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24.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213741

Verwaltungsgericht Stuttgart: Urteil vom 09.05.2019 – 4 K 13164/17

1. Trotz der unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten kraft Rechtsform anzunehmenden gewerblichen Tätigkeit juristischer Personen und der begrifflichen Unmöglichkeit der persönlichen Erbringung von Dienstleistungen durch eine Gesellschaft, können sowohl die Ausübung eines freien Berufs als auch die Entrichtung von Beiträgen an eine andere Kammer nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des sog. Freiberufler-Privilegs nach § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG auch bei einer "Freiberufler-GmbH" vorliegen.

2. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG können auch bei mehrstöckigen "Freiberufler-Gesellschaften" in der Rechtsform der GmbH & Co. KG vorliegen, bei denen sowohl die Kommanditisten der KG als auch die Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH durchgängig "vorwiegend freiberuflich tätig" sind und durchgängig Berufskammerbeiträge entrichten.


Verwaltungsgericht Stuttgart

Urteil vom 09.05.2019


In der Verwaltungsrechtssache
gegen
wegen Beitragsbescheids

hat das Verwaltungsgericht Stuttgart - 4. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2019
am 9. Mai 2019
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Der Bescheid der Beklagten vom 05.04.2017 in der Fassung des Bescheids vom 06.04.2017 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 11.07.2017 werden aufgehoben, soweit der Beitrag betreffend die Umlage anhand eines ein Zehntel der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG überschreitenden Gewerbeertrages festgesetzt worden ist.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
  3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für die Beitragsfestsetzung des Jahres 2017 durch die beklagte Industrie- und Handelskammer (im Weiteren: IHK) die Anwendung des "Freiberufler-Privilegs" des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG (sog. Zehntel-Regelung) in direkter, hilfsweise analoger Anwendung.

Die Klägerin ist eine in der Rechtsform der GmbH & Co. KG organisierte IHK-zugehörige Gesellschaft, deren zwei Kommanditisten vorwiegend als Ingenieure tätig sind und deren Komplementärin, die GmbH, ausschließlich diese - vorwiegend als Ingenieure - tätigen (geschäftsführenden) Gesellschafter hat. Ausschließlich diese beiden Gesellschafter (der Kommanditgesellschaft wie auch deren Komplementär-GmbH) entrichten Beiträge an die Ingenieurkammer Baden-Württemberg, hingegen weder die Kommanditgesellschaft noch deren Komplementär-GmbH.

Durch Bescheid vom 05.04.2017 rechnete die Beklagte die IHK-Beiträge für das Jahr 2015 ab und veranlagte den Beitrag für das Jahr 2017 vorläufig, wobei jeweils lediglich ein Zehntel des maßgeblichen Gewerbeertrags als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Umlage angesetzt wurde. Mit Bescheid vom 06.04.2017 wurde der Bescheid vom 05.04.2017 ersetzt. Hierbei wurde die vorläufige Veranlagung für das Jahr 2017 abweichend festgesetzt, indem nunmehr die nicht reduzierte Bemessungsgrundlage angesetzt wurde. Mit Schreiben vom 06.04.2017 erläuterte die Beklagte hierzu, bislang sei die Klägerin mit dem reduzierten Umlagesatz veranlagt worden. Wie eine Überprüfung der Beklagten ergeben habe, könne diese Reduzierung allerdings nach dem Gesetz nur gewährt werden, wenn sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausübten und Beiträge an eine weitere Kammer entrichteten. Diese Voraussetzung sei bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG grundsätzlich nicht gegeben, da Gesellschafterin ebenfalls die Verwaltungs-GmbH sei, die weder einen freien Beruf ausübe noch Mitglied einer weiteren Kammer sein könne. Daher werde der Bescheid vom 05.04.2017 ersetzt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23.05.2017 Widerspruch. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Interpretation des § 13 Abs. 2 der Beitragsordnung der Beklagten verstoße gegen die bundesgesetzliche Regelung des § 3 Abs. 4 IHKG, welcher ausdrücklich Personengesellschaften erwähne, sowie gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Durch Widerspruchsbescheid vom 11.07.2017 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin sei beitragspflichtiges Mitglied der Beklagten. Die Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG greife nicht ein. Dies setze voraus, dass sämtliche Gesellschafter der Klägerin einen freien Beruf ausübten. Fehle es auch nur bei einem Gesellschafter an dieser Voraussetzung, sei in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannt, dass alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielten. An der Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit fehle es vorliegend indes im Hinblick auf die GmbH, welche kraft Rechtsform in vollem Umfang Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Einkommens- und gewerbesteuerrechtlich sei eine GmbH deshalb bei der Qualifikation einer Personengesellschaft als "berufsfremde Person" zu werten. Da eine GmbH als juristische Person ein eigenständiges Rechtssubjekt sei, könne bei der Besteuerung einer GmbH auch nicht "hindurchgegriffen" werden; ebenso scheide ein "Durchgriff" bei der Beurteilung der Tätigkeit einer Personengesellschaft aus, an der eine GmbH mitunternehmerisch beteiligt sei. Es sei auch von einer Mitunternehmerstellung der GmbH innerhalb der Klägerin im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auszugehen, da die GmbH sowohl Mitunternehmerinitiative habe als auch Mitunternehmerrisiko trage. Der Klägerin könne daher eine Reduzierung der Beitragsumlage nicht gewährt werden. Der Gesetzgeber habe keine Ermäßigung der Beitragsumlage für die Rechtsform der GmbH & Co. KG vorgesehen.

Die Klägerin hat am 08.08.2018 Klage erhoben. Der angegriffene Bescheid verletze das Äquivalenzprinzip sowie den Gleichheitsgrundsatz. Mit der Neuformulierung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG habe der Gesetzgeber dem Äquivalenzprinzip Rechnung getragen, wonach die Höhe des Beitrags an die Kammer nicht in einem Missverhältnis zum Vorteil aus der Kammertätigkeit stehen dürfe, den er abgelten solle. Diesem Grundsatz habe die Beklagte bislang angemessen Rechnung getragen. Erstmals für das Jahr 2017 habe sie ihre Rechtsauffassung geändert. Die zugrundeliegende Auslegung verstoße jedoch gegen das Äquivalenzprinzip, denn die GmbH, die zur Haftungsbeschränkung bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG beteiligt werde, übe selbst keine operative Tätigkeit aus. Sie sei ohne Einlage und ohne Stimmrecht und auch ohne Beteiligung am Gewerbeertrag an der KG beteiligt, so dass bereits die tatbestandliche Voraussetzung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG dahingehend erfüllt sei, dass alle Gesellschafter überwiegend freiberuflich tätig seien. Darüber hinaus seien auch die Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst personenidentisch mit den Kommanditisten der Klägerin. Sie seien Freiberufler und in ihrer Funktion als Geschäftsführer der GmbH ebenfalls ausschließlich freiberuflich tätig. Die gesetzliche Regelung müsse jedenfalls analog auf die hier vorliegende Rechtsform der GmbH & Co. KG Anwendung finden. Dies gebiete auch der allgemeine Gleichheitssatz.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2017 in der Fassung des Bescheids vom 06.04.2017 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 11.07.2017 aufzuheben, soweit der Beitrag betreffend die Umlage anhand eines ein Zehntel der Bemessungsgrundlage im Sinne des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG überschreitenden Gewerbeertrages festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend zur im Widerspruchsbescheid angeführten Begründung weist die Beklagte darauf hin, dass eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG nicht in Betracht komme, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Hätte der Gesetzgeber auch die GmbH & Co. KG in den Regelungsbereich der Norm aufnehmen wollen, hätte er diese Vorschrift revidiert, zumal Freiberufler sich bereits seit 2009 in dieser Rechtsform zusammengeschlossen hätten. Auch ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liege nicht vor, denn der Beklagten sei kein Ermessen eingeräumt. Außerdem sei der Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG eindeutig, sodass es einer Auslegung nicht bedürfe.

In der mündlichen Verhandlung am 09.05.2019 haben die Beteiligten ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und auf die dem Gericht vorliegenden Ausdrucke der elektronisch geführten Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer (§ 87a Abs. 2, 3 VwGO).

I. Die als Teilanfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die angegriffenen Bescheide sind im dem Antrag entsprechenden und aus dem Tenor ersichtlichen Umfang rechtswidrig und verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber bei der Festsetzung des IHK-Beitrags in Form der Umlage für das Jahr 2017 zu Unrecht von der Anwendung der sog. Zehntel-Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern (im Weiteren: IHKG) abgesehen.

a. Nach § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG werden Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages oder, falls für das Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag nicht festgesetzt wird, ihres nach dem Einkommensteuer- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Nach § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG findet Satz 2 auch Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben (oder Land- oder Forstwirtschaft auf einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Grundstück oder als Betrieb der Binnenfischerei Fischfang in einem im Bezirk der Industrie- und Handelskammer belegenen Gewässer betreiben) und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten, mit der Maßgabe, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort genannten Bemessungsgrundlage bei der Veranlagung zu Grunde gelegt wird. Dem entsprechen die Bestimmungen in § 13 Abs. 1 und 2 der Beitragsordnung der Beklagten.

b. Die IHK-zugehörige Klägerin erfüllt beide hiernach kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freiberufler-Privilegs, sowohl die vorwiegende Ausübung eines freien Berufs (durch sämtliche Gesellschafter) als auch die Entrichtung von Beiträgen an eine andere Kammer (durch sämtliche Gesellschafter).

aa. Die Klägerin ist als gewerblich tätige Personengesellschaft IHK-Zugehörige nach § 2 Abs. 1 und 2 IHKG. Diesbezüglich wird auf die angefochtenen Bescheide verwiesen, denen das Gericht insoweit folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO). Die Klägerin erfüllt überdies die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Freiberufler-Privilegs hinsichtlich aller ihrer Gesellschafter. In Bezug auf ihre beiden Kommanditisten, die Herren Dipl.-Ing. (FH), liegen beide Voraussetzungen unstreitig vor, da diese zum einen - als Ingenieure - vorwiegend freiberuflich tätig sind (zum nicht eindeutigen Rechtsbegriff des "freien Berufs" vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.07.1995 - 14 S 1872/94 - juris Rn. 13: persönlich erbrachte Dienstleistungen höherer Art), und zum anderen, nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, als Mitglieder der Ingenieurkammer Baden-Württemberg auch Beiträgen an eine andere Kammer entrichten.

bb. Die Klägerin kann sich auch mit Blick auf die als Komplementärin fungierende GmbH auf das Freiberufler-Privileg des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG berufen. Trotz der unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten kraft Rechtsform anzunehmenden gewerblichen Tätigkeit juristischer Personen und der begrifflichen Unmöglichkeit der persönlichen Erbringung von Dienstleistungen durch eine Gesellschaft, können sowohl die Ausübung eines freien Berufs als auch die Entrichtung von Beiträgen an eine andere Kammer nach dem Willen des Gesetzgebers und Sinn und Zweck des sog. Freiberufler-Privilegs auch bei einer Freiberufler-GmbH vorliegen (dazu (1)). Diese Voraussetzungen können gleichfalls bei Freiberufler-Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG vorliegen, bei denen - wie vorliegend - sowohl die Kommanditisten der KG als auch die Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH durchgängig "vorwiegend freiberuflich tätig" sind und durchgängig Berufskammerbeiträge entrichten (dazu (2)). Für eine von diesem gesetzgeberischen Willen abweichende verengende Auslegung der Bestimmung ist dagegen kein Raum (dazu (3)).

(1) Nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG findet die sog. Zehntel-Regelung insbesondere Anwendung auf Kammerzugehörige, die oder deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben und Beiträge an eine oder mehrere andere Kammern entrichten. Der Gesetzgeber wollte mit dieser im Jahr 1998 eingeführten Regelung - in Anlehnung an die bereits für Apotheker in § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG bestehende sog. Viertel-Regelung - auch für (sonstige) Freiberufler der aus einer doppelten Kammerzugehörigkeit resultierenden finanziellen Doppelbelastung auf gesetzlicher Ebene Rechnung tragen. In den insoweit die Grundlage des verabschiedeten Gesetzes bildenden Gesetzesmaterialien - der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 13/9975, S. 8 f., Hervorhebungen hinzugefügt) - ist diesbezüglich ausgeführt:

"Es ist beabsichtigt, der IHK zugehörige Gewerbetreibende, die gleichzeitig einer oder mehreren Kammern der Freien Berufe oder einer Landwirtschaftskammer angehören, nur mit einem Teil ihres Gewerbeertrags/Gewinns aus Gewerbebetrieb zum Kammerbeitrag heranzuziehen. Für Kammerzugehörige, die Inhaber einer Apotheke sind, gibt es bereits jetzt eine vergleichbare Regelung (§ 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG). Die Industrie- und Handelskammern haben schon im Rahmen des geltenden Rechts versucht,die Doppelbelastung der Freiberufler-GmbH durch einschränkende Interpretation von § 2 Abs. 1 IHKG und durch Veranlagung auf der Basis des von den Kammerzugehörigen mitgeteilten Ertrags aus gewerblicher Tätigkeit zu mildern. Die genannte einschränkende Interpretation beruht auf der von Frentzel/Jäkel/ Junge, Kommentar zum IHKG, 5. Auflage 1990, S. 135 und 142, vertretenen und vom OVG Lüneburg (Urteil vom 27. November 1996 - 8 L 2549/95) ohne nähere Begründung geteilten Auffassung, daß bei ausdrücklichem Ausschluß jeglicher gewerblicher Tätigkeit im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung kein Gewerbebetrieb vorliegt. Diese Interpretation läßt sich jedoch angesichts der inzwischen eingetretenen Entwicklung in der Rechtsprechung, die in neueren Urteilen einhellig von der Unbeachtlichkeit solcher gesellschaftsrechtlicher Beschränkungen für die IHK-Zugehörigkeit ausgeht, nicht mehr aufrechterhalten (vgl. OVG Münster, Urteil vom 24. Februar 1997 - 25 A 2531/94; VG Düsseldorf, Urteil vom 12. April 1994 - 3 K 11 928/93; VG Sigmaringen, Urteil vom 13. November 1997 - 2 K 324/97). Die von den Industrie- und Handelskammern bisher vorgenommene Reduzierung der Bemessungsgrundlage ist allenfalls eine "Notlösung", die angesichts mangelnder Kontrollmöglichkeiten durch eine gesetzliche Regelung ersetzt werden sollte. Aus diesem Grunde soll in Anlehnung an die jetzige "Apothekenregelung" bei allen Kammerzugehörigen, die gleichzeitig einer oder mehrerer Kammern Freier Berufe oder der Landwirtschaftskammer angehören, an den Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz bzw. den Gewinn aus Gewerbebetrieb angeknüpft werden, aber nur ein Teil desselben als Bemessungsgrundlage für die Beitragsveranlagung herangezogen werden. Der bei anderen Freiberuflern als Apothekern heranzuziehende Teil des Gewerbeertrags/Gewinns aus Gewerbebetrieb kann deutlich geringer sein als ein Viertel. Apotheken haben im Vergleich zu anderen Freien Berufen heute praktisch einen erheblich höheren Anteil von Einkünften gewerblicher Art (Verkauf fertiger Produkte). Zum Beispiel bei einer Steuerberater- oder Wirtschaftsprüfer-GmbH überwiegt demgegenüber in der Regel die freiberufliche Tätigkeit deutlich. Gewerblicher Natur ist hier beispielsweise die Treuhandtätigkeit, die verschiedentlich neben der Steuerberatung ausgeübt wird. Eine Veranlagung auf der Basis von einem Zehntel des Gewerbeertrags bzw. Gewinns aus Gewerbebetrieb würde diesen Unterschied berücksichtigen und gleichzeitig der Doppelbelastung der Freiberufler aufgrund der gewählten Rechtsform Rechnung tragen."

Ausweislich der Materialien standen dem Gesetzgeber also gerade auch in Gesellschaften zusammengeschlossene Freiberufler - insbesondere in der "Freiberufler-GmbH" - vor Augen (vgl. auch der betreffende Gesetzentwurf, BT-Drs. 13/9378, S. 5; der Berichterstatter Hansjürgen Döss, MdB, im Rahmen der Aussprache, BT-PlProt. 13/227 vom 02.04.1998, S. 20897 ff. [20898D]; BVerwG, Beschl. v. 21.10.2014 - 6 B 60.04 - juris Rn. 6). Selbst in juristischen Personen zusammengeschlossene Freiberufler - welche kraft Rechtsform der Gesellschaft gewerbesteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 2 GewStG) und somit für die Frage der IHK-Mitgliedschaft als gewerblich, nicht hingegen freiberuflich einzuordnen sind (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 - 6 C 10.04 - juris Leitsatz sowie Rn. 22 ff.), sowie zudem unter Umständen mit ihrer Gesellschaft gar nicht Mitglieder einer Berufskammer sein können - sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Falle der finanziellen Doppelbelastung mit IHK- und Berufskammer-Beiträgen privilegiert werden. Der Gesetzgeber hat dabei erkannt und in Rechnung gestellt, dass zur Realisierung dieses Regelungsziels sowohl für die Voraussetzung der vorwiegenden Ausübung eines freien Berufs - erstens - als auch der Entrichtung von Beiträgen an eine oder mehrere andere Kammern - zweitens - gerade nicht zwingend auf die IHK-zugehörige Gesellschaft abgehoben werden kann, sondern jeweils im Sinne einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gewissermaßen ein "Durchgriff" auf die in der Gesellschaft tätigen Freiberufler erforderlich ist.

Für das erste Kriterium, der vorwiegenden Ausübung eines freien Berufs, ist dieser gedankliche Durchgriff auf die "dahinter stehenden" natürlichen Personen bereits im Wortlaut des Gesetzes angelegt. Es kommt nach § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG gerade nicht darauf an, dass die kammerzugehörige Gesellschaft einen freien Beruf ausübt (was sie auch begrifflich gar nicht kann), sondern deren "sämtliche Gesellschafter". Die erste Tatbestandsalternative ("Kammerzugehörige, die") bezieht sich demgegenüber auf IHK-zugehörige natürliche Personen (vgl. § 2 Abs. 1 Alt. 1 IHKG). Damit weicht der Gesetzgeber hinsichtlich der Abgrenzung von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit im Rahmen des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG bewusst von der steuerrechtlich geprägten Bewertung von Kapitalgesellschaften ab, die - auch für Freiberufler-Kapitalgesellschaften - an der Grundentscheidung "Gewerbesteuerpflicht, und damit Kammerzugehörigkeit, kraft Rechtsform" festhält (vgl. insoweit die in den angefochtenen Bescheiden zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, im Wesentlichen: BFH, Beschl. v. 03.12.2003 - IV B 192/03 - juris m.w.N., zur Gewerbesteuerpflicht kraft Rechtsform bei Freiberufler-GmbH,auch bei mehrstufigen Gesellschaften; sowie Urt. v. 10.10.2012 - VIII R 42/10 - juris m.w.N., zur gewerbesteuerrechtlichen Einordnung einer Freiberufler-GmbH & Co. KG aufgrund Mitunternehmerstellung ihrer Komplementär-GmbH; vgl. Jahn, GewArch 2011, 464 ff. [467 ff.]). Diese steuerrechtlichen Wertungen werden gesetzlich durch § 2 Abs. 1 IHKG, welcher ausdrücklich auf die Veranlagung zur Gewerbesteuer abstellt, im Interesse einer "möglichst einfachen Ausgestaltung und Handhabung des Kammerrechts" (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 - 6 C 10.04 - juris Rn. 22) hinsichtlich der Frage der Kammerzugehörigkeit übernommen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 - 6 C 10.04 - juris Leitsatz sowie Rn. 22 ff.). Die Privilegierungen des § 3 Abs. 4 Satz 2 und 3 IHKG hingegen knüpfen an die Mitgliedschaftsstellung an, betreffen jedoch ausschließlich die nachgelagerte Frage der Höhe des zu zahlenden Beitrags (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 - 6 C 10.04 - juris Rn. 25).

Auch für das zweite Kriterium - Entrichtung von Beiträgen an eine oder mehrere andere Kammern - hat der Gesetzgeber ein gedankliches Abstellen auf die in der Gesellschaft zusammengeschlossenen Freiberufler zulassen wollen. Um das Ziel der Beitragsreduzierung bei finanzieller Doppelbelastung der Freiberufler praktisch zu erreichen, wollte der Gesetzgeber - den Umstand berücksichtigend, dass nicht nach jedem Berufskammerrecht eine Mitgliedschaft auch von Gesellschaften überhaupt ermöglicht wird - gerade auch Fälle erfasst sehen, in denen die Doppelbelastung mit Kammerbeiträgen nicht in der Person der IHK-zugehörigen Gesellschaft verwirklicht ist. Der Gesetzgeber wollte es vielmehr ausreichen lassen, dass die Freiberufler-Gesellschaft IHK-zugehörig ist und ihre vorwiegend freiberuflich tätigen Gesellschafter einer (oder mehrerer) Kammer(n) freier Berufe angehören. In den vorstehend zitierten Gesetzesmaterialien heißt es insoweit ausdrücklich - und zufälligerweise explizit bezogen auf Ingenieure - weiter (BT-Drs. 13/9975, S. 9):

"§ 3 Abs. 4 Satz 2 soll auch für den Fall gelten, daß Freiberufler ihren Beruf in der Rechtsform einer GmbH oder einer anderen juristischen Person ausüben, die ihrerseits IHK-zugehörig ist, während die Freiberufler selbst der jeweiligen Berufskammer angehören. Als Beispiel können hier die Ingenieure genannt werden."

Damit hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des "Freiberufler-Privilegs" auch auf den Fall erstreckt, in dem zwar nicht bei der betreffenden IHK-zugehörigen Gesellschaft selbst, jedoch bei den an ihr beteiligten natürlichen Personen infolge weiterer (zwangs- oder auch nur freiwilliger) Beitragspflicht bei einer Berufskammer,

"de facto eine der Doppel-Zugehörigkeit entsprechende finanzielle Belastung auftritt" (vgl. Jahn, in: Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 6. Aufl. 1999, § 3 Rn. 102).

Es hat nach dem Willen des Gesetzgebers somit keine formale Betrachtung der IHK-zugehörigen Gesellschaft stattzufinden (auf die es hingegen bei der Frage der IHK-Zugehörigkeit nach § 2 IHKG - dem Steuerrecht folgend - ankommt), sondern vielmehr eine materielle Betrachtung, welche die tatsächliche wirtschaftliche Belastung der Freiberufler - ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Organisationsform - in den Blick nimmt. Dieser für juristische Personen ausgeführte Gedanke der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ist auch auf (nicht juristisch verselbständigte) rechtsfähige Personengesellschaften übertragbar.

Damit kann festgehalten werden, dass der Gesetzgeber sowohl für die Voraussetzung der vorwiegenden Ausübung eines freien Berufs als auch der Entrichtung von Beiträgen an eine oder mehrere andere Kammern gerade nicht zwingend auf die IHK-zugehörige Gesellschaft abhebt, sondern jeweils im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung gewissermaßen einen "Durchgriff" auf die (d.h. sämtliche der) in der Gesellschaft vorwiegend freiberuflich tätigen natürlichen Personen zulassen wollte. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, einer bestehenden Doppelbelastung mit Kammerbeiträgen der IHK und einer oder mehrerer Berufskammern im Wege einer - pauschalen (vgl. hierzu OVG LSA, Beschl. v. 06.09.2009 - 2 L 252/08 - juris Rn. 17) - Beitragsreduzierung bei der IHK-Umlage Rechnung zu tragen.

(2) Diese Voraussetzungen liegen auch bei Freiberufler-Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG vor, bei denen - wie vorliegend - sowohl sämtliche Kommanditisten der KG als auch sämtliche Gesellschafter der persönlich haftenden GmbH vorwiegend einen freien Beruf ausübende Personen sind und als solche Beiträge an eine (oder mehrere) Berufskammer(n) entrichten. Dies folgt für mehrstufige Gesellschaften in den genannten Fällen aus § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG in direkter (dazu (a)), jedenfalls analoger Anwendung (dazu (b)), ungeachtet der Frage, ob die GmbH, die zur Haftungsbeschränkung bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG beteiligt wird, selbst eine operative Tätigkeit ausübt oder nicht (dazu (c)).

(a) Nach dem oben ermittelten gesetzgeberischen Willen sowie Sinn und Zweck ist die Freiberufler-GmbH & Co. KG, in welcher sämtliche Gesellschafter der als Komplementärin fungierenden GmbH sowie sämtliche Kommanditisten der KG vorwiegend einen freien Beruf ausübende Personen sind und als solche Beiträge an eine Berufskammer entrichten, vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG erfasst.

Zwar hat der Gesetzgeber die mehrstufigen Freiberufler-Gesellschaften in den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich erwähnt, sondern sich auf Ausführungen zur (einstufigen) "Freiberufler-GmbH" als Form der Freiberufler-Kapitalgesellschaft beschränkt, wohingegen es vorliegend gewissermaßen um eine "kapitalisierte Freiberufler-Personengesellschaft" geht. Er hat damit aber sogar den kritischen Fall behandelt, in dem nämlich für die Zuerkennung eines Freiberufler-Privilegs gegenüber Kapitalgesellschaften wie gesehen insbesondere von den Wertungen des Steuerrechts abgewichen werden muss.

Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG erfasst nach dem oben ermittelten gesetzgeberischen Willen sowie Sinn und Zweck auch diejenigen Freiberufler-GmbH & Co. KG, in welchen sämtliche Gesellschafter der als Komplementärin fungierenden GmbH sowie sämtliche Kommanditisten der KG vorwiegend freiberuflich tätige Personen sind und als solche Beiträge an eine Berufskammer entrichten. Solcherlei "Freiberufler-GmbH & Co. KG" unterfallen der Tatbestandsalternative "Kammerzugehörige, [...] deren sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausüben". Wie gesehen greift diese Alternative nach dem Willen des Gesetzgebers und in Abweichung von den Wertungen des Steuerrechts für die in einer GmbH zusammengeschlossenen Freiberufler ein. Hierauf kann sich die Klägerin als GmbH & Co. KG für die als Komplementärin fungierende Freiberufler-GmbH daher ebenfalls berufen. Es fehlt ihr weder an einer durchgängig "vorwiegend freiberuflichen Berufsausübung" aller Gesellschafter auf Ebene der Komplementär-GmbH (beide Gesellschafter sind als Ingenieure vorwiegend freiberuflich tätig) noch an einer durchgängig "vorwiegend freiberuflichen Berufsausübung" aller Gesellschafter auf Ebene der Kommanditgesellschaft (beide Kommanditisten sind als Ingenieure vorwiegend freiberuflich tätig und für die Komplementär-GmbH gilt das vorstehend Festgestellte). Insoweit besteht zwischen einer einstufigen Gesellschaft (wie der GmbH) und einer mehrstufigen Gesellschaft (wie der GmbH & Co. KG) bei der vorzunehmenden wirtschaftlichen Betrachtung kein qualitativer Unterschied. Anders wäre es freilich, wenn entweder auf Ebene der Kommanditgesellschaft und/oder auf Ebene der Komplementärgesellschaft nicht sämtliche Gesellschafter vorwiegend einen freien Beruf ausübten. Den zweistufigen Gesellschaften den gedanklichen Durchgriff auf die vorwiegend einen freien Beruf ausübenden natürlichen Personen zu verwehren, widerspräche dem vom Gesetzgeber intendierten wirtschaftlichen Entlastungszweck der Regelung. Eine Komplementär-GmbH vom Freiberufler-Privileg auszunehmen hieße, lediglich im Falle "mehrstöckiger", nicht aber "einstöckiger" Freiberufler-Gesellschaften auf die (lediglich für die Frage der IHK-Zugehörigkeit verbindlichen) steuerrechtlichen Wertungen zurückzugreifen. Dies aber entspräche nicht der Absicht des Gesetzgebers, für die Frage der Beitragsmessung im Rahmen des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG gerade von der steuerrechtlichen Abgrenzung einer freiberuflichen von einer gewerblichen Tätigkeit abzusehen.

Auch das zweite Kriterium, die Beitragsentrichtung an eine oder mehrere andere Kammern, wird von der Klägerin als "Freiberufler-GmbH & Co. KG" erfüllt. Wie gesehen, lässt es der Gesetzgeber in wirtschaftlicher Betrachtung - unter exemplarischer Nennung der Berufsgruppe der Ingenieure - ausreichen, dass die vorwiegend einen freien Beruf ausübenden natürlichen Personen die Berufskammerbeiträge entrichten, und sieht davon ab, dies von der IHK-zugehörigen Gesellschaft selbst zu verlangen. So liegt der Fall mit Blick auf Herren Dipl.-Ing. (FH) hier.

Angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Beklagte im Schreiben vom 06.04.2017 irrigdavon ausgeht, die Voraussetzung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG könne bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG (auch) deshalb nicht gegeben sein, da die Verwaltungs-GmbH nicht Mitglied einer weiteren Kammer sein könne. Denn jedenfalls nach dem derzeit geltenden Ingenieurkammerrecht Baden-Württemberg können auch Gesellschaften im Wege der Eintragung in die "Liste der Beratenden Ingenieure" (§ 17 IngKammG) Mitglieder der Ingenieurkammer Baden-Württemberg (§ 3 Abs. 1 IngKammG) und als solche auch zur Entrichtung von Beiträgen herangezogen werden (§ 10 IngKammG). Dieser Umstand ändert freilich nichts daran, dass der Gesetzgeber von einem Erfordernis (auch) der Entrichtung von Berufskammerbeiträgen durch Freiberufler-Gesellschaften insgesamt abgesehen hat.

(b) Aber auch, sofern man die mehrstufigen Freiberufler-Gesellschaften nicht vom Wortlaut des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG erfasst sehen sollte, mithin eine Regelungslücke annähme, so lägen für die genannte Konstellation jedenfalls die Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG vor, namentlich eine planwidrige Regelungslücke sowie eine vergleichbare Interessenlage.

Eine Regelungslücke wäre nach dieser Auffassung insoweit gegeben, als der Wortlaut zwar der Existenz kammerzugehöriger Gesellschaften Rechnung trägt ("Kammerzugehörige, [...] deren sämtliche Gesellschafter"), jedoch bei mehrstöckigen Gesellschaften gewissermaßen einer - nicht bereits im Wortlaut angelegten - Mehrfachanwendung bedürfte in dem Sinne, dass der gedankliche Durchgriff in einem ersten Schritt auf die vorwiegend freiberuflich tätigen Gesellschafter der Komplementär-GmbH und in einem zweiten Schritt - neben den vorwiegend freiberuflich tätigen Kommanditisten - auf die Komplementär-GmbH als Gesellschafterin der KG erfolgen müsste. Der Gesetzgeber könnte die so verstandene Regelungslücke mit der Formulierung "Kammerzugehörige, [...] deren sämtliche Gesellschafter - im Falle mehrstöckiger Gesellschaften: einschließlich deren sämtlicher Gesellschafter -" schließen.

Es ist auch davon auszugehen, dass die so verstandene Regelungslücke planwidrig wäre und eine vergleichbare Interessenlage mit dem geregelten Fall der Privilegierung "einstöckiger Freiberufler-Gesellschaften" vorläge. Denn der Gesetzgeber hat nach der oben erfolgten Auswertung der Gesetzgebungsmaterialien eine wirtschaftliche Betrachtungsweise anlegen wollen, um das Ziel der Entlastung auf Beitragsebene im Falle der Mehrfachbelastung infolge mehrfacher Kammerzugehörigkeit zu erreichen.

Der Annahme der Planwidrigkeit steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber - hätte er eine planwidrige Regelungslücke erkannt - im Rahmen einer Folgeänderung des Gesetzes bereits Abhilfe geschaffen hätte. Dass der Gesetzgeber eine Regelungslücke erkannt und bewusst nicht geschlossen hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aufgrund der bis zum Jahr 2016 dem ermittelten gesetzgeberischen Entlastungswillen Rechnung tragenden Verwaltungspraxis jedenfalls der beklagten IHK musste der Gesetzgeber auf etwaige Regelungslücken nicht zwingend aufmerksam werden. Die jahrelange Verwaltungspraxis dürfte (auch) für den Gesetzgeber vielmehr den Eindruck verfestigt habe, dass keine Regelungslücke besteht. Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle mehrstöckigen Gesellschaftsstrukturen im Gesetzestext explizit Rechnung getragen hat, lässt nicht darauf schließen, dass er dies auch im Rahmen des Freiberufler-Privilegs hätte tun müssen, wenn ihm an der Privilegierung auch der mehrstöckigen Freiberufler-Gesellschaften gelegen gewesen wäre. Insbesondere lässt die Einfügung der Regelung § 3 Abs. 3 Satz 9 IHKG (zur Möglichkeit der Gewährung eines ermäßigten Grundbeitrags im Falle von Mehrfachmitgliedschaften von Tochtergesellschaften) keine Rückschlüsse auf die Reichweite des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG zu. Denn diese wurde auf einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der SPD erst gewissermaßen "in letzter Minute" eingefügt, nämlich am letzten Tag (01.04.1998) vor der Verabschiedung des Änderungsgesetzes in zweiter und dritter Lesung im Bundestag (vgl. BT-Drs. 13/10296). Vielmehr deutet sogar der ebenfalls am 01.04.1998 von den genannten Fraktionen eingereichte Entschließungsantrag (vgl. BT-Drs. 13/10297), welcher am 02.04.1998 gemeinsam mit dem Gesetzentwurf (BT-Drs. 13/9378) und der oben auszugsweise wiedergegebenen Beschlussempfehlung (BT-Drs. 13/9975) durch den Bundestag angenommen worden ist (vgl. BT-PlProt. 13/227 v. 02.04.1998, S. 20901C - 20901D), auf ein weites Verständnis des Gesetzgebers selbst hin (der Bundesrat hat dem Gesetz ohne Aussprache zugestimmt, vgl. BR-Pl-Prot. 725 v. 08.05.1998, S. 230C - 230D). Denn in diesem, vom Bundestag angenommenen Entschließungsantrag heißt es unter Ziff. 5:

"Der Deutsche Bundestag erwartet, daß die Industrie- und Handelskammern unter dem Gesichtspunkt der Leistungsfähigkeit und anhand von Billigkeitsüberlegungen eventuelle Sonderprobleme des Beitragswesens unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls im Zweifel zugunsten der Unternehmen lösen."

Insoweit dürfte die Verwaltungspraxis der Beklagten in den Jahren 1999 bis 2016 eher dem gesetzgeberischen Willen entsprochen haben.

Die vergleichbare Interessenlage zwischen ein- und mehrstufigen Gesellschaften liegt auf der Hand. Der Gesetzgeber hatte durch die Einführung des Freiberufler-Privilegs dem Äquivalenzprinzip, dem zufolge die Höhe der Beiträge nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil aus der Kammertätigkeit stehen darf (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 17.12.1998 - 1 C 7.98 - juris Rn. 38; Urt. v. 26.04.2006 - 6 C 19.05 - juris Rn. 21; Beschl. v. 21.10.2014 - 6 B 60.04 - juris Rn. 12 m.w.N.) besser Rechnung tragen und - wie gesehen - administrativen "Notlösungen" zugunsten einer kontrollermöglichenden gesetzlichen Lösung Einhalt gebieten wollen. Hierbei hat er, indem er auch in Gesellschaften zusammengeschlossene Freiberufler erfasst hat, keine formale Betrachtung der IHK-zugehörigen Gesellschaften, sondern eine materielle Betrachtung vorgenommen, die die tatsächliche wirtschaftliche Belastung der Freiberufler - ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Organisationsform - in den Blick nimmt. Diese Interessenlage trifft unterschiedslos auf ein- wie mehrstöckige Gesellschaften zu. Denn es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass sich der aus der beitragspflichtigen Mitgliedschaft resultierende Nutzen einer Gesellschaft aufgrund der Tatsache verändern könnte, dass diese ein- oder mehrstufig strukturiert ist. Der oben entfaltete Durchgriffsgedanke des Gesetzgebers bei in Gesellschaften zusammengeschlossenen Freiberuflern spricht ebenso für eine Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen ein- und mehrgeschossigen Gesellschaftsstrukturen.

(c) Ergibt sich die Anwendbarkeit des Freiberufler-Privilegs zugunsten von Gesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG daher bereits aus einer direkten, hilfsweise analogen Anwendung des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG, kommt es - ebenso wie bei der "Freiberufler-GmbH" - nicht mehr auf den von der Klägerin angeführten Umstand an, dass die GmbH, die zur Haftungsbeschränkung bei der Rechtsform der GmbH & Co. KG beteiligt wird, selbst etwa keine operative Tätigkeit ausübt.

(3) Für eine von diesem gesetzgeberischen Willen abweichende verengende Auslegung der Bestimmung ist hingegen kein Raum. Eine unterschiedliche Behandlung von ein- und mehrstufigen Freiberufler-Gesellschaften führte zu einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln,ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen,dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.04.2006 - 6 C 19.05 - juris Rn. 21 m.w.N.). Aus dem vorstehend Gesagten ergibt sich, dass eine Bildung von Vergleichsgruppen zwischen ein- und mehrstufigen Freiberufler-Gesellschaften aufgrund des in beiden Fällen eingreifenden gesetzgeberischen Entlastungszwecks im Falle von Doppelbelastungen der in Gesellschaften zusammengeschlossenen Freiberuflern sachgerecht ist. Eine sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich. Insoweit wird auf die Ausführungen zur vergleichbaren Interessenlage verwiesen.

Im Übrigen hat die Beklagte - über die bereits widerlegte Berufung auf die Maßgeblichkeit der steuerrechtlichen Wertungen hinaus - eine Passage aus einer bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung ins Feld geführt, wonach derjenige, der

"von gesellschafts- und steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch macht und sich einer Organisationsform bedient, die auf gewerbliche Betätigung zugeschnitten ist, [...] die damit verbundenen Rechtsfolgen vollständig und nicht nur selektiv hinnehmen" müsse (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.2005 - 6 C 10.04 - juris Rn. 26).

Zwar ist der zitierten Aussage für sich genommen zuzustimmen, die einer selektiven Inanspruchnahme von Rechtsvorteilen im Sinne eines "Rosinenpickens" zurecht eine Absage erteilt. Diese Aussage verhält sich jedoch nicht zu der hier zu entscheidenden Frage, welche Rechtsfolgen mit der Wahrnehmung bestimmter gesellschafts- und steuerrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Falle des Freiberufler-Privilegs verbunden sind. Diese Frage ist jedoch nach dem Gesagten bereits dergestalt zu beantworten, dass es für die Klägerin hinsichtlich der Inanspruchnahme der Zehntel-Regelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG - um im Bild zu bleiben - schon keine Rosinen zu wünschen übriglässt. Eine allgemeine Auslegungsmaxime lässt sich der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts hingegen nicht entnehmen. Sie kann Ergebnis einer Prüfung, nicht jedoch ihr Maßstab sein.

2. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob die angegriffenen Bescheide auch aus anderen Gründen, insbesondere mit Blick auf die der Beitragserhebung zugrundeliegende Haushaltsführung durch die Beklagte (für das Beitragsjahr 2017 siehe VG Stuttgart, Urt. v. 08.11.2018 - 4 K 14972/17 - juris Rn. 40 ff.) rechtswidrig sind.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

RechtsgebieteGG, IHKGVorschriftenGG Art. 3 Abs. 1; IHKG § 3 Abs. 4 Satz 3; IHKG § 3 Abs. 4 Satz 2

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