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06.12.2018 · IWW-Abrufnummer 205993

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 15.11.2017 – 1 K 1763/17

Ein Geschäftsführer einer ausländischen Kapitalgesellschaft kann vom Finanzamt auch dann nicht nach §§ 93, 97 AO auf Auskunft in Anspruch genommen werden, wenn er im Inland wohnt.


In dem Finanzrechtsstreit
des Herrn
- Kläger -
prozessbevollmächtigt: Rechtsanwalt
gegen
das Finanzamt
- Beklagter -
wegen Zwangsgeld, AO/FGO-Sachen
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. November 2017 durch
den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht Diehl
den Richter am Finanzgericht Niesen
den Richter am Finanzgericht Gebel
die ehrenamtliche Richterin Verwaltungsangestellte Kirch
die ehrenamtliche Richterin Bankkauffrau/Prokuristin Linn
für Recht erkannt:
Tenor:

    I.

    Die Bescheide vom 30. März 2017 und vom 29. Juni 2017 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 23. Juni 2017 und vom 17. Juli 2017 werden ersatzlos aufgehoben.
    II.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
    III.

    Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Streitig sind die Rechtmäßigkeit eines Auskunfts- und Vorlageverlangens sowie einer Zwangsgeldfestsetzung.

Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der T S.à.r.l. (im Folgenden: S.à.r.l.). Deren Sitz befindet sich in Luxemburg, der Kläger selbst ist in V/Deutschland wohnhaft. Die S.à.r.l. betreibt ein Transportunternehmen im Güterfernverkehr und beschäftigt mehrere Arbeitnehmer (insbesondere LKW-Fahrer).

Der Kläger ist außerdem Inhaber eines Einzelunternehmens in M. Gegenstand dieses Unternehmens ist ein Torf-, Blumenerde- und Agrarprodukte-Großhandel sowie ein internationaler Logistik- & Transportservice.

Mit Schreiben vom 30. März 2017 wandte sich die Steuerfahndungs- und Strafsachenstelle des Beklagten an den Kläger. Das Schreiben hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut: "Sehr geehrter Herr T, nach meinen Erkenntnissen und hier vorliegenden Unterlagen werden die als Mitarbeiter beschäftigten Arbeitnehmer der luxemburgischen T S.à.r.l. auch außerhalb Luxemburgs für den Arbeitgeber tätig, da sie Transporte in Deutschland und/oder in Drittländern durchführen. Der Arbeitslohn dieser Mitarbeiter, soweit sie im Inland wohnen, unterliegt daher nach Art. 10 des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Luxemburg (DBA) insoweit der inländischen Besteuerung, als er auf Tätigkeiten außerhalb Luxemburgs entfällt. (...) Zur Überprüfung einer zutreffenden Lohnversteuerung bei den Arbeitnehmern werden Sie als Geschäftsführer des Arbeitgebers nach § 93 Abs. 1 i.V. mit § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO im Besteuerungsverfahren um folgende Auskünfte ersucht: 1. Bitte teilen Sie Namen, Anschriften und Geburtsdaten aller im Zeitraum 2014 bis dato beschäftigten Mitarbeiter mit, die ihren Wohnsitz im Inland haben oder hatten. 2. Geben Sie bitte zu jedem der benannten Mitarbeiter den Beginn und ggfs. das Ende des Beschäftigungsverhältnisses an. 3. Legen Sie bitte für alle benannten Mitarbeiter die Jahreslohnbescheinigungen vor. 4. Teilen Sie bitte mit, auf welcher Grundlage die vom Arbeitgeber bescheinigten Arbeitstage außerhalb von Luxemburg ermittelt wurden. 5. Es wird um Vorlage der Grundaufzeichnungen für die vom Arbeitgeber ausgestellten Bescheinigungen gebeten. 6. Teilen Sie bitte mit, ob und ggfls. wann und auf welche Art die Mitarbeiter von Seiten des Arbeitgebers ggfs. auf die betreffende steuerliche Problematik aufmerksam gemacht und sensibilisiert wurden." (Bl. 10 d. PA).

Der Kläger erwiderte darauf mit Schreiben vom 20. April 2017, soweit von ihm persönlich Auskunft über persönliche Daten von Arbeitnehmern der S.à.r.l. erwartet werde, könne diese Auskünfte allenfalls die S.à.r.l. als Arbeitgeber erteilen. Daraufhin teilte ihm der Beklagte mit Schreiben vom 28. April 2017 mit, sein Schreiben vom 20. April 2017 werde als Einspruch gegen das Auskunftsersuchen gedeutet. Die Rechtsauffassung des Klägers werde vom Finanzamt allerdings nicht geteilt. Als Geschäftsführer habe er die umfassende Vertretungsmacht für die Gesellschaft. Auskünfte der S.à.r.l. als Arbeitgeber seien von ihm in seiner Funktion als Geschäftsführer der S.à.r.l. zu erteilen. Für den Fall, dass er der Verpflichtung zur Auskunftserteilung bis zum 31. Mai 2017 nicht nachkomme, werde die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 € angedroht. Der Kläger nahm hierzu u.a. noch dahingehend Stellung, er sei als Geschäftsführer der S.à.r.l. "andere Person" im Sinne von § 93 AO. Eine damit einhergehende Auskunftspflicht entstehe in diesem Fall nur, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche; es sei somit die Subsidiarität von § 93 AO im Vergleich zu § 90 AO verkannt worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2017 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, der Kläger sei in den Besteuerungsverfahren der (noch unbekannten) Arbeitnehmer zwar nicht Beteiligter, sondern "andere Person" im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 1 AO. Allerdings gelte § 93 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach andere Personen als die Beteiligten erst dann zur Auskunft angehalten werden sollten, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche, gemäß § 208 Abs. 1 Satz 3 AO nicht, wenn die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 AO tätig werde, also bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen (Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten) und bei der Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzten Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO lediglich einen unterhalb des strafrechtlichen Anfangsverdachts liegenden hinreichenden Anlass voraus. Ein solcher hinreichender Anlass für das Auskunftsersuchen an den Kläger liege vor. Dem Finanzamt lägen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass im Inland wohnende Personen, die als LKW-Fahrer im Güterfernverkehr bei der S.à.r.l. beschäftigt seien, nicht nur in erheblichem Umfang, sondern möglicherweise sogar ausschließlich außerhalb von Luxemburg tätig seien und dass infolgedessen ein Großteil des von der S.à.r.l. an diese Personen gezahlten Arbeitslohns bei diesen der inländischen Besteuerung unterliege. Es bestehe darüber hinaus die begründete Vermutung, dass ein Teil der betroffenen Personen keine oder unrichtige Einkommensteuererklärungen abgegeben habe und es so zu einer Steuerverkürzung gekommen sein könnte. Die Prognoseentscheidung im Wege vorweggenommener Beweiswürdigung führe daher zu dem Ergebnis, dass die von dem Kläger verlangten Auskünfte möglicherweise zu steuererheblichen Tatsachen führten. Da die Beteiligten selbst dem Finanzamt nicht bekannt seien, könne eine Überprüfung dahingehend, ob bei diesen Personen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht komme, nur nach konkreter Identifizierung dieser Personen erfolgen. Der Kläger verfüge als Geschäftsführer der S.à.r.l. über sämtliche vom Finanzamt verlangten Kenntnisse. Es sei daher ermessensgerecht, ihn im Wege eines Auskunftsersuchens gemäß § 93 Abs. 1 i.V.m. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO auf Erteilung der entsprechenden Auskünfte sowie auf Vorlage der verlangten Unterlagen in Anspruch zu nehmen. Das Auskunftsersuchen sei für ihn auch zumutbar und erfüllbar, da er als Geschäftsführer der S.à.r.l. ohne weiteres tatsächlich in der Lage sei, sämtliche vom Finanzamt geforderten Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.

Mit Verfügung vom 29. Juni 2017 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger zudem ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 € fest, da er der nochmaligen Aufforderung vom 28. April 2017, die geforderten Auskünfte zu erteilen, nicht nachgekommen sei. Den hiergegen am 11. Juli 2017 eingelegten Einspruch des Klägers wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 als unbegründet zurück. Im Verfahren gegen die Festsetzung von Zwangsgeldern sei nicht zu prüfen, ob die der Festsetzung zu Grunde liegende Anordnungsverfügung, d.h. der Verwaltungsakt, der auf die zu erzwingende Handlung gerichtet sei, rechtmäßig gewesen sei. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei im Streitfall auch ermessensgerecht gewesen. Insbesondere habe er - der Beklagte - am 30. März 2017 an den Kläger ein Auskunftsersuchen gerichtet, dessen Erfüllung für ihn möglich und zumutbar sei. Außerdem habe dem Finanzamt keine alternative Möglichkeit zur Erlangung der von dem Kläger erbetenen Auskünfte zur Verfügung gestanden. Er habe folglich sein Entschließungsermessen, das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen, zutreffend ausgeübt. Hinsichtlich des Auswahlermessens - Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 € - sei er durch die Androhung gebunden gewesen.

Zur Begründung seiner - zunächst nur gegen die Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2017 gerichteten - am 14. Juli 2017 erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Unter Zugrundelegung der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Luxemburg nebst Verständigungsvereinbarung sowie Art. 26 Abs. 2 OECD-MA sei festzustellen, dass das Finanzamt verkenne, dass keine Mitwirkungspflicht bezüglich Auskunftserteilung einer ausländischen Firma gegenüber den deutschen Steuerbehörden bestehe. Es sei zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden, aus welcher Rechtsgrundlage sich die Verpflichtung der S.à.r.l., die er - der Kläger - stellvertretend wahrnehme, ergebe. Da keine Mitwirkungsverpflichtung einer luxemburgischen Firma gegenüber den deutschen Finanzbehörden bestehe, könne erst recht das Organ dieser Gesellschaft einer solchen nicht unterliegen.

Mit am 26. Juli 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger seine Klage dahingehend erweitert, dass auch der Bescheid über die Festsetzung eines Zwangsgeldes vom 29. Juni 2017 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2017 aufzuheben seien. Der Beklagte verkenne nach wie vor, dass die S.à.r.l. gegenüber dem Finanzamt nicht auskunftspflichtig sei. Demnach sei ein Zwangsgeld zur Erzwingung der Auskunft gegen den Geschäftsführer nicht rechtens.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide vom 30. März 2017 und vom 29. Juni 2017 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 23. Juni 2017 und vom 17. Juli 2017 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt auf die Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen Bezug und führt ergänzend im Wesentlichen aus, er vermöge nicht zu erkennen, aus welcher der vom Kläger zitierten Quellen (DBA Luxemburg, Verständigungsvereinbarung, Art. 26 Abs. 2 OECD-MA) sich ergeben solle, dass im Streitfall keine Mitwirkungspflicht bestehe. Die Rechtsgrundlagen für die Auskunftspflicht des Klägers seien in dem Auskunftsersuchen und auch in der Einspruchsentscheidung dargestellt. Die Verpflichtung zur Erteilung der von ihm verlangten Auskünfte ergebe sich unmittelbar aus § 93 AO. Sowohl der Kläger als auch die S.à.r.l. seien "andere Personen" im Sinne von § 93 Abs. 1 AO. Ein Dritter könne die Auskunft nicht unter Hinweis darauf verweigern, dass das Finanzamt auch eine andere Person um Auskunft ersuchen könne. Hinzu komme, dass er wegen des Territorialitätsprinzips an eigenen Ermittlungsmaßnahmen im Ausland gehindert sei. Insoweit komme zwar ein grenzüberschreitendes Amtshilfeersuchen nach § 117 Abs. 1 AO i.V.m. § 6 EU-Amtshilfegesetz und Art. 25 DBA LUX in Betracht. Nach § 6 Abs. 3 EU-Amtshilfegesetz habe er aber zunächst grundsätzlich die nach der AO vorgesehenen inländischen Ermittlungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Solche inländischen Ermittlungsmöglichkeiten seien im vorliegenden Fall gegenüber dem Kläger ergriffen worden und seien vorrangig gegenüber einem möglichen Amtshilfeersuchen. Die Inanspruchnahme des inländischen Geschäftsführers einer ausländischen Kapitalgesellschaft sei daher nicht nur aus tatsächlichen Gründen geeignet, sondern auch aus Rechtsgründen erforderlich. Die Erfüllung des Auskunftsersuchens sei für den Kläger auch möglich und seine Inanspruchnahme sei erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Auskunftserteilung sei der hohe Stellenwert des Interesses der Allgemeinheit an einer möglichst lückenlosen Verhinderung von Steuerverkürzungen zu berücksichtigen.

Der Klageerweiterung hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 9. August 2017 zugestimmt.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze und Unterlagen verwiesen (§ 105 Abs. 3 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat den Kläger rechtsfehlerhaft in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der S.à.r.l. auf Auskunft und Vorlage in Anspruch genommen (vgl. nachfolgend 1.). Dementsprechend war auch die angefochtene Zwangsgeldfestsetzung aufzuheben (vgl. 2.).

1. a) Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten und andere Personen der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO). Entsprechende Regelungen gelten, soweit die Finanzbehörde nach § 97 Abs. 1 AO die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangt.

Die Verpflichtung der deutschen Finanzbehörden, einen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, stößt allerdings an die territorialen Grenzen der (deutschen) Staatsgewalt. Denn wie jede Ausübung staatlicher Hoheitsmacht ist auch die deutsche Steuerverwaltung grundsätzlich auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt (Grundsatz der "formellen Territorialität"). Nach allgemein anerkanntem Völkergewohnheitsrecht darf kein Staat außerhalb seiner Staatsgrenzen auf fremdem Staatsgebiet hoheitliche Befugnisse wahrnehmen (Söhn, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 220. Lfg. November 2012, § 117 AO, Rn. 3; Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 149. Lieferung 07.2017, § 117 AO, Rn. 2). Zur Auskunft bzw. Vorlage können daher grundsätzlich nur inländische Personen bzw. Personen, die der deutschen Staatsgewalt unterliegen, herangezogen werden (vgl. Roser in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 134. Lieferung, § 93 AO 1977, Rn. 15).

b) Nach diesen Grundsätzen hat die Klage schon deshalb Erfolg, weil der Beklagte den Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der S.à.r.l. auf Auskunft und Vorlage in Anspruch genommen hat und die S.à.r.l. als ausländische Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Staatsgewalt unterliegt. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der S.à.r.l. - wie der Beklagte meint - um eine "andere Person" handelt oder sie nicht vielmehr - wegen einer möglichen Haftungsinanspruchnahme nach § 42d EStG - selbst "Beteiligter" im Sinne der §§ 93 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 Satz 1 AO ist. Entscheidend ist, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der S.à.r.l. die Auskunft erteilen bzw. die angeforderten Unterlagen vorlegen soll. Gesetzliche Vertreter juristischer Personen haben in dieser Eigenschaft aber nicht eigene, sondern deren steuerliche Pflichten zu erfüllen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 AO). Hintergrund dessen ist, dass juristische Personen zwar rechtsfähig, jedoch nicht selbst handlungsfähig sind. Ihre Handlungsfähigkeit erlangen sie erst durch ihre Organe. Die in § 34 AO genannten Personen haben gegenüber den Finanzbehörden dementsprechend diejenigen durch die AO und die Einzelsteuergesetze begründeten steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen juristischen Personen wahrzunehmen, an deren Erfüllung diese mangels Handlungsfähigkeit gehindert sind (Jatzke in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 134. Lieferung, § 34 AO 1977, Rn. 1, 2, 8; Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 149. Lieferung 07.2017, § 34 AO, Rn. 19). Maßgeblich ist im Rahmen der §§ 93, 97 AO deshalb, ob die betreffende juristische Person gegenüber den Finanzbehörden zur Auskunft bzw. Vorlage verpflichtet ist. Besteht eine solche Auskunfts- bzw. Vorlagepflicht, erfüllt die juristische Person diese durch ihren gesetzlichen Vertreter nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO (Schuster, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 176. Lfg. März 2003, § 93 AO, Rn. 14; vgl. auch § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO). Besteht eine Auskunfts- bzw. Vorlagepflicht der juristischen Person nicht, ist auch der gesetzliche Vertreter nicht zur Auskunft bzw. Vorlage verpflichtet.

Im Streitfall kann der Kläger nicht nach den §§ 93, 97 AO zur Auskunft und Vorlage herangezogen werden, weil die S.à.r.l., deren steuerliche Pflichten er als ihr gesetzlicher Vertreter wahrnimmt, nicht zur Auskunft und Vorlage verpflichtet ist. Der Inanspruchnahme der S.à.r.l. steht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip entgegen. Daran vermag der Umstand, dass die S.à.r.l. nicht handlungsfähig ist und ihre steuerlichen Pflichten daher nicht selbst erfüllen kann, sondern durch den im Inland wohnhaften Kläger als gesetzlichen Vertreter erfüllt, nichts zu ändern. Bei einer solchen Fallgestaltung können keine weitergehenden Ermittlungsbefugnisse der Finanzverwaltung bestehen als bei der Inanspruchnahme einer im Ausland wohnhaften - selbst handlungsfähigen - natürlichen Person.

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschäftsleitung der S.à.r.l. im Inland befindet, vermag der Senat nach Aktenlage im Übrigen nicht zu erkennen. In einem Aktenvermerk der Steuerfahndung vom 15. Juni 2015 heißt es zwar, es seien wegen der Frage des Sitzes der Geschäftsleitung gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen zu ergreifen (Bl. 3 ff. d. Steufa-Akten). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass dies tatsächlich geschehen ist. Der Beklagte hat hierzu weder vorgetragen noch dahingehende Feststellungen in der Einspruchsentscheidung getroffen. Soweit es sich lt. Feststellungen der IZA aus dem Jahr 1998 bei der luxemburgischen Adresse der S.à.r.l. um eine Domiziladresse handeln soll (Bl. 8 d. Steufa-Akten), können diese Erkenntnisse schon wegen des erheblichen Zeitablaufs nicht mehr verwertet werden. Im Übrigen konnte nach einem Aktenvermerk der Betriebsprüfung des Finanzamts B vom 21. Februar 2013 gerade nicht nachgewiesen werden, dass es sich bei der S.à.r.l. um eine Domizilgesellschaft handelt (Bl. 7 d. Steufa-Akten.)

2. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Verwaltungsakte, die auf Vornahme einer Handlung gerichtet sind, nur dann mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden, wenn sie rechtmäßig sind (BFH, Beschluss vom 11. September 1996 VII B 176/94, BFH/NV 1997, 166; BFH, Urteil vom 28. Oktober 2009 VIII R 78/05, BFHE 227, 338, BStBl II 2010, 455). Da das Auskunfts- und Vorlageersuchen vom 30. März 2007 einer rechtlichen Überprüfung - wie bereits dargelegt - nicht standhält, war auch die Zwangsgeldfestsetzung vom 29. Juni 2017 aufzuheben.

Der Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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