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30.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208576

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 13.11.2017 – 1 Ss 206/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Oldenburg (Oldenburg)

1 Ss 206/17
15 Ns 94/17 Landgericht Oldenburg
771 Js 54736/16 Staatsanwaltschaft Oldenburg
300 Ss 193/17 Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg

Urteil

Im Namen des Volkes

In der Strafsache

gegen     Herrn R…… A……I…..
wegen     fahrlässiger Körperverletzung,

Verteidiger:    Rechtsanwalt Dr. S……

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg in der Sitzung vom
13. November 2017, an der teilgenommen haben:

Richter am Oberlandesgericht …….
    als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht  …..und
Richterin am Landgericht ……
    als beisitzende Richter,
Erster Staatsanwalt …….
    als Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt Dr. S…..
    als Verteidiger,
Justizangestellte ……..
    als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil der 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 15. Juni 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen, die auch über die Kosten der Revision zu entscheiden hat.

Gründe

Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, am 9. August 2016 in G….. durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht zu haben, indem er gegen 00.10 Uhr mit einem landwirtschaftlichen Gespann aus Zugmaschine und zwei Anhängern in Höhe des Abschnitts 10, Station 3 der außerhalb einer geschlossenen Ortschaft befindlichen T……Straße vom Feld kommend auf diese aufgefahren sei. Dabei habe er die Wartepflicht gegenüber dem vorfahrtsberechtigten, sich auf der T……Straße in Richtung G…… nähernden Pkw Opel, amtliches Kennzeichen C……, des I….. A……verletzt, welcher nicht mehr rechtzeitig habe bremsen können und mit dem zweiten, noch quer zur Fahrbahn stehenden Anhänger des Gespanns kollidiert sei und hierdurch erhebliche Verletzungen erlitten habe. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt habe der Angeklagten den Unfall vermeiden können, während I……A……. keinerlei Mitverschulden treffe.

Von diesem Vorwurf hatte das Amtsgericht Cloppenburg den Angeklagten am 9. Februar 2017 freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Oldenburg mit Urteil vom 15. Juni 2017 verworfen.

Hiergegen richtet sich die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich das Fahrzeug des später geschädigten Zeugen A…… zu dem Zeitpunkt, zu dem der Angeklagte am 9. August 2016 gegen 00.10 Uhr mit seinem aus Zugmaschine und zwei Anhängern bestehenden Gespann von einem Feld kommend nach links auf die T….. Straße einbog, noch nicht in dem Bereich zwischen einer 400 m entfernten, aus Sicht des Angeklagten links befindlichen Kurve und dem späteren Kollisionsort, nämlich der rechten Fahrbahn in Richtung G…..in Höhe des Aufbiegeortes, wo sich der hintere Teil des zweiten Anhängers noch befand. Darüber hinaus hat das Landgericht festgestellt, dass der Zeuge A…… sich mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 70 km/h näherte. Schließlich hat der Zeuge A……- seiner durch die Strafkammer offenbar als zutreffend angesehen Aussage zufolge - die beiden vorderen Scheinwerfer des ihm auf der Gegenfahrbahn entgegenkommenden Fahrzeugs des Angeklagten gesehen, nachdem er die Kurve durchfahren hatte.

2.

Unter Zugrundelegung der Feststellungen des Landgerichts (400 m bis zur Kurve; maximale Geschwindigkeit des Zeugen A..... 70 km/h) benötigte der Zeuge A..... vom Durchfahren der Kurve bis zum Kollisionsort mehr als 20,5 Sekunden. Zu diesem Zeitpunkt war das Gespann immer noch nicht vollständig auf die rechte Fahrbahn eingebogen. Nimmt man hinzu, dass der Zeuge A..... nach Durchfahren der Kurve bereits beide Vorderlichter des Zugfahrzeugs bemerkte, muss der Einbiegevorgang durch den Angeklagten zudem bereits einige Zeit vor dem Durchfahren der Kurve durch den Zeugen A..... eingeleitet worden sein. Mithin ist davon auszugehen, dass der Angeklagte vom Beginn des Einbiegevorgangs bis zu dessen vollständigem Abschluss weit mehr als 20 Sekunden benötigt hätte. Es ist deshalb auf Grund der durch das Landgericht getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass es sich bei dem durch den Angeklagten geführten Gespann um ein besonders schwerfälliges im Sinne der zu §§ 1, 8 und 10 StVO ergangenen Rechtsprechung handelte (vgl. etwa OLG Bamberg, Urteil v. 17.12.1974, 5 U 183/73, bei juris: bei rund 20 Sekunden Einbiegedauer; OLG Düsseldorf, Urteil v. 11.01. 1995, 15 U 83/93, VersR 1996, 1386: bei ca. 11 Sekunden; BGH, Urteil v. 25.01.1994, VI ZR 285/92, NJW-RR 1994, 1303: bei mindestens 6 Sekunden).

Bei einer solchen Schwerfälligkeit des Fahrzeugs einerseits und der angesichts des Unfallzeitpunkts (00.10 Uhr) anzunehmenden Dunkelheit andererseits ist von einer außergewöhnlichen Gefahrensituation auszugehen, bei der an die Erfüllung der - vorliegend wegen § 10 StVO ohnehin strengen - Sorgfaltspflicht durch den nach links in eine bevorrechtigte Straße Einbiegenden noch gesteigerte Anforderungen zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil v. 25.01.1994, VI ZR 285/92, NJW-RR 1994, 1303). Der Angeklagte durfte den Einbiegevorgang deshalb nur dann durchführen, wenn er zusätzliche Maßnahmen ergriffen hätte, um die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer im Sinne von § 10 StVO auszuschließen, und zwar entweder durch Aufstellen eines Warnpostens (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil v.11.01.1995, 15 U 83/93, VersR 1996, 1386, a.a.O.) - was er nach den Feststellungen des Landgerichts nicht getan hat (UA S. 6 oben) - oder zumindest durch seitliche Beleuchtung des Gespanns (so etwa OLG Bamberg, Urteil v. 17.12.1974, 5 U 183/73; OLG Hamm, Urteil v. 11.07.1996, 27 U 66/96; OLG Dresden, Urteil v. 26.11.2010, 7 U 1372/09, alle bei juris) - wozu Feststellungen fehlen.

Das Urteil ist deshalb lückenhaft.

Wegen des festgestellten Rechtsfehlers war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Oldenburg zurückzuverweisen. Von der Aufhebung erfasst sind auch die durch das Landgericht getroffenen Feststellungen.

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