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19.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211251

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 20.11.2018 – 6 Sa 158/18


Tenor:
I. Auf die Berufung der klagenden Partei wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21. November 2017 - 2 Ca 594/17- teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert, soweit die Klage auch hinsichtlich des Nachteilsausgleichsanspruchs abgewiesen worden ist.


1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei gemäß § 113 III BetrVG einen Nachteilsausgleich in Höhe von 8.250,00 Euro brutto zu zahlen. Die weitergehende Klage auf Nachteilsausgleich wird abgewiesen.


2. Die Feststellungsklage zur Nichtanrechenbarkeit des Anspruchs des Klägers aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 auf den Nachteilsausgleichsanspruch wird abgewiesen.


II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 83 %, die Beklagte zu 17 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz trägt der Kläger 81 %, die Beklagte 19 %.


III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten zuletzt noch um einen Anspruch auf Nachteilsausgleich.



Die Beklagte, vormals unter Z. GmbH firmierend, ist ein auf Stromerzeugungsaggregate spezialisiertes Unternehmen, welches Netzersatzanlagen, Sonderstromerzeuger und Antriebssysteme herstellt. Der 1986 geborene, ledige Kläger war ab 01. Mai 2012 bei Beklagten als Elektroingenieur im Betrieb Y-Stadt beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.300,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,00 Stunden.



Die Alleingesellschafterin der Beklagten hat - im Berufungsverfahren nicht mehr umstritten - am 24. Februar 2017 folgenden Beschluss gefasst (Bl. 17 der beigezogenen Akte Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 6 Sa 114 /18; im Folgenden: 6 Sa 114/18):

"1. Der Betrieb der Z. Gesellschaft mit beschränkter Haftung soll zum 31.08.2017 eingestellt werden. 2. Der Betriebsrat der Z. Gesellschaft mit beschränkter Haftung soll hierüber frühestmöglich informiert werden. Die Geschäftsführung soll sogleich mit der Vorbereitung des Eintritts in das Interessenausgleichsverfahren beginnen. 3. Die Geschäftsführung soll die Stilllegung des Betriebs operativ durchführen, hierbei insbesondere die Planung der Auslaufproduktion sowie die Regelung der Auftragsnachfolge des laufenden Geschäfts. 4. Die Z. Gesellschaft mit beschränkter Haftung soll keine neuen Aufträge mehr annehmen, deren Fertigstellung nicht bis 31.08.2017 erfolgen kann."



Mit Schreiben vom 22. März 2017 wurde der Betriebsrat der Beklagten (Bl. 18 f. d. A. 6 Sa 114 /18) über die beabsichtigte Massenentlassung informiert. Wegen des Inhaltes des Anschreibens wird auf den Akteninhalt verwiesen. Die nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten übersandten das Informationsschreiben mit Schreiben vom 23. März 2017 zur Kenntnis an die Agentur für Arbeit.



Am 08., 15, 23. und 30. März, 06. April und am 13. April 2017 führten die Beklagte und der bei ihr gewählte Betriebsrat Gespräche über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Im Rahmen der Gespräche überreichten die Betriebspartner wechselseitig Entwürfe zum Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 31 ff. d. A. 6 Sa 114 /18, Bl. 34 ff. d. A. 6 Sa 114 /18). Im letzten Gesprächstermin erklärte die Beklagte die Verhandlungen für gescheitert. Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats riefen in der Folge mit Schreiben vom 18. April 2017 (Bl. 130 f. d. A.), hinsichtlich dessen Formulierung im Einzelnen auf den Akteninhalt Bezug genommen wird, die Einigungsstelle zum Regelungsthema "Sozialplan zur Betriebsstilllegung" an. Nachdem die Betriebspartner eine Einigung über die personelle Besetzung der Einigungsstelle nicht herbeiführen konnten, leiteten die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats mit Antragsschrift vom 27. April 2017 beim Arbeitsgericht Trier ein Beschlussverfahren unter dem Aktenzeichen 2 BV 46/17 ein und beantragten die Bestellung des Einigungsstellenvorsitzenden X. und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer pro Seite mit je 5.



Am 25. April 2017 erstattete die Beklagte Massenentlassunganzeige bei der Agentur für Arbeit Y-Stadt (Bl. 49 ff. d. A. 6 Sa 114/18). Nachdem ihm mit Schreiben vom 19. April 2017 ein Anhörungsbogen zur beabsichtigten Kündigung übergeben worden war, widersprach der Betriebsrat der Kündigung der klagenden Partei mit Schreiben vom 26. April 2017.



Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klagepartei mit Schreiben vom 27. April 2017 wegen beabsichtigter Betriebsschließung zum 31. August 2017. Auch die Arbeitsverhältnisse der übrigen der insgesamt zuletzt ca. 74 Mitarbeiter der Beklagten wurden zum 31. August 2017 bzw. unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfristen zum 31. Oktober oder 30. November 2017 ordentlich gekündigt. Im Berufungsverfahren ist zwischen den Parteien nicht mehr streitig, dass der Betrieb tatsächlich stillgelegt worden ist.



Der Kläger hat am 17. Mai 2017 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Trier erhoben, zugleich seine Weiterbeschäftigung verlangt und hilfsweise einen Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG geltend gemacht.



Mit Beschluss vom 09. Mai 2017 hat das Arbeitsgericht im Verfahren 2 BV 46/17 den Richter am Arbeitsgericht X. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zum Regelungsthema "Sozialplan zur beabsichtigten Betriebsstilllegung" bestellt und die Zahl der Beisitzer auf je zwei festgesetzt. Die hiergegen gerichteten Beschwerden beider Betriebsparteien blieben aufgrund Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Juli 2017 - 4 TaBV 23/17 - ohne Erfolg. Nachdem der Einigungsstellenvorsitzende X. mit E-Mail vom 14. August 2017 mitgeteilt hatte, dass ihm eine Durchführung des Einigungsstellenverfahrens nicht möglich sei hat das Arbeitsgericht in einem erneuten - von der Beklagten eingeleiteten - Beschlussverfahren - 4 BV 60/17 - mit Beschluss vom 18. August 2017 den Richter am Arbeitsgericht Dr. W. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle bestellt. Unter seinem Vorsitz kam durch Spruch der Einigungsstelle vom 10. November 2017 ein Sozialplan (im Folgenden: Sozialplan) zustande, der ua. einen Anspruch auf Sozialplanabfindungen vorsieht. Wegen des Inhaltes des Sozialplans im Einzelnen wird auf Bl. 109 ff. d. A. Bezug genommen.



Die klagende Partei hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - im Wesentlichen vorgetragen, der Stilllegungsbeschluss habe auf willkürlichen Gründen beruht, nachdem ein von den Gesellschaftern in Auftrag gegebenes Gutachten vom 16. November 2016 nach Prüfung der Umsätze eine Sanierung des Betriebs empfohlen habe. Trotz eines vom Betriebsrat veranlassten Sanierungskonzepts der V. sGmbH habe die Beklagte nichts unternommen, um die Stilllegung zu verhindern. Die Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit sei wegen Diskrepanz der genannten Beschäftigungszahlen und der von der Beklagten entlassenen Arbeitnehmer nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe mit dem Betriebsrat keine ernsthaften Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplan geführt. Die Verhandlungsgespräche hätten lediglich 10 Minuten gedauert und allein der Betriebsrat habe seine Vorstellungen geäußert, während die unvorbereitete Geschäftsleitung sich zu keinem Zeitpunkt eigene Gedanken gemacht oder solche geäußert habe.



Die klagende Partei hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. April 2017 nicht beendet wird, 2. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht, 3. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. und/oder 2. wird die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Elektroingenieur weiterzubeschäftigen, 4. hilfsweise wird beantragt, die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger gemäß § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 39.600,00 Euro brutto nicht unterschreiten sollte.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Die Beklagte hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Belang - im Wesentlichen vorgetragen, auf die Gründe für die Betriebsstilllegung komme es nicht an, die unternehmerische Entscheidung sei jedoch nicht willkürlich oder unvernünftig gewesen. Es könne keine Rede davon sein, sie habe vor Kündigungsausspruch einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht versucht. Die Prozessbevollmächtigten des Betriebsrates hätten im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht zur Besetzung der Einigungsstelle selbst wörtlich vorgetragen, dass eine Einigung über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan bedauerlicherweise nicht gelungen sei. Es sei schlicht wahrheitswidrig, dass die Verhandlungsgespräche lediglich zehn Minuten gedauert hätten. Die Verhandlungen hinsichtlich der Sozialplanabfindungen hätten sich aufgrund von Protestaktionen der den Betriebsrat vertretenden IG-Metall äußerst schwierig gestaltet, weshalb man sich weder über die Sozialplanabfindung, noch über deren sozialgerechtere altersabhängige Verteilung, noch über Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit mittels einer Transfergesellschaft habe einigen können. Sie sei auch von Anfang an bereit gewesen, mit der Einigungsstelle einen Sozialplan zu verhandeln. Da der Sozialplan vom 10. November 2017 Abfindungen vorsehe, bestehe für Nachteilsausgleichszahlungen keine Veranlassung.



Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen angeführt, die Kündigung sei aus betriebsbedingten Gründen wegen Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. KSchG und habe das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist beendet, nachdem der Betriebsrat ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG angehört worden sei und die Beklagte ihn auch nach § 17 Abs. 2 KSchG über die geplante Massenentlassung unterrichtet und diese der Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 KSchG angezeigt habe. Es bestehe kein Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichsanspruchs gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG. Die Kündigung sei aufgrund einer Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG erfolgt. Der Kläger könne aber keinen Nachteilsausgleich verlangen, weil die Beklagte in den Monaten März und April 2017 mit dem Betriebsrat Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans geführt habe. Es sei zuletzt auch unstreitig gewesen, dass die Unterredungen während der einzelnen von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung genannten Besprechungstermine nicht nur wenige Minuten gedauert hätten, es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass die Verhandlungen nicht ernsthaft geführt worden seien. Die Ansicht, dass vom Arbeitgeber zu verlangen sei, von sich aus die Einigungsstelle anzurufen und bis zur Feststellung des Scheiterns der Verhandlungen in der Einigungsstelle mit dem Betriebsrat zu verhandeln, finde im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Nachdem die Beklagte der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat nicht entgegen getreten sei, könne ein Anspruch auf Nachteilsausgleich nicht hergeleitet werden. Selbst wenn man die Möglichkeit vertrete, dass nicht alle Möglichkeiten einer Einigung über den Interessenausgleich ausgeschöpft worden seien, scheitere ein Anspruch aber jedenfalls daran, dass die Sozialplanabfindung auf den Nachteilsausgleich anzurechnen sei, da diese nicht nur Sanktionscharakter habe, sondern auch dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile diene. Es sei davon auszugehen, dass die Einigungsstelle die Abfindungshöhe anhand sozialer Kriterien der betroffenen Arbeitnehmer einerseits und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit andererseits nach billigem Ermessen bemessen habe. Der Kläger sei mangels darüber hinausgehenden Nachteils klaglos gestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 65 ff. d. A. verwiesen.



Die klagende Partei hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 28. März 2018 zugestellte Urteil mit am 25. April 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 20. April 2018 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30. April 2018, bei Gericht eingegangen am 18. Mai 2018 begründet.



Sie macht zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 30. April 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 89 ff. d. A. ff.), zweitinstanzlich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend,



entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe nach § 113 Abs. 3 BetrVG ein Anspruch auf Nachteilsausgleich ohne Anrechnung der Sozialplanabfindung. Die Beklagte habe ohne den hinreichenden Versuch eines Interessenausgleichs die Betriebsänderung durchgeführt und die klagende Partei zu deren Nachteil entlassen. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht ein einfacher Versuch, sondern ein hinreichender Versuch erforderlich sei. Um einen Anspruch auf Nachteilsausgleich zu vermeiden müsse der Unternehmer grundsätzlich bis auf hier nicht vorliegende Ausnahmen vor der tatsächlichen Durchführung der Betriebsänderung alle Möglichkeiten einer Einigung über den Interessenausgleich ausschöpfen und erforderlichenfalls das Verfahren nach § 112 Abs. 2 BetrVG voll ausschöpfen, notfalls die Einigungsstelle anrufen und das Einigungsstellenverfahren durchführen. Die Beklagte habe weder die Bundesagentur für Arbeit um Vermittlung ersucht, noch aktiv von sich aus die Einigungsstelle angerufen. Auch sei die klagende Partei nicht durch die Sozialplanabfindung klaglos gestellt. Das Arbeitsgericht verkenne, dass eine Anrechnung der Sozialplanabfindung nur dann rechtens sei, wenn das Unternehmen vor Beginn der Betriebsänderung den Konsultationspflichten der Massenentlassungsrichtlinie EGRL 98/59/EG vom 20. Juli 1998 genügt habe. Vorliegend sei die Arbeitnehmervertretung entgegen Art. 2 Abs. 2 dieser Vorschrift nicht rechtzeitig konsultiert worden, um zu einer Einigung zu gelangen. Es sei nicht verhandelt oder beraten worden, wie die Massenentlassungen vermieden oder beschränkt werden könnten und auch kein sozialen Begleitmaßnahmen verhandelt worden. Die bloße Vorlage des Entwurfs eines Interessenausgleichs nebst Sozialplan durch die Arbeitgeberin als Reaktion auf die Vorlage durch den Betriebsrat genüge nicht.



Die klagende Partei beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21. November 2017 wird abgeändert. 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Partei gemäß § 113 BetrVG einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 39.600,00 Euro brutto nicht unterschreiten sollte. 2. Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 auf den Nachteilsausgleichanspruch nicht anzurechnen ist.



Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 19. Juli 2018 (Bl. 125 ff. d. A.) auf die ergänzend Bezug genommen wird, und trägt zweitinstanzlich vor,



das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass ein Nachteilsausgleichsanspruch nicht bestehe. In den Terminen vom 08., 15, 23. und 30. März, sowie 06. April 2017 hätten umfangreiche Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans stattgefunden. Eine Pflicht zur Anrufung der Einigungsstelle und bis zum dortigen Scheitern der Verhandlungen zu verhandeln, bestehe nicht, zumal sie sich unverzüglich mit dem Einigungsstellenverfahren - bis auf deren Besetzung - einverstanden erklärt habe und die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ihr zuvor gekommen seien. Allein der vorliegende Verfahrensablauf zeige, dass es völlig unbillig sei, das Einigungsstellenverfahren vollständig durchzuführen, da der Betriebsrat es immer in der Hand habe, durch überzogene Forderungen ein Beschlussverfahren einzuleiten, obwohl der Arbeitgeber ernsthaft versucht habe, einen Interessenausgleich und Sozialplan zu schließen. Eine zügige Einigung mit dem Betriebsrat sei auch nicht zu erwarten gewesen, zumal dieser auch den Spruch der Einigungsstelle im Verfahren 3 BV 67/17 vor dem Arbeitsgericht angegriffen habe, welches die Anträge mit Beschluss vom 14. Juni 2018 zurückgewiesen habe. Schließlich habe das Arbeitsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend erkannt, dass ein Nachteilsausgleichsanspruch bereits wegen der Sozialplanabfindungen ausscheide, die auf einen etwaigen Nachteilsausgleichsanspruch anzurechnen sei. Das ergebe sich auch aus § 3 Abs. 4 Sozialplan, wonach auf die Sozialplanabfindung auch Nachteilsausgleichsansprüche anzurechnen seien. Jedenfalls würde ein eventueller Nachteilsausgleichsanspruch in der Höhe nicht über einen Sozialplananspruch hinausgehen. Das Konsultationsverfahren sei durch das Schreiben vom 22. März 2017 und die genannten Gesprächstermine ordnungsgemäß durchgeführt worden; bereits im März 2017 habe sie sich mit der U. GmbH in Verbindung gesetzt, um die Voraussetzungen für eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft zu schaffen, die sich im Entwurf eines Interessenausgleichs wiederfinde, aber an der ablehnenden Haltung des Betriebsrats in der letzten Verhandlung vom 13. April 2017 gescheitert sei. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass bei der Beklagten eine bilanzielle Überschuldung und ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von ungefähr 11,5 Millionen Euro vorgelegen habe, weshalb der Einigungsstellenvorsitzende betreffend den Sozialplan in der Sitzung vom 10. November 2017 darauf hingewiesen habe, dass das Korrektiv der wirtschaftlichen Vertretbarkeit anhand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers erst in einem weiteren Schritt zur Anwendung komme und das Bundesarbeitsgericht als absolute Ermessensgrenze, bei deren Überschreitung ein Sozialplanvolumen in jedem Fall unvertretbar sein soll, die Fälle anerkannt habe, in denen die Erfüllung der Sozialplanverbindlichkeit zur einer Illiquidität, bilanziellen Überschuldung oder einer nicht mehr vertretbaren Schmälerung des Eigenkapitals führt. Angesichts der hohen Überschuldung seien die von der Gegenseite geforderten Nachteilsausgleichszahlungen über die Sozialplanabfindungen hinaus völlig unvertretbar.



Die Kläger hat vor dem Arbeitsgericht Trier unter dem Aktenzeichen 3 Ca 600/18 gegen die Beklagte Klage auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 in Höhe von 5.586,00 Euro brutto erhoben. Das Verfahren war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer noch vor dem Arbeitsgericht anhängig.



Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A



Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache teilweise erfolgreich.



I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde vom Kläger nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 28. März 2018 mit am 25. April 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 20. April 2018 form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und mit am 18. Mai 2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 30. April 2018 rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 ZPO).



II. Die Berufung ist teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG in Höhe von 8.250,00 Euro brutto zu. Der Feststellungsantrag des Klägers ist nicht begründet, da der Nachteilsausgleichsanspruch auf den Anspruch des Klägers auf Abfindung aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 anzurechnen ist. Die weitergehende Berufung blieb ohne Erfolg. Die erstinstanzliche Entscheidung war im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.



1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG in Höhe von 8.250,00 Euro brutto.



1.1. Dem Kläger steht nach § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs zu, da er aufgrund einer Betriebsänderung iSd. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG entlassen worden ist, ohne dass die Beklagte einen Interessenausgleich mit dem bei ihr gewählten Betriebsrat im Sinne der Norm versucht hätte.



a) Gemäß § 113 Abs. 3 iVm. Abs. 1 BetrVG kann ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung verlangen, wenn der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden (vgl. BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 16 -; BAG 18. Juli 2017 - 1 AZR 546/15 - Rn. 28, jeweils zitiert nach juris). Vor Durchführung einer Betriebsänderung muss der Unternehmer im Zusammenhang mit einem Interessenausgleichsversuch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, grundsätzlich die Einigungsstelle anrufen. Das folgt aus dem Schutzzweck des § 113 Abs. 3 BetrVG (vgl. BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 30, BAG 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 - Rn. 19, jeweils zitiert nach juris). Die Norm schützt das Interesse der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer mittelbar durch die Sicherung des Verhandlungsanspruchs des Betriebsrats. Dieser umfasst nach § 112 Abs. 2 BetrVG auch die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens, in dem die Betriebsparteien letztmals Gelegenheit erhalten, unter Mitwirkung eines unparteiischen Vorsitzenden Alternativen zur geplanten Betriebsänderung zu erörtern oder Modifikationen zu prüfen, die für die betroffenen Arbeitnehmer weniger nachteilige Folgen haben. Zwar kann die Betriebsänderung letztlich ohne Einigung der Betriebsparteien nach den Vorstellungen des Arbeitgebers durchgeführt werden. Anders als in den Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung ist ein Spruch der Einigungsstelle, durch den eine Regelung auch gegen den Willen des Arbeitgebers getroffen werden könnte, hier nicht möglich. Dennoch ist das Einigungsstellenverfahren zum Schutz der Belange der betroffenen Arbeitnehmer sinnvoll und nicht etwa eine bloße Förmelei (vgl. insgesamt: BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - Rn. 15, mwN, zitiert nach juris).



b) Gemessen hieran kann der Kläger die Zahlung eines Nachteilsausgleichs dem Grunde nach verlangen.



(1) Die Beklagte ist ein Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Ihr Betrieb in Y-Stadt ist stillgelegt worden. Das gilt als Betriebsänderung (§ 111 Satz 3 Nr. 1 und Satz 1 BetrVG). Der Kläger ist infolge der Stilllegung entlassen worden.



(2) Im Zeitpunkt der Durchführung der Betriebsstilllegung hatte die Beklagte einen Interessenausgleich nicht hinreichend versucht. Unstreitig hat sie vor Durchführung der Betriebsstilllegung ein Einigungsstellenverfahren zum Interessenausgleich nicht eingeleitet. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich grundsätzlich mit der Anrufung der Einigungsstelle durch den Betriebsrat durch außergerichtliches Schreiben deren Verfahrensbevollmächtigten vom 18. April 2017 einverstanden erklärt hat, nachdem sie die Verhandlungen mit dem Betriebsrat im letzten Gesprächstermin vom 13. April 2017 für gescheitert erklärt hatte. Unabhängig davon, dass die Beklagte Einwendungen gegen die vom Betriebsrat vorgeschlagene Besetzung der angerufenen Einigungsstelle erhoben hat, hat der Betriebsrat die Einigungsstelle lediglich zum Thema "Sozialplan zur Betriebsstilllegung" angerufen, nicht jedoch zum Thema "Interessenausgleich". Die Beklagte kann den Kläger nicht darauf verweisen, der Betriebsrat habe initiativ werden können. Der Arbeitgeber kann aus der Untätigkeit des Betriebsrats kaum darauf schließen, dass dieser keine Einwände mehr gegen die Betriebsänderung erhebt, da dem Unternehmer aus den vorausgegangenen Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich bekannt ist, dass dieser nicht mit der Maßnahme oder mit einzelnen Modalitäten dieser wirtschaftlichen Maßnahme einverstanden ist; deshalb muss der Unternehmer, der die Betriebsänderung durchführen will, letztlich auch die Voraussetzungen dafür schaffen und dafür sorgen, dass eine Einigung über den Interessenausgleich noch einmal vor der Einigungsstelle versucht wird, weil die bisherigen unmittelbaren Verhandlungen mit dem Betriebsrat erfolglos geblieben sind, der Gesetzgeber geht jedenfalls davon aus, dass jede Chance einer Einigung genutzt wird (vgl. insgesamt: BAG 18. Dezember 1984 - 1 AZR 176/82 - Rn. 28, zitiert nach juris). Der Betriebsrat hat vorliegend auch nicht ausdrückt, seinen Informations- und Beratungsanspruch des § 111 Satz 1 BetrVG auch ohne Durchführung des Verfahrens nach § 112 Abs. 2 BetrVG als erfüllt anzusehen. Sein außergerichtliches Schreiben vom 18. April 2017 befasst sich ausschließlich mit der Anrufung einer Einigungsstelle zum Regelungsthema "Sozialplan zur Betriebsstilllegung" ohne auf die Frage eines Interessenausgleichs einzugehen. Nachdem der Betriebsrat bis zuletzt deutlich gemacht hat, die Betriebsstilllegung verhindern zu wollen, vermochte die Berufungskammer keine Erklärung zu erkennen, dass er seinen Informations- und Beratungsanspruch als erfüllt betrachtet hätte. Ob die Anrufung der Einigungsstelle dann unterbleiben kann, wenn der Betriebsrat dies eindeutig ausdrückt und die Betriebsparteien einvernehmlich von der Anrufung Abstand nehmen (offen gelassen: BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 30, aaO; vgl. auch BAG 26. Oktober 2004 - 1 AZR 493/03 - Rn. 24, zitiert nach juris), bedarf mangels entsprechender Fallgestaltung keiner Entscheidung.



Die Einwendungen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht. Soweit sie das vom Arbeitsgericht herangezogene Argument verteidigt, im Wortlaut des § 113 Abs. 3 BetrVG finde eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anrufung der Einigungsstelle keine Stütze, wird hierbei übersehen, dass zum einen die Formulierung des "Versuchs" eines Interessausgleichs die auch vom Berufungsgericht geteilte Auslegung von § 113 Abs. 3 BetrVG trägt und zum anderen bei der Auslegung einer Norm ergänzend deren Zweck heranzuziehen ist. Der weitere Einwand der Beklagten, es sei ihr angesichts der potentiellen Dauer eines Einigungsstellenverfahrens unzumutbar, die Einigungsstelle anzurufen, verfängt ebenfalls nicht. Das vom Gesetz vorgesehene Verfahren, das einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer und des Unternehmers anstrebt, führt nicht zu einer für die Arbeitgeberseite unzumutbaren Verlängerung der Verhandlungen; der Arbeitgeber ist für die Einleitung des Einigungsstellenverfahrens nicht auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - Rn. 15, zitiert nach juris). Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Hinauszögern der Verhandlungen durch den Betriebsrats, der mangels Anrufung der Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand des Interessenausgleichs durch die Beklagte keine Veranlassung hatte, sich hierzu zu äußern, sind nicht zu erkennen. Die Tatsache, dass die Betriebsparteien sich nicht über die Besetzung der Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand Sozialplan einigen konnten, ist nicht außergewöhnlich und konnte im - der besonderen Beschleunigung unterliegenden - gerichtlichen Verfahren geklärt werden. Im Übrigen hätte es die Beklagte als Antragstellerin für ein auf die Einrichtung einer Einigungsstelle zum Thema Interessenausgleich gerichtetes Beschlussverfahren in der Hand gehabt, eine/n Einigungsstellenvorsitzende/ n zu benennen, mit der/ dem - anders als womöglich im Verfahren 2 BV /17 - zeitliche Kapazitäten vorab hätten abgestimmt werden können, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Dass der Betriebsrat sich generell geweigert hätte, seinen Verhandlungspflichten nachzukommen, ist nicht ersichtlich.



1.2. Die Höhe des dem Kläger insgesamt zustehenden Anspruchs auf Nachteilsausgleich beläuft sich auf 8.250,00 Euro brutto.



a) Gemäß § 113 Abs. 3 und Abs. 1 Halbs. 2 BetrVG iVm. § 10 KSchG hat die Bemessung der Abfindungshöhe unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit zu erfolgen. Bei der Ermessensentscheidung sind die Arbeitsmarktchancen und das Ausmaß des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens zu beachten (BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 35, 18. Oktober 2011 - 1 Azr 335/10 - Rn. 24 mwN, jeweils zitiert nach juris). Der Sanktionscharakter der Abfindung führt dazu, dass der Abfindungsanspruch nicht von der finanziellen Leistungsfähigkeit oder individuellen Leistungsbereitschaft des Arbeitgebers abhängt (BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 35, aaO, BAG 20. November 2001 - 1 AZR 97/01 - Rn. 21, aaO). Die in § 1a Abs. 2 KSchG festgelegte Höhe des gesetzlichen Abfindungsanspruchs nach § 1a Abs. 1 KSchG kann wegen der hierin ausgedrückten gesetzgeberischen Wertung als Berechnungsgrundlage beim Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 1 bis 3 BetrVG herangezogenen werden (BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/16 - Rn. 38, aaO). Auch das Bundesarbeitsgericht, dessen Rechtsprechung sich die Berufungskammer anschließt, ist in der Vergangenheit von einem Regelwert von einem halben Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr ausgegangen (BAG 07. November 2017 - 1 AZR 186/17 - Rn. 38 unter Verweis auf BAG 18. Oktober 2011 - 1 AZR 336/10 - Rn. 25, aaO).



b) Hiernach kann der Kläger, der zuletzt monatlich 3.300,00 Euro brutto verdient hat, angesichts seiner berücksichtigungsfähigen Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Nachteilsausgleich in Höhe von insgesamt 8.250,00 Euro brutto beanspruchen. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Einzelfallumstände hält die Berufungskammer in grundsätzlicher Orientierung an § 1a Abs. 2 KSchG den Ansatz von 50 % eines Bruttomonatsgehaltes pro Beschäftigungsjahr bei der Bemessung des Nachteilsausgleichs für angemessen. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte vorliegend zumindest an sechs Terminen mit dem Betriebsrat - zuletzt unstreitig nicht nur jeweils wenige Minuten - über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan verhandelt und - wie der Betriebsrat - einen entsprechenden Entwurf zur Diskussion gestellt hat, ist von einer überdurchschnittlichen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichtverletzung der Beklagten zwar nicht auszugehen. Die Berufung hat Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten der Beklagten, die im Gesellschafterbeschluss vom 24. Februar 2017 ausdrücklich die Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen vorgesehen hat, auch nicht dargetan. Die Berufungskammer wertet die Arbeitsmarktchancen des zum Zeitpunkt des Ausscheidens 30 Jahre alten Klägers als nicht unterdurchschnittlich. Vor diesem Gesamthintergrund ist weder eine Erhöhung, noch eine Unterschreitung des Regelwertes angebracht. Insbesondere führt zu letzterer die von der Beklagten im Berufungsverfahren angeführte, als zutreffend unterstellte bilanzielle Überschuldung der Beklagten nicht. Anders als bei der Bemessung des finanziellen Rahmens eines Sozialplans sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers bei der Höhe des Nachteilsausgleichs nach den dargestellten Grundsätzen wegen deren Sanktionszwecks außer Acht zu lassen. Der Anspruch auf Nachteilsausgleich kann auch höher sein als die Sozialplanabfindung, da die Funktion der Sanktionierung leerlaufen würde, wenn der Nachteilsausgleich in jedem Falle auf den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan begrenzt wäre (vgl. BAG 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - Rn. 37, zitiert nach juris).



2. Der zulässige Feststellungsantrag zu 2) des Klägers, den er nach § 533 ZPO zum Gegenstand seiner Berufung machen konnte, ist in der Sache nicht erfolgreich. Der dem Kläger zustehende Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG ist auf einen etwaigen Anspruch auf Abfindung aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 anzurechnen.



2.1. Der Antrag zu 2) des Klägers ist zulässig.



a) Der Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Er kann sich auf Teilrechtsverhältnisse, insbesondere auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (vgl. BAG vom 28. März 2017 - 1 ABR 40/15- Rn. 16 mwN, zitiert nach juris).



Bei der vom Kläger mit dem Feststellungsantrag zu 2) zu Entscheidung gestellten Frage, ob dem Kläger der Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG und der Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 anrechnungsfrei nebeneinander zustehen, handelt es sich nicht lediglich um eine Vorfrage eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses, sondern der Antrag bezieht sich auf das Verhältnis der zwischen den Parteien streitigen Ansprüche zueinander, das den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten bestimmt.



b) Dem Kläger steht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an alsbaldiger richterlicher Feststellung zu. Ob der Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 ZPO auf einen noch streitigen Sozialplanabfindungsanspruch anzurechnen ist, ist zwischen den Parteien umstritten. Die Frage kann mit dem Feststellungsantrag endgültiger Klärung zugeführt und bei der etwaigen Auszahlung eines Sozialplananspruchs berücksichtigt werden.



2.2. Der Feststellungsantrag ist nicht begründet.



a) Der Sozialplananspruch seinerseits und der Nachteilsausgleich andererseits stehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, nicht beziehungslos nebeneinander und können nicht kumulativ verlangt werden (BAG 13. Dezember 1978 - GS 1/77 - Rn. 168; BAG 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - Rn. 36; BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - Rn. 39 mwN; jeweils zitiert nach juris). Zwischen der Abfindung nach § 113 BetrVG und der Sozialplanabfindung besteht eine partielle Zweckidentität, da § 113 BetrVG nicht nur Sanktionscharakter aufweist, sondern auch dem Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile dient. Dem Ausgleich dieser Nachteile dient aber auch die Abfindung aus dem Sozialplan nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Aus der insoweit bestehenden Zweckidentität folgt die Anrechenbarkeit des gesetzlichen Nachteilsausgleichs auf eine Sozialplanabfindung (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - Rn. 39 mwN, aaO). Dabei wird der Anspruch auf Nachteilsausgleich durch einen später abgeschlossenen Sozialplan nicht beseitigt (BAG 13. Juni 1989 - 1 AZR 819/87 - Rn. 36, zitiert nach juris), was sich trotz der Anrechenbarkeit dann auswirkt, wenn die im Sozialplan vereinbarten Abfindungszahlungen nicht die Höhe des Nachteilsausgleichs erreichen oder bestimmte Arbeitnehmer in zulässiger Weise vom persönlichen Geltungsbereich eines Sozialplans ausgenommen werden (BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 693/06 - Rn. 39 mwN, aaO).



b) Danach hat auch vorliegend eine Anrechnung Nachteilsausgleichsanspruch auf den Anspruch des Klägers auf Abfindung aus dem Sozialplan vom 10. November 2017 stattzufinden. Es bedarf hierbei keiner Entscheidung, ob die dargestellte Rechtsprechung zur Anrechenbarkeit nach den Grundsätzen der gemeinschaftskonformen Auslegung einer Korrektur bedarf, wenn der Arbeitgeber die Konsultationspflicht nach Art. 2 Abs. 1 der RL 98/59/EG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen vom 20. Juli 1998 (im Folgenden: EG-Massenentlassungsrichtlinie) verletzt hat (vgl. hierzu und zum Streitstand LAG Berlin-Brandenburg 29. März 2017 - 4 Sa 1619/16 - Rn. 22 ff., zitiert nach juris). Die Beklagte hat ihre Konsultationspflichten nach der EG-Massenentlassungsrichtlinie nicht verletzt.



(1) Nach Art. 2 Abs. 1 der EG-Massenentlassungsrichtlinie muss ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, eine Massenentlassung iSd. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie durchzuführen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen. Nach Art. 2 Abs. 2 der EG-Massenentlassungsrichtlinie haben sich die Verhandlungen zumindest auf die Möglichkeit zu erstrecken, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern.



(2) Die Beklagte hat diesen Anforderungen an ihre Konsultationspflicht vorliegend genügt. Sie hat - wie in Ziff. 2 des Gesellschafterbeschlusses vom 24. Februar 2017 festgehalten - beschlossen, den Betriebsrat frühestmöglich zu informieren und ist dem auch nachgekommen, da die erste Unterredung mit dem Betriebsrat bereits am 08. März 2017 stattgefunden hat. Nachdem der Kläger selbst vorgetragen hat, der Betriebsrat habe nach einem seitens der Gesellschafter in Auftrag gegebenen Gutachten vom 16. November 2016 ein Sanierungskonzept erstellen lassen, ist auch davon auszugehen, dass der Betriebsrat bereits vor Anfang März 2017 zumindest über die Lage des Betriebs unterrichtet war. In der Folge haben die Betriebspartner am 15., 23. und 30. März, sowie 06. und 13. April 2017 und damit vier Monate vor dem angestrebten Stilllegungsdatum Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan geführt, wobei Anhaltspunkte für eine mangelnde Ernsthaftigkeit nicht bestehen. Beide Betriebspartner haben wechselseitig Entwürfe eines Interessenausgleichs nebst Sozialplan ausgetauscht, auch wenn eine Einigung hierüber nicht zu erzielen war. Eine bestimmte Verhandlungsdauer ist nicht vorgesehen (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AR 693/06 - Rn. 42, aaO). Die Einschaltung eines unparteiischen Dritten nach Scheitern der Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien verlangt Art. 2 Abs. 2 EG-Massenentlassungsrichtlinie für die Erfüllung der Konsultationspflicht nicht (BAG 16. Mai 2007 - 8 AR 693/06 - Rn. 43, aaO). Damit ist die Beklagte ihren Pflichten aus der EG-Massenentlassungsrichtlinie nachgekommen.



B



Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.



Gründe die eine Zulassung der Revision iSd § 72 Abs. 2 ArbGG veranlasst hätten, bestehen nicht.

Verkündet am 20.11.2018

Vorschriften§ 113 III BetrVG, § 113 BetrVG, § 1 Abs. 3 Satz 1 3. Alt. KSchG, § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, § 17 Abs. 2 KSchG, § 17 Abs. 1 KSchG, § 113 Abs. 3 BetrVG, § 111 BetrVG, § 112 Abs. 2 BetrVG, § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG, § 519 ZPO, § 520 ZPO, § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG, § 111 Satz 3 Nr. 1 und Satz 1 BetrVG, § 111 Satz 1 BetrVG, § 113 Abs. 3, Abs. 1 Halbs. 2 BetrVG, § 10 KSchG, § 1a Abs. 2 KSchG, § 1a Abs. 1 KSchG, § 113 Abs. 1 bis 3 BetrVG, § 533 ZPO, § 256 Abs. 1 ZPO, § 113 Abs. 3 ZPO, § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, Art. 2 Abs. 1 der RL 98/59/EG, § 92 Abs. 2 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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