Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

06.06.2000 · IWW-Abrufnummer 000606

Amtsgericht Klötze: Urteil vom 25.01.2000 – 20 Ds 550 Js 200/99 (293/99)

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Klötze

Urteil

Im Namen des Volkes!

In der Strafsache

gegen

Uwe K
geb. am x.x.1962 in x
whf.: x
Deutscher

wegen

fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr

hat das Amtsgericht - Strafrichter - Klötze auf die Hauptverhandlung vom 25.01.2000, an der teilgenommen haben:

Richter am Amtsgericht Nebel als Strafrichter

Regierungsdirektor Weilage als Beamter der Staatsanwaltschaft

Rechtsanwältin Elbi als Pflichtverteidigerin

Justizang. Plescher als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

für Recht erkannt:

Der Angeklagte wird wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 24 a Abs. i Nr. l StVG zu einer Geldbuße in Höhe von DM 500,00 verurteilt.

Dem Angeklagten wird für die Dauer von 2 (zwei) Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen, wobei die Dauer der Sicherstellung anzurechnen ist. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Auslagen, die durch die Gutachtenerstattung der Sachverständigen Dr. Schoknecht und Dr. Krause sowie durch die Beiordnung der Pflichtverteidigerin entstanden sind.
Diese Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Angewendete Vorschriften:
§§ 24 a Abs. l Nr. l, Abs. 3, Abs. 4 S. l, 25 Abs. l StVG.

Gründe:

l.
Der am x.x.1962 geborene Angeklagte ist geschieden und hat 3 minderjährige Kinder.

Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen hat der Angeklagte nicht gemacht.

Der Führerschein des Angeklagten wurde am 27.11.1999 sichergestellt und befand sich seitdem bei den Akten.

Der Angeklagte ist strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten. Aus dem Verkehrszentralregister ergibt sich eine Eintragung vom 27.07.1999, unanfechtbar seit dem 13.08.1999, wegen Unterlassens der rechtzeitigen Vorführung eines Fahrzeugs zur fälligen Hauptuntersuchung, weshalb eine Geldbuße verhängt wurde.

II.
Der Angeklagte befuhr am 27.11.1999 gegen 1.30 Uhr in Klötze unter anderem die Salzwedeler Straße und die Bahnhofstraße mit einem Atemalkoholgehalt von mindestens 0,92 mg/l, was er aufgrund der zuvor genossenen Menge alkoholischer Getränke bei gebotener und zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, mit seinem Pkw Ford, amtliches Kennzeichen SAW-XXX.

Der Angeklagte wurde durch die Polizeibeamten F und N anlässlich einer allgemeinen Verkehrskontrolle einer Atemalkoholvorprobe unterzogen, die einen Wert von 1,6 0/00 ergab. Daraufhin wurde der Angeklagte von den vorgenannten Polizeibeamten vor die Wahl gestellt, eine Blutentnahme oder einen Atemalkoholtest mit dem Dräger Alcotest 7110 Evidential MK III im Polizeirevier in Klötze durchzuführen. Der Angeklagte war mit einer Atemalkoholprobe einverstanden. Die durchgeführten Atemalkoholmessungen, wobei der erste Messversuch um 1.56 Uhr unzulässig war, ergab für. die erste Messung um 1.57 Uhr einen Atemalkoholgehalt von 0,915 mg/l und für die zweite Messung um 20.00 Uhr einen Atemalkoholgehalt von 0,933 mg/l, so dass sich eine durchschnittliche Atemalkoholkonzentration von 0,92 mg/l ergab.

Fehler im Messvorgang oder im Rahmen der anliegenden Belehrung oder bei Erstellung der Befundprotokolle haben sich nicht ergeben.

Das verwendete Messgerät ist durch das Landeseichamt Sachsen-Anhalt am 13.10.1999 geeicht worden, die Gültigkeit der Eichung reicht bis April 2000.

Das Gerät selbst hat eine innerstaatliche Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) Braunschweig zur Zulassungszeichen 18.0798.01.

Eine Blutentnahme zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration erfolgte nicht.

III.
Die vorgenannten Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen F und N sowie auf dem in die Hauptverhandlung durch Verlesen eingebrachten Protokoll über eine Atemalkoholmessung vom 27.11.1999 (Bl. 5 d.A.) nebst Anlagen 1-3 (Bl. 6-8 d.A.).

Darüber hinaus hat das Gericht die Sachverständigen Prof. Dr. Schoknecht und Prof. Dr. Krause in der Hauptverhandlung gehört.

Der Angeklagte hat durch sein Verhalten den Tatbestand des § 24 a Abs. l Nr. l StVG verwirklicht.

Aufgrund der Ausführungen der Sachverständigen ist das Gericht nach eigenständiger Würdigung davon überzeugt, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt eine Atemalkoholkonzentration von 0,92 mg/l aufwies.

Die Sachverständigen Prof. Dr. Schoknecht und Prof. Dr. Krause waren sich darin einig, dass die vorliegende Atemalkoholmessung selbst keinerlei erkennbare Fehler aufweist und somit verwertbar ist. Darüber hinaus waren die Sachverständigen sich einig, dass das verwendete Messgerät, weiches dem neusten technischen Stand entspricht, einen "richtigen" Atemalkoholwert gemessen hat, der nicht durch Mundrestalkohol oder ähnlicher Nebenwirkungen oder -effekte als falsch angesehen werden könnte. Die Sachverständigen erläuterten übereinstimmend, dass in einem solchen Fall eine erfolgreiche Messung mit dem Gerät nicht hätte durchgeführt werden können. Das Gerät hätte in einem solchen Fall vielmehr einen Messfehler angezeigt und keinen Messwert ausgegeben.

Soweit dem Angeklagten durch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stendal vom 08.12.1999 fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 Abs. l und Abs. 2 StGB vorgeworfen wurde, hat sich dieser Vorwurf nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht bestätigt.

Den Aussagen der Polizeibeamten F und N war zu entnehmen, dass Ausfallerscheinungen des Angeklagten im Straßenverkehr nicht festgestellt werden konnten.

Die Polizeibeamten sind mit ihrem Polizeifahrzeug eine Strecke von ca. 500 Meter hinter dem Angeklagten hergefahren und haben während dieser Strecke zwei Anhalte- und Anfahrvorgänge des Angeklagten beobachtet, ohne Fahrauffälligkeiten feststellen zu können. Nach Angaben der Zeugen habe der Angeklagte auch noch normal auf das Anhaltekommando reagiert. Der Angeklagte habe demzufolge angehalten, als an dem Fahrzeuge des Angeklagten folgenden Polizeifahrzeug die Leuchtschrift zusammen mit dem Blaulicht einschaltet worden sei. Das Einschalten des Martinshornes oder das Überholen des Angeklagten sei nicht erforderlich gewesen.

Erst nach dem Anhalten konnten die als Zeugen vernommenen Polizeibeamten Auffälligkeiten im Verhalten des Angeklagten feststellen. Der Angeklagte habe etwas umständlich nach seinem Führerschein gesucht. Letztlich ausschlaggebend für die Durchführung weitere Maßnahmen sei jedoch gewesen, dass die Zeugen eine "Alkoholfahne" gerochen hätten. Ausfallerscheinungen im Straßenverkehr konnten von den Zeugen nicht festgestellt werden.

Aufgrund der divergierenden Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Schoknecht und Prof. Dr. Krause sind für das Gericht nach seiner eigenen Würdigung Zweifel dahingehend geblieben, dass der gemessene Atemalkoholwert von 0,92 mg/l Liter mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,0 g0/00 (bzw. mit Sicherheitszuschlag 1,1 g0/00) gleichzusetzen ist bzw. dieser Atemalkoholwert die Feststellung der absoluten Fahruntüchtigkeit ermöglicht. Eine solche Feststellung wäre jedoch erforderlich gewesen, um den Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr gem. § 316 StGB verurteilen zu können.

Die Sachverständigen Prof. Dr. Schoknecht und Prof. Dr. Krause haben übereinstimmend bekundet, dass der vom Gesetzgeber im Ordnungswidrigkeitenrecht (§ 24 a Abs. l StVG) festgelegte starre Umrechnungsfaktor von 2,0 bezüglich der Vergleichbarkeit von Blutalkohol und Atemalkohol empirisch und wissenschaftlich bisher nicht hinreichend gesichert sei. Den Ausführungen von Prof. Dr. Schoknecht folgend, handelt es sich dabei lediglich um einen Wert, der in 3/4 alle Fälle zutreffe. In ca. 25% der Fälle sei dieser Umrechnungsfaktor nicht richtig und wirke sich ggfs. auch zu Lasten des Betroffenen aus.

Darüber hinaus waren sich die Sachverständigen darin einig, dass es bisher keinen mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (das heißt mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,9%) bestimmbaren absoluten Fahruntüchtigkeitsgrenzwert für Atemalkohol gibt.

Die Problematik der Übertragung und Feststellung einer absoluten Fahruntüchtigkeit liegt dabei nicht in der Feststellung der Messgenauigkeit des verwendeten Gerätes. Diese wird bei dem vorliegenden Gerät auch von den Sachverständigen nicht angezweifelt, sondern im Rückschluss des festgestellten Atemalkoholwertes auf die absolute Fahruntüchtigkeit im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshof zur Blutalkoholkonzentration. Danach ist nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit die absolute Fahruntüchtigkeit bei einem Blutalkoholgehalt von 1,0 g0/00 gegeben, wobei im Hinblick auf nur noch geringe Messabweichungen bei rechtsmedizinischen Instituten, die an den erforderlichen Ringversuchen teilnehmen, ein Sicherheitszuschlag von lediglich 0,1 g0/00 gefordert wird. Dabei hat der Bundesgerichtshof insbesondere berücksichtigt, dass diese Werte anhand von umfangreichen Praxistests ermittelt wurden und diese statistischen Werte eindeutig vorzuziehen seien.

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat das Gericht den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Schoknecht, dass ein Atemalkoholwert von 0,92 mg/l mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,86% einem Blutalkoholgehalt von 1,45 g0/00 entspreche nicht folgen können. Den Berechnungen des Sachverständigen liegt lediglich ein älteres Gutachten des - ehemaligen - Bundesgesundheitsamtes und ein Praxistest mit nur 250 Personen zugrunde, der in den letzten Monaten in einigen Bundesländern durchgeführt wurde.
Eine solch geringe Zahl von Werten aus der Praxis und die Tatsache, dass nur das hier verwendete Atemalkoholmessgerät den Anforderungen an beweissichere Messergebnisse genügen dürfte, konnte letzte Zweifel 'des Gerichts im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Krause nicht ausräumen.

Der Sachverständige Prof. Dr. Krause hat ausgeführt, dass aufgrund der bisher fehlenden Anzahl von Praxistests mit den "neuen" Blutalkoholmessgeräten nicht auszuschließen sei, dass die Atemalkoholkonzentration von 0,92 mg/l mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu einem Prozent auch einem geringeren Wert als 1,1 g0/00 Blutalkohol entspreche. In vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Magdeburg durchgeführten Praxistests mit immerhin 340 Messwerten von 10 Probanden, seien einige "Ausreißer" im Rahmen des Vergleichs von Blut- und Atemalkohol aufgetreten, die nicht ausschließen lassen, dass es bei der Übertragung von Atemalkohol in Blutalkohol einen größeren Unsicherheitsfaktor gebe, der dazu führe, dass ein größerer Sicherheitszuschlag oder anderer Umrechnungsquotient erforderlich sei. Aufgrund dieser Umstände sei es ihm nicht möglich, zurzeit einen Umrechnungsfaktor mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von 99,9% oder mehr zu benennen. Es sei zwar eher unwahrscheinlich, dass bei einem Atemalkoholgehalt von 0,92 mg/l ein geringerer Blutalkoholwert als 1,1 g0/00 vorliege, aber dieser Umstand sei nicht mit der vom Bundesgerichtshof geforderten Sicherheit auszuschließen.

Im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen hat das Gericht Zweifel daran, dass der festgestellte Atemalkoholwert einen sicheren Rückschluss auf die absolute Fahruntüchtigkeit zulässt. Das Gericht muss dabei auch berücksichtigen, dass der Gesetzgeber, im Gegensatz zum Ordnungswidrigkeitenrecht, keinen Grenzwert für Atemalkohol in § 316 StGB verankert hat, und somit die Festlegung des Atemalkoholwertes für die absolute Fahruntüchtigkeit der Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat.

IV.
Der vom Angeklagten verwirklichte Bußgeldtatbestand des § 24 a Abs. l Nr. i , Abs. 3 StVG eröffnet in Verbindung mit § 24 a Abs. 4 Satz l StVG einen Bußgeldrahmen von bis zu 3.000,00 DM.
Unter Berücksichtigung der Vorbelastungen des Angeklagten und im Hinblick auf den festgestellten Atemalkoholwert von 0,92 mg/l Atemluft, der für den Ordnungswidrigkeitenbereich mit einer ausreichenden Sicherheit festgestellt werden kann, war die Verhängung einer Geldbuße von 500,00 DM bei einer Gesamtschau aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände tat- und schuldangemessen.

Im Hinblick auf die nicht vorhandenen Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen, war das Einkommen als mittleres Einkommen zu schätzen.

Im Rahmen der zu verhängenden Geldbuße von bis zu 3.000,00 DM war diese noch 'im unteren Bereich von DM 500,00 anzusiedeln, da der Angeklagte bisher strafrechtlich nicht und verkehrsrechtlich nur unwesentlich und nicht einschlägig in Erscheinung getreten ist. Eine geringere Buße konnte jedoch aufgrund des nicht geringen Atemalkoholwertes und auch im Verhältnis zur feststehenden Sanktion bei Verstoß gegen § 24 a Abs. l Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 StVG nicht in Betracht kommen.

Gegen den Angeklagten war gemäß § 25 Abs. l StVG auf ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten zu erkennen (Regelfahrverbot). Dabei hat das Gericht die Verhängung eines zweimonatigen Fahrverbotes als tat- und schuldangemessen angesehen, da der festgestellte Atemalkoholwert nicht im unteren Bereich der Tatbestandsverwirklichung angesiedelt werden kann.

V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG in Verbindung mit § 465 StPO und bezüglich der Landeskasse auferlegten Auslagen aus § 465 Abs. 2 StPO.

Nebel
Richter am Amtsgericht

Vorschriften§ 24 a Abs. l Nr. l StVG § 24 a Abs. 3 StVG § 24 a Abs. 4 S. l StVG § 24 a 25 Abs. l StVG

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr