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19.02.2020 · IWW-Abrufnummer 214271

Oberlandesgericht Braunschweig: Beschluss vom 16.01.2020 – 11 U 131/19

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Braunschweig

Hinweisbeschluss

11 U 131/19
7 O 2572/18 Landgericht Braunschweig    

In dem Rechtsstreit

der Frau H. L., …..,

    Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt A. R., …..,

gegen

die A. Versicherungs-AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch die Vorsitzenden Dr. T. N. und O. N., ….,

    Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte G. & Kollegen, …..,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts X, die Richterin am Oberlandesgericht Y und den Richter am Oberlandesgericht Z am 16.01.2020 beschlossen:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 16.07.2019 gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe:

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (vgl. § 513 Abs. 1 ZPO).

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 5.400,- EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über eine Vollkaskoversicherung gegen die Beklagte.

Die Beklagte ist gem. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG i. V. m. E.1.1, E.7.1 der zwischen den Parteien vereinbarten allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2010) leistungsfrei geworden.

Soweit in dem landgerichtlichen Urteil auf die zunächst von der Beklagten vorgelegten Versicherungsbedingungen (AKB 2008) Bezug genommen worden ist, betrafen diese nicht die streitgegenständliche Kaskoversicherung, sondern lediglich die Kfz-Haftpflichtversicherung, wie der Eingangsbemerkung der Versicherungsbedingungen zu entnehmen ist. Die in dem Urteil erwähnten Klauseln E.1.1 und E.3.1 AKB 2008 sind jedoch im wesentlichen wortgleich mit E.1.1 und E.7.1 AKB 2010.

a.)

Gem. E.7.1. AKB 2010 i. V. m. § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG besteht kein Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich gegen eine seiner in E.1 bis E.6 geregelten Pflichten verstößt.

aa.)

Die Klägerin hat im vorliegenden Fall objektiv gegen die sich aus E.1.1 AKB 2010 ergebende Obliegenheit zur fristgerechten Anzeige des Schadenereignisses verstoßen.

Solange der Versicherungsnehmer von dem Versicherungsfall keine Kenntnis hat, kann eine Verletzung der Anzeigepflicht tatbestandlich nicht gegeben sein (vgl. Maier, in: Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. A., AKB E.1, Rn. 2). Das positive Wissen um die die Obliegenheiten auslösenden Umstände ist Teil des objektiven Tatbestandes dieser Obliegenheiten, den der Versicherer, will er sich auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Obliegenheiten berufen, beweisen muss (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2008 ‒ IV ZR 227/06 -, juris Rn. 15).

Gem. E.1.1 AKB 2010 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, dem Versicherer jedes Schadenereignis innerhalb einer Woche anzuzeigen, das zu einer Leistung führen kann. Zu den in der Vollkaskoversicherung versicherten Ereignissen zählen u. a. gem. A.2.1.3 b AKB 2010 Unfälle des Fahrzeugs. Hier hat die Klägerin nach ihrem Vorbringen mit dem versicherten Fahrzeug am 28.02.2016 einen Unfall erlitten, so dass sie den Unfall binnen einer Woche bei der Beklagten anzuzeigen hatte. Die Klägerin hat den angeblichen Unfall jedoch erst am 26.05.2017 der Beklagten gemeldet. Der objektive Tatbestand ist damit erfüllt.

Soweit die Klägerin geltend macht, dass sie keine Veranlassung gehabt habe, die Beklagte als Kaskoversicherer in Anspruch zu nehmen, weil sie die berechtigte Erwartung gehabt habe, dass der Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer zum vollständigen Schadensersatz verpflichtet seien, ändert dies nichts an der Kenntnis der Klägerin von dem Unfall und dem darin liegenden Schadenereignis i. S. der Versicherungsbedingungen. Voraussetzung für den Beginn der Meldefrist ist nicht, dass der Versicherungsnehmer sich tatsächlich entschließt, seine Kaskoversicherung in Anspruch zu nehmen, sondern der Eintritt eines in der Kaskoversicherung versicherten Ereignisses, das ‒ wie schon der Wortlaut der Klausel aufzeigt ‒ zu einer Leistung führen kann. Der Klägerin war aber bewusst, dass ihr eine Leistung aus der abgeschlossenen Kaskoversicherung zustehen könnte, wie die spätere Schadensmeldung zeigt.

bb.)

Die Klägerin hat auch vorsätzlich gegen diese Obliegenheit verstoßen.

Vorsatz erfordert das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein des Vorhandenseins der Verhaltensnorm (vgl. BGH, Urteil vom 21.04.1993 ‒ IV ZR 33/92 -, juris Rn. 188). Insoweit genügt bedingter Vorsatz, der nach allgemeinen Regeln vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2017 ‒ 20 U 42/17 -, juris Rn. 16). Der Geschädigte handelt auch dann vorsätzlich, wenn er die allgemein bekannte Frist zur zeitnahen Schadenmeldung in der Annahme verstreichen lässt, er sei auf den Anspruch gegen den Versicherer nicht angewiesen, weil er sich anderweitig schadlos halten könne (vgl. OLG Hamm, a. a. O., juris Rn. 24; so wohl auch OLG Celle, Urteil vom 30.11.2017 ‒ 8 U 27/17 -, juris Rn. 50).

Der Klägerin, die bereits wiederholt die Beklagte als Kaskoversicherung in Anspruch genommen hat, war nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil bewusst, dass ein eingetretener Unfall zeitnah der Versicherung zeitnah gemeldet werden muss. Allein der Umstand, dass die Klägerin davon ausging, dass der ihr angeblich entstandene Schaden vollständig von dem Unfallgegner und seiner Haftpflichtversicherung ersetzt werden würde, ändert nichts daran, dass die Klägerin insoweit die Verletzung der gegenüber der Beklagten als Kaskoversicherung bestehenden Pflichten billigend in Kauf nahm.

b.)

Die Beklagte ist auch nicht gem. E.7.2 AKB 2010 i. V. m. § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG zur Leistung verpflichtet. Die Klägerin hat den Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Verletzung der Pflicht weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten ursächlich ist.

Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für die fehlende Kausalität (vgl. OLG Celle, Urteil vom 30.11.2017 ‒ 8 U 27/17-, juris Rn. 54). Der Beweis ist als Negativbeweis in der Weise zu führen, dass der Versicherungsnehmer die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten widerlegt und abwartet, welche dann ebenfalls von ihm zu widerlegenden Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt (vgl. Armbrüster, in: Prölss/Martin, VVG, 30. A., § 28 VVG, Rn. 249). Dabei braucht der Versicherer lediglich die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses darzulegen, indem er z. B. vorträgt, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Obliegenheit getroffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31.03.2009 ‒ I-20 U 217/08 -, juris Rn.9).

Hier hat die Beklagte vorgetragen, dass es ihr durch die verspätete Meldung nicht mehr möglich gewesen sei, den von der Klägerin behaupteten Unfallhergang zu überprüfen, die Fahrzeuge zu besichtigen oder anderweitige Ermittlungen zum Unfallhergang zu tätigen. Die Beklagte hat konkrete Zweifel an dem Unfallhergang und den angeblich auf den Unfallhergang zurückzuführenden Schäden geäußert. Insbesondere seien die in dem von der Klägerin eingeholten Dekra-Gutachten genannten Schäden nicht auf den Unfall vom 28.02.2016 zurückzuführen. Unstreitig ist, dass das Fahrzeug im Unfallzeitpunkt diverse Vorschäden aufwies, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese fachgerecht repariert worden sind oder nicht.

Die Klägerin hat weder widerlegt, dass die Beklagte die behaupteten Maßnahmen ergriffen hätte, noch hat sie bewiesen, dass diese Maßnahmen ohne Erfolg geblieben wären.

Soweit es um die Besichtigung der unfallbeteiligten Fahrzeuge geht, hat die Klägerin lediglich ihr Fahrzeug, nicht aber das Fahrzeug des Unfallgegners von einem Sachverständigen begutachten lassen. Welche Erkenntnisse die Untersuchung des anderen Fahrzeugs im Hinblick auf den Unfallhergang und den Umfang der möglicherweise hierauf zurückzuführenden Schäden erbracht hätte, ist offen.

Das von der Klägerin eingeholte Schadengutachten ist zudem im Hinblick auf den angeblich durch den Unfall hervorgerufenen Schadenumfang nicht aussagekräftig. Der Sachverständige hat unter „Vorschäden“ angegeben, dass bei der Besichtigung, soweit ohne weitergehende Untersuchung erkennbar, keine reparierten oder unreparierten Vorschäden festgestellt worden seien. Unstreitig wies das Fahrzeug jedoch diverse Vorschäden auf. Auch wenn diese ‒ wie von der Klägerin behauptet ‒ fachgerecht repariert worden sein sollten, fehlt es hierzu an entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen, so dass die Feststellungen des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen lückenhaft sind.

Auch die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens kam insofern nicht in Betracht. Es fehlt bereits an hinreichenden Anknüpfungstatsachen. Die Klägerin hat das beschädigte Fahrzeug ‒ wie aus der Berufungsbegründung und der Schadenanzeige hervorgeht ‒ alsbald nach dem Unfall veräußert, so dass es für eine Besichtigung durch einen Gerichtssachverständigen nicht mehr zur Verfügung steht. Das Gutachten kann insofern auch nicht allein auf die Beobachtungen des von der Klägerin beauftragten Sachverständigen und die von ihm gefertigten Fotografien gestützt werden, weil dieser bestehende Vorschäden nach den von ihm in dem Gutachten niedergelegten Angaben gerade nicht wahrgenommen, dokumentiert und insofern auch keine weitergehenden Untersuchungen vorgenommen hat.

Soweit die Klägerin für die ordnungsgemäße Reparatur der Vorschäden ihre Vernehmung als Partei als Beweismittel angeboten hat, ist bereits nicht dargelegt worden, inwiefern die Klägerin über die gebotene Sachkunde für die Wahrnehmung solcher technischer Sachkunde voraussetzenden Tatsachen verfügt. Es bestehen daher Zweifel an der Eignung dieses Beweismittels.

Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen für eine solche Vernehmung bzw. Anhörung nicht vor. Für eine Vernehmung gem. § 447 ZPO fehlt es an der Zustimmung der Beklagten. Auch die Voraussetzungen für eine Vernehmung gem. § 448 ZPO liegen nicht vor, weil die Klägerin sich weder in Beweisnot befindet noch den für den für eine Vernehmung gem. § 448 ZPO erforderlichen Anbeweis erbracht hat.

Benennt der Kläger ihm zur Verfügung stehende Zeugen aus nicht näher dargelegten Gründen nicht, befindet er sich nicht in Beweisnot (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.1997, Urteil vom 26.03.1997 ‒ IV ZR 91/96 -, Rn. 9).

Hier hätte die Klägerin für die Reparatur der Vorschäden auch die Mitarbeiter des Reparaturbetriebes als Zeugen benennen können, was jedoch ohne Darlegung von Gründen unterblieben ist.

Darüber hinaus setzt § 448 ZPO voraus, dass aufgrund einer schon durchgeführten Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die durch die Parteivernehmung zu beweisende Tatsache spricht (sogen. Anbeweis, vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2010 ‒ III ZR 249/09 -, juris Rn. 15).

Eine solche Wahrscheinlichkeit ist aber im vorliegenden Fall nicht zu bejahen. Es wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Beklagte durch weitergehende Untersuchungen durch einen von ihr beauftragten Sachverständigen Erkenntnisse hätte gewinnen können, die ihre Leistungspflicht dem Grunde oder der Höhe nach ausgeschlossen oder beschränkt hätte.

2.

Mangels Hauptforderung hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf den Ersatz von Verzugszinsen oder die Erstattung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Verzugszinsen.

3.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).

II.

Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen Stellung zu nehmen oder die Berufung zurückzunehmen.

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