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02.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205259

Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 17.08.2018 – 10 Sa 180/18 SK

Leitsatz:1. Das SokaSiG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Bundesrat war nicht nach Art. 84 GG zu beteiligen. Die Länder müssen das SokaSiG nicht verwaltungsmäßig vollziehen. Die ULAK bleibt auch nach dem SokaSiG eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien; sie ist keine Behörde und auch kein "Beliehener".

2. Stellt die ULAK die Mindestbeitragsklage nach Meldungen durch den Bauarbeitgeber im laufenden Prozess auf die tatsächlich angefallenen Beiträge um, ist dies solange verjährungsunschädlich, wie sie keine Klageerweiterung vornimmt. Hält sie sich im Rahmen des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Streitgegenstands, kann sie einzelne Berechnungsposten - etwa zwei anstelle von einem gewerblichen Arbeitnehmer - im Nachhinein modifizieren


In dem Berufungsverfahren
Kläger und Berufungsbeklagter
Proz.-Bev.:
gegen
Beklagter und Berufungskläger
Proz.-Bev.:
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 10,
auf die mündliche Verhandlung vom 17. August 2018
durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht als Vorsitzenden
und den ehrenamtlichen Richter
und die ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Dezember 2017 - 6 Ca 733/17 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.



Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) nimmt er den Beklagten auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von zuletzt 2.931,80 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Dezember 2009 bis Dezember 2010, die der Kläger auf der Grundlage von Meldungen der Bruttolöhne im Prozess durch den Beklagten berechnete.



Der Beklagte unterhält als Einzelunternehmer einen Gewerbebetrieb mit Sitz in A. Er hat sich auf Renovierungen und Kleinreparaturen in zur Vermietung anstehenden Altbauwohnungen spezialisiert. Im Gewerberegister (Bl. 16 der Akte) ist er mit den folgenden Tätigkeiten angemeldet: "Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Estrichleger, Parkettleger, Holz- und Bautenschutz, Kabelverleger im Hochbau, Einbau von genormten Baufertigteilen."



In einer Betriebsanmeldung beim Kläger nannte er die folgenden Arbeiten: Fliesen-, Platten-, Mosaik-, Ansetz- und Verlegearbeiten; Holz- und Bautenschutz; Montage von Baufertigteilen (z.B. Fenster, Türen, Wintergärten, Doppelboden-Montagen); Raumausstattung: Ausschließlich Laminat-/Teppichverlegung, Dekorationen; Trockenbauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. Verkleidungen, Akustikbau) inklusive Anbringen der Unterkonstruktionen und Putzträger; Bodenbelagsarbeiten, ausschließlich Parkett, Laminat, PVC, Teppich (vgl. Bl. 18 der Akte).



Im Betrieb des Beklagten wurden im Zeitraum 2009 - 2010 Elektroinstallationsarbeiten, Fassadenanstrich- und sonstige Malerarbeiten, Wasserinstallationen, Demontage von Sanitäranlagen, Wänden und Fliesen etc. erbracht. Daneben mussten Tapeten abgerissen sowie Wohnungen entrümpelt werden. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten der betrieblichen Tätigkeit herrscht zwischen den Parteien Streit.



Die beiden Arbeitnehmer B und C wurden ausweislich der im Prozess vorgelegten Arbeitsverträge als Bauhilfsarbeiter eingestellt. Der Mitarbeiter B war in der Zeit von Januar 2009 bis Dezember 2010 angestellt. Der Mitarbeiter C war ab Dezember 2010 angestellt. Bei der Knappschaft Bahn See, Minijob-Zentrale, war in dem Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2010 ferner Herr D angemeldet, dieser wurde als Fahrer beschäftigt. Frau E war als Angestellte ebenfalls in dem Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2010 geringfügig beschäftigt.



Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 21. September 2016 - 10 ABR 33/15 - (NZA Beilage 1/2017, 12 ff.) entschieden, dass die Allgemeinverbindlicherklärung(en) (kurz: AVE) des VTV vom 15. Mai 2008 (BAnz. Nr. 104a 15. Juli 2008) sowie vom 25. Juni 2010 (BAnz. Nr. 97 2. Juli 2010) unwirksam sind. Mit einem weiteren Beschluss vom gleichen Tag (10 ABR 48/15, AP Nr. 36 zu § 5 TVG) hat es entschieden, dass die AVE vom 17. März 2014 (BAnz. AT 19. März 2014 B1) unwirksam ist. Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2017 - 10 ABR 43/15 - sowie 10 ABR 34/15 - hat das Bundesarbeitsgericht ferner entschieden, dass die AVE vom 3. Mai 2012 (BAnz. AT 22. Mai 2012 B4) und vom 29. Mai 2013 (BAnz. AT 7. Juni 2013 B5) unwirksam sind.



Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe initiiert worden. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 2017 das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (kurz: SokaSiG) verabschiedet. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine AVE "gelten" soll. Das Gesetz ist am 25. Mai 2017 in Kraft getreten.



Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen. Unter Bezugnahme auf die Anmeldung im Gewerberegister und die Ausführungen im so genannten Stammblatt hat er behauptet, dass die im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer in den Jahren 2009 und 2010 jeweils zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit die folgenden Arbeiten erbracht hätten:

Fliesenverlegearbeiten, d.h. Verlegen von Wand- und Bodenfliesen; Trockenbauarbeiten, d.h. Einbau von Gipskartonwänden, Einbau von Decken einschließlich des Anbringens der Unterkonstruktionen und Putzträger; Einbau vorgefertigt aus dem Handel bezogener Fenster und Türen; Holz- und Bautenschutzarbeiten.



Er hat ferner gemeint, das Bestreiten des Beklagten sei unerheblich. So fehlten in den Kalenderjahren 2009 und 2010 diverse Rechnungsnummern, so dass der Vortrag in Bezug auf die Arbeitszeitkonten offensichtlich nicht vollständig sei. Im Übrigen unterfielen die nach Darstellung des Beklagten von den Mitarbeitern erbrachten Tätigkeiten ebenfalls dem betrieblichen Anwendungsbereich des VTV. Dieser erfasse auch das gesamte Bauausbaugewerbe.



Nach teilweiser Klagerücknahme - 158,40 Euro bzgl. Frau E- hat der Kläger zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.931,80 Euro zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Er hat die Auffassung vertreten, dass er nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Der Vortrag des Klägers zur betrieblichen Tätigkeit sei ungenügend. Die im Betrieb beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten Hausmeisterarbeiten erledigt. Unzutreffend sei, dass diese überwiegend Fliesenverlege-, Trockenbau- sowie Holz- und Bautenschutzarbeiten erbracht hätten. Bzgl. der Arbeitnehmer B und C hat er ein Konvolut über Arbeitszeitkonten vorgelegt, bei dem die jeweiligen Tätigkeiten beschrieben worden sind. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird verwiesen auf Bl. 28 - 54 der Akte. Er berufe sich auch auf die Einrede der Verjährung. Der Kläger könne sich auch nicht auf § 213 BGB stützen. Die miterfassten Ansprüche müssten dem Gläubiger von vornherein zur Verfügung gestanden haben. Das SokaSiG sei verfassungswidrig. Das Gesetz sei formell verfassungswidrig, da der Bundesrat nicht zugestimmt habe, obwohl es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz gehandelt habe. Es gebe keine für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG typische innere demokratische Struktur. Das SokaSiG verletze auch das Vertrauen des Beklagten in die Rechtmäßigkeit und Beständigkeit von gerichtlichen und gesetzgeberischen Verfahren. Der Ausgang der Beschlussverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht sei seit langem voraussehbar gewesen. Dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. (HDB) fehle die Tariffähigkeit. Auch bestünden Zweifel an der Tariffähigkeit des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Irgendeine Art von Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit des Sozialkassenverfahrens habe es nicht geben können. Dagegen spreche schon die Vielzahl der jährlich bei den Arbeitsgerichten in Berlin und Wiesbaden durchgeführten Prozesse. Dem Sozialkassenverfahren habe keine allgemeine Rechtsüberzeugung zugrunde gelegen. Eine Insolvenzgefahr der ULAK habe in Wirklichkeit nicht bestanden.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 6. Dezember 2017 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das Bestreiten des Beklagten, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet sei, sei unerheblich. Im Betrieb seien unstreitig zumindest auch bauliche Tätigkeiten erbracht worden. Aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich nicht hinreichend deutlich, dass die baufremden Arbeiten überwogen hätten. Das SokaSiG begründe keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Schließlich sei auch die Forderung nicht verjährt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils des Arbeitsgerichts wird Bezug genommen auf Bl. 156 - 164 der Akte.



Dieses Urteil ist dem Beklagten am 11. Januar 2018 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 9. Februar 2018 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11. April 2018 ist die Berufungsbegründung am 6. April 2018 beim Berufungsgericht eingegangen.



In der Berufungsbegründung trägt der Beklagte vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass überwiegend bauliche Arbeiten angefallen seien. Die so genannten Ausbauarbeiten müssten baulich geprägt sein. Auch die Bundesagentur für Arbeit habe davon abgesehen, ihn zur Zahlung der Winterbauumlage heranzuziehen. Das SokaSiG sei verfassungswidrig und enthalte einen völlig neuen Streitgegenstand. Der Mahnbescheid habe daher die Verjährung nicht für Ansprüche unterbrechen können, die erst viele Jahre später erschaffen wurden. Das Gesetz sei formell verfassungswidrig, da der Bundesrat nicht zugestimmt habe. Dieser habe lediglich auf einen Einspruch verzichtet. Das SokaSiG sei auch materiell verfassungswidrig. Es stelle einen völligen Systemwechsel dar hin zu einer neuartigen gesetzlichen Sozialversicherung für Teile des Baugewerbes. Das Gesetz verstoße auch gegen das Verbot des Einzelfallgesetzes. Es missachte auf das Gröbste das Vertrauen der Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich auf die Beständigkeit der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts verlassen hätten.



Der Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. Dezember 2017 - 6 Ca 733/17 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die Berufungsbegründung genüge bereits nicht den gesetzlichen Anforderungen. Insbesondere hätte sich der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht mit der Feststellung des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt, dass ein Überwiegen der baufremden Tätigkeiten in erster Instanz nicht substantiiert dargetan worden sei. Die Bundesagentur für Arbeit prüfe nach einer anderen Rechtsgrundlage, deren Entscheidung sei für das vorliegende Verfahren nicht bindend. Das SokaSiG sei auch nicht verfassungswidrig, insbesondere liege keine unzulässige Rückwirkung vor.



Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.



Gründe



Die Berufung des Beklagten ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist eröffnet. Entgegen der Auffassung des Beklagten verstößt das SokaSiG auch nicht gegen das Grundgesetz. Eine Vorlage nach Art. 100 GG kommt nicht in Betracht. Die Beitragsansprüche sind auch nicht verjährt.



I. Die Berufung ist zunächst zulässig.



Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 11. April 2018 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).



Entgegen der Ansicht des Klägers genügt die Berufungsbegründung auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen aus § 520 Abs. 3 ZPO. Dabei ist ausreichend, dass sich die unterlegene Partei gegen einen der das Urteil der ersten Instanz tragenden Gründe wendet. Im vorliegenden Fall hat sich der Beklagte in der Rechtsmittelbegründung mit der Wirksamkeit des SokaSiG auseinandergesetzt und dessen Verfassungswidrigkeit geltend gemacht. Wäre diese Argumentation richtig, würde dies auf das Urteil des Arbeitsgerichts durchschlagen, da das Ausgangsgericht wesentlich auf das SokaSiG abgestellt hat. Dass sich der Beklagte in Bezug auf den Streitpunkt des Unterfallens unter den betrieblichen Geltungsbereich möglicherweise nicht substantiiert mit der Urteilsbegründung auseinandergesetzt hat, ist für die Frage der formellen Anforderungen an die Berufungsbegründung daher nicht mehr von Relevanz.



II. Die Berufung ist unbegründet.



Der Kläger kann Zahlung von 2.931,80 Euro gemäß § 7 Abs. 7 und Abs. 8 SokaSiG in Verbindung mit den §§ 18 Abs. 2, 22 VTV vom 20. Dezember 1999 und ab dem 1. Januar 2010 in Verbindung mit den §§ 18 Abs. 2, 21 VTV vom 18. Dezember 2009 verlangen.



1. Beruft sich der Kläger in der ersten Instanz auf das SokaSiG, so nimmt er eine Klageänderung vor. Denn es liegt insoweit eine Änderung des Streitgegenstands vor (vgl. näher Hess. LAG 3. November 2017 - 10 Sa 424/17 - n.rkr., Juris; Hess. LAG 9. November 2017 - 10 Sa 505/17 - n.rkr.; a.A. LAG Berlin-Brandenburg 21. September 2017 - 21 Sa 1694/16 - Rn. 42, Juris; Klocke, AuR 2018, 230). Diese Änderung der Klage war nach § 263 ZPO unproblematisch zulässig.



2. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist eröffnet.



a) Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen (vgl. BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 73/09 - Rn. 15, AP Nr. 313 zu § 1 TVG Tarifverträge Bau). Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auch handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., vgl. BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13 - Rn. 12, NZA 2014, 791). Auf die Einschätzung der Arbeitsverwaltung kommt es ebenfalls nicht an, da diese nach einer anderen rechtlichen Grundlage prüft (vgl. BAG 10. September 2014 - 10 AZR 958/13 - Rn. 29, Juris; BAG 13. November 2013 - 10 AZR 842/12 - Rn. 12, Juris).



b) Danach ist der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet.



aa) Dies hat der Kläger zunächst schlüssig behauptet. Er hat nämlich die Behauptung aufgestellt, dass im Betrieb die folgenden baulichen Leistungen überwiegend angefallen seien: Fliesenverlegearbeiten, d.h. Verlegen von Wand- und Bodenfliesen; Trockenbauarbeiten, d.h. Einbau von Gipskartonwänden, Einbau von Decken einschließlich des Anbringens der Unterkonstruktionen und Putzträger; Einbau vorgefertigt aus dem Handel bezogener Fenster und Türen; Holz- und Bautenschutzarbeiten. Die Fliesenverlegearbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 15 VTV, die Trockenarbeiten von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 37 VTV und die Holz- und Bautenschutzarbeiten von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 21 bzw. § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 2 VTV erfasst. Diese Behauptungen erfolgten erkennbar auch nicht ins Blaue hinein. Denn der Kläger konnte sich auf den Inhalt der Gewerberegisteranmeldung sowie auf die Angaben des Beklagten selbst im sog. Stammblatt stützen.



bb) Demgegenüber ist das Bestreiten des Beklagten als unerheblich anzusehen. Denn aus seinem eigenen Vorbringen ergibt sich, dass die baugewerblichen Tätigkeiten im Sinne des VTV überwogen haben. Dies hat bereits das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt. Einen neuen bzw. vertiefenden Sachvortrag hat der Beklagte auch in der zweiten Instanz nicht gehalten.



Auch nach dem Vortrag des Beklagten sind Renovierungsarbeiten und kleinere Reparaturarbeiten in Altbauwohnungen angefallen. Diese stuft der Beklagte selbst als Hausmeistertätigkeiten ein. Generell ist der Begriff "Hausmeistertätigkeit" in Bezug auf den Anwendungsbereich des VTV nicht aussagekräftig. Üblicherweise fallen im Rahmen von "Hausmeistertätigkeiten" gerade auch - zumindest kleinere - Instandsetzungsarbeiten an, die von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst werden (vgl. Hess. LAG 27. Juni 2014 - 10 Sa 534/13 - n.v.; Hess. LAG 18. September 2013 - 18 Sa 1010/12 - n.v.). Der VTV erfasst nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV auch solche Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Bauliche Leistungen umfassen alle Arbeiten, die - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderungen von Bauwerken zu dienen bestimmt sind, damit diese in vollem Umfang ihre bestimmungsgemäßen Zwecke erfüllen können( vgl. BAG 15. Januar 2014 - 10 AZR 669/13 - Rn. 24, Juris; BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 362/09 - Rn. 15, AP Nr. 328 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Hierzu gehören auch die Arbeiten des Ausbaugewerbes. Die Tarifvertragsparteien haben nicht nur das Bauhauptgewerbe erfassen wollen, sondern auch das sog. Baunebengewerbe (vgl. BAG 15. Juni 2011 - 10 AZR 861/09 - Rn. 22, AP Nr. 334 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).



Aus den Angaben im sog. Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters B ergibt sich, dass die baulichen Tätigkeiten überwogen haben. Die erwähnten Tapezier- und Streicharbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV erfasst. Dies ergibt sich auch aus einem Gegenschluss zu § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 6 VTV. Einer ausdrücklichen Ausnahme aus dem VTV hätte es nämlich nicht bedurft, wenn die dort erwähnten Malerarbeiten nicht grundsätzlich vom Tarifvertrag erfasst würden. Die Putzarbeiten fallen unter § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 34 VTV, die Demontage von Wänden, Fliesen und Duschtassen etc. werden als Teil-Abbrucharbeiten von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 29 erfasst. Die Elektro- und Wasserinstallationsarbeiten werden, wie sich im Gegenschluss aus § 1 Abs. 2 Abschnitt VII Nr. 12 VTV ersehen lässt, ebenfalls grundsätzlich von dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst. Die von dem Mitarbeiter B ausgeführten Nebenarbeiten wie "Material schleppen" oder "Fahrzeug ent- und beladen" sind notwendige Zusammenhangstätigkeiten und teilen ebenfalls den Charakter der in der Hauptsache erbrachten Bauarbeiten. Einzig die Entrümpelungsarbeiten, gegebenenfalls das Abreißen von Tapeten sowie unter Umständen das Verlegen von Laminat und Sockelleisten - sofern kein baulicher Zusammenhang gegeben war - müssen den baufremden Tätigkeiten zugerechnet werden. Dass auf solche Tätigkeiten mehr als 50 % der Arbeitszeit entfallen sei, erschließt sich anhand der Akte aber nicht.



Der Betrieb fällt auch nicht unter einen der Ausnahmetatbestände des § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV. Dies macht der Beklagte selbst auch nicht geltend.



3. Die Forderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Zuletzt hat der Kläger die Berechnung der Beitragsforderung auf die Angaben des Beklagten in Bezug auf die Monatsbruttolöhne und die Beschäftigungszeiträume der Arbeitnehmer B, C und D - insoweit ist der Kläger von einem Gehalt von 400 Euro ausgegangen - gestützt. Mit Schriftsatz vom 29. September 2015 hat der Kläger die Berechnungsweise im Einzelnen dargelegt. Hiergegen sind substantiierte Einwendungen nicht erhoben worden.



4. Der Beklagte ist auch an den VTV gebunden. Mangels Wirksamkeit der jeweiligen AVE des VTV scheidet eine Bindung des Beklagten nach § 5 Abs. 4 TVG aus. Der Beklagte ist aber an den VTV kraft Gesetzes gebunden. Das SokaSiG ist zum 25. Mai 2017 in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und als wirksam zu betrachten. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG scheidet aus vor (hierzu näher Hess. LAG 2. Juni 2017 - 10 Sa 907/16 - NZA-RR 2017, 485 ff. [BAG 22.02.2017 - 5 AZR 552/14] ; Revision eingelegt unter 10 AZR 318/17).



a) Die Kammer hat in dem Urteil vom 2. Juni 2017 ausführlich begründet, weshalb sie davon ausgeht, dass die mit dem SokaSiG einhergehende Rückwirkung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Wesentlich war dabei die Überlegung, dass die Bauarbeitgeber in den vergangenen Jahren in Anbetracht der Rechtsprechung und der Wissenschaft keinen Anlass hatten, in die Unwirksamkeit der AVE zu vertrauen. Nach den bislang in Rechtsprechung und Literatur geäußerten Stellungnahmen entspricht dies der ganz h.M. Ein schutzwürdiges Vertrauen der normunterworfenen Arbeitgeber bestand nicht, weshalb auch eine Rückwirkung zulässig ist (i.E. ebenso LAG Berlin-Brandenburg 16. Juni 2017 - 3 Sa 1831/17 - Rn. 32 ff., Juris; Hess. LAG 20. Juni 2017 - 12 Sa 518/16 - Rn. 39 ff.; Ulber, NZA 2017, 1104, 1105; Bader JurisPR-ArbR 31/2017 Anm. 2; Engels, NZA 2017, 680, 684; Klein AuR 2017, 48, 52; Biedermann BB 2017, 1333, 1337; Berndt DStR 2017, 1166). Zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen wird davon abgesehen, die Gründe aus dem Urteil der Kammer vom 2. Juni 2017 an dieser Stelle wiederzugeben und es wird stattdessen auf die Fundstelle in NZA-RR 2017, 485 [BAG 22.02.2017 - 5 AZR 552/14] verwiesen.



b) Ergänzend ist mit Blick auf die Berufungsbegründung noch wie folgt auszuführen:



aa) Es ist nicht ersichtlich, dass das SokaSiG formell verfassungswidrig ist, da der Bundesrat hätte zustimmen müssen. Art. 74 Nr. 12 GG sieht eine konkurrierende umfassende Zuständigkeit des Bundes für das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, dem Arbeitsschutz und der Arbeitsvermittlung vor. Hierzu gehört auch das kollektive und insbesondere das Tarifvertragsrecht (vgl. nur BeckOK GG/Seiler Stand: 15.02.2018 Art. 74 Rn. 47.1). Darauf kann auch das SokaSiG gestützt werden (ebenso LAG Berlin-Brandenburg 16. Juni 2017 - 3 Sa 1831/16 - Rn. 33, Juris n.rkr.).



Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 84 Abs. 1 GG. Die Regelung konstituiert eine weitere konkurrierende Gesetzeszuständigkeit des Bundes für die Fälle, in denen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen (vgl. Kersten in Maunz/Dürig 61. Lfg. Art. 84 Rn. 58; Pieroth in Jarass/Pieroth 9. Aufl. Art. 84 Rn. 2).



Im vorliegenden Fall müssen die Länder nicht die mit dem SokaSiG ohne Rücksicht auf eine Tarifbindung verbindlich gemachten Regelungen des Sozialkassenverfahrens ausführen. Unter Ausführen versteht man den verwaltungsmäßigen Vollzug des Bundesrechts (vgl. Kersten in Maunz/Dürig 61. Lfg. Art. 84 Rn. 47). Das Land muss in diesem Fall das Bundesrecht mit eigenen Mitteln vollziehen. Der Tatbestand liegt hingegen nicht vor, wenn ein Land wie jeder andere Rechtsunterworfene bei seiner Tätigkeit auch Bundesrecht beachten muss (Kersten in Maunz/Dürig 61. Lfg. Art. 84 Rn. 47). Im vorliegenden Fall wird anstelle der sich als untaugliche Rechtsgrundlage erweisenden AVE das SokaSiG eingesetzt, um die Regelungen des VTV auf Tarifaußenseiter zu erstrecken. Dadurch erhalten die im VTV normierten Regelungen eine Durchsetzungskraft "wie ein Gesetz", allerdings ändert das SokaSiG den VTV selbst nicht in etwas anderes als einen Tarifvertrag um. Auch die ULAK bleibt eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, sie wird mit dem SokaSiG auch nicht zu einer Behörde und auch nicht zu einem Beliehenen (vgl. hierzu Trute in v. Mangoldt/Klein/Stark Bn 3. 5. Aufl. Art. 84 Rn. 9). Dies war zuvor nicht anders, als die Erstreckung auf Außenseiter durch die AVE, einem staatlichen Rechtssetzungsakt sui generis, erfolgt ist.



Wäre der Bundesrat der Ansicht gewesen, es läge ein zustimmungspflichtiges Gesetz vor - im Zweifel ist kein Zustimmungsgesetz anzunehmen (vgl. Kersten in Maunz/Dürig 61. Lfg. Art. 77 Rn. 96) -, so hätte er den Vermittlungsantrag nach Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG stellen können (vgl. Kersten in Maunz/Dürig 61. Lfg. Art. 77 Rn. 97), wobei er dabei die Dreiwochenfrist hätte beachten müssen. Dies ist nicht erfolgt, vielmehr ging neben dem Bundestag auch der Bundesrat ersichtlich von einem bloßen Einspruchsgesetz aus. Es erscheint fernliegend, von einem Zustimmungsgesetz auszugehen, wenn sowohl Bundestag als auch Bundesrat diese Frage einheitlich anders beurteilen.



Ein formeller Fehler bei dem Zustandekommen eines Bundesgesetzes wirkt sich im Übrigen auf die Anwendung des Gesetzes im Grundsatz nicht aus. Nur wenn das zur Entscheidung berufene Gericht von der Verfassungswidrigkeit überzeugt ist, muss es nach Art. 100 GG das BVerfG anrufen. Dieses besitzt alleine eine Verwerfungskompetenz für das formelle Bundesrecht. Belastbare Zweifel, dass das SokaSiG wegen Verfahrensmängel nichtig sei, sind hier aber nicht ersichtlich.



bb) Die gerügte Verletzung von Art. 9 Abs. 3 GG ist fernliegend. Der Beklagte behauptet nicht, dass er auf der Grundlage eines anderen Tarifvertrags an ein anderes Sozialkassensystem gebunden war, welches durch den VTV verdrängt wurde. Seine positive Koalitionsfreiheit ist deshalb nicht etwa dadurch verletzt, dass sich infolge des SokaSiG nicht mehr "sein" Tarifvertrag durchsetzt. Die negative Koalitionsfreiheit ist gleichfalls nicht verletzt. Der bloß mittelbare Druck, wegen verbandspolitischer Einflussnahme Mitglied im Bauarbeitgeberverband zu werden, reicht nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BVerfG als auch des BAG für eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit nicht aus.



cc) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung liegt nicht vor. Die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Teilung der Gewalten ist nach dem Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip. Sie dient der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft. Dabei zielt sie auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen (vgl. BVerfG 8. März 2006 - 2 BvR 486/05 - Rn. 73, Juris). Das Prinzip der Gewaltenteilung ist nirgends rein verwirklicht. Es bestehen zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen. Das Grundgesetz fordert nicht eine absolute Trennung, sondern die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten. Allerdings muss die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten gewahrt bleiben. Keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten, und keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden (vgl. BVerfG 8. März 2006 - 2 BvR 486/05 - Rn. 73, Juris). Der Kernbereich der jeweiligen Entscheidungsbefugnisse muss unangetastet bleiben (vgl. BVerfG 30. Juni 2015 - 2 BvR 1282/11 - Rn. 125; NVwZ 2015, 1434).



Die rechtsprechende Gewalt ist hier nicht in ihren Kernfunktionen durch das SokaSiG beeinträchtigt worden. Durch das SokaSiG werden vielmehr die Folgen der Entscheidung aus dem Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG abgemildert. Die Entscheidung selbst - Ausspruch über die Unwirksamkeit der jeweiligen AVE - bleibt unberührt; fehlerhaft wäre die Annahme, der Gesetzgeber habe die Entscheidungen des BAG "kassiert". Welche Folgen die Entscheidungen haben könnten, ob also Rückforderungsansprüche entstehen können, ob eine Nachwirkung älterer AVE in Betracht kommt etc., hat das BAG gar nicht selbst geregelt. Nach § 13 SokaSiG bleiben die AVE tarifvertraglicher Rechtsnormen unberührt. D.h., es ist hier lediglich eine zusätzliche gesetzliche Rechtsgrundlage geschaffen worden, um den VTV auf Außenseiter zu erstrecken.



Der Gesetzgeber hat sich entschlossen, auf eine Rechtsprechung, die ihm aus sozialpolitischer Sicht nicht angemessen erschien, zu reagieren. Dem Gesetzgeber ist es im Grundsatz unbenommen, auf Entwicklungen in der Rechtsprechung zu reagieren und Abweichendes zu regeln. Ein Beispiel ist die Entscheidung des Gesetzgebers aus dem Jahr 1979, in Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH die Regelungen zum Beurkundungsrecht neu zu fassen, um eine Vielzahl von notariellen Verträgen zu heilen (vgl. BVerfG 12. Juni 1986 - 2 BvL 5/80 ua. - NJW 1986, 2817). Ebenso ist der mit dem sog. "Tarifeinheitsgesetz" mit Wirkung zum 10. Juli 2015 eingeführte § 4a TVG eine Reaktion auf die Entscheidung des Vierten Senats (vgl. BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 549/08 - NZA 2010, 1068), mit der der Grundsatz der Tarifeinheit aufgegeben worden ist (zur Historie NK-GA/Bepler § 4a TVG Rn. 14 ff.).



dd) Ob tatsächlich eine konkrete Insolvenzgefahr der ULAK ohne das SokaSiG bestanden hat, ist in diesem Verfahren nicht zu überprüfen. Dem Gesetzgeber kommt insoweit ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 - 1 BvR 1571/15 ua. - Rn. 149, NJW 2017, 2523 [Tarifeinheitsgesetz]). Er darf auch typisierende Überlegungen anstellen. Er darf insbesondere bereits dann tätig werden, wenn er lediglich dem - möglicherweise auch nur abstrakten - Risiko einer Insolvenz entgegentreten will.



ee) Der HDB und der ZDB sind entgegen der Ansicht des Beklagten auch tariffähig. Dies hat das BAG in dem Beschlussverfahren über die Entscheidung zu der Wirksamkeit der AVE 2015 zugrunde gelegt (vgl. BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Rn. 67 ff. und 75 ff., Juris).



5. Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt.



a) Die folgt aus § 213 BGB, der vorliegend zur Anwendung kommt.



aa) Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung unter anderem durch die Erhebung der Klage auf Leistung gehemmt. Der Umfang der Hemmung wird grundsätzlich durch den Streitgegenstand der Klage bestimmt. Nach der ständigen Rechtsprechung hemmt die Erhebung der Klage die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für den streitgegenständlichen prozessualen Anspruch (vgl. BGH 29. Oktober 2015 - IX ZR 222/13 - Rn. 9, NJW 2015, 3711; BGH 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04 - zu II 3 der Gründe, NJW 2005, 2004; BGH 17. Oktober 1995 - VI ZR 246/94 - zu II 2 a der Gründe, NJW 1996, 117). Für die Hemmung durch Mahnbescheid nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gilt im Grundsatz nichts anderes.



§ 213 BGB erstreckt die Hemmungswirkung nach § 203 ff. BGB auf Ansprüche "die aus demselben Grunde wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind". Die mit der Schuldrechtsreform neu eingeführte Norm verallgemeinert einen Gedanken, der vorher lediglich im Bereich des Kaufvertrags- und Werkvertragsrechts Anwendung fand. Der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform wollte den Gläubiger, "der ein bestimmtes Interesse mit einem bestimmten Anspruch verfolgt" davor schützen, "dass inzwischen andere Ansprüche auf dasselbe Interesse verjähren, die von vornherein wahlweise neben dem geltend gemachten Anspruch gegeben sind oder auf die er stattdessen übergehen kann". Der Gläubiger sollte nicht gezwungen werden, insoweit gesonderte Hilfsanträge zu stellen (vgl. BAG 25. September 2013 - 10 AZR 454/12 - Rn. 28, NZA 2014, 164).



Voraussetzung für die Anwendung von § 213 BGB ist, dass es sich um einen anderen Anspruch gegen denselben Schuldner handelt, dass der Anspruch auf demselben Grund beruht und dass es sich um einen Fall handelt, in dem das Gesetz von vornherein dem Gläubiger mehrere Ansprüche zur Wahl stellt oder es ihm ermöglicht, in Verfolgung des gleichen wirtschaftlichen Interesses von einem zum anderen Anspruch überzugehen (vgl. BGH 22. Januar 2015 - I ZR 127/13 - Rn. 32, NJW 2015, 1608). Es reicht dabei aus, dass die Ansprüche auf demselben Interesse beruhen und im Verhältnis alternativer Konkurrenz zueinanderstehen (vgl. BGH 22. Januar 2015 - I ZR 127/13 - Rn. 32, NJW 2015, 1608; Palandt/Ellenberger 76. Aufl. § 213 Rn. 3).



Die Norm erstreckt die Hemmung im Sinne einer "Wirkungserstreckung" auf bestimmte weitere Ansprüche, die nicht unmittelbar Streitgegenstand waren. Dabei genügt aber nicht, dass die Ansprüche irgendwie wirtschaftlich zusammenhängen. Ebenso wenig ist ausreichend, dass die Ansprüche gegen denselben Schuldner gerichtet sind; dies ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung. Vielmehr müssen sie sich aus demselben Lebenssachverhalt ergeben, der Anspruchsgrund muss mindestens "im Kern identisch" sein (vgl. BAG 25. September 2013 - 10 AZR 454/12 - Rn. 30, NZA 2014, 164; Palandt/Ellenberger 76. Aufl. § 213 Rn. 2). Nicht erforderlich ist, dass der später geltend gemachte Anspruch bereits entstanden war, als der zunächst verfolgte Anspruch erhoben worden ist (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby Stand: 2014 § 213 Rn. 4).



bb) Danach ergibt sich, dass mit dem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids vom 16. Dezember 2014 die Beitragsansprüche beginnend mit dem Beitragsmonat Dezember 2009 rechtzeitig verjährungshemmend bei Gericht anhängig gemacht wurden. Es wird hier zu Grunde gelegt, dass es sich um einen neuen Streitgegenstand handelt, wenn sich die ULAK anstelle der (unwirksamen) AVE auf das SokaSiG stützt. Diese Ansprüche sind "im Kern identisch", da sie letztlich auf den VTV zurückgehen. Sie beruhen auf demselben Interesse, der Anspruch kann auch nur jeweils einmal von der ULAK geltend gemacht werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Rechtsfall auch so zu beurteilen, als wenn die Wahlmöglichkeit von Anfang an bestanden hätte. Zutreffend ist zwar, dass das SokaSiG erst am 25. Mai 2017 Kraft getreten ist. Dieses beinhaltete aber eine Rückwirkung. Die Rückwirkung konsequent zu Ende gedacht bedeutet auch, die Sachlage bei einer rückwärtigen Betrachtungsweise auch im Dezember 2009 so zu beurteilen ist, als wenn das SokaSiG damals schon gegolten hat.



b) Es ist auch nicht teilweise Verjährung im Hinblick auf die Beiträge für November 2010 und Dezember 2010 eingetreten.



Dies erscheint deshalb problematisch, weil der Kläger zunächst durch den Mahnbescheid die Beitragsmonate November und Dezember 2010 zwar rechtzeitig geltend gemacht hat, dabei aber nur einen gewerblichen Arbeitnehmer zugrunde gelegt hat. Im Laufe des Prozesses hat er seine Berechnung umgestellt und legt nach den Angaben des Beklagten für November 2010 zugrunde, dass zwei gewerbliche Arbeitnehmer und im Dezember 2010 drei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren. Darin liegt indes keine Klageerweiterung, so dass keine Verjährung eingetreten ist.



aa) Der Kläger hat mit dem Mahnbescheid eine offene Teilklage erhoben. Wie sich aus dem Terminus "mindestens" ergibt, hat sich der Kläger von Anfang an vorbehalten, bei besserer Sachkenntnis höhere Beiträge zu fordern. Bei der Teilklage, einerlei ob es sich um eine offene oder verdeckte Teilklage handelt, tritt eine Hemmung der Verjährung nur entsprechend der geltend gemachten teilweisen Anspruchshöhe ein (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby Stand 2014 § 204 Rn. 17; BeckOGK/Meller-Hannich Stand: 01.06.2018 § 204 Rn. 62). Die spätere Klageerweiterung ändert daran nichts, da sie vielmehr nur "ex nunc" wirkt. Anders ist dies dann, wenn der Kläger eine Teilklage erhoben hat, mit der er mehrere Ansprüche geltend macht, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt und die Reihenfolge der einzelnen Teilansprüche später nachholt (vgl. BGH 6. Mai 2014 - II ZR 217/13 - Rn. 13, Juris). Hier hat der Kläger aber von Anfang an nicht mehrere Arbeitnehmer zugrunde gelegt, sondern nur einen.



bb) Trotzdem ist eine Hemmung durch den Mahnbescheid nach wie vor zu bejahen, da sich der Kläger bei seiner Berechnungsmodifikation im Rahmen des ursprünglichen Streitgegenstands hält.



Der prozessuale Anspruch bei einer Beitragsklage der Sozialkasse ist jeweils der auf der Grundlage des VTV in einem Monat für alle Arbeitnehmer angefallene Sozialkassenbeitrag (vgl. Hess. LAG 12. August 2016 - 10 Sa 188/17 - Rn. 40, Juris; Hess. LAG 4. März 2016 - 10 Sa 339/15 - n.v.). Der VTV stellt, wie sich aus den §§ 6, 15, 16 und 18 VTV ergibt, auf einen monatlichen Beitragseinzug ab. Entsprechend muss der Bauarbeitgeber monatlich Beitragsmeldungen abgeben. Auch wenn der Kläger in seinen Beitragsklagen monatliche Sozialkassenbeiträge in aller Regel zusammenfasst, wird dadurch nicht ein einziger prozessualer Anspruch begründet. Wollte man dies anders sehen, würde die der Beitragsklage zugrunde liegende materielle Rechtslage unbeachtet bleiben. Für die Frage der Höhe des monatlichen Sozialkassenbeitrags ist die Frage, welche Bruttolohnsumme angefallen ist, eine bloße Vorfrage. Welche rechnerischen Einzelheiten hier jeweils zu verlangen sind, hängt auch von den Umständen des Einzelfalls ab. Jedenfalls dürfte es ausreichend sein, wenn der Kläger die Summe der Bruttolöhne der einzelnen Arbeitnehmer sowie deren Anzahl monatlich mitteilt. In diesem Rahmen ist der Kläger grundsätzlich berechtigt, seine Berechnung im Laufe des Prozesses zu modifizieren. Stellt sich etwa heraus, dass im Klagezeitpunkt nicht der Arbeitnehmer A, wohl aber der Arbeitnehmer B beschäftigt war, kann der Kläger seine Klage grundsätzlich noch umstellen. Insoweit handelt es sich bloß um unselbstständige Rechnungsposten im Rahmen des Sozialkassenanspruchs (vgl. Zöller/Greger 32. Aufl. § 253 Rn. 15).



Im vorliegenden Fall hat der Kläger für Dezember 2010 durch den Mahnbescheid einen Beitrag in Höhe von 587 Euro für einen gewerblichen Arbeitnehmer zugrunde gelegt. Nunmehr macht er für den Monat Dezember 2010 für zwei gewerbliche Arbeitnehmer 396,20 Euro und einen geringfügig Beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer 158,40 Euro, zusammen 554,60 Euro geltend. Die insoweit geltend gemachte Modifikation der Berechnung für den Beitragsmonat hält sich noch im Rahmen des ursprünglichen Streitgegenstandes und wirkt sich damit verjährungsschädlich nicht aus. Entsprechendes gilt für November 2010.



6. Die Forderung ist auch nicht verfallen. § 213 BGB ist auf die tarifliche Ausschluss jedenfalls entsprechend anwendbar (näher Hess. LAG 2. Juni 2017 - 10 Sa 907/16 - Rn. 205 ff., NZA-RR 2017, 485 [BAG 22.02.2017 - 5 AZR 552/14] ). Bei einer offenen Teilklage ist der Ausschlussfrist auch dann Genüge getan, wenn ursprünglich nur ein Teil des Anspruchs geltend gemacht worden ist. Der Beklagte war durch den Mahnbescheid auch hinreichend vorgewarnt, er konnte Rückstellungen bilden etc.



III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



Die Revision ist zu Gunsten des Beklagten zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG, da die Frage der Verfassungskonformität des SokaSiG noch immer höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Vorschriften§ 213 BGB, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, Art. 100 GG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 7 Abs. 7, Abs. 8 SokaSiG, §§ 18 Abs. 2, 22 VTV, 21 VTV, § 263 ZPO, § 1 Abs. 2 VTV, Abschnitt V Nr. 15 VTV, Abschnitt V Nr. 37 VTV, Abschnitt IV Nr. 2 VTV, Abschn. II VTV, Abschnitt II VTV, Abschnitt VII Nr. 6 VTV, Abschnitt V Nr. 34 VTV, Abschnitt VII Nr. 12 VTV, Abschnitt VII VTV, § 5 Abs. 4 TVG, Art. 74 Nr. 12 GG, Art. 84 Abs. 1 GG, Art. 77 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, § 98 ArbGG, § 13 SokaSiG, § 4a TVG, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 203 ff. BGB, §§ 6, 15, 16, 18 VTV, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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