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16.01.2019 · IWW-Abrufnummer 206555

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 23.10.2018 – 34 U 10/18

Vollstreckungsgegenklage des Kreditinstituts nach dem Einbehalt von Kapitalertragssteuer; Voraussetzungen des Erfüllungseinwandes; Kapitalertragssteuerabzug von einer durch Prozessvergleich titulierten, an den Anleger zu leistenden Schadensersatzzahlung wegen behaupteter fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit der Zeichnung eines Schiffsfonds; zur Frage der "eindeutigen Erkennbarkeit" des Nichtbestehens einer Kapitalertragssteuerpflicht aufgrund des zum Vertrieb der Beteiligung verwendeten Anlageprospekts.


Oberlandesgericht Hamm


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 23. November 2017 - Az. 6 O 358/17 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

1

Gründe:

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A.

3

Gemäß § 540 Abs.1 ZPO wird bezüglich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der tatsächlichen Feststellungen auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen, soweit sich aus dem Nachfolgenden nichts anderes ergibt.

4

Das klagende Kreditinstitut wendet sich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem zwischen den Parteien in einem Rechtsstreit umgekehrten Rubrums geschlossenen Vergleich (LG Essen – 6 O 76/17), in dem die Beklagte die Klägerin wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatte.

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Streitgegenständlich war in dem Ausgangsrechtsstreit ein geschlossener, in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft geführter Schiffsfonds, an dem sich die Beklagte auf Empfehlung der Klägerin beteiligt hatte. So war die Beklagte nach persönlicher Beratung durch eine Mitarbeiterin der Klägerin mit Beitrittserklärung 21.02.2007 als Treugeber-Kommanditistin mit einem Nominalbetrag von 10.000 € zuzüglich 5 % Agio dem Schiffsfonds „O #“ beigetreten (vgl. Anlage K1, Beiakte). Bei dieser als Dachfonds konzipierten Beteiligung investierte der Anleger quotal in zwei geschlossene Einschiffsgesellschaften („Q2“ GmbH & Co. KG und „Q“ GmbH & Co. KG), deren Gegenstand jeweils der Erwerb und Betrieb eines modernen Massengutfrachters war (vgl. u.a. S. 7 f. des Anlageprospekts; Anlage K3, Beiakte). Nach den Prospektangaben basierte die steuerliche Konzeption des Fonds darauf, dass der Anleger als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einzustufen war und als solcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte (vgl. u.a. S. 75 ff. des Prospekts). Die Fondsbeteiligung entwickelte sich nicht wie prospektiert.

6

In dem Ausgangsrechtsstreit hatte die Beklagte – gestützt auf diverse beratungspflichtige Pflichtverletzungen – von der Klägerin im Wesentlichen die Erstattung des investierten Anlagekapitals zuzüglich Agio abzüglich empfangener Ausschüttungen Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Beteiligung, entgangene Anlagezinsen in Höhe von 3,5 % p.a. und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ihren Anlageschaden hatte die Beklagte seinerzeit mit 8.407 € beziffert (10.000 € + 500 € Agio – 2.093 € Ausschüttungen, vgl. Klageschrift S. 25, Bl. 25 der Beiakte).

7

In der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2017 schlossen die Parteien vor dem Landgericht Essen zur Verfahrensbeendigung folgenden Vergleich (Bl. 149 der Beiakte):

8

„1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 4.000,00 €.

9

Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit diesem Vergleich alle Ansprüche der Klägerin aus der streitgegenständlichen Beteiligung der Q GmbH & Co. KG und Q2 GmbH & Co. KG (J-Kapital T GmbH, O #), eine Beteiligung vom 07.02.2007 über 10.000 € plus 5 % Agio, erledigt sind.

10

Die Parteien sind sich darüber einig, dass die gerade genannte Beteiligung bei der Klägerin verbleibt.

11

2. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.“

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Zum 18.07.2017 überwies die Klägerin in Erfüllung ihrer Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich an die Beklagte einen Betrag in Höhe von 3.248,16 € (Anlage K1, Bl. 7 d.A.). Den Restbetrag behielt die Klägerin – unter Berücksichtigung eines Steuerfreibetrags von 1.314,37 € – in Höhe von 656,64 € als Abgeltungssteuer, in Höhe von 36,11 € als Solidaritätszuschlag und in Höhe von 59,09 € als Kirchensteuer ein. Am 09.08.2017 nahm sie eine Kapitalertragssteueranmeldung bei dem zuständigen Finanzamt vor.

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Mit vorgerichtlichem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 16.08.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs auf und unterrichtete diese mit weiterem Anwaltsschreiben vom 04.09.2017 über den vorgenommenen Steuerabzug. Die Beklagte trat mit Schriftsätzen ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30.08.2017 und vom 27.09.2017 dem Einbehalt und der Abführung von Kapitalertragssteuern entgegen und forderte die Klägerin mit der Begründung, dass die Vergleichszahlung nicht der Kapitalertragssteuer nach § 20 Abs. 3 EStG unterliege, unter Fristsetzung bis zum 10.10.2017 zur Zahlung des einbehaltenen Betrages von insgesamt 751,84 € auf. Die Klägerin hielt an ihrer Rechtsauffassung fest und forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 21.09.2017 letztmalig unter Fristsetzung bis zum 29.09.2017 vergeblich zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels auf.

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Die Klägerin hat daraufhin – gestützt auf den Einwand der Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB – Vollstreckungsgegenklage verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung sowie auf Herausgabe des Vollstreckungstitels analog § 371 BGB erhoben. Sie hat sich darauf berufen, als Kreditinstitut zur Abführung der Kapitalertragssteuer gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein. Nach § 20 Abs. 3 EStG gehörten zu den steuerpflichtigen Einkünften aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte und Vorteile, die neben Dividenden und Veräußerungsgewinnen gewährt würden. Vergleichszahlungen wegen angeblicher Beratungsfehler fielen unter diese Regelung. Diese Auffassung entspreche zudem gefestigter Praxis der Finanzbehörden, weshalb sie – die Klägerin – unter eigenen Haftungsgesichtspunkten gehalten gewesen wäre, die Steuern abzuführen. Auch das Bundesfinanzministerium habe mit Schreiben vom 09.10.2012 (BStBl. 2010 I, S. 94, Rn. 83) klargestellt, dass Vergleichszahlungen – wie die vorliegende – als Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 3 EStG zu versteuern seien.

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Die Beklagte ist der Klage unter näheren Ausführungen entgegen getreten und hat den im Vollstreckungsverfahren geltend gemachten Erfüllungseinwand zum einen gemäß § 767 Abs. 2 ZPO für präkludiert erachtet, weil der Klägerin ihre vermeintliche Verpflichtung zum Kapitalertragssteuerabzug bereits im Vorprozess bekannt gewesen sei. Zum anderen hat sie die Auffassung vertreten, die Klägerin habe ihre Verpflichtung aus dem Vergleich nicht vollständig erfüllt, weil die Vergleichszahlung als Schadensbetrag nicht gemäß § 20 Abs. 3 EStG der Abgeltungssteuer unterlegen habe. Bei der Schadensersatzsumme habe es sich nicht um besondere Entgelte oder Vorteile gehandelt. Eine Verpflichtung zur Versteuerung ergebe sich auch nicht aus dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 09.10.2012, denn danach seien Leistungen nur dann zu versteuern, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion bestehe, bei der ein konkreter Verlust entstanden sei. Die Klägerin habe insoweit schon nicht dargelegt, welchen konkreten Verlust der Vergleichsbetrag habe ausgleichen sollen. Wie sich die pauschale Summe von 4.000 € auf die eingeklagten Schadenspositionen (Beteiligungsbetrag, Zinsausfallschaden und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) aufgeteilt habe, sei weder vor dem Vergleich konkret besprochen noch in dem Vergleich konkretisiert worden.

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Das Landgericht hat nach einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung der Klage stattgegeben, die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 29.06.2017 für unzulässig erklärt und die Beklagte zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Prozessvergleichs verurteilt. Die Klägerin habe ein Rechtsschutzbedürfnis für die gemäß §§ 767, 795 S. 1 ZPO statthafte Vollstreckungsgegenklage, weil es sich bei dem von ihr vorgetragenen Erfüllungseinwand um eine Einwendung aus einer nachträglichen Tatsache handele. Zudem sei der Beklagten die Zwangsvollstreckung mit Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung, deren Herausgabe sie trotz mehrmaliger Aufforderung abgelehnt habe, jederzeit möglich.

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In der Sache hat das Landgericht angenommen, die Klägerin habe durch die unstreitige Zahlung in Höhe von 3.248,16 € und den vorgenommenen Steuerabzug in Höhe von insgesamt 751,84 € ihre Verpflichtung aus dem Vergleich zur Zahlung von 4.000 € gemäß §§ 362 Abs. 1, Abs. 2, 185 BGB vollständig erfüllt. Die Klägerin sei gesetzlich zur Abführung der Steuern verpflichtet gewesen, so dass dem Einbehalt und der Weiterleitung der Steuern Erfüllungswirkung zukomme. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werde ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis durch die gesetzliche Abzugsverpflichtung dergestalt überlagert, dass dann, wenn ein Leistungsempfänger seiner gegenüber dem Finanzamt bestehenden Zahlungspflicht nachkomme, in Höhe des Abzugsbetrages auch seine zivilrechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Schuldner erfüllt werde, weil er der ihm abgabenrechtlich auferlegten Abzugsverpflichtung gegenüber dem Finanzamt des Leistenden nachkomme (Verweis auf BGH, Urt. v. 17.07.2001 – X ZR 13/99 und Urt. v. 12.05.2005 – VII ZR 97/04; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.04.2015 – 17 U 251/13). Bei der Klägerin handele es sich um ein inländisches Kreditinstitut im Sinne des KWG, welches gemäß §§ 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 lit. a), 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, Abs. 1 S. 2 EStG zur Abführung von Kapitalertragssteuer verpflichtet sei. Der Einwand der Beklagten, dass jedenfalls nicht pauschal die gesamte Vergleichssumme bei der Kapitalertragssteuer in Ansatz habe gebracht werden können, da im Vergleich keine Konkretisierung hinsichtlich der einzelnen eingeklagten Posten erfolgt sei, verfange nicht. Sämtliche im Vorprozess begehrten Zahlungen unterlägen der Kapitalertragssteuerpflicht. Die geltend gemachten Ansprüche stellten allesamt Schadensersatzansprüche und keine Zinsansprüche dar mit der Folge, dass lediglich § 20 Abs. 3 i.V.m. §§ 43 Abs. 1 S. 2, 44 Abs. 1 S. 4 Nr. 1 lit. a) EStG maßgeblich sei. Ein solcher Schadensersatz stelle ein Surrogat der Einkünfte aus Kapitalvermögen, vorliegend des „Immobilienfonds“ in Form eines besonderen Entgeltes dar. Dies folge daraus, dass die Beklagte u.a. geltend gemacht habe, im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung über eine alternative Anlage anderweitige Kapitalerträge in Höhe von 3,5 % p.a. generiert zu haben. Hätte die Beklagte diese Zinsen tatsächlich erzielt, hätten diese der Kapitalertragssteuer unterlegen. Nichts anderes könne gelten, wenn sie diese Zinsen im Wege des Schadensersatzes von der beratenden Bank verlange. Dadurch, dass die Beteiligung im Vermögen der Beklagten verblieben sei und sie zusätzlich noch eine Vergleichszahlung in Höhe von 4.000 € auf einen Schadensersatzanspruch in Form der Naturalrestitution nach § 249 BGB erhalten habe, sei diese sogar besser gestellt worden. Auch deshalb sei davon auszugehen, dass die Zahlung der Klägerin ein besonderes Entgelt oder einen Vorteil aus dem Kapitalvermögen neben den laufenden Einkünften darstellten, welche der Kapitalertragssteuerpflicht gemäß § 20 Abs. 3 EStG unterfielen.

18

Schließlich hat das Landgericht der Klägerin analog § 371 BGB einen Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Prozessvergleichs zuerkannt.

19

Mit ihrer dagegen zulässig eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter. Sie hält die Vollstreckungsgegenklage mangels Rechtsschutzbedürfnis bereits für unzulässig, weil der Klägerin zum einen schon im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses ihre angebliche Verpflichtung zum Kapitalertragssteuerabzug bekannt gewesen sei, so dass es sich bei dem Erfüllungseinwand nicht um eine Einwendung aus einer nachträglich eingetretenen Tatsache handele. Zum anderen habe die Beklagte – wie sie erstinstanzlich mehrfach vorgetragen habe – weder die Absicht gehabt, die Zwangsvollstreckung zu betreiben noch sei ihr dies überhaupt möglich gewesen. Insoweit sei ihren Prozessbevollmächtigten erstmals im Dezember 2017 aufgefallen, zu keinem Zeitpunkt die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs beantragt zu haben. Der erstinstanzlichen Verurteilung zur Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung könne sie daher schon faktisch nicht nachkommen, weshalb das Urteil aufzuheben sei.

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In der Sache hält die Beklagte an ihrer Rechtsauffassung fest, dass Erfüllung gemäß §§ 362 Abs. 1, Abs. 2, 185 BGB nicht eingetreten sei und eine Leistungspflicht der Klägerin gegenüber dem Finanzamt nicht bestanden habe. Das Landgericht habe zwar zunächst selbst festgestellt, dass es sich bei den im Vorprozess geltend gemachten Ansprüchen um Schadensersatzansprüche und bei dem Vergleichsbetrag um eine Schadensersatzleistung gehandelt habe. Im Weiteren habe es jedoch übersehen, dass bei Schadensersatzansprüchen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 3 EStG nicht vorlägen. Zudem sei das Landgericht unzutreffend von einem Immobilienfonds sowie auch davon ausgegangen, das Vermögen der Beklagten sei mit der Zahlung des Vergleichsbetrages auf den Stand gebracht worden, den es bei ordnungsgemäßer Beratung gehabt hätte. Überdies beruhten die Entscheidungsgründe auf einem gravierenden Widerspruch, indem das Landgericht einerseits Schadensersatzansprüche (S. 7 der Gründe) zugrunde lege, andererseits aber die Steuerpflicht allein auf den erstinstanzlich geltend gemachten Zinsausfallschaden zurückführe. Dabei habe es übersehen, dass die Vergleichssumme der Abgeltung sämtlicher Ansprüche gedient hätte und damit auch auf die Einlage und die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gezahlt worden sei. Werde schlicht der ursprünglich eingesetzte Kapitalbetrag oder im Vergleichswege weniger zurückgezahlt, könne sich auch bei Bejahung einer grundsätzlichen Steuerpflicht kein zu versteuernder Gewinn ergeben.

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Die Beklagte beantragt,

22

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Essen vom 23.11.2017

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- 6 O 358/17 - die Klage abzuweisen.

24

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

26

Die Klägerin verteidigt das ihr günstige Urteil und führt – unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlichen Rechtsausführungen – aus, dass es sich bei der Abführung von Kapitalertragssteuer als sog. Quellensteuer um eine gesetzliche Verpflichtung handele, der sie schon unter eigenen Haftungsgesichtspunkten habe nachkommen müssen. Soweit die Beklagte meine, das aktuelle Abgeltungssteuerrecht fände keine Anwendung, so verkenne sie, dass der Vergleich erst 2017 geschlossen worden und die Kapitalertragssteuerpflicht gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 EStG damit erst nach dem 01.01.2009 entstanden sei. Unerheblich sei, dass tatsächlich etwaige Ausschüttungen aus der Anlage als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren wären. Bei der streitgegenständlichen Vergleichssumme handele es sich gerade nicht um eine Zahlung aus der Anlage selbst, sondern um die Zahlung des nicht personenidentischen Kreditinstituts auf der Grundlage des Anlageberatungsvertrages. Deshalb handele es sich bei der Vergleichssumme um ein besonderes Entgelt bzw. um einen besonderen Vorteil im Sinne des § 20 Abs. 3 EStG (Verweis u.a. auf OLG Dresden, Urteil vom 9. August 2018 - 8 U 350/18).

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten des Landgerichts Essen – 6 O 76/17 – waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

28

B.

29

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der Klage.

30

I.

31

Die von der klagenden Bank erhobene Vollstreckungsgegenklage ist gemäß §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig erhoben. Entgegen der Auffassung der Berufung kann der Klägerin insbesondere nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des neuen, unbestrittenen Vorbringens der Beklagten, zu keiner Zeit die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Prozessvergleichs beantragt zu haben. Ebenso unerheblich ist ihr Einwand, die Zwangsvollstreckung zu keiner Zeit angedroht zu haben.

32

Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass für eine Vollstreckungsabwehrklage solange ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wie der Gläubiger den Vollstreckungstitel noch in Händen hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Gläubiger auf seine Rechte aus dem Titel verzichtet hat oder zwischen ihm und dem Schuldner Einigkeit darüber besteht, dass eine Zwangsvollstreckung nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2016 – V ZR 230/15, juris Rn. 7 mit Verweis auf: BGH, Urteil vom 12. Juli 1955 - V ZR 11/53, NJW 1955, 1556; Urteil vom 23. November 1973 - V ZR 23/72, WM 1974, 59, 60; Urteil vom 10. Oktober 1975 - V ZR 5/74, WM 1975, 1213; Urteil vom 21. Januar 1994 - V ZR 238/92, NJW 1994, 1161, 1162; BGH, Urteil vom 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91, NJW 1992, 2148; Beschluss vom 15. Dezember 2011 - IX ZR 230/09, juris Rn. 2). Dieses Verständnis entspricht der Rechtsnatur der Klage aus § 767 ZPO, die sich nicht gegen einzelne Vollstreckungsmaßnahmen richtet, sondern dazu dient, einem Vollstreckungstitel die Vollstreckungsfähigkeit schlechthin zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1960 - II ZR 53/58, NJW 1960, 2886; Beschluss vom 5. Juli 2005 - VII ZB 10/05, Rpfleger 2005, 675 f.; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 767 Rn. 42). Infolgedessen hängt ihre Zulässigkeit nicht davon ab, dass Vollstreckungsmaßnahmen drohen. Auch besteht ein Rechtsschutzbedürfnis schon vor Erteilung oder Umschreibung der Vollstreckungsklausel (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 767, Rn. 8). Es fehlt ausnahmsweise nur dann, wenn eine Zwangsvollstreckung unzweifelhaft nicht mehr droht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2016 – V ZR 230/15, juris Rn. 9). Letzteres lässt sich im Streitfall nicht feststellen. Die Beklagte hat im Zuge der vorgerichtlichen Korrespondenz die Klägerin aus dem Prozessvergleich in Anspruch genommen und mit Anwaltsschreiben vom 30.08.2017 und vom 27.09.2017 jeweils unter Fristsetzung die Zahlung des restlichen Vergleichsbetrags von 751,84 € angemahnt. Der Vollstreckungsklage tritt sie mit der Begründung entgegen, die Klägerin habe ihre Zahlungsverpflichtung aus dem Vergleich nicht vollständig erfüllt. Eine Herausgabe des Vollstreckungstitels hat sie vorprozessual sowie auch im hiesigen Verfahren ausdrücklich von der Zahlung des restlichen Vergleichsbetrages abhängig gemacht. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zu Recht ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bejaht.

33

II.

34

In der Sache kann das angefochtene Urteil dagegen keinen Bestand haben.

35

1. Die Vollstreckungsgegenklage ist unbegründet. Entgegen der Annahme des Landgerichts kann die Klägerin den auf die Abführung von Abgeltungssteuer nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag gestützten Erfüllungseinwand im Vollstreckungsverfahren nicht mit Erfolg führen. Dem von der Klägerin unstreitig von der gesamten Vergleichssumme von 4.000 € vorgenommenen Steuerabzug in Höhe von 751,84 € (davon: 656,64 Abgeltungssteuer; 36,11 Solidaritätszuschlag; 59,09 € Kirchensteuer) kommt – jedenfalls in dieser Höhe – keine Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB zu.

36

Gemäß § 362 Abs. 1 BGB erlischt das Schuldverhältnis, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Durch die Vorschriften des Steuerabzugs wird diese Regel, dass der Schuldner den geschuldeten Betrag unmittelbar an den Gläubiger zu zahlen hat, im Verhältnis zwischen der Bank als Schuldnerin und ihrem Kunden als Gläubiger teilweise durchbrochen (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – XI ZR 108/16, juris). Denn mit der Steuerabzugsverpflichtung der Bank bzw. des inländischen Kreditinstituts nach §§ 43, 44 Abs. 1 S. 3 und S. 4 EStG tritt in Höhe des Abzugsbetrages neben die zivilrechtliche Leistungsverpflichtung gegenüber dem Anleger eine öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Steuerfiskus, die die zivilrechtliche Leistungsverpflichtung abgabenrechtlich überlagert (vgl. zum Umsatzsteuerabzugsverfahren: BGH, Urteil vom 17. Juli 2001 – X ZR 13/99, juris Rn. 16; Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 97/04, juris Rn. 10; vgl. zum Abzugsverfahren bei der Kapitalertragssteuer: OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. April 2015 – 17 U 251/13, juris Rn. 28; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2017 – 7 U 119/15, juris Rn. 45).

37

Als die Kapitalerträge auszahlende Stelle hat die Bank die zu entrichtende Kapitalertragssteuer (§ 43 a Abs. 1 EStG) zuzüglich des Solidaritätszuschlags einzubehalten, anzumelden (§ 45 a EStG) und an das zuständige Finanzamt abzuführen (§ 44 Abs. 1 S. 5 EStG). Dabei hat die Bank den Steuerabzug gemäß § 44 Abs. 1 S. 3 EStG unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung vorzunehmen und ist als Organ der Steuererhebung an die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung hinsichtlich des Kapitalertragseinbehalts gebunden (BMF-Schreiben vom 09.12.2014 zu § 43 EStG, Rn. 151 a). Sie haftet dem Steuerfiskus für die Kapitalertragssteuer, § 44 Abs. 5 EStG. Der Erfüllung der Abzugsverpflichtung und der Leistung an den durch das Abzugsverfahren gesetzlich ermächtigten Steuergläubiger durch die Bank als Steuerentrichtungspflichtigen kommt daher Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Verhältnis zwischen der Bank und dem Kunden zu (vgl. zum Kapitalertragssteuerabzugsverfahren: BGH, Urteil vom 25. April 2017 – XI ZR 108/16, OLG Karlsruhe und OLG Düsseldorf, a.a.O.; Knoblauch in DStR 39/2012, S. 1952 ff.; Prof. Dr. Bruns in DStR 9/2015, S. 482 ff.). Dies gilt auch dann, wenn die steuerrechtliche Lage ungeklärt ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2001 – X ZR 13/99, juris Rn. 13; vom 12. Mai 2005 – VII ZR 97/04, juris Rn. 17). Die Bank ist im System des Steuerabzuges lediglich als Abwickler in das zwischen Steuerschuldner und Finanzamt bestehende Steuerverhältnis eingeschaltet, so dass ihr als Abwickler nicht Unklarheiten aus diesem Steuerverhältnis auferlegt werden können (vgl. Knoblauch a.a.O.). Auch liegt das Entscheidungsrecht über die Rechtmäßigkeit der Besteuerung ausschließlich bei den Finanzbehörden. Nur diese treffen eine verbindliche Entscheidung über das Bestehen der Steuerpflicht, so dass Meinungsunterschiede über die Rechtmäßigkeit des Steuereinbehalts zwischen dem Steuerschuldner (Anleger) und dem Steuerfiskus zu klären sind. Dementsprechend überprüfen Gerichte anderer Gerichtszweige als der Finanzgerichtsbarkeit die Berechtigung des Abzuges nicht, sofern für den Steuerentrichtungspflichtigen nicht eindeutig erkennbar war, dass eine Verpflichtung zum Steuerabzug nicht bestanden hat (vgl. zum Kapitalertragssteuerabzugsverfahren: BGH, Urteil vom 25. April 2017 – XI ZR 108/16). Erfüllungswirkung gemäß § 362 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB tritt daher nur dann nicht ein, wenn für das inländische Kreditinstitut nach den bekannten Umständen eindeutig gewesen ist, dass eine Entrichtungspflicht nicht besteht (vgl. zum Umsatzsteuerabzugsverfahren: BGH, Urteil vom 12. Mai 2005 – VII ZR 97/04, juris Rn. 17; zum Kapitalertragssteuerabzugsverfahren: Prof. Dr. Bruns, a.a.O.).

38

Vorstehendes zugrunde legend, ist die Klägerin als inländisches Kreditinstitut zwar grundsätzlich zum Einbehalt und zur Abführung der Abgeltungssteuer als sog. Quellensteuer gemäß §§ 43, 44 Abs. 1 EStG verpflichtet gewesen. Nach den aufgezeigten Grundsätzen erweist sich im Streitfall der von ihr erhobene Erfüllungseinwand (§ 362 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB) aber jedenfalls der Höhe nach als nicht berechtigt.

39

a) Dies folgt – entgegen der Auffassung der Berufung – allerdings nicht bereits daraus, dass der in dem Prozessvergleich vereinbarte Zahlungsbetrag „netto“ zu verstehen wäre. Für ein solches Auslegungsergebnis (§§ 133, 157 BGB) sind weder durchgreifende Anhaltspunkte von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich. Der von der Berufung allein angeführte Umstand, der Klägerin sei ihre Entrichtungspflicht als Kreditinstitut bekannt gewesen, genügt hierfür ersichtlich nicht. Auch ein einseitiger (Kalkulations-) Irrtum des Anlegers über die Steuerpflicht eröffnet eine dahingehende ergänzende Vertragsauslegung nicht (vgl. Knoblauch, a.a.O. mit Verweis auf BFH, Urteile vom 11. Mai 2001 – V ZR 492/99, DStRE 2002, 49 und vom 28. Februar 2002 – I ZR 318/99, NJW 2002, 2312). Insoweit ist die Klägerin mit Recht davon ausgegangen, dass etwaige anfallende Steuern von der Beklagten als Anlegerin und Empfängerin des Vergleichsbetrages zu entrichten sind und nicht von dem klagenden Kreditinstitut.

40

b) Im Streitfall scheitert der Erfüllungseinwand jedoch deshalb, weil für die Klägerin nach den gesamten Umständen eindeutig erkennbar gewesen ist, dass die Vergleichssumme – soweit sie der Abgeltung des Anlageschadens und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gedient hat – nicht der Kapitalertragssteuer unterlegen und damit eine Verpflichtung zum Steuerabzug ihrerseits nicht bestanden hat.

41

Soweit das Landgericht die im Rahmen eines Abgeltungsvergleichs nur pauschal vereinbarte Vergleichssumme insgesamt als steuerpflichtig behandelt hat, halten die im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat zum einen nicht hinreichend zwischen den von der Vergleichszahlung umfassten Schadenspositionen differenziert (zur erforderlichen Differenzierung: vgl. Knoblauch; Prof. Dr. Bruns, a.a.O.) und sich zum anderen insbesondere nicht mit der steuerlichen Konzeption der streitgegenständlichen (Dach-) Fondsbeteiligung auseinander gesetzt. Es hat verkannt, dass es sich bei der in Rede stehenden Beteiligung nicht um einen Immobilienfonds, sondern um eine unternehmerische Beteiligung in Gestalt eines geschlossenen Schiffsfonds handelt. Infolge dessen ist es im Hinblick auf den Anfall von Kapitalertragssteuer und einer darauf beruhenden Entrichtungspflicht der Klägerin rechtlich zu falschen Schlüssen gelangt.

42

Dem umstrittenen Prozessvergleich hat mit dem Schiffsfonds „O #“ („Q2“ GmbH & Co. KG und „Q“ GmbH & Co. KG) eine Kapitalanlage zugrunde gelegen, die - offensichtlich - nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 EStG führt. Dies war für die Klägerin aufgrund der Informationen in dem Emissionsprospekt, den sie eigens zum Vertrieb des Fonds und als Beratungsgrundlage gegenüber Kunden verwendet hat, eindeutig und unschwer zu erkennen.

43

Nach den Prospektangaben basiert die steuerliche Konzeption des streitgegenständlichen Schiffsfonds „O #“ darauf, dass der Anleger als Mitunternehmer im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einzustufen ist und als solcher Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt (vgl. u.a. S. 75 ff. des Prospekts). Es ist von der Klägerin weder im Ansatz dargetan noch sonst ersichtlich, dass und weshalb dem Anleger bei dieser Beteiligung Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 EStG zufließen. Der Fonds führt ausschließlich zu gewerblichen Einkünften gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 EStG (auch bei der Veräußerung des Betriebsvermögens) und begründet keinen Steuertatbestand nach § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG. Als Mitunternehmer stehen dem Anleger auch keine Forderungen im Sinne des in § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG normierten Auffangtatbestandes, d.h. auf Rückzahlung seines Kapitals oder auf Zahlung eines Entgeltes für die Kapitalüberlassung, gegen die Fondsgesellschaft zu. Dies geht aus dem Anlageprospekt klar hervor.

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Soweit das Landgericht der Argumentation der Klägerin gefolgt ist und eine Verpflichtung zur Abführung von Kapitalertragssteuer maßgeblich auf §§ 20 Abs. 3, 43 Abs. 1 S. 2 EStG gestützt hat, verfängt die Argumentation im angefochtenen Urteil nicht und rechtfertigt insbesondere nicht die Annahme, die Klägerin habe aufgrund ihrer Bindung an die Auffassung der Finanzverwaltung von einer Kapitalertragssteuerpflicht ausgehen dürfen und müssen. Die von der Klägerin angeführten BMF-Schreiben vom 09.10.2012 und vom 16.01.2016 (Anlagen K7 und K8, dort jeweils Rn. 83) betreffen „Einzelfragen zur Abgeltungssteuer“. Danach sind „Entschädigungszahlungen auf Grund von Beratungsfehlern im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage“ als “besondere Entgelte und Vorteile“ im Sinne von § 20 Abs. 3 EStG zu werten und zu versteuern, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion besteht, bei der ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein steuerpflichtiger Gewinn vermindert wird. Unabhängig davon, dass ein solcher unmittelbarer Zusammenhang im Streitfall schon nicht feststellbar ist, dienen die genannten BMF-Schreiben allein der Auslegung von § 20 Abs. 3 EStG und setzen – wie sich auch aus dem Wortlaut von Abs. 3 eindeutig ergibt – Einkünfte aus Kapitalvermögen als Einkunftsart voraus („... besondere Entgelte oder Vorteile, die neben den in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden.“). § 20 Abs. 3 EStG i.V.m. den BMF-Anwendungsschreiben unterwirft daher gerade nicht – losgelöst von dem Anlageprodukt – jede Entschädigung der Steuerpflicht. Der Abgeltungssteuer unterliegen vielmehr nur Entschädigungszahlungen, die sich als Surrogat der Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG darstellen. Letztere liegen aber nach den Prospektinformationen zum "O #" offensichtlich nicht vor. Es ist daher weder nachvollziehbar noch verständlich, weshalb und auf welcher Grundlage die - auf dem Gebiet der Kapitalanlageberatung tätige - Klägerin gleichwohl von einer Kapitalertragssteuerpflicht ausgegangen sein will. Gleiches gilt, soweit mit dem Prozessvergleich auch der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten abgegolten sein sollte.

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Die Stellungnahme der Klägerin vom 09.10.2018 zum Hinweisbeschluss des Senats vom 06.09.2018 gibt zu einer abweichenden Würdigung keinen Anlass. Darin übergeht sie erneut, dass die von ihr maßgeblich herangezogenen Schreiben des BFM (dort Rn. 83) voraussetzen, dass dem Anleger die von der Bank geleistete Entschädigungszahlung neben oder an Stelle von Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 EStG zufließt. Dagegen begründen die BMF-Schreiben keinen Steuertatbestand „sui generis“. Soweit die Klägerin auf ein ohne Sachverhaltsdarstellung ergangenes Urteil des OLG Dresden vom 9. August 2018, Az. 8 U 350/18 (Anlage K9) verweist, liegt der Entscheidung - wie sich aus dem erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Leipzig vom 5. Februar 2018, Az. 4 O 1404/17, ergibt - kein geschlossener Fonds, sondern ein offener Immobilienfonds zugrunde, für den andere Steuertatbestände gelten als für den hier in Rede stehende Schiffsfonds. Mangels einer Vergleichbarkeit der zu entscheidenden Sachverhalte kann die Klägerin daher aus dem zitierten Urteil nichts zu ihren Gunsten herleiten.

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c) Dass und in welcher Höhe der Steuerabzug für etwaige, von der Vergleichszahlung umfasste und nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, Abs. 3 EStG zu versteuernde Rechtshängigkeits- und Prozesszinsen zumindest anteilig gerechtfertigt sein könnte, lässt sich nicht feststellen.

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Zu vergegenwärtigen ist, dass es sich bei der titulierten Forderung um eine nicht näher spezifizierte Zahlung aufgrund eines Abgeltungsvergleichs handelt. Die Beklagte hat in dem Ausgangsrechtsstreit den Ersatz des investierten Anlagekapitals zuzüglich Agio (nach Ausschüttungen: 8.407 €), die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (1.461,32 €) sowie Rechtshängigkeitszinsen auf die Hauptforderung und Zinsen in Form von entgangenem Gewinn in Höhe von 3,5 % p.a. für eine hypothetisch getätigte Alternativanlage verlangt. Eine Aufschlüsselung der Vergleichssumme im Hinblick auf die geltend gemachten Schadenspositionen ist weder in dem Vergleich erfolgt noch ist hierzu – wie die Beklagte erstinstanzlich unbestritten vorgetragen hat – mündlich im Rahmen des Vergleichsschlusses etwas besprochen worden. Die Klägerin trägt zu der gebotenen Auslegung des Vergleichs (§§ 133, 157 BGB) nichts vor und bleibt insoweit als für den Erfüllungseinwand darlegungs- und beweisbelastete Partei schon jedweden Vortrags schuldig. Ausweislich der Beiakte hat für die Klägerin die im Ausgangsrechtsstreit geltend gemachte Hauptforderung, d.h. der Ersatz des Anlageschadens, wirtschaftlich eindeutig im Vordergrund gestanden. In der Praxis beinhaltet die Vergleichszahlung in Fällen der Kapitalanlageberatung vielfach weder entgangenen Gewinn noch Verzugs- oder Prozesszinsen. Für die Annahme, dass im Streitfall eine andere Gewichtung erfolgt wäre, ist nichts dargetan und ergibt sich auch aus der Beiakte kein Anhaltspunkt.

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Die Vollstreckungsgegenklage unterliegt daher in vollem Umfang der Abweisung.

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2. Die Klage auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels analog § 371 ZPO erweist sich jedenfalls als unbegründet. Aus den oben aufgezeigten Gründen steht nicht fest, dass die titulierte Schuld nicht mehr – vollständig – besteht und eine Vollstreckung aus der notariellen Urkunde deshalb dauerhaft unzulässig wäre (vgl. zu den Voraussetzung einer Klage auf Herausgabe des Vollstreckungstitels: BGH, Urteil vom 19. Dezember 2014 – V ZR 82/13, juris Rn. 23 m.w.N., Urteil vom 14. Juli 2008 - II ZR 132/07, NJW-RR 2008, 1512 Rn. 12 und vom 22. September 1994 - IX ZR 165/93, BGHZ 127, 146, 149 f.).

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C.

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Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Die Revision war in Ermangelung der hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich geklärt; vorliegend geht es um die Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Einzelfall. Die Entscheidung des Senats steht im Einklang mit der Entscheidung anderer Oberlandesgerichte, des Bundesgerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs.

RechtsgebieteBGB, EStG, ZPOVorschriftenBGB § 185, § 362 Abs. 1 und Abs. 2; EStG § 20 Abs. 3, § 43, § 44; ZPO § 767, § 794 Abs. 1 Nr. 1

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