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14.08.2018 · IWW-Abrufnummer 202904

Landgericht Siegen: Urteil vom 14.11.2017 – 1 O 118/17

Die Installation von Software in einem Pkw, die im Testbetrieb einen geringeren Stickoxidausstoß bewirkt als im Fahrbetrieb, stellt einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar.

Dieser Mangel ist nicht unerheblich im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.

Eine Nachbesserung durch ein Software-Update kann gemäß § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar sein, wenn der Käufer die begründete Befürchtung hegen darf, das Update werde nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängel führen.

Daneben kommt ein Anspruch gegen den Hersteller gemäß §§ 826, 31 BGB auf Ersatz der durch die Manipulation entstandenen Schäden in Betracht, da das Inverkehrbringen eines manipulierten Fahrzeugs den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Täuschung erfüllt.


Landgericht Siegen


Tenor:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 17.613,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2016 zu bezahlten, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Seat Leon, FIN: xxx.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs PKW Seat Leon, FIN: xxx, durch die Beklagte zu 2) resultieren.

Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahem des im Klageantrag zu 1) genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers haben der Kläger 22 %, die Beklagte zu 1) 74 % und die Beklagte zu 2) 4 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger 23 % zu tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils für die Beklagte zu 1) vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

1

Tatbestand:

2

Der Kläger erwarb bei der Beklagten zu 1) am 14.09.2011 einen gebrauchten PKW T2 Leon FR mit einem Kilometerstand von 8.810 zu einem Kaufpreis von 22.900,00 EUR brutto.

3

Die Beklagte zu 1) betreibt eine T2-Vertragswerkstatt. Die Marke T2 gehört zum Konzern der Beklagten zu 2). Der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs wurde von der Beklagten zu 2) entwickelt und hergestellt.

4

Die T2 GmbH, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 2), bewirbt den Fahrzeugtyp im Rahmen der Auflistung der technischen Daten mit der Euro-5-Abgasnorm. Der PKW verfügt über einen Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 189 und ist von der Beklagten zu 2) mit einer Software ausgestattet worden, die den Ausstoß von Stickoxid (NOx) im Prüfstandbetrieb (NEFZ) optimiert. Nur aufgrund dieser Software, die erkennt, ob das Fahrzeug einem Prüfstandbetrieb unterzogen wird oder sich auf der T-Straße befindet, und entsprechend den Abgasausstoß des Motors verändert, hält der Motor während des Prüfstandtests die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte F. Unter realen Fahrbedingungen im Straßenverkehr wird das Fahrzeug mit einer geringeren Abgasrückführungsrate betrieben und es werden die im Prüfstand erzielten Stickoxidwerte überschritten.

5

Mit Bescheid des Kraftfahrzeugbundesamts vom 14.10.2015 wurde die Beklagte zu 2) verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Dementsprechend kündigte die Beklagte zu 2) an, die Software unter Aufsicht des Kraftfahrtbundesamts durch eine Rückrufaktion zu entfernen. Zudem wurden externe Berater beauftragt, den internen Aufklärungsprozess bei der Beklagten zu 2) zu begleiten.

6

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.09.2016 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit Schreiben vom 20.09.2016 wies die Beklagte zu 1) u.a. darauf hin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug weiterhin technisch sicher und fahrbereit sowie im Straßenverkehr uneingeschränkt nutzbar sei. Zur Behebung der Unregelmäßigkeiten sei lediglich F Software-Update erforderlich, für das nur etwa eine halbe Stunde Arbeitszeit in einer Vertragswerkstatt vorgesehen sei. Sobald die Maßnahmen am Fahrzeug des Klägers durchgeführt werden könnten, werde der Kläger von T2 informiert.

7

Der Kläger behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei erheblich mangelbehaftet, weil die tatsächlichen NOx-Werte des Fahrzeugs von den gesetzlichen Vorgaben und den Angaben des Herstellers im technischen Datenblatt derart abwichen, dass die EU-5-Schadstoffklasse nicht erreicht werde. Es sei dem Kläger bei der Kaufentscheidung auf die Zuordnung der Schadstoffklasse angekommen. Bei Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag sei es für ihn nicht absehbar gewesen, ob sich die Kraftstoffverbrauchswerte sowie die CO2-Emissionen ebenso wie die Motorleistung und das maximale Drehmoment des Fahrzeuges nach dem Software-Update verändern würden. Es gebe bekanntermaßen einen Zielkonflikt zwischen günstigen Stickstoffwerten und günstigen Kohlendioxid-Abgaswerten. Es sei zu vermuten, dass eine Verbesserung der Stickoxidwerte nur unter Inkaufnahme neuer Mängel beim CO2-Ausstoß oder beim Kraftstoffverbrauch oder unter Inkaufnahme von erhöhtem Motorverschleiß möglich sei. Zudem sei eine erhöhte Kraftfahrzeugsteuer zu befürchten.

8

Der Kläger behauptet weiter, dass neben zahlreichen Führungskräften, leitenden Managern und Ingenieuren auch mehrere Vorstände und der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2) von dem Einbau und dem Einsatz der Software gewusst hätten. Er meint, diese Kenntnisse müsse sich die Beklagte zu 1) als Vertragshändlerin zurechnen lassen.

9

Darüber hinaus behauptet der Kläger, er habe mit dem Fahrzeug bis zur mündlichen Verhandlung vom 12.09.2017 55.680 km zurückgelegt.

10

Der Kläger ist der Ansicht, auch unter zeitlichen Aspekten sei ihm das Abwarten der Mangelbeseitigung nicht zumutbar gewesen. Ferner habe die Beklagte zu 2) die Käufer arglistig getäuscht, sodass ihm eine Nacherfüllung, die faktisch durch die Beklagte zu 2) erfolge, unzumutbar sei.

11

Der Kläger hat ursprünglich mit dem Klageantrag zu 1) Zahlung von 22.900,00 EUR Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW und Zug um Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW geltend gemacht. Er beantragt nunmehr,

12

1.

13

die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 19.712,32 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2016 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW T2 Leon, FIN: xxx,

14

2.

15

festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs T2 Leon, FIN: xxx, durch die Beklagtenpartei zu 2) resultieren,

16

3.

17

festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet,

18

4.

19

die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.899,24 EUR freizustellen.

20

Die Beklagten beantragen,

21

die Klage abzuweisen.

22

Das Gericht hat mit Beschluss vom 12.09.2017, der Beklagten zu 1) ausweislich des Empfangsbekenntnisses (Blatt 887 der Gerichtsakte) zugestellt am 19.09.2017, den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu der klägerischen Berechnung der Nutzungsentschädigung binnen eines Monats gegeben. Die Beklagte zu 1) bestreitet mit einem am 23.10.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz, dass der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vom 12.09.2017 55.680 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt habe.

23

Die Beklagte zu 2) bestreitet, getäuscht oder sonst unwahre und irreführende Tatsachen bekannt gegeben zu haben. Sie bestreitet hinsichtlich der Entwicklung und Verwendung der Software etwaige Beteiligungen und Kenntnisse einzelner Vorstandsmitglieder und behauptet, dass nach bisherigem Kenntnisstand die Entscheidung, die Motorsteuerungssoftware zu verändern, von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneten Arbeitsebenen getroffen worden sei.

24

Die Streithelferin ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 07.11.2017 beigetreten.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

26

Entscheidungsgründe:

27

Die zulässige Klage hat ganz überwiegend Erfolg.

28

I.

29

Klageantrag zu 1)

30

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von 22.900,00 EUR abzüglich gezogener Nutzungen in Höhe von 5.286,59 EUR, Zug um Zug gegen Rückgabe des im Tenor bezeichneten Fahrzeuges (§§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1 Var. 3, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1, 348 BGB). Der PKW wies bei Gefahrübergang einen Sachmangel auf. Eine Frist zur Nacherfüllung war entbehrlich und die Pflichtverletzung war nicht unerheblich.

31

1.

32

Der Kläger ist mit Schreiben vom 09.09.2016 wirksam von dem Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) über den streitgegenständlichen PKW zurückgetreten.

33

2.

34

Das Fahrzeug war im Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft im Sinne des § 434 Abs.1 BGB, da es jedenfalls nicht die Beschaffenheit aufwies, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr.2 Var. 2 BGB erwarten kann. Welche Beschaffenheit des Kaufgegenstandes F Käufer anhand der Art der Sache im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB erwarten kann, bestimmt sich nach dem Empfängerhorizont eines Durchschnittskäufers und damit nach der objektiv berechtigten Käufererwartung.

35

Das Fahrzeug entspricht diesen objektiv berechtigten Erwartungen nicht. Die eingebaute Software erkennt, wann sich das Fahrzeug im Testzyklus befindet, und aktiviert während dieser Testphase einen Abgasrückführungsprozess, der zu einem geringeren Stickoxidausstoß führt. Das streitgegenständliche Fahrzeug täuscht mithin im Prüfstand einen niedrigeren Stickoxidausstoß vor, als er im Fahrbetrieb entsteht. F Durchschnittskäufer darf erwarten, dass die in der Testphase laufenden stickoxidverringernden Prozesse auch im realen Fahrbetrieb aktiv bleiben und nicht durch den Einsatz einer Software deaktiviert bzw. nur im Testzyklus aktiviert werden. Andernfalls wäre die staatliche Regulierung zulässiger Stickoxidausstoßgrenzen - wenn auch nur unter Laborbedingungen - Makulatur (vgl. u.a. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016, Az.: 28 W 14/16; OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016, Az.: 7 W 26/16; LG Aachen, Urteil vom 06.12.2016, Az. 10 O 146/16; LG Münster, Urteil vom 14.03.2016, Az. 11 O 341/15; LG Oldenburg, Urteil vom 01. 09.2016, Az.: 16 O 790/16; LG München II, Urteil vom 15.11. 2016, Az.:12 O #####/####; LG Dortmund, Urteil vom 31.10.2016, Az.: 7 O 349/15; LG Hagen, Urteil vom 18.10.2016, Az.: 3 O 66/16, LG Paderborn, Urteil vom 17.05.2016, Az.: 2 O 381/15).

36

3.

37

Dem Rücktrittsrecht steht nicht entgegen, dass im klägerischen Schreiben vom 09.09.2016 keine Nacherfüllungsfrist gesetzt wurde. Eine Fristsetzung war gemäß § 440 Satz 1 Var. 3 BGB wegen Unzumutbarkeit entbehrlich.

38

Vorliegend war der dem Kläger zustehende Nacherfüllungsanspruch gemäß § 439 Abs. 1 BGB von vornherein auf die Nachbesserung beschränkt. Denn eine Nachlieferung des Fahrzeugs kam bereits deshalb nicht in Betracht, weil es sich um einen Gebrauchtwagen handelt.

39

Ob eine Nachbesserung technisch möglich ist, kann dahinstehen. Denn auch bei technisch möglicher Nachbesserung war es dem Kläger zum Rücktrittszeitpunkt gemäß § 440 S. 1 Var. 3 BGB unzumutbar, sich auf eine Nachbesserung mit offenem Ausgang und ungewisser Dauer einzulassen. Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung beurteilt sich allein aus der Perspektive des Käufers, vorliegend des Klägers, zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung. In die Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalles einzustellen, insbesondere die Art des Mangels und die Beeinträchtigung der Interessen des Käufers, die Begleitumstände der Nacherfüllung, die Zuverlässigkeit des Verkäufers sowie eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2016 - VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153).

40

Ausgehend von dem vorgenannten Maßstab war vorliegend die Nachbesserung dem Kläger schon deshalb unzumutbar, weil er die begründete Befürchtung hegen durfte, dass das beabsichtigte Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde (vgl. etwa auch LG Krefeld, Urteil vom 14.09.2016 - 2 O 83/16; LG Bückeburg, Urteil vom 11.01.2017 - 2 O 39/16; LG Dortmund, Urteil vom 29.09.2016 - 25 O 49/16; LG Arnsberg Urteil vom 24.03.2017 - I 1 O 224/16). So war es vorliegend zum Zeitpunkt des Rücktritts, auf den allein abzustellen ist (BGH, Urteil vom 15.06.2011 - VIII ZR 139/09, WM 2011, 2148), nicht auszuschließen, dass die Beseitigung der Manipulations-Software negative Auswirkungen auf die übrigen Emissionswerte, den Kraftstoffverbrauch und die Motorleistung haben würde. Die Einzelgenehmigung des Kraftfahrtbundesamtes lag für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp zum Rücktrittszeitpunkt nicht vor. Zweifel an einem Nachbesserungserfolg sind bereits unter Berücksichtigung der öffentlichen Diskussion nachvollziehbar. Hierzu heißt es auch in dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom 20.09.2016:

41

"Wir möchten zunächst noch einmal unser Bedauern darüber ausdrücken, dass Ihnen durch die Diskussionen über eine Software, welche bei Dieselmotoren des Typs EA 189 den Ausstoß von Stickoxid (NOx) auf dem Prüfstand optimiert, Unannehmlichkeiten entstanden sind. Die durch die öffentliche Diskussion hervorgerufene Unsicherheit können wir sehr gut nachvollziehen."

42

Der Verdacht eines Folgemangels nach durchgeführter Nachbesserung ergibt sich auch aus dem vom Kläger plausibel vorgetragenen Konflikt zwischen Stickoxidwerten und Kohlendioxidwerten und der naheliegenden Frage, warum die Beklagte zu 2) die jetzt beabsichtigten technischen Lösungen nicht von vornherein implementiert hat. Der berechtigte Mangelverdacht reicht vorliegend aus, um dem Kläger die Nachbesserung unzumutbar zu machen. Der Kläger muss nicht beweisen oder auch nur als sicher eintretend behaupten, dass F Folgemangel entstehen werde (LG Krefeld a.a.O.). Die Interessen des Klägers als Käufer sind vielmehr bereits dann hinreichend beeinträchtigt, wenn aus Sicht eines verständigen Kunden konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit von Folgemängeln vorliegen (LG Krefeld a.a.O). Dies ist, wie oben ausgeführt, vorliegend der Fall.

43

Des Weiteren war es für den Kläger auch zeitlich unzumutbar, auf die Nacherfüllung zu warten (so auch LG Krefeld a.a.O.; LG Bückeburg a.a.O.; LG Dortmund a.a.O.; LG Arnsberg a.a.O.). Eine Nachbesserung hat grundsätzlich innerhalb einer angemessenen Frist zu erfolgen. Maßgeblich ist, dass dem Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt wird, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar ist und ihm vor Augen führt, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken darf (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2016 - VIII ZR 49/15). Abweichend davon war hier zum Rücktrittszeitpunkt nicht bestimmbar, wie viel Zeit die Nachbesserung in Anspruch nehmen wird. So enthält auch das Schreiben der Beklagten zu 1) vom 20.09.2016 keine zeitliche Angabe, da technische Lösungen zunächst noch entwickelt werden mussten. Die Beklagte zu 1) gab an, dass W mit Hochdruck daran arbeite, dass sämtliche Maßnahmen für alle Motorvarianten so schnell wie möglich abgeschlossen würden. Sobald die Maßnahmen an dem klägerischen Fahrzeug durchgeführt werden könnten, werde der Kläger von T2 informiert. Bis zur konkreten Durchführung der Maßnahmen bitte man um Geduld und Verständnis. F Fristenlauf ist unter diesen Voraussetzungen Makulatur: Weder kann die Nachbesserung zeitlich beschleunigt werden, noch kann der Käufer absehen, wie lange er sich gedulden muss. Dies kann nicht zu Lasten des Käufers gehen.

44

Im Übrigen bestand jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung auch der Verdacht, dass das Fahrzeug innerhalb von T2 nicht rechtlich gesichert betrieben werden kann bzw. kein Haftpflichtversicherungsschutz besteht. Entsprechende rechtliche Erwägungen sind jedenfalls nicht unvertretbar. So heißt es etwa in dem Urteil des LG München II vom 15.11.2016 - 12 O #####/####:

45

"Zu berücksichtigen ist auch, dass die Betriebserlaubnis für den PKW kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO erloschen ist. Dass die Behörden an diesen Umstand momentan für Hunderttausende Kraftfahrzeugführer keine Folgen knüpfen, ist für sich genommen für § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 StVZO unerheblich, da die Rechtsfolge kraft Gesetzes eintritt - unabhängig von behördlichen Maßnahmen."

46

Dieses rechtliche Risiko kann nicht dem Käufer aufgebürdet werden, zumal ausländische Behörden von der hiesigen Verwaltungspraxis abweichen können.

47

Auch wegen fehlenden Vertrauens in die Beklagte zu 2) kann dem Kläger eine Nachbesserung nicht zugemutet werden. Aufgrund der tatsächlichen engen Verbindung zwischen der Beklagten zu 1) als Vertragshändlerin und der Beklagten zu 2) im Rahmen des selektiven Vertriebssystems strahlt der Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller auch auf die Beziehung des Klägers zu der Beklagten zu 1) aus. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass einem Käufer die Nachbesserung durch den Verkäufer in der Regel nicht zumutbar ist, wenn dieser ihn arglistig über den Kaufgegenstand getäuscht hat. Wegen der erwiesenen Unzuverlässigkeit des Verkäufers darf der Käufer von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2010 - VIII ZR 182/08). Wenn der Wagen direkt von der Beklagten zu 2) an den Kläger verkauft worden wäre, wäre nach diesen Grundsätzen ohne Weiteres eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung anzunehmen. Im Ergebnis kann für den hier vorliegenden Fall nichts anderes gelten. Die wesentlichen Nachbesserungsschritte, die Entwicklung der Software, deren Test und die Einholung der Genehmigungen, werden von der Beklagten zu 2) geleistet, also von demjenigen, der getäuscht und sich dadurch als unzuverlässig erwiesen hat. Die Beklagte zu 1) will als Teil eines selektiven Vertriebssystems beim Verkauf ihrer Fahrzeuge von dem guten Ruf des Herstellers profitieren, muss dann aber im Falle des erheblichen Ansehensverlustes des Herstellers im Gegenzug hinnehmen, dass der Kunde eine Nachbesserung durch den Hersteller ablehnt.

48

4.

49

Das Rücktrittsrecht war auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen.

50

Nach dieser Norm kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat und die Pflichtverletzung unerheblich ist. Nach umfassender Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände dieses Einzelfalls handelt es sich vorliegend um einen erheblichen Mangel (so auch LG Krefeld a.a.O.; LG Bückeburg a.a.O.; LG Dortmund a.a.O.; LG Arnsberg a.a.O. LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 - 4 O 3/16).

51

Bei einem behebbaren Sachmangel ist im Rahmen der Interessenabwägung jedenfalls in der Regel dann die Erheblichkeitsschwelle als erreicht anzusehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet (vgl. BGH, Urteil vom 28.05.2014 - VIII ZR 94/13). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert, sondern allein um eine Regelfallbetrachtung, die die weitere Interessenabwägung nicht von vornherein ausschließt.

52

Die Beklagte zu 1) hat sich vorliegend darauf berufen, dass das Fahrzeug technisch sicher, optisch in Ordnung und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei. Ferner würden mit der Mängelbeseitigung lediglich Kosten deutlich unter 100,00 EUR und F zeitlicher Reparaturaufwand von unter 1 Stunde verbunden sein. Aus der Sicht des Klägers muss im Rahmen der Interessenabwägung jedoch beachtet werden, dass F erheblicher Mangel allein schon deshalb vorliegt, weil zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung - wie ausgeführt - bei dem Kläger F erheblicher und berechtigter Mangelverdacht verblieben ist und damals noch nicht konkret absehbar war, wann der Wagen des Klägers nachgebessert werden würde. Hier greifen die Gründe, die dem Kläger eine Nachbesserung unzumutbar machen und die den Mangel erheblich machen, ineinander, so dass eine bloß unerhebliche Pflichtverletzung nicht angenommen werden kann (LG Krefeld a.a.O.).

53

Nur behebbare Mängel können unerheblich sein (BGH NJW 2011, 2872, 2874; BGH NJW 2014, 3229, 3230). Die Zweifel des Klägers an der endgültigen Mangelbeseitigung sind aber nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn es hierauf entscheidend nicht ankommt, stellt sich berechtigter Weise die Frage, weshalb der VW-Konzern das Risiko erheblicher Strafzahlungen und Rückruf-/Nachbesserungskosten in Kauf nimmt, wenn durch eine einfache Veränderung der Software ohne negative Effekte auf Fahrverhalten, Verbrauch und Teileverschleiß eine Möglichkeit besteht, die gesetzlichen Emmissionswerte einzuhalten. Wäre dies so, hätte es des Einbaus der Abschaltungssoftware nicht bedurft. Zudem kommt es hinsichtlich der Befürchtung unzureichender Mangelbeseitigung auf das dem Kläger zugängliche Wissen im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung an (so auch LG Hagen, Urteil vom 18.12.2016 - 3 O 66/16 -, juris). Jedenfalls im September 2016, als der Kläger den Rücktritt erklärte, bestanden gute Gründe für die Annahme, dass die Nachbesserung zu anderweitigen Nachteilen führen könnte. So hat die Beklagte zu 1) in dem Schreiben vom 20.09.2016 ausgeführt: "Es ist das Ziel von W, dass die Maßnahmen keinen nachhaltigen Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung haben werden." Es handelt sich erkennbar um nicht mehr als eine Absichtserklärung, keinesfalls lässt das Schreiben den Eindruck zu, nachhaltiger Einfluss auf Verbrauch und Fahrleistung sei ausgeschlossen (vgl. LG Lübeck, Urteil vom 29.06.2017 - 4 O 218/16 -, juris).

54

Abgesehen davon kann der Mängelbeseitigungsaufwand ohnehin nicht allein nach der Durchführung des Software-Updates beurteilt werden, sondern er besteht auch im Aufwand der Entwicklung desselben. An einem feststellbaren Marktpreis für die Entwicklung, Herstellung und Installation des Updates fehlt es indes. Nur wenn sich F Marktpreis für eine Reparatur feststellen lässt, kann dieser die Unerheblichkeit indizieren. Da hier die Mangelbeseitigungsmaßnahme nur vom Hersteller angeboten wird, verbietet sich eine Anknüpfung an vom Hersteller monopolistisch angegebene Kosten. Wären bereits derartige Angaben des Herstellers maßgeblich, könnte dieser durch seine Preisangaben darüber bestimmen, ob von ihm verursachte Mängel erheblich oder unerheblich sind (LG Stuttgart, Urteil vom 30.06.2017 - 20 O 425/16 -, juris).

55

5.

56

Dem Kläger steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch jedoch nicht im vollen Umfang zu. Aufgrund der vom Kaufpreis abzuziehenden Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.286,59 EUR hat der Kläger lediglich Anspruch auf Zahlung von 17.613,41 EUR.

57

Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Pflichten sind gemäß §§ 348, 320 Abs.1 BGB Zug um Zug zu erfüllen. Insofern hat die Beklagte zu 1) ihrerseits einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Wertersatz für die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs gemäß § 346 Abs.1, Abs. 2 BGB gegen Rückzahlung des Kaufpreises nebst gezogenen Nutzungen. Vor dem Hintergrund der tatsächlichen Laufleistung ist nach den Grundsätzen der kilometeranteiligen linearen Wertminderung der Nutzungsersatz wie folgt zu berechnen: Bruttokaufpreis x gefahrene km ÷ Restnutzungsdauer, wobei das Gericht die zu erwartende Gesamtlaufleistung gemäß § 287 ZPO auf 250.000 km und damit die Restlaufleistung im Zeitpunkt des Kaufs auf 241.190 km schätzt. In der öffentlichen Sitzung vom 12.09.2017 hat der Kläger die bis dahin gefahrenen Kilometer mit 64.490 angegeben. Zwar hat die Beklagte zu 1) diese Angabe mit Schriftsatz vom 23.10.2017 bestritten. Allerdings ging dieser Schriftsatz erst nach Ablauf der dafür gesetzten Frist bei Gericht F. Deshalb ist in entsprechender Anwendung des § 283 ZPO zu entscheiden, ob das verspätete Vorbringen noch berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 20.02.2014 - IX ZR 54/13, NJW-RR 2014, 505). Im Rahmen der Ermessensausübung ist vorliegend zu beachten, dass die Verspätung nicht genügend entschuldigt worden und der Rechtsstreit im Übrigen entscheidungsreif ist. Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensbeschleunigung wird das Bestreiten der bisherigen Laufleistung deshalb nicht mehr berücksichtigt, § 296 a ZPO.

58

Die Laufleistung des Pkw zwischen Gefahrübergang und letzter mündlicher Verhandlung liegt somit bei 55.680 km, so dass sich der Kläger eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 5.286,59 EUR (22.900,00 EUR x 55.680 km : 241.190 km) anrechnen lassen muss.

59

Dem Kläger oblag im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Darlegung und Berechnung des Nutzungsersatzes. Dem hat der ursprüngliche Antrag zu 1) nicht Rechnung getragen, indem hier der volle Kaufpreis zur Rückzahlung unter Abzug einer unbezifferten Nutzungsentschädigung gestellt worden ist.

60

6.

61

Zinsen schuldet die Beklagte zu 1) seit dem 24.09.2016, § 288 BGB. Mit Schreiben vom 09.09.2016 hatte der Kläger eine Zahlungsfrist bis zum 23.09.2016 gesetzt.

62

7.

63

Einen weitergehenden Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises hat der Kläger auch nicht gemäß § 812 BGB wegen der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Denn dass die Beklagte zu 1) selbst getäuscht hat, ist nicht erkennbar. F arglistiges Verhalten der Beklagten zu 2) muss sich die Beklagte zu 1) auch nicht zurechnen lassen, da es sich bei der Beklagten zu 1) um eine rechtlich selbstständige Vertragshändlerin handelt (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 12.05.2016 - 8 O 208/15).

64

II.

65

Klageantrag zu 2)

66

Der Klageantrag zu 2) ist zulässig und begründet.

67

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Ersatz der durch die Manipulation des Klägerfahrzeugs entstandenen und noch entstehenden Schäden.

68

1.

69

Die Zulässigkeit des Feststellungsantrags ergibt sich aus § 256 Abs. 1 ZPO. Es besteht F Feststellungsinteresse, da weitergehende - derzeit noch nicht bezifferbare - Schäden jedenfalls nicht unwahrscheinlich sind. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass der Kläger mit Kraftfahrzeugsteuernachforderungen konfrontiert wird. Darüber hinaus hat der Kläger mit der Klage keine Verwendungen und anderen Aufwendungen im Sinne des § 347 Abs. 2 BGB geltend gemacht. Auch diesbezüglich besteht F Feststellungsinteresse.

70

2.

71

Der Beklagten zu 2) ist durch das Inverkehrbringen der manipulierten Fahrzeuge F sittenwidriges Verhalten im Sinne einer Täuschung anzulasten. Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Wer bewusst täuscht, um einen anderen zu einem Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig (BGH, Urteil vom 21.12.2004, VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361). Die Beklagte zu 2) hat in großem Umfang und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Umweltschutzvorschriften ausgehebelt und zugleich ihre Kunden manipulierend beeinflusst. Sie hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich F System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen, welches sich insgesamt als sittenwidriges Verhalten darstellt (vgl. LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017 - 6 O 119/16 -, juris; so auch LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 - 3 O 139/16 -, juris; LG Kleve, Urteil vom 31.03.2017 - 3 O 252/16 -, juris; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 - 13 O 174/16 -, juris).

72

Die Sittenwidrigkeit der Täuschung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 2) ihr Gewinnstreben über den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung setzte, da der tatsächliche Schadstoffausstoß bei Betrieb des PKW im Straßenverkehr deutlich höher liegt als während des Durchlaufens des Prüfzyklus. Die Täuschung diente einzig dem Zweck der Kostensenkung in Bezug auf anderenfalls notwendige Lösungen der Abgasreinigung, um mit Hilfe scheinbar umweltfreundlicher Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen.

73

3.

74

Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung ist auch davon auszugehen, dass die sittenwidrige Täuschung kausal für die Kaufentscheidung des Klägers war. Denn die manipulierten Daten haben neben der Umweltverträglichkeit auch Einfluss auf die Zulassung des Fahrzeugs. Es ist davon auszugehen, dass die Gesetzmäßigkeit eines Fahrzeugs für die Kaufentscheidung immer von Bedeutung ist, ohne dass es darauf ankommt, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen über die Umweltverträglichkeit stattgefunden haben (LG Kleve a.a.O.).

75

4.

76

Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung auch zugrunde zu legen, dass das Wissen vom Einbau der streitgegenständlichen Software dem seinerzeitigen Vorstand der Beklagten zu 2) gemäß § 31 BGB analog unmittelbar zuzurechnen ist (vgl. dazu und zum Folgenden LG Frankfurt (Oder) a.a.O., Rn 90 ff.). Zwar trifft es zu, dass der Kläger die Voraussetzungen dieser Zurechnungsnorm darzulegen und zu beweisen hat. Jedoch hat die Beklagte zu 2) ihrer sekundären Darlegungslast insoweit nicht genügt.

77

Der Kläger hat eine Kenntnis des Vorstands der Beklagten zu 2) hinreichend substantiiert behauptet. Er hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten zu 2) und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Die Beklagte zu 2) hatte also darzulegen, wie es zu einem Einbau der Software ohne Kenntnis des Vorstands gekommen ist (LG Offenburg a.a.O; LG Hildesheim a.a.O.; LG Kleve a.a.O.). Insbesondere musste sie darlegen, wer die Entscheidung zur Entwicklung und Nutzung der Software getroffen hat und wer hiervon Kenntnis hatte. Dazu hat die Beklagte zu 2) jedoch keine Angaben gemacht, sondern sich auf den Standpunkt gestellt, dass sie Nachforschungen angestellt habe und weiterhin anstelle und ihr weitere Erklärungen derzeit unzumutbar seien. Mangels einer substantiierten gegenteiligen Darlegung durch die Beklagte zu 2) ist der klägerische Vortrag daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln.

78

5.

79

Durch die Handlung der Beklagten zu 2) hat der Kläger auch einen vorsätzlichen Vermögensschaden im Sinne von § 249 BGB erlitten, der Folge des gegen die guten Sitten verstoßenden Inverkehrbringens des Fahrzeugs ist. Schaden im Sinne des § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses. Im vorliegenden Fall hat der Kläger F Fahrzeug erworben, das nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Er hat damit einen Vermögensschaden erlitten.

80

Der Schaden wurde dem Kläger auch vorsätzlich zugefügt. Für den Vorstand der Beklagten zu 2) war zwingend ersichtlich, dass Kunden Fahrzeuge erwerben würden, welche nicht ihren Vorstellungen von einem den gesetzlichen Vorgaben erfüllenden ordnungsgemäßen Betrieb entsprachen (vgl. insgesamt LG Frankfurt (Oder) a.a.O., Rn 108 ff.).

81

III.

82

Klageantrag zu 3)

83

Es ist auch der Annahmeverzug festzustellen. Die Beklagte zu 1) befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB. Der Kläger hat der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 09.09.2016 die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. F wörtliches Angebot war gemäß § § 295 S.1 BGB ausreichend, da die Beklagte zu 1) im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses als Gläubigerin das Fahrzeug bei dem Kläger als Schuldner gemäß § 269 Abs.1 BGB abzuholen hat. Dies hat die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 20.09.2016 abgelehnt. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, § 756 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 13.12.2001 - VII ZR 27/00 Rdn. 27).

84

IV.

85

Klageantrag zu 4)

86

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. F solcher Anspruch folgt nicht aus Verzug gemäß §§ 280 Abs.1, Abs.2, 286 Abs.1 BGB, weil die Prozessbevollmächtigten des Klägers ausweislich des Schreibens vom 09.09.2016 bereits vor der verzugsbegründenden Mahnung beauftragt waren. F Anspruch auf Freistellung von Anwaltskosten gegenüber der Beklagten zu 1) folgt auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte zu 1) Kenntnis von der Abgasmanipulation hatte und sie sich als rechtlich selbstständige Vertragshändlerin F Verhalten der Beklagten zu 2) auch nicht zurechnen lassen muss.

87

Auch gegen die Beklagte zu 2) hat der Kläger keinen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten. Insoweit sind bereits keine Rechtsanwaltskosten entstanden. Aus dem vorgelegten Schriftverkehr ergibt sich nicht, dass der Kläger vorgerichtlich überhaupt Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) geltend gemacht hat.

88

V.

89

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO unter Berücksichtigung der Grundsätze der "Baumbach'schen Formel". Die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin sind nicht nach § 101 ZPO erstattungsfähig, da die Streitverkündung der Streithelferin erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Ablauf der Stellungnahmefrist zugestellt wurde. Die Streitverkündung hat Interventionswirkung somit nur für eine etwaige Rechtsmittelinstanz, §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO. In einer solchen Prozesslage scheidet eine Kostengrundentscheidung zugunsten der Streithelferin aus (vgl. zu diesem Gedanken OLG Naumburg, Beschluss vom 17.05.2011 - 4 W 19/11, BeckRS 2012, 02519).

90

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO (Vollstreckung durch den Kläger) bzw. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (Vollstreckung durch die Beklagte zu 1).

91

VI.

92

Der Streitwert wird bis zum 12.09.2017 auf 23.900,00 EUR, danach auf 20.712,32 EUR festgesetzt. Davon entfallen 22.900,00 EUR bzw. 19.712,32 EUR auf den Klageantrag zu 1) und 1.000,00 EUR auf den Klageantrag zu 2). Die restlichen Klageanträge wirken nicht streitwerterhöhend).

RechtsgebietManipulierte Software; Software-Update; Unzumutbarkeit der Nachbesserung; HerstellerhaftungVorschriftenBGB §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 S. 2,; 440 S. 1 Var. 3, 323 Abs. 1, Abs. 5 S. 2, 826, 31

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