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12.03.2019 · IWW-Abrufnummer 207680

Oberverwaltungsgericht Saarlouis: Beschluss vom 04.12.2018 – 1 D 317/18

Ergeht eine Fahrerlaubnisentziehungsverfügung nach Inkrafttreten der Neufassung der §§ 81a Abs. 2 StPO, 46 Abs. 4 OWiG (24.8.2017), so unterliegt das Ergebnis einer zuvor ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der neugefassten Vorschriften keinem Verwertungsverbot.


Tenor

Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 16. Oktober 2018 – 5 K 1081/18 – wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde gegen den im Tenor bezeichneten Prozesskostenhilfebeschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, aber nicht begründet.

Nach den §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind fallbezogen nicht erfüllt. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss dargelegt, dass die Klage gegen die auf den Konsum harter Drogen gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis nicht die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorausgesetzte hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Zwar soll mit dem Institut der Prozesskostenhilfe dem aus Art. 3 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitenden Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung von Rechtsschutz Rechnung getragen werden, weshalb die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen(BVerfG, Kammerbeschluss vom 8.10.2014 – 1 BvR 2186/14 –, juris), und es ist insbesondere nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens, den Rechtsstreit durch eine weitgehende rechtliche Vorausbeurteilung des Streitgegenstands quasi „vorwegzunehmen“. Daher ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Allgemeinen bereits dann gerechtfertigt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für vertretbar und bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht eine Beweisführung in seinem Sinne zumindest für möglich hält.(OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 1.12.2016 – 1 D 333/16 – und vom 2.2.2015 – 2 D 371/14 –, jeweils juris m.w.N.)
Unter Zugrundelegung dieses Auslegungsmaßstabs hat das Verwaltungsgericht die Erfolgsaussichten der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage zu Recht verneint. Der Annahme hinreichender Erfolgsaussichten stehen mehrere Aspekte entgegen.

In der Rechtsprechung des Senats zur Relevanz des Konsums von Amphetamin für die Beurteilung der Kraftfahreignung des Betroffenen(OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 27.9.2016 – 1 B 241/16 –, Rdnr. 3 ff., vom 26.6.2009 – 1 B 373/09 – und vom 29.5.2009 – 1 A 31/09 –, jew. juris) ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte(vgl. z.B. BayVGH, Beschluss vom 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 –, juris Rdnr. 10 m.w.N.) geklärt, dass bereits ein einmaliger Konsum von Amphetamin die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bedingt. Denn nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung i.V.m. der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 ist bei der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), also bei einem Konsum sogenannter harter Drogen, zu denen Amphetamin zählt, im Regelfall von fehlender Fahreignung auszugehen. Die Rechtsfolge tritt unabhängig von der Menge und Häufigkeit der Betäubungsmitteleinnahme, von einer Straßenverkehrsteilnahme im berauschten Zustand und unabhängig davon ein, ob konkrete Ausfallerscheinungen im Sinne von Fahruntüchtigkeit bei dem Betreffenden zu verzeichnen waren. Ausnahmen von der Regelvermutung der Vorbemerkung 3 zur Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung sind dann anzuerkennen, wenn in der Person des Betäubungsmittelkonsumenten Besonderheiten bestehen, die darauf schließen lassen, dass seine Fähigkeit, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sowie sein Vermögen, zwischen dem Konsum von Betäubungsmitteln und der Teilnahme am Straßenverkehr zuverlässig zu trennen, nicht erheblich herabgesetzt sind. Es obliegt aber insoweit den Betreffenden, durch schlüssigen Vortrag diese besonderen Umstände darzulegen.

Dies vorausgeschickt ist fallbezogen ausweislich des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15.7.2014 ergangenen Strafurteils des Landgerichts B-Stadt aktenkundig, dass der Kläger im Vorfeld der damaligen Verurteilung langjähriger Konsument u.a. von Amphetamin war und dieses zuletzt – ebenso wie Cannabis – sogar täglich zu sich genommen hat. Zwar war der Kläger in Konsequenz dieses Urteils bis zum 29.10.2015 inhaftiert, was für den damaligen Zeitraum eine Entgiftung und Entwöhnung und eine mehr als einjährige Abstinenz im Sinne der Nr. 9.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung nahe legt. Andererseits ist in Bezug auf die nun in Rede stehenden Geschehnisse vom 18.2.2017 zwischen den Beteiligten allein im Streit, ob das toxikologische Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität des Saarlandes vom 11.4.2017 betreffend die am 18.2.2017 entnommene Blutprobe, das den vorangegangenen Konsum von Amphetamin und Cannabis belegt, vom Antragsgegner im Fahrerlaubnisentziehungsverfahren verwertet werden durfte. Die Argumentation in der Widerspruchsbegründung vom 19.1.2018 und ebenso die Ausführungen des Klägers im erstinstanzlichen Klageverfahren und in der Beschwerdebegründung beschränken sich auf die Rüge, das vorbezeichnete Gutachten sei nicht verwertbar, da die Blutprobe unter Missachtung des Richtervorbehalts gemäß § 81b StPO willkürlich erlangt worden sei. Indes wird das festgestellte Ergebnis, ein Konsum von Amphetamin und Cannabis habe stattgefunden, in der Sache seitens des Klägers nicht – etwa mit dem Vortrag, das Untersuchungsmaterial müsse verwechselt worden sein – in Frage gestellt. Damit behauptet nicht einmal der Kläger selbst, ihm werde der Konsum der harten Droge Amphetamin zu Unrecht vorgeworfen, so dass der Konsum als solcher als unstreitig zu erachten sein dürfte. Ausführungen des Klägers dazu, dass er abweichend von der Regelvermutung aufgrund in seiner Person liegender Besonderheiten ungeachtet dessen die Fähigkeit besitze, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr sicher, umsichtig und verkehrsgerecht zu führen, sind nicht aktenkundig. Da nach Vorgesagtem bereits ein einmaliger Konsum von Amphetamin die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen bedingt, ist eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage schon unter diesem Aspekt fernliegend.

Abgesehen von all dem war der Antragsgegner, nachdem er in Anwendung des § 2 Abs. 12 StVG unter dem 13.7.2017 über die anlässlich der Polizeikontrolle vom 18.2.2017 getroffenen Feststellungen unterrichtet worden war, gehalten, die Fahreignung des Antragstellers zu überprüfen und diesen zu den ihn belastenden Feststellungen anzuhören (Schreiben an den Antragsteller vom 25.7.2017). Dass er dessen Einwand im Schreiben seiner Bevollmächtigen vom 28.8.2017, die in dem toxikologischen Gutachten ausgewertete Blutprobe sei ihm unter Missachtung des Richtervorbehalts entnommen worden, weswegen das Gutachten im Fahrerlaubnisverfahren nicht verwertbar sei, nicht zum Anlass genommen hat, von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen bzw. zunächst weitere Ermittlungen einzuleiten, führt – wie das Verwaltungsgericht in seinem die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss ausführlich dargelegt hat – nach bundesweiter obergerichtlicher Rechtsprechung nicht zur Rechtswidrigkeit der auf dieses Gutachten gestützten Entziehung der Fahrerlaubnis.

Soweit der Kläger in der Beschwerdebegründung behauptet, nach der Rechtsprechung des Senats könne sich die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf ein rechtswidrig erlangtes und daher unverwertbares Gutachten stützen und beispielhaft das Verfahren 1 Y 5/05 benennt, ist sein Vorbringen nicht nachvollziehbar. In dem genannten Verfahren ging es um eine Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts in einem Rechtsstreit, der eine Nachdiplomierung betraf und gegen das Ministerium der Justiz gerichtet war. Soweit der Senat sich bisher mit den Voraussetzungen eines Verwertungsverbots hinsichtlich des Ergebnisses einer Blutuntersuchung im Fahrerlaubnisverfahren befasst hat, hat er deren Vorliegen verneint.(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.9.2016, a.a.O., Rdnr. 7 f.)

Die aktuelle obergerichtliche Rechtsprechung zur Relevanz eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt im Fahrerlaubnisrecht, die sich mit den Bedenken des Bundesverfassungsgerichts(BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.6.2014 – 1 BvR 1837/12 –, Rdnr. 13) bezüglich einer generellen Verwertbarkeit so gewonnener Erkenntnisse auseinandersetzt(BayVGH, Beschluss vom 5.2.2018, a.a.O., Rdnr. 12, SächsOVG, Beschluss vom 12.12.2017 – 3 B 282/17 –, Rdnr. 9, OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2016 – 16 B 685/16 -, juris Rdnr. 19 f.), lässt sich dahin zusammenfassen, dass eine – unterstellte – rechtsfehlerhafte Beweiserhebung nicht zwingend zur Unzulässigkeit der Verwertung der gewonnenen Beweise führt. Das Fahrerlaubnisverfahren diene anders als das Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht der Verfolgung oder Ahndung begangener Rechtsverstöße, sondern dem Schutz Dritter vor zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr ungeeigneten Fahrerlaubnisinhabern. Daher sei im Einzelfall zu prüfen, ob eine Missachtung des Richtervorbehalts ein Verwertungsverbot auslöse.(SächsOVG, Beschluss vom 12.12.2017, a.a.O., Rdnrn. 9 f., OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2016, a.a.O., Rdnrn. 15 ff.) Ein solches sei von Verfassungs wegen nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind bzw. der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist. Hiernach bleibe eine ohne Einschaltung eines Richters angeordnete Blutentnahme bei Gefahr im Verzug bzw. unter der Prämisse, dass auf der Hand liegt, dass der Richter einem solchen Eingriff die Genehmigung nicht hätte versagen können, im Fahrerlaubnisverfahren ohne Einfluss auf die Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutanalyse.(BayVGH, Beschluss vom 5.2.2018, a.a.O., Rdnrn. 13 f.)

Zwar zielt die Argumentation des Klägers gerade in diese Richtung, wenn er vorträgt, nach den Umständen habe keineswegs auf der Hand gelegen, dass ein Richter die Genehmigung in Kenntnis des Sachverhalts erteilt hätte. Allerdings ist diese Argumentation des Klägers – worauf bereits die Widerspruchsbehörde hingewiesen hat – jedenfalls angesichts der am 24.8.2017 in Kraft getretenen Neufassung der §§ 81a Abs. 2 StPO und 46 Abs. 4 OWiG nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis in Frage zu stellen.
Nach der Neufassung bedarf die Entnahme einer Blutprobe keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht von Verkehrsstraftaten oder Verkehrsordnungswidrigkeiten unter Alkohol– oder Drogeneinfluss begründen. Ein solcher Verdacht drängte sich fallbezogen auf, da die Polizeibeamten anlässlich der Verkehrskontrolle eine verzögerte Reaktion des Klägers, wässrig-glänzende Augen und lichtstarre Pupillen festgestellt und diese typischen Anzeichen eines Drogeneinflusses zum Anlass einer Überprüfung des Fahrzeuginneren genommen und dabei Amphetamin sichergestellt haben.

Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 16.10.2017 war mithin infolge der geänderten – auf den durch die tatsächlichen Feststellungen gestützten Verdacht einer Verkehrsstraftat bzw. Verkehrsordnungswidrigkeit abstellenden – Rechtslage ein etwaig noch im Zeitpunkt des polizeilichen Tätigwerdens am 18.2.2017 bestehendes Verwertungsverbot entfallen. Der Beklagte war unter diesen Gegebenheiten nicht gehindert, im Zeitpunkt seiner Entscheidung auf das Ergebnis des Gutachtens abzustellen.(vgl. hierzu bereits: BayVGH, Beschluss vom 5.2.2018, a.a.O., Rdnr. 14 ff., und SächsOVG, Beschluss vom 12.12.2017, a.a.O., Rdnrn. 5, 11)

Den diesbezüglichen überzeugenden Rechtsausführungen der Widerspruchsbehörde ist der Kläger weder im Klageverfahren noch im vorliegenden Beschwerdeverfahren entgegengetreten.
Die Klage bietet nach alldem jedenfalls mit Blick auf die geänderte Rechtslage keine hinreichenden Erfolgsaussichten, so dass die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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