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03.12.2018 · IWW-Abrufnummer 205921

Finanzgericht Münster: Urteil vom 04.09.2018 – 11 K 1108/17 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.
 
1

Tatbestand:
2

Der Kläger ist Insolvenztreuhänder im Rahmen einer vom Insolvenzgericht angeordneten Nachtragsverteilung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn V J (Insolvenzschuldner). Er begehrt bei der Einkommensteuerveranlagung des Insolvenzschuldners für den Veranlagungszeitraum 2012 für seine vorangegangene Tätigkeit als Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht festgesetzte Tätigkeitsvergütung als außergewöhnliche Belastung im Sinne des i.S.d. § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.
3

Der Insolvenzschuldner war von 1996 bis Dezember 2005 als kaufmännischer Angestellter für die Fa. X-GmbH in D und für die Fa. Y GmbH in M (nachfolgend: Y GmbH) tätig. Ab Dezember 2005 hatte der Insolvenzschuldner V J einen selbständigen Betrieb „Bildbearbeitung“ inne und war als freier Mitarbeiter für die Y GmbH tätig. Diese selbständige Tätigkeit stellte der Insolvenzschuldner im April 2007 ein, nachdem über das Vermögen der Y GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
4

Der Insolvenzschuldner stellte seinerseits am 29.09.2007 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen wegen bestehender Zahlungsunfähigkeit und stellte zugleich einen Antrag auf Restschuldbefreiung. Mit Beschluss des Amtsgerichts N vom 29.10.2007 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In seinem Zwischenbericht vom 22.12.2007 führte der Kläger u.a. aus, dass der Insolvenzschuldner über keine ordnungsgemäße eingerichtete Buchführung verfügt und keine Jahresabschlüsse erstellt habe. Ausweislich des Schlussberichts wurden letztlich Insolvenzforderungen von 29.123,28 € zur Insolvenztabelle angemeldet.
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Zur Abwicklung des Insolvenzverfahrens richtete der Kläger zwei Treuhandkonten bei der Sparkasse Z. ein, zum einen das laufende Konto Nr. 11 111 111 und ein Festgeldkonto mit der Nr. 22 222 222. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Schlussberichts befanden sich auf den vorgenannten Treuhandkonten insgesamt 5.479,27 €, dies entspricht dem Saldo der in dem Schlussbericht dargestellten Einnahmen i.H.v. 14.152,67 € und der Ausgaben i.H.v. 8.673,40 €. Nach dem Schlussbericht sollte sich die Insolvenzmasse noch um Einkommensteuererstattungen und Zinsen in Höhe von voraussichtlich insgesamt 519,66 € (498,66 € zzgl. 21,00 €) erhöhen. Für den Fall, dass die Insolvenzverwaltervergütung antragsgemäß mit 3.760,66 € festgesetzt werde und Gerichtskosten von etwa 500,- € anfielen, werde ein Betrag von 1.738,27 € zur Verteilung auf die am Verfahren beteiligten Gläubiger zur Verfügung stehen. Es sei mit einer Quote von 7,517402375 % zu rechnen.
6

Mit Beschluss vom 24.09.2012 setzte das Amtsgericht N in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn V J die Vergütungen und Auslagen des Klägers auf 3.760,41 € fest und gestattete, dass dieser Endbetrag der verwalteten Masse entnommen werden könne.
7

Dem Insolvenzschuldner wurde sodann mit Beschluss vom 30.11.2012 Restschuldbefreiung nach Maßgabe des § 291 der Insolvenzordnung (InsO) a.F. angekündigt und der zuvor als Insolvenzverwalter bestellte Kläger nach § 291 Abs. 2 InsO a.F., 292 InsO zum Treuhänder bestellt.
8

Nach Vollzug der Schlussverteilung hob das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 14.01.2013 das Insolvenzverfahren gemäß § 200 InsO auf. Bezüglich der Rückerstattungsansprüche hinsichtlich der Einkommensteuer, bei denen der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt vor und/oder während des Insolvenzverfahrens, d.h. bis zum Tag der Entscheidung über die Aufhebung des Verfahrens, verwirklicht worden sei, wurde von Amts wegen die Nachtragsverteilung nach § 203 InsO angeordnet. Gleichzeitig wurde der Kläger als der zukünftige Wohlverhaltenstreuhänder ermächtigt, entsprechend notwendige Aufträge zu erteilen und Rechnungen zu begleichen sowie zugeflossene Gelder im Wege der jährlichen Ausschüttung im Anschluss an das Tätigkeitsjahr zu verteilen.
9

Am 25.09.2013 wurde für den Insolvenzschuldner, der im Streitjahr Einkünfte aus § 19 EStG erzielt hat, die Einkommensteuererklärung 2012 beim Beklagten eingereicht und dabei die vorgenannte Insolvenzverwaltervergütung i.H.v. 3.760 € als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.
10

Dem folgte der Beklagte bei Erlass des Einkommensteuerbescheids 2012 vom 11.12.2013 nicht und ließ die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen unberücksichtigt.
11

Während des dagegen vom Kläger eingelegten Einspruchs wurde dem Insolvenzschuldner mit Beschluss vom 12.06.2014 Restschuldbefreiung erteilt.
12

Den vorgenannten Einspruch hat der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2017 als unbegründet zurückgewiesen.
13

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.
14

Mit Senatsbeschluss vom 28.07.2017 wurde dem Kläger auf einen isolierten Prozesskostenhilfeantrag hin für das vorliegende Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31.07.2017, bei Gericht eingegangen am 02.08.2017 zum einen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist gestellt und zum anderen die Klage erhoben und begründet.
15

Der Kläger verweist in der Sache zunächst darauf, dass nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12.05.2011 (VI R 42/10 Bundessteuerblatt II – BStBl II - 2011, 1015) Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen seien, wenn der Steuerpflichtige darlegen könne, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Rechtsprechung sei auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. In diesem Zusammenhang verweist der Kläger darauf, dass durch ein Insolvenzverfahren die Gläubiger gleichermaßen befriedigt und der Schuldner letztlich schuldenfrei werde.
16

Auch in Anwendung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 04.08.2016 (VI R 47/13, BStBl II 2017, 276) sei die von ihm vereinnahmte Insolvenzverwaltervergütung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Insolvenzschuldners als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Im Streitfall sei dem Insolvenzschuldner die Insolvenzverwaltervergütung zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG entstanden, da der Insolvenzschuldner die Ursache seiner Insolvenz nicht selbst gesetzt habe. Vielmehr habe der Insolvenzschuldner V J nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seiner Hauptauftraggeberin, der Y GmbH, erheblich rückläufige Betriebseinnahmen zu verzeichnen gehabt.
17

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Klägers hilfsweise die Auffassung geltend gemacht, in den Fällen wie dem vorliegenden sei die in Rede stehende Insolvenzverwaltervergütung zumindest teilweise als Betriebsausgabe steuermindernd zu berücksichtigen.
18

Der Kläger beantragt,
19

den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 11.12.2013 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2017 dahingehend zu ändern, dass ein weiterer Betrag in Höhe von 3.760,00 € steuermindernd berücksichtigt wird.
20

Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen,
22

Der Beklagte ist zunächst der Auffassung, dass die hier in Rede stehende Insolvenzverwaltervergütung schon deshalb nicht in voller Höhe als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sei, weil im Streitfall ein - nicht zu quantifizierender - Teilbetrag bei den gewerblichen Einkünften des Insolvenzschuldners zu berücksichtigen sei. Grundsätzlich sei eine in einem Regelinsolvenzverfahren festgesetzte Insolvenzverwaltervergütung in Betriebsausgaben, Werbungskosten und Aufwendungen, die dem Bereich der privaten Vermögensebene zuzuordnen seien, aufzuteilen und zwar nach dem Wert des massezugehörigen Vermögens. Soweit eine Insolvenzverwaltervergütung danach zu Betriebsausgaben führe, sei dies im Rahmen der steuerlichen Behandlung der Restschuldbefreiung zu würdigen.
23

Soweit eine Insolvenzverwaltervergütung der privaten Vermögensebene des Insolvenzschuldners zuzurechnen sei, komme eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht. Aufwendungen für ein Insolvenzverfahren könnten nur dann zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sein, wenn die Aufwendungen, die ursächlich für die Insolvenz gewesen seien, auf einem zwangsläufigen Ereignis beruht hätten. Diese Voraussetzung sei grundsätzlich nur erfüllt, wenn die Aufwendungen, die (Mit-) Auslöser der Insolvenz gewesen seien, selbst als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen gewesen seien. Hinsichtlich des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Herrn V J lägen diese Voraussetzungen nicht vor, da Auslöser für dieses Insolvenzverfahren nach den Angaben des Klägers (des Insolvenzverwalters) der Wegfall der Einnahmen von dessen Hauptauftraggeber gewesen sei. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit habe auf unternehmerischen Entscheidungen des Insolvenzschuldners beruht, die dieser getroffen habe. Habe sich aber ein Steuerpflichtiger auf eine vertragliche und wirtschaftliche Gestaltung eingelassen, die konkret mit Unsicherheiten behaftet sei, deren Risiken sich später realisierten, so habe er die wesentliche Ursache für die hierdurch entstandenen Aufwendungen selbst gesetzt. Sie seien daher nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG.
24

Selbst wenn die (anteiligen) Aufwendungen für das Insolvenzverfahren dem Insolvenzschuldner zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entstanden seien, werde dieser durch die Insolvenzverwaltervergütung nicht wirtschaftlich belastet. Die Insolvenzverwaltervergütung werde nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO aus der Insolvenzmasse beglichen. Sie mindere das für die Schlussverteilung vorhandene Vermögen. Die Insolvenzverwaltervergütung werde daher nur insoweit wirtschaftlich vom Insolvenzschuldner getragen, wie sie den Betrag der Restschuldbefreiung übersteige. Bis zur Höhe der Restschuldbefreiung seien hingegen die Gläubiger des Insolvenzschuldners wirtschaftlich durch die Insolvenzverwaltervergütung belastet, da diese die Quote für die Schlussverteilung mindere. Da im Streitfall der Betrag der dem Insolvenzschuldner gewährten Restschuldbefreiung den Betrag der festgesetzten Insolvenzverwaltervergütung von 3.760,41 € um knapp 27.000 € übersteige, liege keine wirtschaftliche Belastung des Insolvenzschuldners vor.
25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der vorgelegten Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.
26

Der Senat hat in der Sache am 04.09.2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
27

Entscheidungsgründe:
28

Die zulässige Klage ist unbegründet.
29

A. Die Klage ist zulässig.
30

I. Dem Kläger war nach Maßgabe des § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren.
31

Nach § 56 Abs. 1 FGO ist jemanden, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist, hier die Klagefrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO, einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verhinderung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn ein Beteiligter wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, das gegebene Rechtsmittel bzw. eine Klage rechtzeitig einzulegen. So verhält es sich im Streitfall, da es dem Kläger aus der noch vorhandenen Masse nicht möglich war, die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu zahlen.
32

Der Kläger hat innerhalb der durch die Bekanntgabe des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 28.07.2017 ausgelösten Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO mit Schriftsatz vom 31.07.2017, bei Gericht eingegangen am 02.08.2017, den Wiedereinsetzungsantrag gestellt und die versäumte Klageerhebung nachgeholt.
33

II. Der Kläger ist befugt, den vorliegenden Prozess für den früheren Insolvenzschuldner V J zu führen.
34

Nach § 80 Abs. 1 InsO verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Zwar entfällt mit Beendigung eines Insolvenzverfahrens neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugleich die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Wird das Insolvenzverfahren nach der Schlussverteilung aufgehoben (§ 200 Abs. 1 InsO), jedoch eine Nachtragsverteilung angeordnet (§ 203 Abs. 1, 2 InsO), bleibt der Insolvenzverwalter ausnahmsweise befugt, anhängige Prozesse fortzusetzen und neue einzuleiten, mit denen die der Nachtragsverteilung vorbehaltenen Masseaktiva realisiert werden sollen. Denn mit der Anordnung der Nachtragsverteilung tritt eine erneute Insolvenzbeschlagnahme ein (vgl. BFH, Urteil vom 06.07.2011  II R 34/10, juris).
35

Das vorliegende Klageverfahren hat die Einkommensteuerfestsetzung 2012 zum Gegenstand und damit, wie in dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 14.01.2013 festgelegt, einen diesbezüglichen Rückerstattungsanspruch, bei dem der die Erstattungsforderung begründende Sachverhalt während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden ist.
36

B. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Beklagte die Insolvenzverwaltervergütung zu Recht im Rahmen der für den (früheren) Insolvenzschuldner V J durchgeführten Einkommensteuerveranlagung 2012 weder als Betriebsausgaben noch als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt hat.
37

I. Die hier in Rede stehende Insolvenzverwaltervergütung ist im Rahmen der für den Insolvenzschuldner V J durchzuführenden Einkommensteuerveranlagung 2012 weder ganz noch teilweise als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
38

Betriebsausgaben sind nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 4 EStG Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind (vgl. BFH, Urteil vom 03.02.2016 – X R 25/12 –, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391). Erforderlich ist mithin ein sachlicher Zusammenhang zu einer der (Gewinn-) Einkunftsarten.
39

Für den Bereich der Überschusseinkunftsarten hat der BFH geurteilt, dass die Vergütung eines Insolvenztreuhänders nicht in diesem Sinne in einem sachlichen Zusammenhang mit der Einkünfteerzielungssphäre des Steuerpflichtigen stehe, da die subjektiven Anforderungen an das Vorliegen von Werbungskosten nicht erfüllt seien. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens diene dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt werde (§ 1 InsO). Ferner erhalte der redliche Schuldner die Chance, sich von seinen Schulden zu befreien (§ 1 i.V.m. §§ 287 Abs. 1, 305 InsO). Das Verbraucherinsolvenzverfahren betreffe damit die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen als Person und mithin die private Lebensführung, indem es eine geordnete Befriedigung der Gläubiger für den Fall ermögliche, dass das Einkommen und Vermögen nicht zu deren vollständiger Befriedigung ausreiche. Bei der erforderlichen wertenden Beurteilung komme diesem privaten Umstand -- die Schuldentilgung sei dem Vermögensbereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen -- das entscheidende Gewicht zu. Er sei das „auslösende Moment" für das Entstehen der getätigten Aufwendungen, welche damit insgesamt der Privatsphäre und nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen seien. Die Aufwendungen hierfür seien daher auch dann nicht bei der Einkünfteermittlung abziehbar, wenn Bezüge zu einzelnen Einkunftsarten vorlägen (vgl. BFH, Urteil vom 04.08.2016  VI R 47/13, BFHE 254, 435, BStBl II 2017, 276).
40

Diese Rechtsgrundsätze sind nicht nur in Bezug auf ein durchgeführtes Verbraucherinsolvenzverfahren, vielmehr auch auf die Fälle wie den Streitfall anwendbar, in denen im Rahmen eines Regel-Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner eine Restschuldbefreiung beantragt und diese ihm erteilt worden ist. Die insolvenzrechtlichen Besonderheiten eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach dem zehnten Teil der Insolvenzordnung rechtfertigen keine abweichende Behandlung gegenüber einem nach den allgemeinen Grundsätzen durchgeführten Insolvenzverfahren, in dem eine Restschuldbefreiung nach dem neunten Teil der Insolvenzordnung beantragt wird. Hat das Insolvenzgericht nach § 287a InsO festgestellt, dass der (Insolvenz-) Schuldner Restschuldbefreiung erlangt hat, so ist der Insolvenzschuldner nach Abschluss des Verfahrens auch von allen in einem Regel-Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit; § 286 InsO.
41

II. Im Rahmen der für den Insolvenzschuldner V J durchzuführenden Einkommensteuerveranlagung 2012 ist die Insolvenzverwaltervergütung auch nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd zu berücksichtigen.
42

Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
43

Der steuermindernden Berücksichtigung der hier in Rede stehenden Insolvenzverwaltervergütung als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1, 2 EStG steht entgegen, dass dem Insolvenzschuldner V J keine Aufwendungen im Sinne dieser Vorschrift entstanden sind, jedenfalls keine solche, die diesen auch wirtschaftlich belasten.
44

1. Unter dem Begriff s„Aufwendungen", den der Gesetzgeber nicht nur in dem Normenzusammenhang des § 33 Abs. 1 EStG, vielmehr auch in sonstigen Vorschriften des EStG verwendet, werden grundsätzlich alle Ausgaben verstanden, die in Geld oder Geldeswert bestehen und aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen (vgl. BFH, Beschluss vom 04.07.1990 – GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; Tt/Loschelder EStG § 4 Rz. 471).
45

Unter Berücksichtigung des für Insolvenzfälle geltenden Sonderrechts ist die in Rede stehende Insolvenzverwaltervergütung in diesem Sinne aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners V J nicht abgeflossen ist.
46

Mit Beschluss vom 24.09.2012 hat das Insolvenzgericht dem Kläger als Insolvenzverwalter gestattet, seine Vergütung und Auslagen in Höhe von insgesamt 3.760,41 € aus der vom Kläger verwalteten Masse zu entnehmen. Dabei ist das Insolvenzgericht ausweislich der Gründe dieses Beschlusses davon ausgegangen, dass die auf den beiden Treuhandkonten - auf dem laufenden Konto-Nr. 11 111 111 und dem Festgeldkonto mit der Nr. 22 222 222 - eingezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 5.479,27 € als Masse zu gelten haben.
47

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Insolvenzschuldner V J zu keinem Zeitpunkt zivilrechtlich aus den vom Kläger geführten Anderkonten berechtigt und verpflichtet war. Mithin sind die auf den vom Kläger eingerichteten Treuhandkonten eingegangenen Zahlungen nicht in das Vermögen des Insolvenzschuldners V J gelangt, so dass die Insolvenzverwaltervergütung, die von den Treuhandkonten an den Kläger gezahlt worden sind, auch nicht bei dem Insolvenzschuldner abgeflossen sein können. In der höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung ist anerkannt, dass Zahlungen, die auf ein von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter oder Treuhänder eingerichtetes Anderkonto eingehen, nicht in das Schuldnervermögen fallen. Diese Anderkonten sind vielmehr offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich berechtigt und verpflichtet ist. Zahlungen auf ein solches Anderkonto fallen auch nicht in die jeweilige Insolvenzmasse (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008 – IX ZR 192/07 – WM 209,562). Dabei verkennt der erkennende Senat nicht, dass im Übrigen durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO lediglich das Recht des (Insolvenz-) Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter übergeht, das Recht als solches jedoch grundsätzlich beim Insolvenzschuldner als Rechtsinhaber verbleibt. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz wird jedoch durch die für offene Vollrechtstreuhandkonten geltenden Besonderheiten verdrängt.
48

2. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass die Insolvenzverwaltervergütung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners abgeflossen sein sollte, wäre Letzterer jedoch nicht in dem für die Anwendung des § 33 EStG erforderlichen Sinne belastet.
49

Aus der Legaldefinition „außergewöhnliche Belastung“ in § 33 Abs. 1 EStG folgt, dass Aufwendungen einem Steuerpflichtigen erst dann „erwachsen“, wenn sie diesen auch (wirtschaftlich) belasten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Festsetzung einer Insolvenzverwaltervergütung hier nicht isoliert, sondern in einer Gesamtschau des gesamten Insolvenzverfahrens zu würdigen ist.
50

a) Außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur insoweit abzugsfähig, als der Steuerpflichtige die Aufwendungen endgültig selbst tragen muss (BFH, Beschluss vom 14.04.2011  VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701 m.w.N.). Deshalb sind Vorteile oder Kostenerstattungen, die der Steuerpflichtige als Ausgleich für die eingetretene Belastung erhält, belastungsmindernd anzurechnen. Die Vorteilsanrechnung gründet nach dieser Rechtsprechung auf der zweckgerichteten Auslegung des Begriffs der Aufwendungen und dem Merkmal der Außergewöhnlichkeit. Denn der Abzugstatbestand des § 33 EStG erfordert die verminderte subjektive Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige ist im Ergebnis lediglich um die Differenz von außergewöhnlichem Aufwand und Ersatzleistung belastet. Nur insoweit trägt er den außergewöhnlichen Aufwand tatsächlich und nur insoweit ist seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vermindert. Die Vorteilsanrechnung, die der Vermeidung einer steuerlichen Doppelentlastung dient, ist jedoch nur geboten, wenn (steuerfreie) Ersatzleistung und Aufwand auf dem nämlichen Ereignis beruhen. Anzurechnen sind deshalb nur Vorteile in Geld oder Geldeswert, die der Steuerpflichtige erhält, um die entstandenen außergewöhnlichen Aufwendungen auszugleichen (BFH, Beschluss vom 14.04.2011 VI R 8/10, BFHE 233, 241, BStBl II 2011, 701 m.w.N.).
51

b) Dieser Rechtsgedanke ist auf Fälle wie dem vorliegenden, in dem die steuermindernde Berücksichtigung einer Insolvenzverwaltervergütung infrage steht und in denen eine Restschuldbefreiung nach Maßgabe der §§ 287a, 301 InsO festgestellt bzw. erteilt worden ist, entsprechend anzuwenden. Sowohl die Festsetzung der Insolvenzverwaltervergütung und deren Auszahlung an den Insolvenzverwalter aus den von diesem geführten Treuhandkonten als auch die Restschuldbefreiung beruhen auf dem nämlichen Umstand des durchgeführten Insolvenzverfahrens. Als letzter Akt des Insolvenzverfahrens bewirkt die erteilte Restschuldbefreiung, dass diese nicht nur gegenüber allen Insolvenzgläubigern wirkt (§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO), sondern darüber hinaus nach § 301 Abs. 1 Satz 2 InsO auch gegenüber Gläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Dieser für den Insolvenzschuldner bewirkte Vorteil überwiegt den mit der Insolvenzverwaltervergütung verbundenen (vermeintlichen) Nachteil. Die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung wirkt sich zwar unmittelbar auf die Höhe der an die Gläubiger auszuzahlenden Quote aus, da die zu zahlende Insolvenzverwaltervergütung nach § 54 Nr. 2 InsO als Kosten des Insolvenzverfahrens zu behandeln ist und nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO als vorrangige Masseverbindlichkeit gilt. Auswirkungen auf die wirtschaftliche Belastung des Insolvenzschuldners hat die Insolvenzverwaltervergütung deshalb jedenfalls in den Fällen einer erteilten Restschuldbefreiung weder in dem Zeitpunkt, in dem der Insolvenzverwalter – hier der Kläger – die genehmigte Vergütung aus der von ihm verwalteten Masse entnimmt, noch zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere nicht nach der endgültigen Beendigung des Insolvenzverfahrens.
52

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend der Insolvenzschuldner durch die ihm erteilte Restschuldbefreiung nicht nur von seiner Verpflichtung frei geworden, die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen i.H.v. 29.123,28 € zu erfüllen, soweit diese nicht durch die jeweiligen Zahlungen auf die Quote erfüllt worden sind. Vielmehr erstreckt sich die Restschuldbefreiung auch auf nicht zur Insolvenztabelle angemeldete Verbindlichkeiten.
53

c) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Insolvenzschuldner V J die Restschuldbefreiung erst mit Beschluss vom 12.06.2014 und nicht bereits im Streitjahr 2012, in dem Jahr, in dem der Kläger die Insolvenzverwaltergebühr der Masse entnommen hat, erteilt worden ist.
54

Da § 33 Abs. 1 EStG nur endgültige Belastungen durch die Minderung des Einkommens des Steuerpflichtigen steuerlich berücksichtigen will, ist eine Vorteilsanrechnung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des BFH auch dann vorzunehmen, wenn die Ersatzleistungen erst in späteren Kalenderjahren anfallen als die Aufwendungen (vgl. BFH, Urteil vom 30.06.1999  III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766). Hieraus folgt für den Streitfall, dass der Vorteil, den der Insolvenzschuldner V J aus der ihm am 12.06.2014 erteilten Restschuldbefreiung erlangt hat, bei der Ermittlung seiner endgültigen wirtschaftlichen Belastung zu berücksichtigen war.
55

3. Da im Streitfall die Insolvenzverwaltervergütung schon nicht als Aufwendung i.S.d. § 33 EStG zu qualifizieren ist, jedenfalls nicht als solche, die den Insolvenzschuldner V J belastet hat, kann die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG erfüllt ist, unentschieden bleiben. Infolgedessen war hier nicht mehr über die Frage zu entscheiden, nach welchem abstrakten Verschuldensmaßstab die Verantwortlichkeit des Insolvenzschuldners für das jeweilige Insolvenzverfahren zu beurteilen ist (vergleiche dazu Bergkemper, FR 2017,190 f) und ob sich im Streitfall nicht lediglich das für Betriebsinhaber ganz allgemein bestehende wirtschaftliche Risiko realisiert hat.

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