Bestimmung auch nicht explizit an die Vorschriften des § 249 BGB an, so dass sich der Versicherer auf die zum Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze nicht berufen kann (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 06. Februar 2017, Az.: 8 U 5/17 - juris).

Aber selbst wenn die Beklagte sich auf den Einwand, es handele sich um "Sowieso-Kosten", berufen könnte, hätte die Beklagte nicht den Nachweis geführt, dass das Gebäude vor dem streitgegenständlichen Sturmereignis bereits einsturzgefährdet war und daher "sowieso" hätte abgerissen werden müssen. Denn der Sachverständige Dipl.-Ing. D...... K...... hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 28.08.2019 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16.09.2019 sowie insbesondere im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 07. Januar 2020 - unter Berücksichtigung der Bauzustandsbeurteilung des von ihm hinzugezogenen Statikers Dipl.-Ing. L...... vom 28.08.2019 sowie 13.11.2019 - zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass sich anhand der ihm vorliegenden Unterlagen eine Einsturzgefährdung des Gebäudes zum Schadenszeitpunkt nicht habe feststellen lassen. Zur Begründung hat er darauf hingewiesen und im Einzelnen für den Senat nachvollziehbar erläutert, dass und aus welchem Grund die ihm vorgelegten Unterlagen nur wenig aussagekräftig gewesen seien und daher nur begrenzte Rückschlüsse zugelassen hätten. Insbesondere sei auf den Fotos (Bilder 1 und 2 auf Seite 6 seines Gutachtens vom 28.08.2019) aus dem Jahr 2015 bzw. 2017 keine Verformung erkennbar, die richtungsweisend für eine Einsturzgefährdung sei. Erst, wie auf dem Foto auf Seite 7 des genannten Gutachtens ersichtlich, im Jahr 2019 sei dann eine derartige Verformung am Gebäude zu erkennen gewesen, so dass er im Anschluss an die Ortsbesichtigung auch den Kläger aufgefordert habe, entsprechende Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. Auch aus der von der Beklagten vorgelegten Anlage B2 (Auszug aus einem Gutachten), die dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung durch die Beklagtenseite nochmals vorgehalten worden ist, konnte der Sachverständige mit dem für den Senat plausiblem Hinweis, dass diese in der Beschreibung zu allgemein gehalten sei, keine akute Einsturzgefahr vor dem streitgegenständlichen Schadensereignis herleiten. Ergänzend dazu hat der Sachverständige erläutert, dass nach seinem Verständnis eine akute Einsturzgefahr unmittelbar bevorstehend sei, während eine latente Einsturzgefahr bedeute, dass das Gebäude mittelfristig einstürzen könne, wobei sich der Zeitpunkt aber nicht bestimmen lasse, sondern ein Zeitraum vom etwas über einem Jahr bis über zehn Jahre möglich wäre. Abschließend ist der Sachverständige zu der für den Senat aufgrund der vorliegenden Unterlagen, die zum Zustand des Gebäudes vor dem Sturmereignis tatsächlich keine detaillierten Beschreibungen enthalten, daher überzeugenden Feststellung gelangt, dass das Gebäude vor dem Schadensfall zwar bautechnisch veraltet und eine Instandsetzung wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll gewesen sei, gleichwohl nicht der Rückschluss auf eine akute Einsturzgefährdung möglich sei.

Nachdem sich eine bereits vorhandene, akute Einsturzgefährdung des Gebäudes vor dem Schadensereignis nicht feststellen lässt, ist ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Abriss- und Aufräumkosten dem Grunde nach gegeben. Dagegen kommt es auf die Frage, ob das Gebäude in dem Zeitpunkt in einem Zustand war, der eine wirtschaftlich sinnvolle Instandsetzung noch ermöglichte, bzw. das Gebäude noch einen Restwert besaß, nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen nicht an. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten ist nach dem klaren Wortlaut der Klausel unter § 9 Ziffer 5.4.1 Satz 2 und 3 der ALB 2015, die hinsichtlich des Umfangs der zu erstattenden Kosten ausdrücklich danach differenziert, ob der Restwert des Gebäudes im Zeitpunkt des Versicherungsfalles "mehr als 20% des Neuwertes" oder lediglich "bis zu 20% des Neuwertes" beträgt, auch ein wertloses Gebäude insoweit vom Versicherungsschutz umfasst.

C

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung des Senats steht insbesondere nicht, wie in der Begründung im Einzelnen aufgezeigt, im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Oberlandesgerichte. Soweit der Senat unter B 3. von der Auffassung des OLG Köln (vgl. Beschluss vom 12.03.2018, Az. 9 W 7/18 - juris) abweicht, ist die Zulassung der Revision bereits deshalb nicht geboten,weil es sich bei der vorgenannten Entscheidung lediglich um eine Beschwerdeentscheidungin einem Prozesskostenhilfeverfahren gehandelt hat.

Für die Streitwertfestsetzung waren die §§ 45 Abs.1 S.2 und 3, 47, 48 GKG, 3 ZPO maßgebend. Zwar hat der Senat über die hilfsweise erhobene Feststellungsklage entschieden, da die Klageanträge jedoch denselben Gegenstand betroffen haben, war für die Streitwertfestsetzung lediglich der höhere Wert zu berücksichtigen.

RechtsgebieteZPO, ABL 2015VorschriftenZPO § 256; ABL 2015 § 4m; ABL 2015 § 9 Nr 5.4

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