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02.10.2019 · IWW-Abrufnummer 211459

Oberlandesgericht Naumburg: Beschluss vom 06.02.2019 – 1 Ws 25/19

Zum widersprüchlichen Verhalten des Gerichts, wenn es in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt, nachdem es zu erkennen gegeben hat, dass ein wirksamer Entbindungsantrag nicht vorliegt.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

BESCHLUSS

1 Ws 25/19 OLG Naumburg

In der Bußgeldsache
gegen pp.

- Verteidiger: Rechtsanwalt xxx aus Leipzig —

wegen     Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der Bußgeldsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht am 6. Februar 2019 beschlossen:

Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Halle vom 10. Dezember 2018 aufgehoben.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Halle vom 28. August 2018 aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens — an die bislang zuständige Abteilung des Amtsgerichts Halle zurückverwiesen.

Gründe:

Der Betroffene hat, wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich, sowohl mit seinem Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (1.) als auch mit seiner Rechtsbeschwerde (2.) Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 01. Februar 2019 hierzu unter anderem Folgendes ausgeführt:

„Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vom 2. Januar 2019 ist zulässig, insbesondere fristgemäß gestellt worden (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 346 Abs. 2 Satz 1 StPO). In der Sache führt er zur Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 10. Dezember 2018, weil dessen Gründe von Irrtum geprägt sind. Das Amtsgericht hat sein Urteil vom 28. August 2018 in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers verkündet. Das Urteil wurde aufgrund richterlicher Anordnung dem bevollmächtigten Verteidiger des Betroffenen am 10. Oktober 2018 zugestellt (BI. 119 d. A.). Damit schließt sich in Fällen wie hier, wenn nämlich das Urteil nicht in Anwesenheit des Betroffenen verkündet worden ist und darüber hinaus kein in § 341 Abs. 2 Halbsatz 2 StPO oder § 73 Abs. 3 OWiG genannter Fall vorliegt, für den Betroffenen die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde an die Frist des § 341 Abs. 1 StPO zur Einlegung des Rechtsmittels an (Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 79 Rn. 30a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 345 Rn. 4 mit Hinweis auf BGHSt 36, 241). Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde lief also am 17. Oktober 2018, 24:00 Uhr ab. Die sich anschließende Begründungsfrist endete mithin mit Ablauf des 19. November 2018, einem Montag, sodass der Schriftsatz des Verteidigers am 14. November 2018 rechtzeitig beim Amtsgericht eingegangen ist.

2. Die fristgerecht begründete und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 8 StPO einen jedenfalls vorläufigen Erfolg.

Der Betroffene hat in seiner Rechtsbeschwerdebegründung vom 14. November 2018 zu Recht eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung wegen Verstoßes des Gerichts gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gerügt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn. 59). Das Gericht hat dem Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 22. August 2018 ausdrücklich mitgeteilt, es liege ein wirksamer Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zur Teilnahme an der Hauptverhandlung am 28. August 2018 nicht vor, weshalb der Entbindungsantrag ,,nach hiesiger Auffassung derzeit zurückzuweisen" sei. Es mag sein, dass die Rechtsauffassung des Gerichts falsch ist und das Gericht seinen Irrtum beim genauen Lesen der Vollmachtsurkunde vom 5. März 2018 nachträglich erkannt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass das Gericht mit jenem Schreiben vom 22. August 2018 einen Rechtsschein geschaffen hat und der Betroffene darauf vertrauen durfte, das Gericht werde nach § 74 Abs. 2 OWiG verfahren, wenn er, der Betroffene, der Hauptverhandlung fernbleibe. Eine Entbindung des Betroffenen setzt nämlich gemäß § 73 Abs. 2 OWiG einen Antrag" voraus, der nach Auffassung des Gerichts gerade nicht vorliegen sollte. Da das Amtsgericht entgegen seinem Schreiben vom 22. August 2018 gehandelt hat und zwischen dem Verfahrensfehler und dem Urteil, das nach Verhandlung zur Sache verkündet worden ist, eine konkret-kausale Beziehung besteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 338 Rn. 59 m. w. N.), beruht das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes. Es kann keinen Bestand haben, auch weil es dem Betroffenen prozessuale Rechte entzieht.

Das Urteil vom 28. August 2018 ist deshalb mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Es besteht kein Anlass, die Sache einer anderen als der bislang zuständigen Abteilung des Amtsgerichts Halle (Saale) zu übertragen."

Dem tritt der Senat bei.

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