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05.03.2020 · IWW-Abrufnummer 214579

Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Urteil vom 13.02.2020 – 1 U 60/19

1. Der Erlass einer unwirksamen Mietpreisbegrenzungsverordnung ist keine Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht i. S. v. § 839 BGB.

2. Eine Staatshaftung besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes.


OLG Frankfurt 1 . Zivilsenat

13.02.2020

1 U 60/19

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.3.2019 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des beklagten Landes gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor Beginn seiner Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils vollstreckten Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Schadensersatz von dem beklagten Land wegen der Unwirksamkeit der von der Landesregierung am 17.11.2015 erlassenen Mietpreisbegrenzungsverordnung.

Herr A und Frau B (im Folgenden: Zedenten) haben beginnend am 15.2.2017 von der C Beteiligungsverwaltungs GmbH eine 67 qm große Wohnung in der D-Straße … in Großstadt1 angemietet. Dieser Teil von Großstadt1 ist in der Mietpreisbegrenzungsverordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 2 BGB festgelegt. Die vereinbarte Kaltmiete beträgt 11,50 €/qm; ortsüblich waren 7,45 €/qm.

Die Klägerin ist ein registriertes Inkassounternehmen, das sich insbesondere mit der Einziehung von Forderungen befasst, die Wohnungsmieter gegen deren Vermieter wegen der Vereinbarung von Mieten zustehen, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% übersteigen.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht der Zedenten derartige Rückforderungen gegen die Vermieterin gerichtlich vor dem Amtsgericht Großstadt1 (Az. …) geltend gemacht. In einer Parallelsache entschied das Landgericht Großstadt1 als Berufungsgericht, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung unwirksam sei. Daraufhin hat die Klägerin dem beklagten Land den Streit verkündet; das Amtsgericht hat wegen Nichtigkeit der Verordnung die Klage abgewiesen.

Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin gegen das beklagte Land aus abgetretenem Recht der Zedenten als Schaden geltend, dass bei Wirksamkeit der Verordnung ihnen ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin in Höhe von 221,43 € für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte.

Die Klägerin hält die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB für gegeben. Die Verordnung sei unwirksam, weil die vorgeschriebene Begründung fehle, jedenfalls nicht mitveröffentlicht worden sei. Der Erlass der fehlerhaften Verordnung verletze eine dem beklagten Land gegenüber den Zedenten obliegende Amtspflicht. Das beklagte Land sei verpflichtet gewesen, von der Verordnungsermächtigung Gebrauch zu machen, weil anders der Zweck des § 556d Abs. 2 BGB nicht erreicht werden könne und weil sich aus der sozialpolitischen Zielrichtung des Gesetzes ein individueller Anspruch der Mieter auf Erlass einer Rechtsverordnung ergebe. Ergänzend beruft sich die Klägerin auf einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff.

Das beklagte Land bezweifelt die Aktivlegitimation der Klägerin und ist der Ansicht, dass ein Amtshaftungsanspruch nicht bestehe, insbesondere weil keine drittbezogene Amtspflicht verletzt worden sei. Es fehle auch an dem für einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff erforderlichen Eingriff in eine Eigentumsposition der Zedenten.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und wegen des Wortlauts der in erster Instanz zuletzt gestellten Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat offengelassen, ob die Klägerin aktivlegitimiert ist, ob die Verordnung unwirksam ist und ob gegebenenfalls ein Schuldvorwurf gegen die Mitarbeiter des Ministeriums erhoben werden kann. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Amtspflicht bestehe nicht, weil bei der Gesetzgebung nur Aufgaben der Allgemeinheit wahrgenommen würden. Die weitergehende Ansicht, dass es für die Amtshaftung nur auf die Beeinträchtigung subjektiv öffentlicher Rechte des Bürgers ankomme, habe der Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Bei dem Erlass von Rechtsverordnungen bzw. für das Untätigbleiben des Verordnungsgebers gelte nichts anderes. Ein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz, bei dem eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung in Betracht komme, liege nicht vor, denn die Mietpreisbegrenzungsverordnung richte sich nicht lediglich an einen beschränkten Kreis von Normadressaten. Die bei dem Erlass der Mietpreisbegrenzungsverordnung verletzte Begründungspflicht diene auch nur dem Schutz der Eigentümer. Ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff bestehe nicht, weil die Klägerin einen Entschädigungsanspruch für Verlust oder Beeinträchtigung des Eigentums nicht geltend mache. Eine andere Beurteilung sei auch nicht wegen unionsrechtlicher Staatshaftungsgrundsätze möglich, da es nicht um die Umsetzung von Unionsrecht gehe und eine richterliche Rechtsfortbildung der innerstaatlichen Amtshaftung in diese Richtung unzulässig sei.

Hiergegen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Berufung der Klägerin. Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts müsse die Amtshaftung auf legislatives Unrecht ausgedehnt werden. Das Tatbestandsmerkmal des Drittbezugs könne nicht pauschal dazu dienen, den Amtshaftungstatbestand auf solche Fälle zu begrenzen, in denen Hoheitsträger und Geschädigter in einen besonderen, individualisierten oder individualisierbaren Kontakt zueinander treten, und dadurch jede Amtshaftung im Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Gesetzesadressat auszuschließen.

In der Literatur (MünchKomm-Papier/Shirvani, 7. Aufl., § 839 Rdn. 260 f.) werde der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegengehalten, dass bei der unzulässigen Beeinträchtigung der Freiheitsrechte Einzelner durch Gesetze, Verordnungen oder Satzungen zugleich öffentlich-rechtliche Unterlassungsansprüche des Einzelnen verletzt würden. Den subjektiv öffentlichen Rechten des Bürgers entspreche eine drittbezogene Amtspflicht der zuständigen Organverwalter. Wesentlich sei daher die Betroffenheit subjektiv öffentlicher Rechte, nicht die Rechtsnatur des eingreifenden Hoheitsakts. Bei einem Untätigbleiben des Gesetzgebers komme es darauf an, ob eine Rechtspflicht zum Erlass eines bestimmten Rechtssetzungsakts bestehe. Handlungspflichten des förmlichen Gesetzgebers schieden im Allgemeinen aus, so dass deswegen ein Amtshaftungsanspruch nicht in Betracht komme. Anders verhalte es sich bei Fallgestaltungen mit Bezug zum Europarecht. Zu erwägen sei auch, zur Sicherung des Vertrauensschutzes eine Entschädigung zu gewähren, wenn infolge einer Entscheidung des EuGH ein Gesetz rückwirkend unanwendbar sei. Diese Ausdehnung der Amtshaftung sei, weil der Vetrauensschutzgrundsatz seine Wurzel im deutschen Verfassungsrecht habe, auch in Fällen ohne europarechtlichen Bezug möglich.

Die Klägerin will daraus herleiten, dass eine Verletzung drittbezogener Amtspflichten auch vorliege, wenn durch den Erlass einer grundrechtswidrigen Norm subjektiv öffentliche Abwehrrechte verletzt würden. Das entspreche auch dem unionsrechtlichen Staatshaftungsrecht. Nach dem Urteil des EuGH vom 19.11.1991 (Francovich) bestehe eine Haftung des Mitgliedsstaats bei Nichtumsetzung einer Richtlinie, und zwar gerade auch bei Verstößen durch den nationalen Gesetzgeber. Die unionsrechtliche Haftung hänge daher nicht von einem Drittbezug ab. Wenn man bloßen Drittschutz genügen lasse, erweitere sich der Amtshaftungsanspruch auf legislatives Unrecht.

Diese Grundsätze müssten auf den vorliegenden Fall übertragen werden; die Mieter hätten darauf vertraut, dass der Gesetzgeber eine wirksame Mietpreisbegrenzungsverordnung erlasse, über die sie ihre Rechte auf eine angemessene Miete durchsetzen könnten, wenn der Vermieter zu hohe Mieten verlange. Die Mieter seien in den Ballungszentren den überzogenen Mietpreisforderungen schutzlos ausgeliefert. Sie befänden sich in einer Zwangslage und müssten überhöhte Forderungen akzeptieren, weil sie sonst keine Wohnung fänden. Deshalb sei die Hessische Mietpreisbegrenzungsverordnung erlassen worden. Deshalb müsse der Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen, die gegen höherrangiges Recht verstießen, Amtshaftungsansprüche begründen.

Jedenfalls müsse hier von einem Einzelfall- und Maßnahmengesetz ausgegangen werden, das auch in der deutschen Rechtsprechung als ausnahmsweise haftungsbegründendes legislatives Unrecht angesehen werde. Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Mietpreisbegrenzungsverordnung sich nicht an einen beschränkten Kreis von Normadressaten wende. Denn sie betreffe nur 33 Gemeinden, also nur 8% der insgesamt 423 Gemeinden in Hessen. Die Voraussetzungen der Verordnung würden in § 556d Abs. 2 BGB streng vorgegeben. Die Verordnung diene daher übergangsweise dazu, eine konkrete Situation zu regeln, bis durch andere Maßnahmen der angespannten Wohnungssituation abgeholfen werde. Die Verordnung knüpfe folglich nicht an ein abstraktes Merkmal „Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt“ an, sondern an einen sachlich eng beschränkten Bereich in Hessen. Es komme auch nicht darauf an, wie viele der größten Städte von der Verordnung betroffen seien, denn die Verordnung betreffe nur eine beschränkte Zahl der Einwohner, also Neuvermietungen mit Ausnahme von Neubauwohnungen und modernisierten Wohnungen. Daher bestehe eine Einengung des Kreises der Betroffenen und damit eine Individualisierung der Adressaten, die eine besondere Beziehung zwischen dem Rechtssetzungsakt und den geschützten Interessen bestimmter Betroffener schaffe. Es komme auch nicht darauf an, ob die der Verordnung nicht beigegebene Begründung den Mieter schützen solle, was aber tatsächlich der Fall sei, denn auch die Mieter müssten erkennen können, ob sie von dem Anwendungsbereich der Verordnung betroffen seien und ob sie Bestand habe. Nur dadurch könnten die Mieter rechtssicher ihre Rechte einfordern. Die Amtspflichtverletzung sei auch schuldhaft erfolgt, denn das Begründungserfordernis ergebe sich schon aus § 556d Abs. 2 BGB. Das habe das beklagte Land bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können. Der Schaden habe nicht durch Gebrauch eines Rechtsmittels abgewendet werden können, denn es sei den Zedenten unzumutbar gewesen, ein Rechtsmittel gegen das klagabweisende amtsgerichtliche Urteil einzulegen.

Die Klägerin beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25.03.2019 zum Aktenzeichen 2-04 307/18 wird aufgehoben und wie folgt neu zu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin EUR 221,43 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land bezweifelt weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin und stellt insbesondere in Abrede, dass die Klägerin über die zur Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruchs erforderliche Sachkunde verfügt. Die Geltendmachung des streitgegenständlichen Anspruchs liege außerhalb des gewöhnlichen Betätigungsfeldes der Klägerin, nämlich der Rückforderung überhöhter Mieten und der damit zusammenhängenden Prüfung der Rechtslage und Beratung der Mieter. Hinsichtlich des Amtshaftungsanspruchs hält das beklagte Land die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eindeutig; danach genüge für die Amtshaftung nicht der Umstand, dass durch ein Gesetz Freiheitsrechte Einzelner unzulässig beeinträchtigt würden. Bei der von der Klägerin befürworteten Ausdehnung komme es zu einer uferlosen Ausweitung der Amtshaftung; das Merkmal des Drittbezugs würde durch bloßen Drittschutz ersetzt. Eine solche Rechtsfortbildung könne nur der Gesetzgeber vornehmen. Gegen diese Ausweitung spreche auch die historische Auslegung der Norm, denn der Gesetzgeber sei bei der Normierung der Amtshaftung nicht als Schädiger in Betracht gezogen worden. Das Begründungserfordernis diene auch nur den Eigentümern, nicht den Mietern. Auf die bei der unionsrechtlichen Staatshaftung maßgeblichen Grundsätze könne sich die Klägerin nicht berufen, weil es nicht um die Anwendung von Unionsrecht gehe. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen nicht vor, weil es an einem hinreichend qualifizierten Verstoß fehle. Der allenfalls bestehende Rechtsirrtum sei entschuldbar, zumal mehrere Gerichte die Verordnung als wirksam beurteilt hätten. Aus diesem Grund fehle es auch an einem Verschulden im Sinne von § 839 BGB. Es liege auch kein Fall eines Maßnahme- oder Einzelfallgesetzes vor, denn Adressat der Verordnung seien nicht Gemeinden, sondern die in den Gemeinden wohnenden Bürger.

II.

Die von dem Landgericht zugelassene Berufung der Klägerin ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Keine Zweifel bestehen allerdings hinsichtlich der Aktivlegitimation der Klägerin. Ein Verstoß gegen § 3 RDG führt zwar regelmäßig zur Nichtigkeit der zwischen dem Rechtsdienstleistenden und dessen Kunden getroffenen Inkassovereinbarung einschließlich der vereinbarten Forderungsabtretung (BGH, U. v. 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18, Rdn. 58). Ein solcher Verstoß ist hier aber nicht feststellbar. Die Klägerin ist für Rechtsdienstleistungen im Bereich Inkasso registriert. Sie kann sich daher auch mit der außergerichtlichen Beitreibung von Amtshaftungsansprüchen befassen. Die damit einhergehende treuhänderische Abtretung, die die Zedenten hier vorgenommen haben, gehört zum gewöhnlichen Erscheinungsbild des Inkassogeschäfts. Die Klägerin hat die Forderung zunächst außergerichtlich geltend gemacht und überlässt die gerichtliche Geltendmachung den von ihr beauftragten Rechtsanwälten. Die Registrierung der Klägerin bezieht sich nicht nur auf Inkassodienstleistungen auf einem bestimmten Gebiet des bürgerlichen Rechts, so dass der Klägerin auch nicht fehlende Sachkunde entgegengehalten werden kann. Ob die Einziehung eines Amtshaftungsanspruchs zum gewöhnlichen Geschäft der Klägerin gehört und ob sie ihre Dienstleistung im vorliegenden Fall unentgeltlich erbringt, ist daneben ohne Bedeutung.

Der rechtlichen Beurteilung ist auch zugrunde zu legen, dass die Hessische Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 17.2.2015 nichtig ist. Insoweit kann offenbleiben, ob sich dies im vorliegenden Rechtsstreit bereits aus der Interventionswirkung der im Prozess der Klägerin gegen die Vermieterin der Zedenten erfolgten Streitverkündung ergibt. Jedenfalls schließt sich der Senat den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Urteil vom 17.7.2019, Az. VIII ZR 130/18, an und nimmt hierauf wegen der Einzelheiten Bezug.

Der von der Klägerin erhobene Amtshaftungsanspruch besteht jedoch nicht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat.

Das Landgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen Nachteilen, die Bürgern durch die Gesetzgebung entstehen, regelmäßig keine Amtshaftungsansprüche bestehen. Denn die gesetzgebenden Staatsorgane nehmen regelmäßig ausschließlich Aufgaben der Allgemeinheit wahr. Diese Aufgaben sind nicht auf bestimmte Personen oder Personenkreise gerichtet, so dass die Drittgerichtetheit als Tatbestandsmerkmal des § 839 BGB, also die besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten fehlt (BGHZ 56, 40; 87, 321; 102, 350; 134, 50). Dies gilt ebenso, wenn dem Gesetzgeber vorgeworfen wird, eine bestimmte gebotene Regelung nicht erlassen zu haben (BGHZ 102, 350; BGHZ 134, 30). Diese Rechtsprechung gilt nicht nur bezüglich formeller Gesetze, sondern auch für Rechtsverordnungen und Satzungen (BGH DVBl 1993, 718; BGHZ 102, 350; 56, 40). Ausnahmsweise können Amtshaftungsansprüche bestehen, wenn es sich um ein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz handelt, das die Belange Dritter unmittelbar berührt (BGH NJW 1989, 101 mNw.).

Der Senat hat keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen. Für diese die Amtshaftung begrenzende Auffassung ist ausschlaggebend, dass § 839 BGB zu den deliktsrechtlichen Vorschriften gehört und dass das Deliktsrecht geprägt ist von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit. Nur der unmittelbar durch eine Rechtsgutsverletzung Betroffene soll Ersatzansprüche haben. Diese Beschränkung findet in § 839 BGB ihre Entsprechung im Drittbezug der Amtspflicht und steht deshalb der Ausdehnung der Haftung auf Nachteile, die durch legislative Akte entstehen, entgegen (BGHZ 56, 40, juris Rdn. 16). Auch der historische Gesetzgeber hat bei der Einführung des § 839 BGB nur die Haftung des einzelnen Beamten vor Augen gehabt. An eine Haftung für gesetzgebende Organe war dabei nicht gedacht. Art. 34 GG leitet diese unverändert an die Amtspflichtverletzung des einzelnen Beamten anknüpfende Amtshaftung lediglich auf den Staat über, ohne die Haftung auszudehnen (BGH NJW 1989, 101; Papier in Maunz/Dürig, Art. 34 GG Rdn. 10, 11). Im Schrifttum wird zwar die Ansicht vertreten, dass es für die Amtshaftung genüge, dass die öffentliche Gewalt, sei es auch in Gestalt der gesetzgebenden Organe, durch rechtswidrige Normsetzung unzulässig in subjektiv-öffentliche Rechte des Bürgers, insbesondere also in grundrechtlich geschützte Positionen, eingreife (MünchKomm-Papier/Shirvani, 7. Aufl., § 839 Rdn. 261 mwNw.). Diese Ansicht hat der Bundesgerichtshof jedoch bereits ausdrücklich zurückgewiesen (BGH NJW 1989, 101); er nimmt in diesem Zusammenhang an, dass nicht jede Grundrechtsverletzung zugleich der Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht entspricht. Neue Gesichtspunkte, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bisher unberücksichtigt geblieben wären, liegen insoweit nicht vor.

Die Klägerin wendet sich auch erfolglos gegen die Beurteilung des Landgerichts, dass es sich bei der Mietpreisbegrenzungsverordnung nicht um ein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz handle. Da die Klägerin insoweit im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, kann auf die überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Die Mietpreisbegrenzungsverordnung regelt keinen Einzelfall und betrifft auch nicht wie etwa ein Bebauungsplan (vgl. dazu BGHZ 56, 40; 84, 292; 106, 323) nur eine überschaubare Gruppe von Grundstückseigentümern, sondern verbietet in den größten Kommunen Hessens eine Nachvermietungsmiete, die die ortsübliche Miete um mehr als 10% übersteigt. Diese Regelung belastet nicht einzelne, durch die Verordnung identifizierbare Eigentümer und Vermieter und begünstigt nicht einzelne identifizierbare Mieter, sondern richtet sich an alle Mieter und Vermieter, deren Mietwohnungen in den fraglichen Gebieten belegen sind und bei denen es zu einer Nachvermietung kommt. Es handelt sich daher um eine abstrakt-generelle Regelung, die mit einem „Verwaltungsakt in Gesetzesform“, also einer Einzelfallregelung, nicht vergleichbar ist.

Der hessische Verordnungsgeber hat mit dem Erlass der nachträglich als unwirksam erkannten Mietpreisbegrenzungsverordnung auch nicht in eine grundrechtlich geschützte Position der Zedenten eingegriffen, was aber Voraussetzung für die Annahme einer Haftung nach der von der Klägerin befürworteten Ansicht wäre. § 556d BGB in Verbindung mit einer ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt festlegenden Rechtsverordnung berührt vor allem das Eigentumsrecht der Vermieter, die bei der Gestaltung der Miethöhe in Nachvermietungsfällen die Miethöhe nicht frei vereinbaren können. Diese Beschränkung des Eigentums soll eine sozialpolitische Absicht verwirklichen, nämlich der Verdrängung einkommensschwächerer Mieter aus begehrten städtischen Wohnlagen entgegenwirken (BT-DrS. 18/3121, S. 15). Diesem Schutzzweck entspricht aber keine grundrechtlich geschützte Position von Mietern. Es gibt kein Grundrecht auf Anmietung einer Wohnung zu einem das ortsübliche Niveau nicht oder nur wenig überschreitenden Preis; aus dem in Art. 26d der Hessischen Landesverfassung festgelegten Staatsziel der Errichtung und des Erhalts von angemessenem Wohnraum kann ein subjektiv öffentliches Recht des Einzelnen nicht hergeleitet werden. Da eine in diesem Zusammenhang relevante grundrechtlich geschützte Position von Mietern nicht existiert, stellt die amtliche Begründung zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs in das Eigentum der Wohnungseigentümer in Form der Inhalts- und Schrankenbestimmung auch nur auf eine Abwägung der Eigentümerinteressen mit dem Allgemeinwohlinteresse an ausgeglichenen Wohnverhältnissen ab (BT-DrS. 18/3121, S. 18). Der Nachteil, den Mieter wegen der Unwirksamkeit der Verordnung hinnehmen müssen, ist ein Vermögensnachteil und besteht darin, dass die Vereinbarung über den Mietzins wirksam ist, dieser also entrichtet werden muss und nicht zurückgefordert werden kann. Das Vermögen als solches ist aber nicht Schutzobjekt eines Grundrechts.

Amtshaftungsansprüche der Zedenten bestehen auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines vermeintlichen Anspruchs auf Erlass einer wirksamen Mietpreisbegrenzungsverordnung noch wegen berechtigten, aber enttäuschten Vertrauens auf die Wirksamkeit dieser Verordnung.

Der Sachverhalt, den die Klägerin als haftungsbegründend ansieht, besteht darin, dass der Verordnungsgeber der Mietpreisbegrenzungsverordnung keine veröffentlichte Begründung beigefügt hatte und die Verordnung deshalb unwirksam ist. Die Klägerin macht daher keine Haftung wegen rechtswidrigen Eingriffs in eine Rechtsposition geltend, sondern will Haftungsfolgen daraus herleiten, dass ein Gesetz bzw. eine Verordnung nicht bzw. nicht rechtsbeständig erlassen worden ist. Eine solche Haftung müsste voraussetzen, dass entweder ein subjektiv öffentliches Recht der von der beabsichtigten Regelung Begünstigten auf Erlass einer (wirksamen) solchen Regelung Verordnung besteht, oder aber dass das Vertrauen von Mietern in die Gültigkeit der Verordnung Schutz durch Gewährung einer Entschädigung verdient.

Ein Anspruch der Zedenten auf Erlass einer wirksamen Mietpreisbegrenzungsverordnung besteht nicht, so dass offen bleiben kann, ob unter diesem Gesichtspunkt überhaupt eine Amtshaftung für Rechtsetzungsakte bestünde. § 556d BGB und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen verfolgen ein sozialpolitisches Ziel. Sozialstaatliche Zielsetzungen verdichten sich - mit Ausnahme des Schutzes des Existenzminimums - regelmäßig nicht zu staatlichen Handlungspflichten gegenüber Einzelnen oder Gruppen (vgl. Greszick in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 20 Abschnitt VIII Rdn. 19). Mangels einer solchen individuellen Rechtsposition kommt es hier nicht darauf an, ob die durch § 556d BGB ermächtigten Landesregierungen staatsrechtlich verpflichtet sind, Mietpreisbegrenzungsverordnungen zu erlassen, wenn die tatsächlichen Verhältnisse eines angespannten Wohnungsmarkts vorliegen (vgl. dazu BVerfG, B. v. 18.7.2019, Az. 1 BvL 1/18, juris Rdn. 45, 46; AG Neukölln, U. v. 8.9.2016, Az. 11 C 414/15, juris Rdn. 43 - 45 mit Hinweis auf BVerfG, B. v. 8.6.1988, Az. 2 BvL 9/85 und 2 BvL 3/86, NJW 1988, 2529; vgl. auch Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 80 Rdn. 119).

Das beklagte Land haftet für den bei der Verordnungsgebung vorgekommenen Fehler den Zedenten auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens auf die Gültigkeit der Mietpreisbegrenzungsverordnung.

Das Bundesverfassungsgericht hält eine Auslegung des Amtshaftungsrechts für denkbar, wonach Entschädigung wegen enttäuschten Vertrauens auf die Gültigkeit eines Gesetzes gewährt werden kann, wenn das Gesetz infolge einer Entscheidung des EuGH sich rückwirkend als nicht anwendbar erweist. Vorauszusetzen sei, dass ein Betroffener auf die Gültigkeit der Regelung vertraut hat und vertrauen durfte und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (B. v. 6.7.2010, Az. 2 BvR 2661/06, NJW 2010, 3422, Rdn. 82, 85, 86). Im Anschluss daran wird in der Literatur erwogen, hieraus einen „Impuls für die Diskussion um die Staatshaftung für legislatives Unrecht“, und zwar wegen der verfassungsrechtlichen Fundierung im Vertrauensschutzgrundsatz auch für Fälle mit bloßem Inlandsbezug, herzuleiten (vgl. MünchKomm-Papier, 7. Aufl., § 839 Rdn. 261). Der Senat kann offenlassen, ob eine solche Fortbildung des Amtshaftungsrechts im Bereich der Amtshaftung für legislatives Unrecht generell in Betracht zu ziehen ist. Bisher hat die Rechtsprechung einen Anspruch auf Ersatz für Aufwendungen, die im Hinblick auf die angenommene Wirksamkeit einer Rechtsnorm erfolgten, nicht anerkannt (BGH NJW 89, 101; BGHZ 84, 292). Gesetzlich ausdrücklich anerkannt ist eine solche, auf den Vertrauensschaden gerichtete Entschädigungspflicht in § 48 Abs. 3 S. 1 und § 49 Abs. 6 S. 1 VwVfG bei der Rücknahme bzw. dem Widerruf eines Verwaltungsakts.

Im vorliegenden Fall ist zwar denkbar, dass Mieter und daher auch die Zedenten ein Mietverhältnis im Vertrauen darauf eingehen, dass sie den die ortsübliche Miete um mehr als 10% übersteigenden Mietzins später zurückfordern können (vgl. AG München, U. v. 8.9.2016, Az. 422 C 6013/16), sich also bei Eingehung des Mietverhältnisses auf die Gültigkeit der Mietpreisbegrenzungsverordnung verlassen haben. Dennoch ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschadens keine für die Klägerin günstigen Folgerungen, da ein schützenswertes Vertrauen in die Gültigkeit der hessischen Mietpreisbegrenzungsverordnung nicht angenommen werden kann.

Es müsste zunächst objektiv gerechtfertigt gewesen sein, auf den Bestand der Regelung zu vertrauen. Dafür ist maßgeblich, inwieweit objektiv vorhersehbar war, dass eine Regelung keinen Bestand haben würde (BVerfG aaO; Karpenstein/Johann, NJW 2010, 3405).

Hierbei ist schon zweifelhaft, ob es überhaupt ein objektiv gerechtfertigtes Vertrauen in die Gültigkeit einer Rechtsverordnung geben kann. Denn anders als formelle Parlamentsgesetze gibt es bei Rechtsverordnungen kein verfassungsgerichtliches Verwerfungsmonopol (Art. 100 GG). Im Unterschied zu Verwaltungsakten, die trotz etwaiger Fehler bei ihrem Erlass regelmäßig zunächst als wirksam zu behandeln sind, ist eine unter Verletzung von höherrangigen Rechtsnormen erlassene Rechtsverordnung ohne weiteres nichtig und unwirksam. Demgemäß ist jedem Gericht die Prüfung übertragen, ob eine Rechtsverordnung rechtsgültig erlassen ist; ist das nicht der Fall, ist die Verordnung nicht anzuwenden.

Insbesondere bei der hier zu beurteilenden Mietpreisbegrenzungsverordnung lagen aber auch schon frühzeitig Umstände vor, die an der Gültigkeit der Verordnung zweifeln lassen konnten. Denn § 556d Abs. 2 S. 5- 7 BGB verlangt explizit, dass die Verordnung in qualifizierter Weise begründet werden muss. Eine solche Begründung hat der hessische Verordnungsgeber aber der Verordnung nicht beigefügt, so dass von Beginn an objektiv Zweifel an der Wirksamkeit der Verordnung berechtigt waren, mag sich das Veröffentlichungserfordernis auch nicht wörtlich aus dem Gesetz ergeben. Im Schrifttum ist jedenfalls bereits 2016 auf die Begründung als Wirksamkeitserfordernis hingewiesen worden (vgl. Staudinger/Emmerich, Neubearbeitung 2016, § 556d Rdn. 39; Derleder NZM 2015, 413, 414; Zuck, NZM 2016, 657, 660; jurisPK-BGB Stand 1.12.2016, § 556d Rdn. 19; Blank, WuM 2014, 641, 645 f.). Das völlige Fehlen einer veröffentlichten Begründung musste deshalb Zweifel an der Beständigkeit der hessischen Verordnung wecken. Überdies handelte es sich bei der Mietpreisbegrenzungsverordnung insgesamt um rechtliches Neuland. Es liegt in der Natur einer solchen Neuregelung, dass eine gerichtliche Überprüfung erst nach und nach erfolgt. Ein geschütztes Vertrauen in die Beständigkeit einer solchen Regelung trotz bereits Ende 2016 anhängiger gerichtlicher Auseinandersetzungen, in denen auch die Gültigkeit solcher Mietpreisbegrenzungsverordnungen bezweifelt wurde (vgl. z.B. AG Frankfurt, U. v. 20.9.2017, Az. 33 C 3490/16; AG Hamburg, U. v. 23.5.2017, Az. 316 C 380/16), kann daher nicht angenommen werden.

Soweit die Klägerin auf die tatbestandlich anders ausgestaltete Staatshaftung wegen EU-Recht verletzenden Staatshandelns verweist, führt das nicht weiter, denn diese weitergehende Haftung auch für legislatorisches Unrecht beruht auf der Rechtsprechung des EuGH, bezweckt die effektive Geltung des EU-Rechts und ist kein im deutschen Staatshaftungsrecht verallgemeinerungsfähiger Grundsatz.

Soweit die Klägerin in erster Instanz noch eine Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff geltend gemacht hat, ist sie mit der Berufung darauf nicht mehr zurückgekommen. Der Vollständigkeit halber ist dazu noch auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 111, 349) ein entschädigungspflichtiger enteignungsgleicher Eingriff durch rechtswidrige untergesetzliche Normen grundsätzlich möglich ist. Wie oben dargelegt, fehlt es hier aber an einem Eingriff in eine grundrechtlich geschützte, insbesondere in eine durch Art. 14 GG geschützte Position der Zedenten.

Nach allem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Im Hinblick auf die oben angeführten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist noch nicht hinreichend geklärt, ob eine Vertrauenshaftung überhaupt anzunehmen ist und unter welchen Voraussetzungen gegebenenfalls objektiv auf die Gültigkeit einer Rechtsverordnung vertraut werden kann.

RechtsgebietAmtshaftungVorschriften§ 839 BGB, § 556d BGB, Art. 34 GG

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