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27.04.2006 · IWW-Abrufnummer 060887

Landgericht Dortmund: Urteil vom 11.08.2005 – 2 O 375/03

§ 2 Abs. IV AUB 95 - Leistungsausschluss infolge psychischer Reaktionen, Todesfalleistung, Bergungskosten auf die Todesfalleistung nach § 7 Abs. VI AUB 95


Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.646,79 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 06.09.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 4/5 die Beklagte und 1/5 die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Bezugsberechtigte aus einer von ihrem Ehemann abgeschlossenen Unfallversicherung, der die AUB 95 zugrunde liegen. Am 03.05.2001 schied der Ehemann durch Freitod aus dem Leben. Bereits zuvor hatte der Ehemann am 24.10.2000 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich eine Kopfverletzung zuzog.

Die Klägerin behauptet, der Arbeitsunfall und eine darauf beruhende Depression seien zumindest mitursächlich für den Freitod ihres Ehemannes gewesen. Sie macht mit der Klage die vereinbarte Todesfallsumme gem. § 7 VI AUB sowie die versicherten Bergungskosten gemäß BB Bergungskosten 91 geltend.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.231,80 ? nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab 06.09.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass zum Zeitpunkt des Unfalls vom 24.10.2000 eine Todesfallleistung von 13.000,00 DM versichert war. Sie bestreit diese Kausalität zwischen dem Unfall vom 24.10.2000 und dem Freitod und behauptet, den Freitod unter den Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 2 IV AUB. Diesen Leistungsausschluss will sie auch auf die geltend gemachten Ansprüche angewendet wissen. Schließlich macht sie Verfristung der Klage wegen Versäumung der Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 WG geltend.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die behauptete Ursächlichkeit zwischen dem Unfall vom 24.10.2000 und dem Freitod des Ehemannes der Klägerin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen F2 vom 16.03.2004 sowie der ergänzenden Stellungnahmen zu diesem Gutachten vom 11.05.2004, 26.10.2004 sowie 08.04.2005, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen geführten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klägerin kann als Bezugsberechtigte aus der zwischen ihrem verstorbenen Ehemann und der Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherung die vereinbarte Todesfallsumme verlangen, da der Tod ihres Ehemannes binnen eines Jahres nach dem Unfall vom 24.10.2000 eingetreten ist und der Unfall für den Tod ursächlich war. Der Höhe nach besteht der Anspruch in Höhe von 13.000,00 DM oder 6.646,79 ?, da für den Anspruch die im Zeitpunkt des Unfalles vom 24.10.2000 vereinbarte Todesfallleistung in Höhe von 13.000,00 DM maßgeblich ist und nicht - wie die Klägerin meint - die im Zeitpunk des Freitodes vom 03.05.2001 maßgebliche Todesfallleistung in Höhe von 14.000,00 DM.

1)
Die Beklagte ist verpflichtet, die vertraglich vereinbarte Todesfallleistung an die bezugsberechtigte Klägerin auszuzahlen, weil der Tod ihres Ehemannes binnen eines Jahres nach dem Unfall vom 24.10.2000 eingetreten und nach dem Gutachten des Sachverständigen F2 auf den Unfall vom 24.10.2000 zurückzuführen ist. Damit sind die Voraussetzungen von § 7 VI AUB 95 erfüllt, wonach der Anspruch auf Leistung nach der für den Tod vereinbarten Summe entsteht, wenn der Unfall innerhalb eines Jahres zum Tode führt. Die danach erforderliche Kausalität zwischen Unfall und Tod hat der Sachverständige bejahen können, nachdem er Einblick in das Obduktionsgutachten F vom 15.02.2005 nehmen konnte. Denn danach hat der Ehemann der Klägerin durch den Unfall vom 24.10.2000 nicht nur eine Schädelprellung, sondern eine strukturelle Hirngewebsläsion erlitten, die zweifelsfrei auf das Unfallgeschehen vom 24.10.2000 zurückzuführen ist. Diese Hirngewebsläsion hat zu einer erhöhten Suizidgefahr beim Kläger geführt, die sich letztendlich verwirklich hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war der Unfall vom 24.10.2000 sicherlich nicht die alleinige und zwangsläufige Ursache des Freitodes, er hat aber eine Kette von Risikoerhöhungen in Gang gesetzt, die letztendlich im Suizid endete. Damit hat der Sachverständige die Kausalität zwischen Unfall und Tod bejaht, so dass die Voraussetzungen von § 7 VI AUB vorliegen. Dem steht nicht entgegen, dass für den Freitod nicht nur die unfallbedingte Depression, sondern auch unfallunabhängige Umstände wie die berufliche Situation des Verstorbenen maßgeblich gewesen sein mögen und der Sachverständige sich außer Stande gesehen hat, die insgesamt zusammenwirkenden Ursachen quantitativ voneinander abzugrenzen. Denn für § 7 VI AUS reicht jede Mitursächlichkeit aus, die vom Sachverständigen bejaht worden ist.

2)
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Anspruch der Klägerin nicht nach § 2 IV AUB ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift fallen nicht unter dem Versicherungsschutz krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen. Die Anwendung dieser Vorschrift auf den Anspruch der Klägerin scheitert aus zwei Gründen.

Zum einen fällt die beim Kläger durch den Unfall vom 24.10.2000 ausgelöste Depression nicht unter die in § 2 IV AUB genannten psychischen Reaktionen. Denn der Ausschluss erfasst keine krankhaften Störungen der Psyche, die Manifestationen physischer, organischer Schädigungen vor allem des zentralen Nervensystems sind (BGH VersR 2004, 1449). Um eine solche Manifestation einer organischen Schädigung handelt es sich jedoch bei der Depression, die sich als Folge der bei dem Unfall vom 24.10.2000 erlittenen Hirngewebsläsion entwickelt hat, wie vom Sachverständigen festgestellt wurde.

Zum anderen ist die Kammer der Auffassung, dass der Ausschlussgrund des § 2 IV AUB auf die Todesfallleistung keine Anwendung findet. Denn nach dieser Vertragsbestimmung fallen nur krankhafte Störungen in Folge psychischer Reaktionen unter den Ausschluss, während der Tod vom Versicherungsnehmer nicht als krankhafte Störung verstanden wird. Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Es ist nicht maßgeblich, was sich der Verwender der Bedingungen bei ihrer Abfassung vorgestellt hat. Die Entstehungsgeschichte der Bedingungen, die der Versicherungsnehmer typischerweise nicht kennt, hat bei der Auslegung außer Betracht zu bleiben (BGH VersR 2003, 1163). Nach diesen Auslegungskriterien wird ein Versicherungsnehmer den Tod nicht unter eine krankhafte Störung subsumieren. Denn der Tod ist keine Störung (der Gesundheit) und erst recht nicht krankhaft, da eine Krankheit nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers Leben voraussetzt und eine Störung in der Gesundheit nicht mit dem Tode gleich zu setzen ist, der das Ende des Lebens bedeutet.

3)
Die Klägerin braucht sich keine Kürzung der Leistung nach § 8 AUB gefallen zu lassen, wonach die mindestens 25 %ige Mitwirkung von unfallunabhängigen Krankheiten oder Gebrechen bei der Höhe der Leistung zu berücksichtigen ist. Denn bei denjenigen Faktoren, die neben der unfallbedingten Depression für den Freitod des Ehemannes der Klägerin verantwortlich waren, handelte es sich um soziale Umstände und nicht um Krankheiten oder Gebrechen. Es kommt somit nicht mehr darauf an, ob die Beklagte beweisen muss, dass diese unfallunabhängigen Ursachen einen Anteil von mindestens 25 % am Tode des Ehemannes der Klägerin erreicht haben, oder ob bei einer Kürzung der Todesfallleistung nach § 8 AUB stets eine Halbierung der Versicherungssumme vorzunehmen ist (so OLG Frankfurt NJW-RR 1990,1368).

4)
Der Anspruch der Klägerin ist nicht nach § 12 Abs. 3 WG ausgeschlossen. Denn die 6monatige Ausschlussfrist lief bis zu. 01.09.2002. Die Klägerin hat den Mahnbescheid bereits am 21.08.2002 beantragt, der dann am 03.09.2002 erlassen und der Beklagten am 06.09.2002 zugestellt wurde.

5)
Bergungskosten in Höhe der vereinbarten Summe von 3.000,00 DM gemäß BB Bergungskosten 91 kann die Klägerin hingegen nicht verlangen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bedingungen hat die Beklagte nur entstandene notwendige Bergungskosten bis zu 3.000,00 DM zu ersetzen. Solche Bergungskosten hat die Klägerin jedoch nicht nachgewiesen. Die von ihr eingereichte Rechnung betrifft keine Bergungs-, sondern Beerdigungskosten, die nicht versichert sind. Auch die Kosten für die Überführung des Leichnams vom letzten Wohnsitz in N nach L fallen nicht unter die versicherten Kosten, da dazu nur die Überführungskosten vom Unfallort vom letzten Wohnsitz gehören. Insoweit unterlag die Klage der Abweisung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und deren Abwendung auf §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.

RechtsgebietAUB 95VorschriftenAUB 95 § 2 Abs.IV, § 7 Abs.VI

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