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12.09.2019 · IWW-Abrufnummer 211125

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 28.05.2019 – 6 U 27/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht  Oldenburg

Im Namen des Volkes

Urteil
 
6 U 27/18
14 O 272/17 Landgericht Osnabrück   

Verkündet am 28.05.2019 

In dem Rechtsstreit

1. AA AG, vertreten durch den Vorstand, Ort1,

2. BB AG, vertreten durch den Vorstand, Ort1,

3. CC AG, vertreten durch den Vorstand, Ort1,

4. DD AG, vertreten durch den Vorstand, Ort2,

Klägerinnen und Berufungsklägerinnen,

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 3 und 4:
(…),
Geschäftszeichen: (…)

gegen

EE GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer FF, Ort3,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:
(…),
Geschäftszeichen: (…)

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom 21.05.2019 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 16.01.2018 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer (= 2. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Osna- brück teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer - zu unterlassen,

geschäftlich handelnd Versicherungsnehmern der Klägerin zu 1 und/oder der Klägerin zu 4 Kündigungs- und/oder Freistellungs- und/oder sonstige Erklärungen, die an eine der Klägerinnen gerichtet sind, zur Verfügung zu stellen und/oder Versicherungsnehmer der Klägerin zu 1 und/oder der Klägerin zu 4 auf sonstige Weise zu veranlassen, eine Kündigungs- und/oder Freistellungs- und/oder sonstige Erklärung gegenüber einer der Klägerinnen abzugeben, wenn eine solche Erklärung die folgende Klausel wörtlich oder sinngemäß enthält:

„außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Einzugsermächtigungen und Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“
und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“

und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe bzw. Vertreterbesuche Ihrer Gesellschaft widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Sollten Kontaktaufnahmen, z. B. Im Schadensfall notwendig sein, soll dieses schriftlich erfolgen. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“

und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe bzw. Vertreterbesuche Ihrer Gesellschaft widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Sollten Kontaktaufnahmen, z. B. im Schadensfall notwendig sein, soll dieses schriftlich erfolgen. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz Einwilligungserklärungen. Ferner unter sage ich Ihnen hiermit, Personen-und vertragsbezogene Daten jeglicher Art selbstständigen oder angestellten Vermittlern Ihres Unternehmens mitzuteilen oder zugänglich zu machen“,
wie aus den mit diesem Urteil verbundenen Anlagen beispielhaft ersichtlich.

2. an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger (an Abmahnkosten) weitere 860,35 € (insgesamt also 1.029,35 €) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Juli 2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz sowie des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das angefochtene Urteil sowie dieses Urteil sind (wegen der Kosten) vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerinnen machen gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

Die Klägerinnen gehören der (…) Versicherungsgruppe (im nachfolgenden: (…)) an; die Klägerin zu 1 bietet Sachversicherungen und die Klägerin zu 4 Lebens-, Renten- und weitere Vorsorgeversicherungen der (…) an. Die Klägerin zu 3 verantwortet den Vertrieb der Versicherungsprodukte, während es sich bei der Klägerin zu 2 um die Holding-Gesellschaft handelt. Die Versicherungsprodukte der (…) werden insbesondere über angebundene Ausschließlichkeitsvertreter vertrieben.

Die Beklagte ist ein Vermittlungsunternehmen für Finanzdienstleistungen und Versicherungen, für die eine Vielzahl von freien Versicherungsmaklern tätig sind, die von der Beklagten vermittelten Versicherungs- und Finanzdienstleistungsprodukte an die Kunden der Beklagten vertreiben.

Zwischen den Unternehmen der (…) sowie der Beklagten bestand bis zum Jahre 2014 eine langjährige Geschäftsbeziehung; nach deren Beendigung streiten die Parteien in zahlreichen lauterkeitsrechtlichen Verfahren. Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung hat die Beklagte gegenüber Kunden der (…) vorformulierte Kündigungsschreiben, in denen eine Kontaktverbotsklausel enthalten ist, systematisch und flächendeckend eingesetzt und damit beabsichtigt, die Unternehmen der (…) von deren Versicherungsnehmern fernzuhalten.

Die Parteien vertreten unterschiedliche Auffassungen dazu, ob die konkrete Vorgehensweise der Beklagten unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden oder von den Klägerinnen hinzunehmen ist.

Die Klägerinnen haben (unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung, insbsondere unter Bezugnahme der Urteile des OLG Dresden und des OLG Oldenburg) die Auffassung vertreten, die von der Beklagten geübte Praxis sei wettbewerbsrechtlich unzulässig und deshalb zu beanstanden. Die Beklagte sei unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht berechtigt, durch Bereitstellung von Kündigungshilfen und anderen vorformulierten Erklärungen mit Kontaktverbotsklauseln an Kunden der (…) in den Wettbewerb einzugreifen; das bedeute eine gezielte Behinderung, die gegen die Klägerinnen zu 1 und 4 gerichtet sei. Aber auch die Klägerinnen zu 2 und 3 würden gezielt behindert, weil die Beklagte die von ihr verwendete und den Kunden vorgegebene Kontaktverbotsklausel dahingehend verstanden wissen wolle, dass sich auch die Klägerinnen zu 2 und 3 daran halten.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihr Verhalten sei nicht wettbewerbswidrig. Sie behauptet, sie habe ihren (jetzigen) Kunden - auf deren Wunsch und niemals ohne oder gegen ihren Willen - Hilfestellung bei der Abwicklung ihrer Versicherungsverträge bei Vorversicherern geleistet, indem sie Ihnen auf Wunsch eine vorformulierte Textpassage zur Verfügung gestellt habe, durch die sich der Kunde Kontaktaufnahmen verbeten habe. Zu einer solchen Hilfestellung habe deshalb Anlass bestanden, weil die (…) regelmäßig den Kunden nach Ausspruch der Kündigung veranlassen möchte, die Kündigung zurückzunehmen oder zumindest nach den Gründen für die Kündigung zu befragen. Sie habe sich deshalb veranlasst gesehen, als Sachwalter und Interessenwahrer ihrer Kunden den besagten Passus bereitzustellen, um die Kunden vor belästigenden Kontaktaufnahmen zu bewahren. Da sich die Kunden darauf nicht hätten verlassen können, bestehe ein erhebliches Bedürfnis auf Unterstützung durch den Vermittler (sowie Schutz des Kunden), von dem der Kunde künftig betreut zu werden wünscht. Gleichwohl habe sich die Klägerin über den ausdrücklichen Kunden willen hinweggesetzt. Sie setze die „Kontaktsperre“ nicht aus Eigennutz und auch nicht systematisch ein, sondern punktuell nur dann, wenn der Kunde dies (ausdrücklich) wünscht.

Das Landgericht hat mit dem am 16.01.2018 verkündeten Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen sowie hinsichtlich der erstinstanzlich gestellten Anträge verwiesen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), der Klage unter Abweisung im Übrigen (Einschränkung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs) nur teilweise stattgegeben. Des Weiteren hat das Landgericht Abmahnkosten lediglich in Höhe von 169,- € nebst Zinsen seit dem 06.07.2017 zugesprochen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der von den Klägerinnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei nur in eingeschränktem Umfang begründet. Ein Anspruch auf Unterlassung bestehe sich nur hinsichtlich der bestehenden Versicherungsverträge, nicht jedoch im Hinblick auf den/die gekündigten Vertrag/Verträge. Die Formulierungen würden sich unzulässig weit auf sämtliche potentiellen Verträge erstrecken.

Nach der Rechtsprechung des BGH sei eine Hilfe bei der ordnungsgemäßen Vertragsauflösung eines vertraglich gebundenen Neukunden (sog. Kündigungshilfe) grundsätzlich zulässig. Das gelte nach Auffassung der Kammer nicht nur für ein vorbereitetes Kündigungsschreiben, sondern gleichermaßen auch für den Widerruf einer früher erteilten Einwilligung zur Kontaktaufnahme durch Telefonanrufe, E-Mails, Vertreterbesuche pp.. Eine unzulässige und wettbewerbswidrige Irreführung, Überrumpelung oder Einschränkung des Kunden in seiner Entscheidungsfreiheit liege nicht vor. Eine wettbewerbsrechtliche Behinderung der Klägerinnen könne nicht angenommen werden.

Allerdings würden die Formulierungen in den Kündigungsschreiben insoweit zu weitgehend erscheinen, als danach auch parallel der (…) erteilte Einwilligungen hinsichtlich weiterer (nicht gekündigter) Versicherungsverhältnisse berührt seien. Insoweit sei das Verhalten der Beklagten als unsachliche und unangemessene Einflussnahme auf die Verbraucher und als gezielte Behinderung eines Mitbewerbers zu qualifizieren; denn sie erfolge umfassender als für die konkrete Kündigung erforderlich und angemessen, weil sie dem früheren Vertragspartner jede Möglichkeit abschneide, bezogen auf die nicht gekündigten Verträge weiterhin zu den Kunden in Kontakt zu treten.

Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten sei wegen des überwiegenden Misserfolgs des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs deshalb nur teilweise berechtigt.

Gegen die Entscheidung wenden sich die Klägerinnen mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Die Klägerinnen unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag sind der Auffassung, die angefochtene Entscheidung könne keinen Bestand haben. Sie begehren mit der Berufung eine Abänderung des Tenors zu 1 dahingehend, dass die Einschränkung „soweit damit mehr als der konkret gekündigte Versicherungsvertrag angesprochen wird“ gestrichen wird sowie eine Zuerkennung der geltend gemachten Abmahnkosten. Die Entscheidung des Landgerichts stehe in einem diametralen Widerspruch zu der Entscheidung des Senats vom 29.05.2017 (6 U 208/16), in der die Praxis der Beklagten als unzulässig bewertet worden sei. Das Landgericht gelange - abweichend von der Entscheidung des OLG Oldenburg - zu der irrigen Rechtsauffassung, dass es ihr erlaubt sei, sie von dem Wettbewerb um jene Kunden, die die Beklagte gerade erst abgeworben habe, systematisch abzuschotten.

Die Klägerinnen beantragen,

unter Abänderung des am 16.01.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Osnabrück (Az.: 14 O 272/17) die Beklagte zu verurteilen,

1. es beim Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, geschäftlich handelnd Versicherungsnehmern der Klägerin zu 1 und/oder der Klägerin zu 4 Kündigungs- und/oder Freistellungs- und/oder sonstige Erklärungen, die an eine der Klägerinnen gerichtet sind, zur Verfügung zu stellen und/oder Versicherungsnehmer der Klägerin zu 1 und/oder der Klägerin zu 4 auf sonstige Weise zu veranlassen, eine Kündigungs- und/oder Freistellungs- und/oder sonstige Erklärung gegenüber einer der Klägerinnen abzugeben, wenn eine solche Erklärung die folgende Klausel wörtlich oder sinngemäß enthält:

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Einzugsermächtigungen und Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.g“

und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“

und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe bzw. Vertreterbesuche Ihrer Gesellschaft widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Sollten Kontaktaufnahmen, z. B. Im Schadensfall notwendig sein, soll dieses schriftlich erfolgen. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz-Einwilligungserklärungen. Insbesondere unter sage ich Ihnen hiermit, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten (einschließlich selbstständigen Vermittlern Ihres Unternehmens) mitzuteilen oder zugänglich zu machen.“

und/oder

„Außer der Kündigungsbestätigung bitte ich von weiteren Kontaktaufnahmen abzusehen. Etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe bzw. Vertreterbesuche Ihrer Gesellschaft widerrufe ich mit sofortiger Wirkung. Sollten Kontaktaufnahmen, z. B. im Schadensfall notwendig sein, soll dieses schriftlich erfolgen. Ferner widerrufe ich etwaige Datenschutz Einwilligungserklärungen. Ferner unter sage ich Ihnen hiermit, Personen-und vertragsbezogene Daten jeglicher Art selbstständigen oder angestellten Vermittlern Ihres Unternehmens mitzuteilen oder zugänglich zu machen“,

so wie nachfolgend beispielhaft wiedergegeben.
 
2. an die Klägerinnen als Gesamtgläubiger weitere 860,35 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Juli 2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Entscheidung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Sie verteidigt nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist begründet.

Denn das Landgericht hat – wie die Berufung zu Recht rügt – bei der getroffenen Entscheidung hinsichtlich des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu Unrecht eine Einschränkung vorgenommen, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Daraus resultiert letztlich auch eine zu geringe Zubilligung der geltend gemachten Abmahnkosten, die ebenfalls zu beanstanden ist.

1. Unterlassungsanspruch

Den Klägerinnen steht der von Ihnen geltend gemachte Unterlassungsanspruch in der konkret gewählten Formulierung gegen die Beklagte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG zu.

Als Mitbewerberinnen der Beklagten auf dem Versicherungssektor stehen den Klägerinnen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu und sie sind deshalb berechtigt, diese gegenüber der Beklagten geltend zu machen (§§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Nr. 3 UWG).

Die Beklagte hat mit dem beanstandeten Überlassen vorformulierter Schreiben als Unternehmerin auch eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Nr. 1 UWG vorgenommen. Indem die Beklagte vorformulierte Schreiben der angegriffenen Art den ehemaligen Kunden der Klägerinnen zu 1 und 4 zur Verfügung stellte, zielte sie auf eine Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidungen von Versicherungsnehmern, insbesondere auf einen Wechsel des Anbieters versicherungsrechtlicher Leistungen und auf eine Inanspruchnahme der von ihr (der Beklagten) angebotenen Versicherungsleistungen ab.

Das konkrete Vorgehen der Beklagten ist als unlautere geschäftliche Handlung gemäß § 3 Abs. 1 UWG unzulässig und zugleich als gezielte Behinderung eines Mitbewerbers gemäß § 4 Nr. 4 UWG zu qualifizieren. Zwischen den Parteien besteht das geforderte konkrete Wettbewerbsverhältnis.

Zunächst ist festzustellen, dass bei der Abwerbung von Kunden eine systematische Kündigungshilfe zur ordnungsgemäßen Auflösung von Versicherungsverträgen nicht als wettbewerbswidrig zu bewerten ist, sofern nicht unlautere Mittel eingesetzt werden.

Ausweislich der von den Klägerinnen exemplarisch vorgelegten, durch die Beklagte vorformulierten Schreiben wurde durch die jeweiligen Kunden der (…) Kündigungen von Versicherungsverträgen erklärt.

Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht besteht grundsätzlich kein Anspruch auf den Fortbestand eines einmal begründeten Vertragsverhältnisses. Das Abwerben von Kunden ist zulässiger Teil des Wettbewerbs, auch wenn die Kunden noch an den Mitbewerber gebunden sind. Der Beklagten war es deshalb grundsätzlich nicht verwehrt, Kunden der Klägerinnen dadurch Kündigungshilfe zu leisten, dass sie Ihnen Kündigungsschreiben vorformulierte und vorlegte. Deshalb ist die Leistung von Kündigungshilfe durch bloße Hinweise auf Notwendigkeit, Frist und Form einer Kündigung grundsätzlich wettbewerbskonform (BGH GRUR 2005, 603 in juris Rn. 14 - Kündigungshilfe; OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 7). Ein solches Verhalten ist ohne Hinzutreten besonderer Umstände wettbewerbsrechtlich weder als unangemessen unsachliche Einflussnahme auf Verbraucher noch als unlautere gezielte Behinderung eines Mitbewerbers zu beurteilen (BGH GRUR 2005, 603 in juris Rn. 14).

Entsprechendes gilt, wenn – wie hier - einem vertraglich noch anderweitig gebundenen Kunden ein vorbereitetes Kündigungsschreiben zur Verfügung gestellt wird, dass nach Einfügung des Kündigungstermins nur noch zu unterschreiben ist; ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird allein durch eine solche Dienstleistung nicht unsachlich zum Abschluss eines Vertrages mit einem Mitbewerber veranlasst (OLG Dresden, WRP 2015, 1395 in juris Rn. 7; BGH GRUR 2005, 603 in juris Rn. 17 + 19). Es gehört gerade zum Wesen des Wettbewerbs, dass Kunden abgeworben werden. Im Wettbewerb hat grundsätzlich niemand Anspruch auf Erhaltung seines Kundenstamms. Kunden zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung unter Beachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen zu bestimmen, ist grundsätzlich zulässig (BGH GRUR 2005, 603 in juris Rn. 17). Die Kündigungshilfe wird durch die Klägerinnen auch nicht beanstandet, was durch ihren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt und bekräftigt wurde.

Ferner ist es auch zulässig, sich zur Versendung des Kündigungsschreibens bevollmächtigen zu lassen (OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 8; Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, UWG, 37. Auflage, § 4 Rn. 4.39).

Die Kündigungshilfe verstößt auch nicht gegen das RechtsberatungsG, sofern nicht im Einzelfall eine rechtliche Beratung erfolgt. Ferner darf die Kündigungshilfe auch unaufgefordert angeboten werden. Allerdings darf der Kunde nicht irregeführt, überrumpelt oder sonst in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt werden (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, aaO, § 4 Rn. 4.39), wofür nach dem Sachvortrag der Parteien vorliegend nichts ersichtlich ist.

Allerdings führt der Einsatz von unlauteren Mitteln zur Unlauterkeit einer Abwehrmaßnahme. Gerade davon ist vorliegend auszugehen, weil sich die Beklagte zur Abwerbung sowie Erhaltung der früheren Kunden der Klägerinnen zu 1 und 4 unlauterer Mittel bedient hat. Darauf hat die Berufung zu Recht hingewiesen.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 29. Mai 2017 (6 U 208/16) - worauf die Klägerinnen zu Recht hinweisen - ausgeführt hat, betreibt die Beklagte durch den Einsatz vorbereiteter Kündigungserklärungen mit generellen Kontaktaufnahmeverbot eine gezielte Behinderung der Klägerinnen auf dem Versicherungsmarkt. Dies stellt einen Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG dar.

In den vorgelegten Kündigungsschreiben bitten die ehemaligen Kunden der Klägerin zu 1 neben einer Kündigungsbestätigung ferner darum, von weiteren Kontakt- aufnahmen abzusehen. Des Weiteren werden etwaige erteilte Einwilligungen in Telefonanrufe, E-Mails bzw. Vertreterbesuche widerrufen und schließlich wird der Klägerin zu 1 untersagt, personenbezogene Daten jeglicher Art Dritten mitzuteilen oder zugänglich zu machen, ausgenommen der EE GmbH (= Beklagte).

Die Beklagte hat somit unter Einsatz unlauterer Mittel systematisch sowie flächendeckend eine Abwehrmaßnahme vorgenommen, sodass sie berechtigterweise dem Unlauterkeitsvorwurf ausgesetzt ist. Der ehemalige Kunde der Klägerin zu 1 bzw. Klägerin zu 4 wird nämlich irregeführt, überrumpelt bzw. in seiner Entscheidungsfreiheit erheblich beeinträchtigt. Das wird etwa angenommen, wenn ein vorformuliertes Kündigungsschreiben die Klausel enthält, dass sämtliche in der Vergangenheit abgegebenen Werbe-und Anruferlaubnisse, einschließlich Rückwerbeversuche mit sofortiger Wirkung widerrufen werden (OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 14; Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, aaO, § 4 Rn. 4.39). Unlauter ist es zudem, wenn ein Unternehmer einem Kunden mitgeteilt, man werde in seinem Namen den Vertrag mit einem Mitbewerber kündigen, falls er nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (Köhler/Bornkamm/Feddersen-Köhler, aaO, § 4 Rn. 4.39).

Die Beklagte hat - wie bereits in der Senatsentscheidung vom 29. Mai 2017 festgestellt - in großem Umfang sich eines vorformulierten Kündigungsschreibens, in dem ein absolutes Kontaktaufnahmeverbot für die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 4 gegenüber den jeweils kündigenden (ehemaligen) Vertragspartnern bzw. Versicherungsnehmern enthalten ist, bedient. Damit behindert sie gezielt die Möglichkeit der Klägerinnen, ehemalige Kunden anzusprechen und diese zu einer Aufnahme der Vertragsbeziehung zu veranlassen. Diese Möglichkeit, die Kunden anderer Wettbewerber zu kontaktieren und abzuwerben zu versuchen, ist aber gerade Wesen des Wettbewerbs und begründet in umgekehrter Richtung auch das Recht der Beklagten, Kunden der Klägerinnen abzuwerben und ihnen vorgefertigte Kündigungsschreiben vorzulegen.

Durch das Vorgehen der Beklagten erfolgte eine unlautere gezielte Behinderung von Mitbewerbern, da in der Vorgehensweise eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber liegt, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweist. Das monierte Verhalten der Beklagten ist bei objektiver Würdigung der Umstände primär auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet. Unlauter ist auch eine gezielte Behinderung, die dazu führt, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann (OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 13 unter Hinweis auf BGH GRUR 2011, 1018 Rn. 65).

Die konkreten von der Beklagten verfassten Schreiben stellen eine gezielte Behinderung der Klägerinnen in der dargestellten Weise dar, da den Klägerinnen jegliche Kontaktaufnahmeversuche abgeschnitten werden, und das mit sofortiger Wirkung eintretende Kontaktaufnahmeverbot auch Rückwerbeversuche umfasst.

Ein rechtfertigender Grund für dieses Verhalten der Beklagten ist nicht ersichtlich und angesichts der erheblichen Anzahl von der Beklagten gefertigter Kündigungsschreiben und deren Verwendung mit der inkriminierten Fassung stellt sich das Handeln der Beklagten als systematisches Vorgehen zum Nachteil der Klägerinnen dar. Durch ihr konkretes Verhalten schottet die Beklagte die von ihr durch Abwerbung von den Klägerinnen angeworbenen Kunden gegenüber dem Wettbewerb durch die Klägerinnen ab, worin gerade eine gezielte Behinderung von Wettbewerbern i. S. d. § 4 Nr. 4 UWG zu sehen ist.

Zugleich kann die Beklagte durch ihr konkretes Vorgehen Nachfragen verhindern und damit die Interessen der Verbraucher beeinträchtigen (vgl. insoweit OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 14).

Das beanstandete Verhalten hat auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen. Die Beklagte errichtete nämlich eine Marktverhaltensschranke für aktuelle Mitbewerber, ohne dass sie eigene schutzwürdige Interessen für dieses Verhalten anzuführen vermag. Sie schottet sich mit ihren abgeworbenen Versicherten ab und verhindert zulässige, den Wettbewerb fördernde Anstrengungen der Klägerinnen, die abgeworbenen Versicherten doch noch bei sich zu halten. Damit gesteht die Beklagte ihren Mitbewerbern dasjenige nicht zu, was sie bei der Kündigungshilfe für sich selbst in Anspruch nimmt: nämlich im Grundsatz zulässige Abwerbung von Kunden durch Offerierung besserer Konditionen als der Mitbewerber. Eine solche Beeinträchtigung müssen die Klägerinnen nicht hinnehmen. Insbesondere kann die Beklagte den Klägerinnen nicht abverlangen, mit einem Versicherten, der noch ihr Kunde ist, nicht mehr telefonieren zu dürfen bzw. in Kontakt zu treten, und sei es auch nur zum Zweck der Abwicklung des Versicherungsverhältnisses (OLG Dresden WRP 2015, 1395 in juris Rn. 15).

Unter Beachtung der dargestellten Grundsätze ist die Annahme des Landgerichts, der Unterlassungsanspruch sei nur mit einschränkendem Inhalt – soweit damit mehr als der konkret gekündigte Versicherungsvertrag angesprochen wird – nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist der gestellte Unterlassungsantrag in seiner konkreten Form vollumfänglich begründet.

Deshalb ist die angefochtene Entscheidung abzuändern.

2. Abmahnkosten

Daneben können die Klägerinnen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG auch die berechtigten Abmahnkosten zur Höhe von insgesamt 1.029,35 € von der Beklagten beanspruchen.

Die Klägerinnen haben mit der Klage die Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 1.725,50 € als Gesamtgläubigerinnen begehrt. Allerdings haben sie in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht insoweit eine teilweise Klagrücknahme in Höhe von 145,38 € zzgl. Zinsen erklärt, ohne dass ersichtlich ist, dass die Beklagte in die Klagerücknahme eingewilligt hat. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2019 eine weitere Klagerücknahme erklärt und nur noch den zuerkannten Betrag in Höhe von insgesamt 1.029,35 € geltend gemacht. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 21.05.2019 darauf hingewiesen, dass unter Beachtung des Streitwerts allenfalls Abmahnkosten in Höhe von 1.029,35 € berechtigt sind.

Unter Berücksichtigung der bereits zugesprochenen Abmahnkosten in Höhe von 169,- € in dem angefochtenen Urteil ergibt sich ein weiterer Anspruch auf Zahlung berechtigter Abmahnkosten in Höhe von 860,35 €.

Der Zinsanspruch hinsichtlich der Abmahnkosten ergibt sich aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 ZPO, während sich die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO herleitet. Da sich die Geltendmachung der Abmahnkosten nicht streitwerterhöhend auswirkt, war eine Kostenentscheidung gemäß § 269 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

Nach Auffassung des Senats sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich; denn der Senat weicht – soweit ersichtlich – von einer höchstrichterlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung nicht ab.

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