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18.02.2019 · IWW-Abrufnummer 207252

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 01.02.2019 – 1 U 42/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Im Namen des Volkes


In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht  <leer>, den Richter am Oberlandesgericht  <leer> und den Richter am Oberlandesgericht Dr.  <leer> auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2019 für Recht erkannt:


Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11.05.2018, Az.: 8 O 138/16, wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil teilweise abgeändert und über die erfolgte Verurteilung hinaus
festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeden weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, welcher ihr im Rahmen der Beseitigung der im selbständigen Beweisverfahren Landgericht Flensburg - 8 OH 16/13 -, so mit Gutachten des Sachverständigen Thoralf  V1 vom 27.05.2014 und 29.10.2014 nebst ergänzender Anhörung des Sachverständigen vom 28.05.2015, festgestellten Mängeln an den Fensterelementen des Veranstaltungs- und Kongresszentrums  H1,  A............ 12-15, …..   H1, erwächst.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz hat die Klägerin 48 % zu tragen, die Beklagte 52 %. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Kostenvorschuss zur Beseitigung von Mängeln an Fensterelementen und hieraus resultierenden Ersatz von Pachtausfallschaden.
Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Jahr 2009 u. a. mit dem Einbau von Fenster- und Türelementen im Zusammenhang mit der Erweiterung des Veranstaltungs- und Kongresszentrums  H1. Als Teil des Auftrages baute die Beklagte im Obergeschoss des Kongresszentrums in sechs Seminarräumen und zwei Büroräumen bodentiefe Fenster mit einer innenseitigen Sicherheitsverglasung und sog. Tiptronic-Beschlägen ein, die eine zentrale elektronische Sperrung der Drehfunktion des Fenstergriffes gegen unbefugtes vollständiges Öffnen zuließen, so dass die Fenster nur in Kippstellung gebracht werden konnten. Die Klägerin hatte das Kongresszentrum bereits mit Pachtvertrag vom 21.12.2009 beginnend zum 01.01.2010 verpachtet.
Die Pächterin beanstandete gegenüber der Klägerin Undichtigkeiten der im Obergeschoss eingebauten Fensterelemente, Störungen der elektromechanischen Beschläge und andere Mängel der Fenster- und Türelemente. Die Klägerin rügte diese Mängel gegenüber der Beklagten. Da deren Nachbesserungsarbeiten nach Auffassung der Pächterin keine Verbesserungen brachten und die Pächterin ankündigte, die Pacht beginnend ab dem 01.01.2014 um 10 % zu kürzen, leitete die Klägerin gegen die Beklagte ein selbstständiges Beweisverfahren ein, das am 20.12.2013 beim Landgericht Flensburg unter dem Aktenzeichen 8 OH 16/13 anhängig geworden ist und mit der Anhörung des Sachverständigen  V1 im Termin vom 28.05.2015 beendet worden ist. Mit dem Antrag erhielt die Beklagte die Ankündigung der Pächterin vom 04.11.2013 (Anlage Ast 5, Blatt 22 der Beiakte), wegen Mängeln u.a. der Fenster und Türen die Pacht um 10 % zu kürzen.
Der Sachverständige  V1 stellte fest, dass die Fensterelemente nicht den Anforderungen der ZEV und den anerkannten Regeln der Technik in Bezug auf die Luftdichtigkeit, die Schlagregendichtigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegen Windlast genügten und sich die Fenster wegen Mängeln der Beschläge teilweise nicht - und darüber hinaus auch nicht gefahrlos - öffnen und schließen ließen. Er schätzte die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung auf 38.556,00 € brutto und die Kosten der weiteren Sanierungsarbeiten auf 4.641,00 € brutto. Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass vor den beweglichen bodentiefen Fensterelementen im ersten Stockwerk Brüstungsgitter zur Sicherung gegen einen Absturz anzubringen seien. Da die elektronische Drehsperre der Fensterbeschläge ein Öffnen der bodentiefen Fenster nur dann verhindere, wenn sie vom Benutzer eingeschaltet worden sei, böte sie keine zuverlässige Sicherheit gegen Absturz verursachendes Öffnen der bodentiefen Fenster. Der Systemhersteller der Fenster, das Unternehmen  S1, bestätigte der Beklagten mit Mail vom 25.07.2014 (Anlage B 1, Blatt 53 der Akte), dass es sich bei der elektronischen Drehsperre nicht um eine Absturzsicherung im normativen Sinn handele, und empfahl den Einsatz von Brüstungssicherungen.
Die Beklagte bot der Klägerin mit Schreiben vom 19.08.2015 (Anlage K 6, Blatt 28 der Akte) die Beseitigung der Mängel nach Maßgabe des Gutachtens des Sachverständigen  V1 unter der Voraussetzung an, dass die Klägerin einen Nachweis beibringe, dass diese die bauordnungsrechtlichen Vorgaben zur Absturzsicherung für die zu bearbeitenden Fenster einhielte. Die Klägerin teilte hierzu u.a. mit, eine Mangelbeseitigung sei im Jahr 2015 aus terminlichen Gründen nicht mehr möglich. Die Klägerin ließ an vier Fenstern zu öffnende Verglasungen zur Belüftung der Räume einbauen (Lichtbilder Anlage B 5, Blatt 58 der Akte und Anlage B 32, Blatt 168f der Akte). Auch auf die weiteren Aufforderungen zur Mangelbeseitigung verlangte die Beklagte zumindest einen vorhergehenden Nachweis der geplanten Absturzsicherung.
 Mit ihrer Klage hat die Klägerin erstmalig Vorschuss für die zu erwartenden Kosten der Mangelbeseitigung, den Ersatz der von der Pächterin vorgenommenen Minderung der Pacht um 10 % für die Jahre 2014 bis 2016, Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere aus der Mangelbeseitigung resultierende Schäden, Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten und die Feststellung begehrt, dass für die von ihr eingezahlten Gerichtskosten die Verpflichtung der Beklagten bestehe, diese mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte im Hinblick auf die Kosten der Mangelbeseitigung antragsgemäß verurteilt, wegen des Pachtausfalls nur einen Teilbetrag zugesprochen und den Feststellungsantrag sowie den Antrag auf Verzinsung des Gerichtskostenvorschusses abgewiesen. Das Sachverständigengutachten sei im Hinblick auf die Feststellungen zu den Mängeln nicht angegriffen worden. Die Beklagte sei mit der Nachbesserung in Verzug geraten, auch weil sie nicht berechtigt gewesen sei, die Nachbesserung zu verweigern. Es sei ausreichend, dass sie die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Absturzsicherung hingewiesen habe. Ihre Verweigerung sei auch widersprüchlich, da durch sie der behauptete baurechtswidrige Zustand nicht beseitigt werde, vielmehr bestehe durch die fehlerhaften Beschläge und offenen Scherkanten die Gefahr unverändert fort. Die Beklagte habe die Herstellung einer Absturzsicherung vertraglich nicht übernommen. Vertragsgegenstand sei lediglich Sicherheitsglas gewesen, durch dass ein Durchsturz verhindert werden solle. Die Absturzsicherheit könne durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet werden, die im Entscheidungsbereich der Klägerin lägen.

Ein Leistungsverweigerungsrecht ergebe sich auch nicht aus dem Bauordnungsrecht. Dieses bestehe nur, wenn die verlangte Ausführungsart als solche dem öffentlichen Baurecht widerspreche. Die Beklagte sei nur in ihrem Wirkungskreis verantwortlich, im Übrigen sei es Aufgabe der Klägerin, die Gewerke so zu kombinieren, dass ein baurechtskonformer Zustand hergestellt werde.

Soweit an verschiedenen Fenstern bereits brüstungshohe Festverglasungen installiert worden seien, sei dies für die Höhe des Vorschusses unbeachtlich, sondern vielmehr im Rahmen der Abrechnung zu berücksichtigen. Zinsen seien erst ab Rechtshängigkeit zu leisten, da die Beklagte zuvor lediglich zur Nachbesserung, nicht aber zur Zahlung des Vorschusses aufgefordert worden sei.

Der durch Ausfall von Pachtzahlungen entstandene Schaden sei nur in Höhe von rd. 43.000,00 € zu ersetzen. Die Zeugen hätten bestätigt, dass die Pacht gekürzt worden sei. Dies sei aber nicht allein auf die schadhaften Fenster zurückzuführen. Dieser Anteil an der Kürzung, die insgesamt um 10 % der Pacht erfolgte, liege gem. § 287 ZPO geschätzt bei 70 %, mithin 7 % der Gesamtpacht, im Übrigen sei sie durch Mängel am Parkett im Saal, den übrigen Bodenbelägen, Mängel im Foyer, an der Klimaanlage, dem Dach und der Brandmeldezentrale zurückzuführen. Für die Zeit nach August 2015 schließe ein Mitverschulden der Klägerin zudem weiteren Ersatz aus. Sie habe spätestens mit Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens erkennen können, das die Pachtausfallschäden die Mangelbeseitigungskosten überstiegen. Wann genau die Klägerin sich um die Beseitigung habe kümmern müssen, sei unerheblich da sie keine derartigen Maßnahmen ergriffen habe.

Dem Feststellungsantrag fehle das Rechtsschutzinteresse, da der Vorschussantrag bereits stillschweigend einen solchen Antrag enthalte. Der Antrag auf Verzinsung der Gerichtskostenvorschüsse sei unbegründet.

Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und begehrt über die erfolgte Verurteilung hinaus die vollumfängliche Verurteilung der Beklagten entsprechend ihrer erstinstanzlichen Anträge. Der Vorschussanspruch sei bereits vor Rechtshängigkeit zu verzinsen, da die Beklagte das Vorliegen von Mängeln spätestens durch Vorlage des Schreibens der Fa.  S1 vom 15.05.2013, K4, bestritten habe. Auch im Abhängigmachen der Mangelbeseitigung von Vorleistungen könne eine endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung gesehen werden. Eine gesonderte Bezifferung des Vorschussanspruches als Geldzahlung wäre Förmelei gewesen.

Die Kürzung der Pachtausfälle sei nicht nachvollziehbar. Die übrigen von der Pächterin gerügten Mängel fielen nicht erheblich ins Gewicht. Eine Beseitigung der Mängel sei nicht möglich gewesen, weil die Räume bis Dezember 2015 belegt gewesen seien. Zudem seien Vergleichsgespräche geführt worden, die erst im Juni 2016 gescheitert seien. Wegen weiterer Belegung der Räume seien Arbeiten im weiteren Lauf des Jahres 2016 nicht mehr möglich gewesen. Im Übrigen bestehe auch neben dem Vorschussanspruch ein Feststellungsinteresse und im Hinblick auf die Gerichtskostenvorschüsse befände sich die Beklagte spätestens seit der Zahlungsaufforderung in der Klageschrift in Verzug.

Die Beklagte begehrt mit der von ihr eingelegten Berufung - wie bereits erstinstanzlich - die vollständige Abweisung der Klage. Sie habe die Mangelbeseitigung angeboten, ihre Angebote hätten eine Ausführung mit und ohne Absturzsicherung enthalten (Anlage B 14, Bl. 72 und B 24 Bl. 88). Es könne zudem, selbst wenn die Ausführung der Absturzsicherung mit elektronischen Beschlägen zum Zeitpunkt der Errichtung baurechtskonform gewesen sei, nicht treuwidrig sein, wenn die Beklagte jetzt auf einer dem Gesetz entsprechenden Herstellung bestehe. Der Verstoß gegen das öffentliche Baurecht liege auch im Werk der Beklagten, da sie die nicht mehr zulässige Drehsperre ausgeführt habe. Insoweit träfen Planungs- und Ausführungsmangel zusammen. Sie habe nach dem funktionellen Mangelbegriff eine funktionsfähige Absturzsicherung durch die Beschläge geschuldet. Zudem habe sie die Mangelbeseitigung nicht von der Herstellung einer weiteren Sicherung abhängig gemacht, sondern nur von einer entsprechenden Klärung, wie diese erfolgen solle. Eine solche sei durch Vorsatz von Balkonen etc. nur theoretisch möglich, wie der Sachverständige erklärt habe, zudem habe die Klägerin nicht vor, solche Maßnahmen zu ergreifen. Schließlich habe das Landgericht die Höhe des Schadens falsch berechnet, da unberücksichtigt gelassen wurde, dass einige Fenster bereits nachgearbeitet wurden.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet (1.), die Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg (2.).

1. Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Beklagte zur Zahlung von Vorschuss zur Mangelbeseitigung und Schadensersatz gem. § 13 Nr. 5 Abs. 2 und § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2006) verurteilt.

a) Die teilweise Mangelhaftigkeit der von der Beklagten eingebauten Fenster einschließlich der elektronischen Beschläge steht, wie schon in der ersten Instanz, nicht im Streit. Insoweit wird auf I.3.a) aa) und bb) der Entscheidungsgründe verweisen (S. 11f. des Urteils).

b) Das Landgericht hat ebenfalls zutreffend dargelegt, dass sich die Beklagte mit der Mangelbeseitigung im Verzug befindet. Insbesondere war sie nicht berechtigt, die Nachbesserung von einem Nachweis einer weiteren Absturzsicherung abhängig zu machen.

aa) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung anführt, sie habe Nachbesserungsarbeiten nicht durchgängig von absturzsichernden Maßnahmen abhängig gemacht, sondern sie vielmehr auch ohne solche angeboten, ergibt sich dies aus den hierzu vorgelegten Schreiben (Anlage B14, Bl. 73 d.A.; Anlage B 24, Bl. 88 d.A.) nicht. Im ersten Schreiben nimmt die Beklagte auf § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 4 VOB/B Bezug, also diejenige Vorschrift, nach der sie Bedenken anzumelden hat und in der Folge Aufforderungen des Bauherren aber Folge leisten muss, sofern nicht öffentlich-rechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Letzteres hat die Beklagte jedoch durchgehend als Grund ins Feld geführt, um sich an genau der angebotenen Nachbesserung gehindert zu sehen. Zudem wird die Nachbesserung von einer Kostenbeteiligung der Klägerin abhängig gemacht. Im Schreiben Anlage B 24 wird sodann erneut ihre Haltung deutlich, dass sie sich wegen der nicht nachgewiesenen Absturzsicherung als „nicht arbeitsfähig“ ansieht.

bb) Eine Berechtigung oder gar Verpflichtung der Beklagten, die Mangelbeseitigung von einem Nachweis der Absturzsicherung durch die Klägerin abhängig zu machen, ergibt sich nicht aus bauordnungsrechtlichen Vorschrifen. Denn die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften für eine Absturzsicherung fallen nicht in ihren Verantwortungsbereich. Das Landgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die Beklagte weder nach § 18 oder § 56 LBO-SH hierfür verantwortlich ist, da sie ein klar umgrenztes Leistungsprogramm zu erstellen hatte, nämlich den Einbau der bereits geplanten Fenster nebst der im Nachtrag geforderten Beschläge. Dass diese Beschläge nach den Planungen, die der Klägerin zuzurechnen sind, als Absturzsicherung dienen sollten, führt nicht dazu, dass sie auf diesem Wege für die Sicherung als solche verantwortlich wäre. Selbst wenn man ihre Verpflichtung aus dem Werkvertrag so weit fassen sollte, wäre dies im vorliegenden Falle nicht erheblich. Denn durch die Mangelbeseitigung an den Fensterbeschlägen würde die Beklagte keinen baurechtswidrigen Zustand herstellen, sie würde ihn allenfalls aufrechterhalten. Insoweit würde sie aber in jedem Fall nur den Zustand wiederherstellen, der der ursprünglich erteilten und zwischenzeitlich nicht veränderten Baugenehmigung entspricht.

Auch die Regelung des § 60 LBO-SH steht dem nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann, sofern sich aus dem Bauordnungsrecht veränderte Anforderungen ergeben, die Anpassung bereits begonnener Anlagen verlangt werden, wenn dies zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist, auch wenn Anlagenteile geändert werden, die mit den nicht mehr im Einklang mit dem Bauordnungsrecht stehenden Bauteilen und Anlagen in einem engen Zusammenhang stehen. Ungeachtet der Frage, ob die vorliegende Änderung überhaupt dem Tatbestand dieser Vorschrift unterfällt, hat die Klägerin einen Vermerk der zuständigen Baubehörde vorgelegt, dass eine Anpassung der Absturzsicherung von dort aus nicht gefordert wird, vielmehr eine Nachtragsgenehmigung nicht erforderlich gesehen wird, jedenfalls aber auch erteilt werden würde (Anlage K 22, Bl. 289 d.A.).

cc) Die Beklagte würde durch die Beseitigung der Mängel an den Fensterbeschlägen auch keine mangelhafte Planung umsetzen. Denn wie bereits dargestellt, ist die hier gewählte Ausführungsart entsprechend der bauordnungsrechtlichen Genehmigung gewählt worden. Sie war somit insoweit mangelfrei und ist aus den unter bb) genannten Gründen auch nicht nachträglich ungeeignet geworden.

Im Übrigen würde eine Veränderung des technischen Regelwerkes zwischen Abnahme und Mangelbeseitigung zulasten der Beklagten gehen. Denn dass die Mangelbeseitigung durch Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Abnahme und Mangelbeseitigung mit höheren Kosten verbunden ist, als dies ohne die Regeländerung der Fall wäre, liegt im Verantwortungsbereich des Unternehmers und ist Folge seiner ursprünglich mangelhaften Leistung. Denn ohne den Mangel wäre überhaupt keine Mangelbeseitigung erforderlich und auch keine Anpassung der Leistung an die später geltenden Regeln der Technik. Lediglich, wenn durch die Nachbesserung nach aktuellem Regelwerk ein Mehrwert entsteht, kann hierfür eine Ausgleichspflicht des Bestellers bestehen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. September 2011 – 10 W 9/11 –, Rn. 23-29 nach juris).

dd) Auch der Hinweis der Beklagten auf § 4 VOB/B geht fehl. Denn die von der Beklagten geschuldeten und nachzubessernden Leistungen widersprechen nicht öffentlich-rechtlichen Bestimmungen. Da zudem aber die Klägerin für die ansonsten notwendigen Zusatzmaßnahmen einzustehen hätte, kann die Beklagte ein Recht zur Leistungsverweigerung nicht aus dieser Vorschrift ableiten.

ee) Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht, wenn die Leistung der Beklagten anhand des funktionalen Mangelbegriffes gemessen wird. Dieser Begriff greift ein, wenn eine Leistung zwar die vereinbarte Beschaffenheit aufweist, ihr aber gleichwohl die Funktionstüchtigkeit fehlt, sie also nicht dem vorgesehenen Zweck entspricht (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 1964). Zum Zeitpunkt der Abnahme hätte die Beklagte jedoch, wenn sie den elektronischen Beschlag mangelfrei eingebaut hätte, ein funktionsfähiges und der Absturzsicherung nach den damaligen Vorschriften entsprechendes Werk geliefert. Im Übrigen ist die Beklagte, wie dargestellt, für die weitere Planung und Herstellung der Absturzsicherung nicht verantwortlich, so dass sie ihrer Verantwortung im Hinblick auf das Gesamtsystem durch einen Hinweis nachkommen konnte.

c) Ohne Erfolg bleibt die Berufung der Beklagten schließlich, soweit sie das Urteil dahingehend angreift, dass es die aus den Lichtbildern Anlage B5, Bl. 58 d.A., B32, Bl. 169 d.A. und Anlage BB1, Bl. 576 d.A. hervorgehenden Bearbeitungen einiger Fenster nicht bei der Ermittlung der Schadenshöhe berücksichtigt hat. Denn insoweit ergibt sich aus den genannten Lichtbildern, insbesondere der vorgelegten Anlage B32, für den Senat ohne weiteres, dass keine Arbeiten in den mangelhaften Bereichen erfolgt sind oder gar, wie die Beklagte vorträgt, Fensterflügel mit sturzsicheren Brüstungselementen eingebaut wurden. Aus den Lichtbildern ist vielmehr erkennbar, dass der Vortrag der Klägerin zutrifft, es seien lediglich die Scheiben, nicht aber die Fensterflügel ausgetauscht worden, und anstelle der vorhandenen Scheiben solche eingesetzt worden, bei denen ein Teil gekippt werden kann, um eine Belüftung der Räume zu ermöglichen. Dies stellt aber keine teilweise Mangelbeseitigung dar, weil hiermit lediglich ein Provisorium geschaffen wurde, bei denen die mangelhaften Teile der Fenster nicht zu bearbeiten waren. Die Klägerin hat insoweit weiterhin vollumfänglich einen Anspruch auf Vorschuss für die vom Sachverständigen als notwendig angesehenen Kosten der Mangelbeseitigung.


2. Die Berufung der Klägerin hat nur teilweise Erfolg.

a) Soweit sich die Klägerin gegen die Abweisung des Zinsanspruches im Hinblick auf den Vorschuss wendet, den das Landgericht ab Rechtshängigkeit und nicht bereits für einen weitergehenden Zeitraum zugesprochen hat, hat sie keinen Erfolg. Die Beklagte befand sich vor Rechtshängigkeit mit der Zahlung des Vorschusses nicht im Verzug. Denn Vorschuss war zuvor von der Klägerin nicht geltend gemacht worden, sie hatte bis zu diesem Zeitpunkt lediglich Nachbesserung verlangt. Verzug ist auch nicht etwa dadurch eingetreten, dass die Beklagte die Nachbesserung ernsthaft und endgültig verweigert hätte. Damit wäre sie allenfalls bezüglich der Nachbesserung in Verzug geraten. Denn der Vorschussanspruch bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die erfolglose Aufforderung zur Nachbesserung ist zwar Anspruchsvoraussetzung des § 637 BGB, Abs. 3 der Vorschrift setzt jedoch auch ein „Verlangen“ des Vorschusses voraus (OLG Schleswig, Beschluss vom 22.08.2011, 3 U 101/10, Rn. 49 nach juris). Hierbei handelt es sich auch nicht um eine bloße Förmelei, sondern um eine Voraussetzung des Überganges vom primären Mangelrecht (Nacherfüllung) zu den sekundären Mangelrechten. Vor einem Verlangen des Vorschusses besteht zudem ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Mangelrechten des § 634 BGB, die in rechtlicher Hinsicht teilweise Ansprüche, Gestaltungsrechte und Befungnisse gewähren. Bereits hieraus wird deutlich, dass die Ausübung des Wahlrechts des Bestellers Voraussetzung für die Fälligkeit eines ggf. gewählten Anspruches sein muss.

b) Die Berufung der Beklagten bleibt zudem ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die teilweise Klagabweisung bezüglich des Pachtausfallschadens wendet.

 aa) Soweit die Klägerin meint, maßgeblich für die Kürzungen durch die Pächterin seien die Mängel an den Fenstern, bleibt sie bei der bloßen Behauptung dieses Umstandes. Die ausführlichen Darlegungen des Landgerichtes zur Beweisaufnahme zum Umfang der Mängel und ihrer Bewertung werden hingegen nicht substantiiert angegriffen, lediglich pauschal als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet. Dies reicht für einen Berufungsangriff jedoch nicht aus. Wenn die Klägerin in der Berufungsbegründung ausführt, die übrigen Mängel fielen gegenüber den Mängeln an den Fenstern nicht wesentlich ins Gewicht, setzt sie lediglich das Ergebnis ihrer Würdigung an die Stelle der landgerichtlichen Beweiswürdigung und Abwägung. Auch im Übrigen bestehen diesbezüglich keine Gründe, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen zu zweifeln. Diese ist insbesondere nicht widersprüchlich, weil das Landgericht selbst die weiteren von der Pächterin gerügten Mängel so einordnet, dass sie für die Minderung von untergeordneter Bedeutung waren; vielmehr hat das Landgericht diese Umstände offensichtlich bei der Bemessung der Minderungsquote außer Betracht gelassen (S. 23 UA, Ziff. (3.2)).

b) Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht den Pachtausfallschaden zeitlich unter dem Gesichtspunkt eines Mitverschuldens begrenzt hat, das darin begründet liegt, dass die Klägerin die Mängel nicht im Hinblick auf ihre eigenen pachtvertraglichen Verpflichtungen beseitigen ließ.

aa) In der vorliegenden Situation stehen das Wahlrecht der Klägerin als Bestellerin zwischen den einzelnen Mangelrechten und ihr Verhältnis zur beklagten Unternehmerin neben ihren Beziehungen zum Pächter. Grundsätzlich ergibt sich aus den Mangelrechten, insbesondere aus § 637 BGB keine Pflicht des Bestellers, nach erfolglosem Fristablauf die Mängel selbst zu beseitigen, er hat lediglich das Recht hierzu (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 77. Aufl., § 637 Rn. 3f.). Nach dem System der Mängelrechte soll er durch den Vorschuss in die Lage versetzt werden, ohne eigene Mittel die Mängel beseitigen zu lassen. Zwar kann er dies tun und die Kosten nachfolgend als Schadensersatz gelten machen, eine Verpflichtung hierzu, besteht aber dem Grunde nach nicht.

Auf der anderen Seite darf der Bauherr nicht auf unabsehbare Zeit dem Anwachsen des Schadens tatenlos zusehen, sondern muss sich um baldmögliche Beseitigung der Mängel und Vermietbarkeit der Räume bemühen, wenn er Miet-, bzw. Pachtausfall fordern will (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1973 – VII ZR 153/71 –, Rn. 15, juris; Urteil vom 27. September 2007 – VII ZR 80/05 –, Rn. 15, juris). Hierbei sind jeweils die Besonderheiten des Einzelfalles zu beachten, zu denen u.a. gehört, ob und in welchem Zeitraum dem Unternehmer die Beseitigung möglich und zumutbar war.

Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin für lange Zeiträume darauf zurückgezogen, eine Schadensbeseitigung sei wegen der Nutzung der Räume nicht möglich gewesen. Dieser Einwand erscheint jedoch zu pauschal, da es sicherlich möglich gewesen wäre, eine Nachbesserung auch bei laufender Nutzung auszuführen, da lediglich die Fenster als begrenzter Teil des Raumes betroffen waren und derartige Arbeiten in der Regel nur kurzzeitig zu Beeinträchtigungen wie fehlenden Scheiben etc. führen. Auch wenn teilweise die Mauerwerksanschlüsse der Fenster von den Nacharbeiten betroffen gewesen wären, wäre weiterer Vortrag zu erwarten gewesen, dass dies nicht zumindest in einzelnen Räumen hätte ausgeführt werden können oder zumindest eine Teilnachbesserung z.B. der Beschläge, Dichtungen etc. möglich gewesen wäre. Dies wird auch dadurch deutlich, dass die Klägerin selbst in der Lage war, die zuvor beschriebenen Provisorien in die vorhandenen Fensterflügel einbauen zu lassen. Da die Nachbesserung damit offenbar nicht völlig unmöglich war, müsste sie hierzu noch raumbezogen weiter vortragen. Dies hat sie trotz der diesbezüglichen Ausführungen im Urteil (S. 26 UA), in denen auch die konkrete Belegungssituation der Räume angeführt werden, nicht getan, sondern nur ausgeführt, es seien „erhebliche bauliche Eingriffe“ erforderlich.

bb) Diese Bewertung eines Mitverschuldens der Klägerin wird auch nicht dadurch obsolet, dass die Parteien nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens über einen längeren Zeitraum Verhandlungen über die Nachbesserung führten. Die Argumentation der Klägerin ist diesbezüglich zunächst widersprüchlich, weil sie im Zusammenhang mit den geltend gemachten Verzugszinsen davon ausgeht, dass die Beklagte durch das Schreiben der Fa.  S1 vom 15.05.2013 (Anlage K4, Bl. 26 d.A.) bereits vor Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens die Nachbesserung endgültig und ernsthaft verweigert habe. Wieso sie dann aber nach Abschluss des Verfahrens auf die Bereitschaft der Beklagten zur Nachbesserung vertraut haben will, erläutert sie nicht. Zudem hat das Landgericht diesen Umstand bei seiner Bewertung erkannt und das Mitverschulden im Wesentlichen mit den zeitlichen Einschränkungen, wegen der angeblichen dauernden Nutzung der Räume begründet und damit dadurch, dass sie zur Entgegennahme von Nachbesserungsleistungen nicht bereit war (S. 26 UA, Ziff. (2)). Dies ist nicht zu beanstanden.

c) Die Berufung hat Erfolg, soweit die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere Schäden begehrt. Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass die Erhebung einer Vorschussklage nach der ständigen Rechtsprechung des BGH zwar eine Feststellungsklage entbehrlich macht, diese jedoch neben dem Vorschussanspruch nicht unzulässig wird. Wird sie dennoch erhoben, hat sie lediglich klarstellende Funktion (BGH, Urteil vom 25. September 2008 – VII ZR 204/07 –, Rn. 8, juris).

d) Wiederum ohne Erfolg bleibt die Berufung allerdings im Hinblick auf die begehrte Verzinsung der eingezahlten Gerichtskostenvorschüsse. Wie die Klägerin selbst im Rahmen der Berufungsbegründung vorträgt, kann sich ein solcher Anspruch lediglich daraus ergeben, dass die Forderung, deren Verzinszung gem. § 288 Abs. 1 BGB gefordert wird, in einem materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch der Rechtsverfolgungskosten besteht. Dieser wäre davon abhängig, dass die Beklagte mit der den Anspruch begründenden Hauptforderung im Verzug wäre. Dies ist jedoch nach den obigen Ausführungen nicht der Fall gewesen, da der Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten erstmals mit der Klage geltend gemacht worden ist. Zwar gerät ein Schuldner auch ohne Mahnung in Verzug, wenn Klage erhoben wird, weil gem. § 286 Abs. 1 S. 2 BGB die Erhebung der Klage auf Leistung der Mahnung gleich steht. Allerdings handelt es sich bei den Gerichtskostenvorschüssen in diesem Fall nicht um Folgekosten des Verzuges, sondern um die Kosten der verzugsbegründenden Handlung, die keinen ersatzfähigen Schaden darstellen.

Im Übrigen neigt der Senat der Auffassung zu, dass es sich bei der Regelung des § 104 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der die Möglichkeit der Verzinsung von Gerichtskostenvorschüssen im Kostenfestsetzungsverfahren regelt, um eine abschließende Regelung handelt, die eine weitere Verzinsung von Gerichtskostenvorschüssen ausschließt. Denn ansonsten könnte jeder Zivilprozess, der von der Klagepartei nicht unter Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe geführt wird, mit der konkreten Darlegung für den Gerichtskostenvorschuss erforderlicher Finanzierungszinsen bzw. entgangener Habenzinsen (worüber im Bestreitensfall auch noch Beweis zu erheben wäre) belastet werden, was der Bedeutung der Sache nicht angemessen erscheint. (vgl. OLG München, Urteil vom 30. November 2016 – 7 U 2038/16 –, Rn. 30 - 34, juris).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen. Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind obergerichtlich geklärt. Dies gilt auch in der hier vorliegenden Situation für die Frage der Verzinsungspflicht für die Gerichtskostenvorschüsse, in der es bereits an einem fälligen Hauptanspruch fehlt.

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