03.05.2006 · IWW-Abrufnummer 061247
Verwaltungsgericht Mainz: Urteil vom 21.02.2006 – 3 K 545/05.MZ
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VG Mainz
Urteil vom 21.02.2006
Az. 3 K 545/05.MZ
3 K 545/05.MZ
21.02.2006
VERWALTUNGSGERICHT MAINZ
URTEIL
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Führung eines Fahrtenbuchs
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dany als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin ist Halterin des auf sie zugelassenen Kraftfahrzeugs (PKW) mit dem amtlichen Kennzeichen ## ## ##.
Mit Datum vom 11. Januar 2005 übersandte das Polizeipräsidium Mainz, Bußgeldstelle Worms, der Klägerin einen Zeugenfragebogen, ausweislich dessen dem Führer des vorgenannten PKW vorgeworfen wurde, am 25. November 2004 in Mainz ? Hechtsheim (Baustelle A 60) die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h überschritten zu haben. Dem Schreiben waren Kopien von Radarfotos beigefügt, die eine männliche Person am Steuer des PKW zeigen.
Die Klägerin ließ den Fragebogen unbeantwortet, weshalb die Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Mainz die Polizeiwache ## um die Ermittlung des Fahrzeugführers ersuchte.
Ausweislich eines Vermerks des ermittelnden Polizeibeamten vom 15. Februar 2005 seien die Ermittlungen bei der Klägerin ohne Erfolg geblieben. Sie habe nach Belehrung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers bei Familienangehörigen hätten nicht zum Erfolg geführt. Es hätten sich bezüglich des verantwortlichen Fahrzeugführers keinerlei Erkenntnisse bzw. Ermittlungsansätze ergeben.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2005 teilte die Bußgeldstelle der Klägerin mit, dass das Ordnungswidrigkeitsverfahren eingestellt worden sei und dass die zuständige Straßenverkehrsbehörde jedoch hiervon unterrichtet worden sei.
Im Rahmen der erfolgten Anhörung wegen der Absicht der Auferlegung eines Fahrtenbuchs gab die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11. März 2005 an: Sie habe gegenüber der Polizei von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, so dass darauf hätte geschlossen werden können, dass sich der Fahrer aus dem näheren Familienkreis rekrutiere. Die Polizei habe jedoch nicht alles mit verhältnismäßigem Aufwand Mögliche getan, um den Fahrer zu ermitteln. Es hätten weitere Angehörige oder Nachbarn der Halterin befragt werden müssen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 legte der Beklagte der Klägerin die Führung eines Fahrtenbuchs für die Zeit von zwölf Monaten auf, wobei die Verfügung auch für ein neuzugelassenes Kraftfahrzeug Geltung beanspruchte.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 3. August 2005 zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen angegeben: Rechtsgrundlage der angegriffenen Verfügung sei § 31 a Abs. 1 StVZO. Es liege ein erheblicher Verstoß gegen die Verkehrsvorschriften vor. Die in Frage stehende Geschwindigkeitsüberschreitung führe neben einem Bußgeld auch zu der Eintragung im Kraftfahrzentralregister mit drei Punkten. Die nach Sachlage nötigen und möglichen Nachforschungen seien angestellt worden und ergebnislos geblieben. Es bestehe kein Anlass an der Aussage des ermittelnden Polizeibeamten, wonach auch Ermittlungen bei Familienangehörigen nicht zum Erfolg geführt hätten, zu zweifeln. Der Widerspruchsbescheid wurde am 10. August 2005 zugestellt.
Die Klägerin hat mit am 12. September 2005, einem Montag, eingegangen Schriftsatz Klage erhoben.
Sie trägt vor: Entgegen dem Inhalt des Vermerks des ermittelnden Polizeibeamten seien keinerlei Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers bei Familienangehörigen durchgeführt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 18. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. August 2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Widerspruchsakten, sowie der Ordnungswidrigkeitsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anordnung eines Fahrtenbuches ist § 31 a StVZO. Danach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Mit dem auf die Klägerin zugelassenen PKW wurde ein nicht unerheblicher Verkehrsverstoß begangen ? eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h ?, der unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches als rechtlich unbedenklich erscheinen lässt. Nach Ansicht der Kammer rechtfertigt bereits eine erstmalige unaufgeklärte Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 20 km/h auch ohne zusätzliche Umstände die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches (so auch VG Berlin in NVZ 1999, 104).
Die Feststellung des Fahrzeugführers zur Tatzeit war dem Beklagten nicht möglich, weil die Klägerin Angaben zum Fahrzeugführer verweigert hat, wobei sie sich hierzu auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat (§ 52 Abs. 1 StPO).
Der Umstand, dass die Klägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat steht der Anwendbarkeit des § 31 a StVZO nicht entgegen. Der Halter eines Kraftfahrzeuges, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, ist rechtlich nicht gehindert, von einem etwaigen Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht im Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren Gebrauch zu machen; er muss dann aber gemäß § 31 a StVZO die Auflage in Kauf nehmen, ein Fahrtenbuch zu führen, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, setzt als Maßnahme der vorbeugenden Gefahrenabwehr nicht die Besorgnis voraus, dass künftig gerade der Fahrzeughalter als Fahrer seines Kraftfahrzeuges Verkehrszuwiderhandlungen begehen könnte. Sie soll vielmehr auf die dem Fahrzeughalter mögliche und zumutbare Mitwirkung bei der Feststellung des Führers des Kraftfahrzeuges hinwirken, mit dem ein Verkehrsverstoß begangen wurde, und den Fahrzeughalter zur Erfüllung seiner Aufsichtspflichten anhalten, wenn er geltend macht, den Fahrzeugführer nicht zu kennen.
Ein ?doppeltes Recht?, nach einem Verkehrsverstoß einerseits im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Feststellung des Fahrzeugführers auch von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben besteht nicht. Ein solches ?Recht? widerspräche dem Zweck des § 31 a StVZO, nämlich der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs zu dienen (vgl. BVerfG in NJW 1982, 586; BVerwG in DAR 1995, 459 m.w.N.).
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, die behördlichen Aufklärungsbemühungen seien vorliegend unzureichend gewesen, vermag ihr die Kammer nicht zu folgen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass keine begründeten Zweifel am Inhalt des als dienstliche Erklärung zu wertenden Vermerkes des ermittelnden Polizeibeamten vom 15. Februar 2005 bestehen, wonach Ermittlungen hinsichtlich des Fahrzeugführers bei Familienangehörigen nicht zum Erfolg geführt hätten. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser Angaben, ohne allerdings insoweit ihre Behauptungen substantiiert zu begründen. Aus dem Umstand allein, dass sich über die Einzelheiten der weiteren Ermittlungen keine Hinweise in den Verwaltungsakten entnehmen lassen, kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon darauf geschlossen werden, dass solche Ermittlungen nicht tatsächlich stattgefunden haben.
Eine diesbezügliche weitere Sachaufklärung durch Vernehmung des ermittelnden Polizeibeamten, wie sie die Klägerin begehrt, ist aber bereits aus Rechtsgründen entbehrlich. Im Hinblick darauf nämlich, dass die Klägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, waren nämlich weitere Ermittlungen nach dem Fahrzeugführer nicht geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich Art und Umfang der Tätigkeit der Beh örde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, nämlich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt diese erkennbar ? wie hier die Klägerin unter Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht ? die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Insbesondere braucht dann, wenn der Fahrzeughalter den Fahrzeugführer, obwohl er ihn kennt, nicht nennt, nicht damit gerechnet zu werden, dass Ermittlungen bezüglich der engeren Familie des Halters, der das gleiche Recht (Zeugnisverweigerungsrecht) zusteht, zur namentlichen Feststellung des Fahrers führen werden, es sei denn, es sind besondere Anhaltspunkte gegeben (BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1982, Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 12, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6. November 1998, DAR 1999, 90).
Insbesondere war es auch nicht geboten, in der Nachbarschaft der Kl ägerin weitere Ermittlungen unter Vorlage des Radarfotos anzustellen. Es sind nämlich grundsätzlich solche staatlichen Maßnahmen nicht geboten, die die Belange des Betroffenen oder Dritter stärker beeinträchtigen, als die Sanktion, auf die sie abzielen. Gerade solche müssten aber vielfach ergriffen werden, wenn der Halter selbst nicht Willens ist, das ihm Mögliche zur Aufklärung der Ordnungswidrigkeit beizutragen. Behördliche Aufklärungsbemühungen berühren dann nämlich zumindest das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen, wenn Dritte notgedrungen Kenntnis von der Verkehrsstraftat oder der Verkehrsordnungswidrigkeit erlangen, Rückschlüsse auf das Aussageverhalten des Halters ziehen können oder aufgrund der Vorlage eines aussagekräftigen Täterfotos (etwa in der Nachbarschaft) den Täter sogar erkennen würden (vgl. Hentschel, Kommentar zur StVZO § 31 a/5 unter Hinweis auf VG Oldenburg, zfs 1998, 357).
Da auch ansonsten keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen, ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.