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17.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211198

Hessisches Finanzgericht: Gerichtsbescheid vom 07.03.2019 – 10 K 541/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Der Schenkungsteuerbescheid vom 7. März 2017 (Steuernummer) wird dahingehend geändert, dass die Schenkungsteuer auf 70.680 EUR herabgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung der Steuerbegünstigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der zum Besteuerungszeitpunkt geltenden Fassung (ErbStG) bei einer freigebigen Zuwendung an eine ausländische Stiftung.

Der Kläger errichtete mit einem Widmungsbetrag von 0,00 € die A Stiftung (im Folgenden Stiftung) mit Sitz und Geschäftsleitung im Fürstentum Liechtenstein. Laut § 3 der Satzung fördert und unterstützt die Stiftung die genannten Begünstigten. Begünstigte der Stiftung sind nach § 4 der Satzung i. V. m. der Stiftungszusatzurkunde ausschließlich der Stifter, seine Ehefrau sowie in gerader absteigender Linie verwandte Abkömmlinge im Rahmen der Generationsnachfolge. Einkommensteuerrechtlich handelt es sich um eine so genannte intransparente Familienstiftung gemäß § 15 Abs. 6 des Außensteuergesetzes (AStG). Das statutarische Stiftungskapital wurde von Seiten des Stifters erbracht; das Kapital steht nach Feststellung des Stiftungsvorstandes zur uneingeschränkten Verfügung der Stiftung. Gemäß § 6 Abs. 1 der Stiftungssatzung übernimmt der Stifter die anfallende Schenkungsteuer.

Diesen Sachverhalt zeigte die Stiftung am 16. September 2016 beim Beklagten (das Finanzamt - FA -) an. Sie vertrat die Auffassung, gemäß § 10 Abs. 2 ErbStG betrage der steuerpflichtige Erwerb einschließlich übernommener Schenkungsteuer insgesamt 0,00 €; nach Abrundung und unter Berücksichtigung eines Freibetrags in Höhe von 200.000 € sei die Schenkungsteuer gemäß § 19 Abs. 1 ErbStG in Verbindung mit dem Steuerklassenprivileg des § 15 Abs. 2 ErbStG (Steuersatz in Höhe von 15 %) in Höhe von 0,00 € festzusetzen. Der in der nationalen Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG enthaltene Vorbehalt der Errichtung einer Familienstiftung "im Inland" sei im Hinblick auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Fürstentum Liechtenstein zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Liechtenstein vom 17. November 2011, Bundesgesetzblatt - BGBl - 2012 II 1463; im Folgenden DBA) staatsvertragswidrig. Zudem sei der Vorbehalt europarechtswidrig und daher im Streitfall nicht anzuwenden. Im Einzelnen wurde ausgeführt, die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG verstoße gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot des Art. 24 DBA, da das Erfordernis der Errichtung im Inland zu einer signifikanten Benachteiligung der liechtensteinischen Stiftung als Staatsangehörige des Fürstentums Liechtenstein führe. Auch wenn der Bereich der Schenkungsteuer in Art. 2 DBA nicht explizit aufgeführt sei, finde Art. 24 DBA als allgemeiner steuerrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz Anwendung. Darüber hinaus stelle die nationale Regelung auch einen nicht gerechtfertigten Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit dar. Insbesondere sei die Argumentation, es sei bei liechtensteinischen Familienstiftungen nicht gewährleistet, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen überprüft werden können, seit dem Inkrafttreten des Informationsaustauschabkommens in Steuerfragen (TIEA 2009) nicht mehr aufrechtzuerhalten. Im Streitfall rechtfertige auch der Erhalt der Kohärenz nicht den Eingriff in die Kapitalverkehrsfreiheit. So korrespondiere die Gewährung des Erbschaftsteuerklassenprivilegs nicht mit der Ersatzerbschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, da die Besteuerung unterschiedliche Personen treffe und unterschiedliche wirtschaftliche Vorgänge besteuert würden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Erwerbsanzeige vom 16. September 2016 (Bl. 1 ff. der Schenkungsteuerakte) Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 7. März 2017 setzte das FA gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer in Höhe von 0,00 € fest. Der Steuerwert der freigebigen Zuwendung wurde mit 0,00 € zuzüglich eines Hinzurechnungsbetrages für die Steuerübernahme in Höhe von 0,00 € angesetzt. Ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG wurde in Höhe von 20.000 € gewährt; der Steuersatz wurde mit 30 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG) angesetzt. In den Erläuterungen heißt es: "Die Festsetzung erfolgt nach den derzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften. Eine Begünstigung gemäß § 15 Abs. 2 ErbStG kann nicht gewährt werden, da keine inländische Familienstiftung vorliegt." Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Aktenausfertigung des Steuerbescheides vom 7. März 2017 (Bl. 91 ff. der Schenkungsteuerakte) Bezug genommen.

Mit dem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15. März 2017 an das FA wandte sich der Kläger gegen den Steuerbescheid. Er legte Einspruch ein und regte an, nach § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu verfahren und den außergerichtlichen Rechtsbehelf als Sprungklage zu behandeln. Das FA stimmte einer Sprungklage zu und übermittelte den Schriftsatz an das Finanzgericht, dem er am 22. März 2017 zuging.

Zur Begründung vertieft der Kläger seine bisherigen Ausführungen, dass der Vorbehalt der Stiftungserrichtung im Inland gegen DBA und gegen Europarecht verstoße und verweist ergänzend auf die Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 17. Oktober 2013 C-181/12 - Welte -, vom 4. September 2014 C-211/13, vom 8. Juni 2016 C-479/14 - Hünnebeck - und vom 14. September 2017 C-646/15 - Panayi - sowie das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 10. Mai 2017 II R 53/14.

Der Kläger beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 7. März 2017 (Steuernummer) dahingehend zu ändern, dass die Schenkungsteuer auf 0,00 € herabgesetzt wird,

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und den EuGH im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV über einen Verstoß des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gegen Europarecht entscheiden zu lassen,

höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise - im Unterliegensfall - die Revision zuzulassen.

Zur Begründung trägt es vor, die Steuerfestsetzung entspreche geltendem nationalem Recht. Die vom Kläger behauptete Europarechts- und Völkerrechtswidrigkeit könne nicht festgestellt werden.

Die einschlägigen Verwaltungsakten (ein Band Schenkungsteuerakten) lagen dem Senat vor und waren Gegenstand der Beratung und Entscheidung.
Gründe

I. Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid gemäß § 90a FGO.

II. Die Klage ist als Sprungklage zulässig.

Das Rechtsmittel gegen den Steuerbescheid wurde zwar als Einspruch bezeichnet. Gleichzeitig hat der Kläger gegenüber dem FA angeregt, nach § 45 FGO zu verfahren und unter Wechsel der Rechtsbehelfsart und Beifügung der notwendigen Zustimmungserklärung das Rechtsmittel fristgerecht an das Gericht weiterzuleiten (vgl. Levedag in Gräber, FGO, 8. Auflage, § 45 Rdnr. 17). Dies ist der Anregung entsprechend erfolgt. Die Sprungklage gegen den Steuerbescheid vom 7. März 2017 ging am 22. März 2017 bei Gericht ein.

III. Die Klage ist auch begründet.

Der Schenkungsteuerbescheid vom 7. März 2017 (Steuernummer) ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die vom Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG vorgesehene Steuervergünstigung ist auch im Streitfall zu gewähren, da die insoweit vorgesehene Beschränkung auf inländische Stiftungen nach der Überzeugung des Senats gegen den freien Kapitalverkehr im Sinne des Art. 40 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) verstößt.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG unterliegt der Schenkungsteuer als Schenkung unter Lebenden der Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Dieses Stiftungsgeschäft beinhaltet die Übertragung bestimmter Vermögensgegenstände auf eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Einrichtung, die eine selbständige, nicht an Personen gebundene Vermögensmasse mit eigener Vermögenszuständigkeit bildet. Laut der Stiftungssatzung handelt es sich im Streitfall um eine rechtsfähige Stiftung nach dem Recht des Fürstentums Liechtenstein. Der Stifter hatte sich keine Widerrufs- und Änderungsrechte vorbehalten. Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG bezieht sich nicht nur auf im Inland errichtete Familienstiftungen (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblatt, Stand Dez. 2018, § 7 Rdnr. 332), sondern umfasst auch die im vorliegenden Streitfall erfolgte Errichtung einer liechtensteinischen Stiftung.

a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG sind in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG der Besteuerung das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntesten Berechtigten zu dem Schenker zugrunde zu legen, sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien im Inland errichtet worden ist. Damit ist die Steuerbegünstigung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auf die Fälle der Errichtung inländischer Familienstiftungen begrenzt. Der Begriff der Familienstiftung ist im ErbStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist die Frage, ob eine Stiftung als Familienstiftung anzusehen ist, anhand des vom Stifter verfolgten Zwecks der Stiftung zu beurteilen, wie er ihn objektiv erkennbar in der Satzung zum Ausdruck gebracht hat. "Wesentlich" im Interesse einer Familie errichtet ist eine Stiftung dann, wenn das Wesen der Stiftung nach der Satzung und ggf. dem Stiftungsgeschäft darin besteht, es der Familie zu ermöglichen, das Stiftungsvermögen, soweit es einer Nutzung zu privaten Zwecken zugänglich ist, zu nutzen und die Stiftungserträge aus dem gebundenen Vermögen an sich zu ziehen (BFH-Urteile vom 10. Dezember 1997 II R 25/94, Sammlung der Entscheidungen des BFH - BFHE - 185, 58, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1998, 114 und vom 18. November 2009 II R 46/07, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2010, 898).

b) Im Streitfall handelt es sich - dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig - um eine solche Familienstiftung. Die Berücksichtigung der Steuerermäßigung setzt somit voraus, dass sich der Sitz der Stiftung im Inland befindet. Ob es - wie in der Literatur vertreten - im Hinblick auf den bei juristischen Personen an Sitz oder Geschäftsleistung anknüpfenden Inländerbegriff des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 ErbStG genügt, dass sich zumindest die Geschäftsleitung im Inland befindet (hierzu Götz in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/ GrEStG, Loseblatt, Stand Febr. 2019, § 15 ErbStG Rdnr. 107; Jülicher in Troll/ Gebel/Jülicher ErbStG, Loseblatt, Stand Dez. 2018, § 15 Rdnr. 110; Stein in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § 15 Rdnr. 74), kann der Senat offen lassen. Denn im Streitfall befindet sich weder der Sitz der Stiftung noch der Ort der Geschäftsleitung im Inland.

2. Nach Überzeugung des Senats verstößt die unterschiedliche Behandlung von Familienstiftungen mit Sitz im Inland gegenüber ausländischen Familienstiftungen nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG nicht gegen bilaterale Abkommen; insbesondere verstößt es nicht gegen Art. 24 DBA (a. A. Gierhake, ZErb 2016, 163).

Die Bundesrepublik Deutschland und das Fürstentum Liechtenstein haben am 17. November 2011 das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen abgeschlossen. Der Bundestag hat diesem am 5. Dezember 2012 (BGBl II 2012, 1462) zugestimmt. Nach Art. 2 DBA bezieht sich das Abkommen zwar auf Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, Art. 24 Abs. 6 DBA erweitert den Anwendungsbereich bezüglich des Verbots von Diskriminierungen aber auf Steuern jeder Art und Bezeichnung und kann insoweit für die Schenkungsteuer herangezogen werden (Hardt in Wassermeyer, DBA, Band IV, Loseblatt, Stand September 2018, Liechtenstein Art. 24 Rdnr. 152).

Gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA dürfen Staatsangehörige eines Vertragsstaates im anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist, als die Besteuerung oder die damit zusammenhängenden Verpflichtungen, denen Staatsangehörige des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen, insbesondere hinsichtlich der Ansässigkeit, unterworfen sind oder unterworfen werden können.

Dieses Verbot der Diskriminierung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 DBA, dessen Anwendungsbereich sich auch auf juristische Personen erstreckt (vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. j DBA) untersagt eine Schlechterbehandlung von Ausländern gegenüber Staatsangehörigen unter gleichen Verhältnissen. Damit ist das Diskriminierungsverbot zu unterscheiden von der grundsätzlich zulässigen steuerlichen Differenzierung nach der Ansässigkeit bzw. zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht (Hardt in Wassermeyer, DBA, Band IV, Loseblatt, Stand September 2018, Liechtenstein, Art. 24 Rdnr. 152). Da Art. 24 Abs. 1 DBA den Begriff "unter gleichen Verhältnissen" dahingehend konkretisiert, dass ein in einem Staat ansässiger und ein dort nicht ansässiger Steuerpflichtiger sich nicht in gleichen Verhältnissen befinden, verstoßen steuerliche Vorschriften, die eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Ansässigkeit vorsehen, selbst dann nicht gegen Art. 24 Abs. 1 DBA, wenn dies mittelbar zu einer Ausländerdiskriminierung führt (von Pannwitz in Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, 3. Auflage 2016, Art. 24 MA II Rdnr. 3, 18). Auch nach Rechtsprechung des BFH beschränkt sich das Diskriminierungsverbot des DBA auf solche Schlechterstellungen, die darauf abstellen, ob die Errichtung der betreffenden Körperschaft nicht nach inländischem, sondern nach dem Recht des anderen DBA-Staates vorgenommen worden ist. Dagegen greift das Diskriminierungsverbot nicht ein, wenn der deutsche Gesetzgeber - wie im Streitfall - steuerliche Vergünstigungen für Körperschaften vorsieht, deren Geschäftsleitung oder deren Sitz im deutschen Inland liegt, während er Körperschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland von dieser Vergünstigung ausschließt, gleichgültig nach welchem Recht sie errichtet worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1983 II R 20/80, BFHE 139, 298, BStBl II 1984, 9, m. w. N.).

3. Der Senat erachtet jedoch eine weitergehende Auslegung der Steuerermäßigungsvorschrift als europarechtlich geboten, da die fehlende Einbeziehung der Stiftung mit Sitz in Liechtenstein in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG gegen die im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 40 EWR-Abkommen i. V. m. Anhang XXII EWR-Abkommen, Art. 63 und Art. 65 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -; früher Art. 56 und Art. 58 des EG-Vertrags) verstößt.

a) Als Mitglied des europäischen Wirtschaftsraums gelten gegenüber dem Fürstentum Liechtenstein - neben dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 4 EWR-Abkommen - auch die Grundfreiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs uneingeschränkt (vgl. Art. 126 EWR-Abkommen), wobei die spezielleren Grundfreiheiten mit den darin enthaltenen Diskriminierungsverboten Anwendungsvorrang gegenüber dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 4 EWR-Abkommen haben (Hardt in Wassermeyer, DBA, Band IV, Loseblatt, Stand September 2018, Liechtenstein Art. 24 Rdnr. 15 ff.).

Hinsichtlich der Kapitalverkehrsfreiheit bestimmt Art. 40 EWR-Abkommen, dass der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten ansässig sind, im Rahmen dieses Abkommens keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes unterliegt. Ergänzend verweist Anhang XII des Abkommens auf Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988. Darüber hinaus sieht Art. 6 EWR-Abkommen eine europarechtskonforme Auslegung des Abkommens vor, soweit die EWR-Bestimmungen mit den Unionsregelungen - wie im Fall der Grundfreiheiten - im Wesentlichen identisch sind.

Dies führt im Ergebnis dazu, dass der EuGH die Grundfreiheiten des EWR-Abkommens und die in der europäischen Union geltenden Grundfreiheiten parallel auslegt (vgl. Schwenke/Hardt in Wassermeyer, DBA, Band I, Loseblatt, Stand September 2018, MA Vor 1, Rdnr. 102, mit einer Vielzahl von Rechtsprechungsnachweisen; zur Übertragung der Grundsätze der Art. 63 und 65 AEUV vgl. EuGH-Urteil vom 8. November 2012 C-342/10 - Kommission/ Finnland -, Internationales Steuerrecht - IStR - 2013, 204).

b) Unter Berücksichtigung der zum Verhältnis von Grundfreiheiten und direkten nationalen Steuern ergangenen Rechtsprechung verletzt die fehlende Einbeziehung einer Liechtensteiner Stiftung in die Steuerbegünstigung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG die Kapitalverkehrsfreiheit.

aa) Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen zur Vereinbarkeit der Besteuerung von Zuwendungen durch die Mitgliedsstaaten mit der unionsrechtlich gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit Stellung genommen (u. a. EuGH-Urteile vom 30. Juni 2016 C-123/15 - Feilen -, BStBl II 2017, 424; vom 8. Juni 2016 C-479 - Hünnebeck -, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2016, 1360; vom 4. September 2014 C-211/13 - Kommission/ Deutschland - DStR 2014, 1818; vom 17. Oktober 2013 C-181/12 - Welte -, DStR 2013, 2269 [BFH 13.06.2013 - VI R 17/12]; vom 15. September 2011 C-132/10 - Halley-, BFH/NV 2011, 1997; vom 10. Februar 2011 C-25/10 - Missionswerk Heukelbach -, Slg. 2011, I-497; vom 22. April 2010 C-510/08 - Mattner -, Slg. 2010, I-3553; vom 12. Februar 2009 C-67/08 "Block", Slg. 2009, I-883; vom 11. September 2008 C-11/07 - Eckelkamp -, Slg. 2008, I-6845; vom 11. September 2008 C-43/07 - Arens-Sikken -, Slg. 2008, I-6887 und vom 11. Dezember 2003 C-364/01 - Barbier -, Slg. 2003, I-15013).

Bei Übertragung der darin enthaltenen Grundsätze auf den vorliegenden Streitfall steht für den Senat zweifelsfrei fest, dass die streitgegenständliche Zuwendung des (inländischen) Klägers an die Stiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein erfolgte, nicht als ein nur innerstaatlicher Vorgang anzusehen ist und somit unter die Bestimmungen über den Kapitalverkehr fällt.

Die steuerliche Behandlung von Schenkungen fällt unabhängig davon, ob es sich bei der Zuwendung um Geldbeträge, um bewegliche oder um unbewegliche Sachen handelt, unter die Kapitalverkehrsfreiheit; ausgenommen sind lediglich diejenigen Fälle, die mit keinem ihrer wesentlichen Elemente die Grenzen eines Mitgliedstaats überschreiten (vgl. EuGH-Urteil vom 22. April 2010 C-510/08 - Mattner -, Slg. 2010, I-3553). Unstreitig hiervon mitumfasst wird die Einbringung des Stiftungsvermögens in eine Stiftung bei deren Gründung durch den Stifter (EuGH-Urteil vom 17. September 2015 C-589/13 - F.E. Familienprivatstiftung Eisenstadt -,Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht - NZG - 2015, 1440).

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Maßnahmen, die nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. insbesondere EuGH-Urteil vom 10. Februar 2011 C-436/08 und C-437/08 - Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, Slg 2011, I-305, 50). Eine solche Maßnahme stellt auch die Besteuerung einer Schenkung dar, wenn sich der Gegenstand der Schenkung in einem Mitgliedsstaat befindet und der Schenker in einem anderen Mitgliedsstaat ansässig ist, da die Besteuerung eine Wertminderung der Schenkung bewirkt (vgl. EuGH-Urteil vom 4. September 2014 C-211/13 - Kommission/Deutschland -, DStR 2014, 1818 unter Verweis auf die Urteile vom 17. Oktober 2013 C-181/12 - Welte -, DStR 2013, 2269 [BFH 13.06.2013 - VI R 17/12] und vom 22. April 2010 C-510/08 - Mattner -, Slg. 2010, I-3553, 41 und die dort aufgeführte Rechtsprechung).

Den vorgenannten Entscheidungen entnimmt der Senat den Grundsatz, dass innerstaatliche Besteuerungsnormen der Kapitalverkehrsfreiheit immer dann entgegenstehen, wenn Auslandsvermögen aufgrund fehlender Abzugsmöglichkeit von Belastungen oder aus formellen Gründen, z. B. kürzeren Verjährungsfristen, ungünstiger bzw. höher bewertet wird als Inlandsvermögen oder wenn Inländer als unbeschränkt Steuerpflichtige aufgrund höherer Freibeträge oder geringerer Steuersätze weniger Steuer auf gleiche Erwerbe bezahlen müssen als beschränkt Steuerpflichtige (so auch Urteil des Hessischen FG vom 3. Juli 2013 1 K 608/10, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2013, 2035).

Im Streitfall eröffnet die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG einen Anspruch auf Ermäßigung oder sogar Befreiung bei Zuwendungen eines Inländers an eine im Inland ansässige Familienstiftung, indem sie von der Bemessungsgrundlage der Steuer eine Steuerermäßigung in Abzug bringt. Die Regelung hat somit zur Folge, dass eine Zuwendung an eine Stiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in Liechtenstein, deren Begünstigte - wie im Streitfall - ausschließlich aus Abkömmlingen gerader Linie bestehen, in Deutschland einer höheren Schenkungsteuer unterliegt als dies der Fall wäre, wenn die nämliche Zuwendung an eine Stiftung mit Sitz in Deutschland erfolgt wäre.

Damit verfügt eine inländische Stiftung gegenüber Stiftungen mit Sitz im Ausland - unter im Übrigen gleichen Bedingungen - dauerhaft über höhere finanzielle Mittel bzw. - bei Übernahme der Schenkungsteuer durch den Zuwendenden wie im Streitfall - muss der Inländer einen höheren finanziellen Aufwand betreiben, um eine ausländische Stiftung mit dem gleichen Kapital auszustatten als dies bei einer inländischen Stiftung notwendig wäre. Ein solcher Liquiditätsnachteil, der bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt auftritt, stellt nach der Überzeugung des Senats eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar (vgl. hierzu EuGH-Urteil vom 17. September 2015 C-589/13 - F.E. Familienprivatstiftung Eisenstadt, NZG 2015, 1440 [OLG Köln 29.06.2015 - 8 AR 39/15]).

c) Nach Überzeugung des Senats ist diese verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs durch § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG auch nicht aufgrund von Bestimmungen des Vertrags gerechtfertigt (so im Ergebnis auch Gierhake, ZErb 2016, 163; Götz in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, Loseblatt, Stand Febr. 2019, § 15 ErbStG Rdnr. 108 ff.; Kellermann/Schnitger, IStR 2005, 253; Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261; Thonemann, ErbStB 2005, 220; wohl auch Stein in von Oertzen/Loose, ErbStG, 2017, § 15 Rdnr. 76; a. A. aufgrund der Rechtfertigung über die nur gegenüber inländischen Stiftungen geltende Erbersatzsteuer wohl Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG Loseblatt, Stand Dez. 2018, § 15 Rdnr. 110; Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, Loseblatt, Stand September 2018, § 15 Rdnr. 40).

(1) Nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV berührt Art. 63 AEUV nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln.

Diese Bestimmung stellte eine Ausnahme vom Grundprinzip des freien Kapitalverkehrs dar und ist infolgedessen eng auszulegen. Sie kann somit nicht dahin verstanden werden, dass jede Steuerregelung, die zwischen Steuerpflichtigen nach ihrem Wohnort oder nach dem Mitgliedstaat ihrer Kapitalanlage unterscheidet, ohne weiteres mit dem Vertrag vereinbar wäre. Die in Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV vorgesehene Ausnahme wird nämlich ihrerseits durch Abs. 3 dieses Artikels eingeschränkt, wonach die in Art. 65 Abs. 1 AEUV genannten nationalen Vorschriften weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Art. 63 AEUV darstellen dürfen.

Deshalb ist zwischen den nach Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV erlaubten Ungleichbehandlungen und den nach Art. 65 Abs. 3 AEUV verbotenen willkürlichen Diskriminierungen zu unterscheiden. Eine nationale Steuerregelung, die für die Festsetzung der Schenkungsteuer bei einem Tatbestandsmerkmal danach unterscheidet, ob der Zuwendende oder der Erwerber seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat oder beide in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, kann nur dann mit den Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr vereinbar sein, wenn die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die objektiv nicht miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (ständige Rechtsprechung des EuGH; vgl. EuGH-Urteile vom 30. Juni 2016 C-123/15 - Feilen -, BStBl II 2017, 424 und vom 17. Oktober 2013 C-181/12 - Welte -, DStR 2013, 2269 [BFH 13.06.2013 - VI R 17/12] sowie die dort aufgeführte Rechtsprechung.).

Da die Steuerbarkeit des Übergangs von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG sowohl rein inländische Sachverhalte umfasst als auch die im vorliegenden Streitfall erfolgte Errichtung einer Liechtensteinischen Stiftung, jedoch die Begünstigung § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bei Errichtungen von Familienstiftungen nur dann greift, wenn der Sitz der Stiftung sich im Inland befindet, sind die in Rede stehenden Situationen objektiv vergleichbar.

Als zwingende Gründe des Allgemeininteresses, die die unterschiedliche Behandlung in diesem Zusammenhang rechtfertigen könnten, kommt nach der Überzeugung des Senats nur die Notwendigkeit der Kohärenz eines Steuersystems bzw. die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit in Betracht. Denn - wie der Kläger zu Recht vorträgt - vermag das Erfordernis der fiskalischen Kontrolle der Stiftungstätigkeit spätestens seit Abschluss des Informationsaustauschabkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Fürstentums Liechtenstein über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuersachen vom 2. September 2009 (umgesetzt durch das Zustimmungsgesetz vom 18. August 2010, BGBl II 2010, 951) keine Ungleichbehandlung mehr zu rechtfertigen (vgl. Gierhake, ZErb 2016, 163; Kirchhain, IStR 2015, 246).

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Notwendigkeit, die Kohärenz eines Steuersystems zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen. Eine solche Rechtfertigung ist jedoch nur zulässig, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung dargetan ist, wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs anhand des Ziels der fraglichen Regelung beurteilt werden muss (EuGH-Urteil vom 30. Juni 2016 C-123/15 - Feilen -, BStBl II 2017, 424 unter Verweis auf Urteil vom 17. Oktober 2013 C-181/12 - Welte -, DStR 2013, 2269 [BFH 13.06.2013 - VI R 17/12], sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Ausgestaltung der fraglichen Steuervergünstigung und der (entsprechenden) Steuerbelastung muss hierbei einer "spiegelbildlichen Logik" folgen (EuGH-Urteil vom 30. Juni 2016 C-123/15 - Feilen -, BStBl II 2017, 424 unter Verweis auf Urteile vom 1. Dezember 2011, C-250/08 - Kommission/Belgien - Slg. 2011, I-12341 und C-253/09 - Kommission/Ungarn -, Slg. 2011, I-12391).

Der Rechtfertigungsgrund der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis wurde vom EuGH zur Rechtfertigung einer die Grundrechte der Freizügigkeit beschränkenden oder beeinträchtigenden Maßnahme im Bereich der unmittelbaren Steuern anerkannt, kann aber nach Ansicht des Senats auch für die Rechtfertigung von die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkenden Vorschriften des Erb- und Schenkungsteuerrechts herangezogen werden. Es erlaubt den Mitgliedsstaaten, den Steuerpflichtigen die Möglichkeit einer Wahl zwischen mehreren Steuersystemen zu verweigern, wenn dies das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit gefährden würde (ausführlich zum Rechtfertigungsgrund der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit: Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 17. März 2016 in Sachen C-123/15 - Feilen -, zitiert nach juris). Entscheidend ist auch hier, welches Ziel der Gesetzgeber mit der Regelung verfolgt.

Der Senat vermag im § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG keine Rechtfertigung für die Beschränkung der Begünstigung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu sehen. Nach Überzeugung des Senats fehlt es bereits am hierzu notwendigen gesetzgeberischen Ziel. Die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG bestand bereits in vergleichbarer Form, als der Gesetzgeber die so genannte Ersatzerbschaftsteuer eingeführt hat. Aus den vorliegenden Gesetzgebungsmaterialien vermag der Senat nicht zu schließen, dass der Gesetzgeber bei Einführung des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bewusst die Inlandsbeschränkung in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG im Hinblick auf die nur für inländische Stiftungen geltende Ersatzerbschaftsteuer geschaffen hat (vgl. Thömmes/Stockmann, IStR 1999, 261; für eine gesetzgeberische Verbindung der Ersatzerbschaftsteuer mit der begünstigten Besteuerung bei Auflösung - §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 i. V. m. Art. 7 Satz 1 aber BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 18/87, BFHE 159, 221, BStBl II 1990, 221).

Im Rahmen der Erbschaftsteuerreform 1974 (Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts - Erbschaftsteuerreformgesetz 1974 - vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 933) wurde eine periodisch wiederkehrende Erbschaftsbesteuerung von Familienstiftungen und von -vereinen geschaffen (Ersatzerbschaftsteuer; vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG). Der Gesetzgeber wollte möglichst die gesamten Vermögen einmal im Generationswechsel der Steuer unterwerfen. Vor der Reform der Erbschaftsteuer war zwar die Gründung einer Stiftung der Besteuerung zu unterwerfen (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG; § 3 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG 1959), nicht aber ein "Generationswechsel". Dies führte dazu, dass in Familienstiftungen gebundenes Vermögen über Generationen hinweg erbschaftsteuerfrei blieb. Denn im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften, bei denen eine Besteuerung beim Anteilseigner sichergestellt ist, existieren bei einer Familienstiftung keine solchen Anteile. Der Gesetzgeber war der Auffassung, zur Erhaltung großer Familienvermögen werde aus steuerlichen Gründen immer mehr die Rechtsform der Stiftung gewählt, so dass diese Besteuerungslücke zu schließen sei. Ein Bezug zur Inlandsbeschränkung in § 15 Abs. 2 ErbStG findet sich nicht.

Bereits die vorhergehende Fassung des Erbschaftsteuergesetzes - das Erbschaftsteuergesetz vom 24. März 1959 (BStBl 1959 I 159) - unterwarf nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG 1959 den Übergang von Vermögen aufgrund eines Stiftungsgeschäfts unter Lebenden der Steuerpflicht. Gleichzeitig bestimmte § 10 Abs. 2 Hs. 2 ErbStG 1959 für diese Fälle der Besteuerung, das Verwandtschaftsverhältnis des nach der Stiftungsurkunde entferntest Berechtigten zu dem Schenker zugrunde zu legen, "sofern die Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien gemacht ist."

Im Entwurf des Steuerreformgesetzes vom 10. März 1972 (BR-Drs. 140/72; dem Bundestag am 4. Mai 1972 zugeleitet - BT-Drs. VI/3418) wurde in § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG-Entwurf diese Regelung mit dem Zusatz "im Inland" übernommen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG). Aus welchem Grund dieser Zusatz eingefügt wurde, vermag der Senat aus heutiger Sicht nicht mehr nachzuvollziehen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs, der - was im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wieder entfiel - eine Mindestbesteuerung nach Steuerklasse II vorsah, heißt es hierzu lediglich: "In sachlicher Hinsicht ist in Satz 1, der dem zweiten Halbsatz des § 10 Abs. 2 ErbStG entspricht, die Regelung neu, dass der Übergang des Vermögens auf die Familienstiftung mindestens nach Steuerklasse II zu versteuern ist." Ob der damalige Gesetzgeber überhaupt bewusst mit der Beschränkung "im Inland" eine Einschränkung gegenüber der bisherigen Regelung vornehmen wollte, erscheint daher bereits zweifelhaft. Erst der zweite Bericht des Finanzausschusses vom 3. Dezember 1973 (BT-Drs. 7/1333) - also zwanzig Monate später - enthielt dann erstmals die Einführung einer Ersatzerbschaftsteuer. Daher ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien in keiner Weise ein - für eine europarechtliche Rechtfertigung - spiegelbildlicher Zusammenhang zwischen der Schaffung der Erbersatzsteuer und der Einschränkung der Steuerbegünstigung auf Steuerinländer. Auch den Ausführungen in dem - vom BFH zur Begründung seines Urteils vom 6. Dezember 1989 II R 18/87, BFHE 159, 221, BStBl II 1990, 21 [BFH 20.09.1989 - X R 43/86] - herangezogenen Protokoll der Verhandlung des Deutschen Bundestages vom 6. Dezember 1973 (7. Wahlperiode, 69. Sitzung, S. 4128 linke Spalte, vorletzter Absatz) vermag der Senat keinen solchen Zusammenhang zu entnehmen.

Auch wenn nach heutiger Rechtslage sowohl die Gewährung einer Steuervergünstigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG als auch die Belastung durch die Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG voraussetzen, dass die Stiftung im Inland errichtet wurde, vermag der Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass die Beschränkung der Vergünstigung und die Einführung der Ersatzerbschaftsteuer in einem quasi spiegelbildlichen Zusammenhang stehen, der einer - für eine europarechtliche Rechtfertigung notwendigen - Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. insoweit EuGH-Urteil vom 30. Juni 2016 C-123/15 - Feilen -, BStBl II 2017, 424, m. w. N.) zugänglich ist.

c) Zur Beseitigung der Europarechtswidrigkeit ist im Streitfall die Steuerbegünstigung des § 15 Abs. 2 Satz 1 ErbStG zu gewähren.

Den Regelungen des EWR-Abkommen kommt - ebenso wie dem Unionsrecht - Anwendungsvorrang zu (Art. 7, 120 EWR-Abkommen; BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 X R 43/10, HFR 2013, 19). Um diesen Anwendungsvorrang hinreichend zu gewährleisten, haben die nationalen Gerichte nach der Rechtsprechung des EuGH "unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des vorrangig geltenden Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt" (EuGH-Urteile vom 4. Juli 2006 C-212/04 - Adeneler -, Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 - Kücükdeveci -, Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228).

Dieser vom EuGH für die Rechtsstreite zwischen Privaten entwickelte Grundsatz (vgl. Urteile 19. Januar 2010 C-555/07 - Kücükdeveci -, Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228) ist auf Rechtsstreitigkeiten im Bereich der finanzgerichtlichen Rechtsprechung übertragbar (vgl. BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566; zur unmittelbaren Anwendung von Europarecht vgl. auch Urteile des Finanzgerichts Münster vom 13. Juli 2007 9 K 1080/04 K,G,F, EFG 2007, 1976 [FG Münster 13.07.2007 - 9 K 1080/04 K,G,F] und des Finanzgerichts München vom 19. September 2016 7 K 1118/16, EFG 2016, 1991; nachfolgend BFH-Urteil vom 24. Juli 2018 I R 75/16, DStR 2019, 214).

Im Hinblick auf diese rechtliche Wertung hält der Senat eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 2 AEUV nicht für erforderlich.

Unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 200.000 € und eines Steuersatzes von 15 % beträgt die festzusetzende Schenkungsteuer 0,00 €.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten erfolgt gemäß § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

VI. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

RechtsgebietStiftung; Lichtenstein; Kapitalsverkehrsfreiheit

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