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17.05.2018 · IWW-Abrufnummer 201311

Landgericht Osnabrück: Urteil vom 29.03.2018 – 5 O 2410/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Osnabrück

Geschäfts-Nr.: 5 O 2410/17

Verkündet am: 29.03.2018

Im Namen des Volkes!

Urteil

In dem Rechtsstreit

xxx

hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 05.03.2018 durch den Richter Dr. Mahret als Einzelrichter

für  R e c h t  erkannt:
  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die klagende Stadt 40.140,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
    auf 9.285,48 Euro seit dem 02.10.2014,
    auf weitere 10.285,16 Euro seit dem 02.04.2015,
    auf weitere 10.285,16 Euro seit dem 02.10.2015 sowie
    auf weitere 10.285,16 Euro seit dem 02.04.2016 zu zahlen.
  2. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die klagende Stadt zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten, inwieweit die Beklagte den Erbbauzinsforderungen der klagenden Stadt die Kosten entgegenhalten kann, die ihr im Rahmen einer Kampfmittelsondierungsmaßnahme entstanden sind.

Mit notariellem Vertrag vom 02.05.1979 schloss die klagende Stadt mit der Beklagten einen Erbbaurechtvertrag über ein näher bezeichnetes Grundstück. Als Erbbauberechtigte verpflichtete sich die Beklagte, auf diesem Grundstück eine Eis- und Rollsporthalle zu errichten und zu betreiben. Die Beklagte kam dieser Pflicht nach, wobei die Eissporthalle aktuell von der Fa. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx als Pächterin betrieben wird.

Der halbjährlich fällig werdende Erbbauzins unterliegt einer Klausel zur angemessenen Erhöhung und beträgt im streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt 58.711,92 Euro. Dies setzt sich wie folgt zusammen:

    9.285,48 Euro ab dem 02.10.2013,
    9.285,48 Euro ab dem 02.04.2014,
    9.285,48 Euro ab dem 02.10.2014,
    10.285,16 Euro ab dem 01.04.2015,
    10.285,16 Euro ab dem 01.10.2015 und
    10.285,16 Euro ab dem 01.04.2016.

In § 2 Abs. 3 des Vertrages heißt es wörtlich:
    „Die Aufrechnung von Forderungen gegen den Erbbauzins ist ausgeschlossen.“

Für weitere Einzelheiten des Erbbaurechtsvertrags wird auf die zur Akte gereichte Vertragsurkunde vom 02.05.1979 (Bl. 11 d.A.) Bezug genommen. Die vorgenannten Beträge hat die Beklagte nicht an die klagende Stadt gezahlt. Mit ihrer Klage begehrt die klagende Stadt Zahlung dieser ausstehenden Erbbauzinsen.

Die klagende Stadt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Stadt 58.711,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
auf 9.285,48 € seit dem 02.10.2013,
auf weitere 9.285,48 € seit dem 02.04.2014,
auf weitere 9.285,48 € seit dem 02.10.2014,
auf weitere 10.285,16 € seit dem 02.04.2015,
auf weitere 10.285,16 € seit dem 02.10.2015 sowie
auf weitere 10.285,16 € seit dem 02.04.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wiederklagend beantragt die Beklagte,

die Klägerin und Widerbeklagte zu verurteilen, an die Beklagte/Widerklägerin 88.488,00 € abzüglich durch Aufrechnung gezahlter 27.856,44 € zu zahlen.

Die klagende Stadt beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihr gegenüber der klagenden Stadt Schadensersatzansprüche in Höhe von insgesamt 88.498,00 Euro wegen einer Kampfmittelsondierungsmaßnahme auf dem Grundstück der Eissporthalle zustehen. Insofern beruft sie sich, wie mit Schriftsatz vom 31.03.2015 in Höhe von 47.856,44 Euro erklärt, auf eine Aufrechnung und hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht.

Unstreitig bestand aufgrund von Lichtbildern über Bombenabwürfe der alliierten Streitkräfte der Verdacht, dass auf dem Grundstück der Eissporthalle zwei Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg liegen könnten. Als zuständige Gefahrenabwehrbehörde wandte sich die klagende Stadt daraufhin in Zusammenarbeit mit dem Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes xxxxxxxxxxxxxxxx an die Fa. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx An zwei Verdachtsstellen auf der Eislauffläche wurden in einem bestimmten Raster jeweils 19 Bohrungen mit einem Bohrkopfdurchmesser von 10 cm vorgenommen, sodass im Boden verborgene Metallgegenstände bzw. Bomben geortet werden konnten. Die in einem Abstand von 8 cm verlegten Ammoniakkühlmittelleitungen unter der Eislauffläche wurden dabei beschädigt. An einer der Verdachtsstellen wurde ein Metallgegenstand geortet.

Am 05.06.2011 erfolgte daraufhin eine Bombenräumung in der Gestalt, dass ein ca. 4 x 2 m großes Loch auf der Eislauffläche gegraben wurde, um an den Metallgegenstand zu gelangen. Hierbei stellte sich heraus, dass es sich um einen sog. „Zerscheller“ handelt, also einer Bombe, die beim Aufprall zerbrochen und allenfalls teilweise detoniert ist. Der Zünder war vom Bombenkörper abgetrennt. Der Kampfmittelräumdienst lud die Überreste der Bombe daraufhin in eine Schubkarre und transportierte sie ab.

Am 05.10.2011 erließ die klagende Stadt gegen die Beklagte einen Kostenfestsetzungsbescheid in Höhe von 7.164,75 Euro für die Kosten, die bei den Vor- und Nacharbeiten der Kampfmittelbeseitigung angefallen sind. Im Rahmen der Anhörung hatte die Beklagte mit Schreiben vom 26.09.2011 erklärt, dass sie mit der Kostenfestsetzung nicht einverstanden sei. Nach Bestandskraft des Bescheids zahlte die Beklagte den Betrag unter Vorbehalt einer Rückforderung.

Die Beklagte behauptet, dass von den gefundenen Bombenfragmenten keine Gefahr mehr ausging, weil sich lediglich ein durchfeuchteter Sprengstoffrest in der Größe eines Taubeneis darin befunden habe. Sie behauptet ferner, dass ihr im Zuge der Sondierungs- und Bergungsarbeiten Schäden von insgesamt 88.498,00 Euro entstanden seien. Im Einzelnen habe sie Aufträge an Handwerksfirmen vergeben und neben der vorgenannten Zahlung an die klagende Stadt die folgenden Rechnungen bezahlen müssen:

-    9.215,84 Euro, xxxxxxxxxxxxxxxx Kältetechnik, Rechnung vom 08.08.2011
-    14.046,61 Euro, xxxxxxxxxxxxxxxxKältetechnik, Rechnung vom 25.08.2011
-    511,70 Euro, Fa. xxxxxxxxxxxx Schweißtechnik, Rechnung vom 22.08.2011
-    31.177,43 Euro, Fa. xxxxxxxxxxxxxxx vom 07. und 08.08.2011
-    5.859,27 Euro, Fa. xxxxxxxxxxxxxx
-    4.046,00 Euro, Fa. xxxxxxxxxxxx
-    9.520,00 Euro, Fa. xxxxxxxxxxxx
-    6.960,47 Euro, Büro xxxxxxxxxxxxxxxxx, Rechnung vom 19.08.2011

In Bezug auf die von der klagenden Stadt mit Schriftsatz vom 20.04.2015 erhobene Verjährungseinrede ist die Beklagte der Auffassung, dass die Verjährung wegen Verhandlungen gehemmt wurde und dass sich die klagende Stadt nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf die Einrede der Verjährung berufen dürfe, weil sie als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks selbst verantwortlich im Sinne des Gefahrenabwehrsrechts war.

Die klagende Stadt ist der Auffassung, dass der Beklagten die Aufrechnung wegen eines im Erbbaurechtsvertrag wirksam vereinbarten Aufrechnungsverbots verwehrt sei. Ein Zurückbehaltungsrecht liege mangels Konnexität ebenfalls nicht vor. Ferner könne die klagende Stadt nicht für Schäden in Anspruch genommen werden, die aus der Durchführung der Gefahrenabwehrmaßnahme resultieren. Aktivlegitimiert sei insofern ausschließlich das Land xxxxxxxxxxxxxxxx, weil der Kampfmittelräumdienst als Landesbehörde im Rahmen der Amtshilfe gehandelt hat.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 06.07.2017. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 09.11.2017 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage und die Widerklage sind zulässig. In der Sache hat jedoch nur die Klage teilweise Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Erbbauzinsen in der tenorierten Höhe. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass im Zeitraum von Oktober 2013 bis April 2016 Erbbauzinsforderungen in Höhe von insgesamt 58.711,92 Euro entstanden sind.

a) In Höhe von 18.570,96 Euro ist dieser Anspruch gemäß §§ 389, 387, 215 BGB durch Aufrechnung untergegangen. In mindestens dieser Höhe stand der Beklagten gegenüber der Klägerin ein Ausgleichsanspruch gemäß § 80 Nds. SOG analog in unverjährtem Zeitraum zu. Mangels eines wirksam vereinbarten Aufrechnungsverbots, konnte die Beklagte die Aufrechnung mit Schriftsatz vom 31.03.2015 wirksam erklären.

aa) Wird jemand als Zustandsstörer i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG in Anspruch genommen, weil durch eine ihm zuzuordnende Sache der durch Tatsachen begründete Anschein besteht, dass von der Sache eine Gefahr ausgeht, so kann er für dadurch erlittene Nachteile in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 1 Nds. SOG wie ein Nichtstörer Entschädigung verlangen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Gefahr in Wirklichkeit nicht bestand und wenn er die den Anschein begründenden Umstände nicht zu verantworten hat. Der Bundesgerichtshof hat einen solchen Anspruch in entsprechender Anwendung des § 39 Abs. 1 lit. a OBG NW für das Landesrecht Nordrhein-Westfalens anerkannt (BGHZ 117, 303 (307 f.); 126, 279 (283)). Auch das insofern inhaltsgleiche Landesrecht Niedersachsens weist eine planwidrige Regelungslücke auf (BGHZ 149, 165 (174)), die eine Entschädigung des sog. „Verdachtsstörers“ (vgl. Götz/Geis, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 16. Aufl., § 15 Rn. 15) gebietet.

(1) Die Entschädigungsregel des § 80 Abs. 1 Nds. SOG enthält keinen zum Schadensausgleich verpflichtenden Tatbestand für die Fälle, in denen sich ein ursprünglich bestehender Gefahrenverdacht nach Durchführung der Gefahrerforschungsmaßnahme nicht bestätigt hat (VG Oldenburg, Urt. v. 20.09.2007 - 2 A 16/05, Tz. 42, juris). § 80 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG regelt lediglich den Fall der Inanspruchnahme des Nichtstörers im Sinne von § 8 Nds. SOG und § 80 Abs. 1 S. 2 Nds. SOG sieht eine Entschädigung bei rechtswidriger Inanspruchnahme vor (Saipa, Nds. SOG, Stand Juli 2016, § 80 Rn. 1).

(2) Diese Regelungslücke ist planwidrig, da nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber den Fall des Verdachtsstörers, der die den Gefahrenverdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat, bewusst ungeregelt gelassen hat. § 80 Abs. 1 Nds. SOG regelt einen Aufopferungsanspruch, der dadurch gekennzeichnet ist, dass ein Bürger seine Rechte zum Wohle der Allgemeinheit „aufopfert“. Das „Sonderopfer“, welches der Nichtstörer damit für die Allgemeinheit erbringt, soll ausgeglichen werden (Ipsen, Nds. Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Aufl., Rn. 661). Neben den Nichtstörern und den rechtswidrig in Anspruch Genommenen liegt eine solche Aufopferungslage auch bei den Gefahrenverdachtsstörern vor, die sich nachträglich als Nichtstörer herausstellen. Das Gesetz ist somit, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig.

(3) Soweit der Verdachtsstörer die den Anlass der Gefahr begründenden Umstände nicht zu verantworten hat, ist seine Interessenlage mit der eines Nichtstörers im Sinne von § 8 Nds. SOG zu vergleichen. Wo der Nichtstörer aufgrund seiner faktischen Befähigung zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen wird, wird der Verdachtsstörer aufgrund seines faktischen Bezugs zur Scheingefahr in Anspruch genommen. In beiden Fällen erfolgt eine Inanspruchnahme aus Sicht des Betroffenen zufällig und unverschuldet, wenn der Verdachtsstörer die den Gefahrenverdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat.

bb) Die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach § 80 Abs. 1 Nds. SOG analog liegen im vorliegenden Fall vor. Die Beklagte war als Erbbauberechtigte des Grundstücks, auf dem die Blindgänger vermutet wurden, für die Durchführung von Gefahrerforschungsmaßnahmen polizeirechtlich verantwortlich. Eine polizeirechtliche Inanspruchnahme erfolgte gegenüber der Pächterin der Beklagten. Nachträglich stellte sich heraus, dass unter der Eissporthalle keine Bombe lag, von der eine Detonationsgefahr ausging.

(1) Als Zustandsstörerin im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nds. SOG konnte die Beklagte für Gefahrerforschungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden. Im vorliegenden Fall bestand aufgrund der Luftbilder die auf Tatsachen gestützte Vermutung, dass sich auf dem streitgegenständigen Grundstück zwei Blindgänger aus dem zweiten Weltkrieg befinden könnten. Da solche Blindgänger wegen chemischer Veränderungen des Sprengstoffs oder der Verwitterung von Zünder und Bombenkörper auch nach mehreren Jahrzehnten unvermittelt und ohne Fremdeinwirkung detonieren können, geht von ihnen eine konkrete Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a Nds. SOG aus. Folglich lag ein Gefahrenverdacht vor, der in erster Linie von dem streitgegenständlichen Grundstück und damit indirekt auch von dem sich darauf befindenden Gebäude ausging. Als Erbbauberechtigte zählte die Beklagte zu den für diese Sache ordnungsrechtlich Verantwortlichen.

(2) Die Beklagte ist als zuständige Gefahrenabwehrbehörde hoheitlich gegenüber der Fa. xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx als Pächterin der Klägerin tätig geworden, in dem sie die Duldung der Gefahrerforschungsmaßnahmen verfügte.

(3) Hinsichtlich beider Verdachtspunkte stellte sich die ordnungsrechtliche Gefahr als bloße Scheingefahr heraus. So ergaben Messungen des Kampfmittelräumdienstes, dass an der ersten Stelle kein Metallgegenstand zu orten war. Nur am zweiten Verdachtspunkt wurden Reste einer Fliegerbombe gefunden. Von dieser ging jedoch offensichtlich keine Explosionsgefahr mehr aus. Es ist unstreitig, dass der Zünder von dem Zerscheller abgerissen war. Eine Detonation war folglich nur durch eine Reaktion des Sprengstoffs selbst möglich. Von dem Sprengstoff waren nur noch Reste vorhanden. Diese waren, da die Bombenhülle an der kompletten Längsseite aufgerissen war, dem feuchten Erdreich ausgesetzt.

Unter diesen Umständen war eine die Eissporthalle gefährdende Detonation nicht mehr möglich. Hiervon ist das Gericht nach Inaugenscheinnahme der Fotodokumentation der Bergung überzeugt. Dort ist zu erkennen, dass die Fachleute des Kampfmittelräumdienstes mit einem Taschenmesser im Inneren der Bombe herumkratzten, Reste des Bombeninhalts zum Fotografieren mit dem Handschuh herausnahmen und den Bombenkörper schließlich, ohne Schutzanzüge zu tragen, zum Abtransport in eine Schubkarre luden. Ein derart leichtfertiger Umgang mit den Bombenresten ist vernünftigerweise nicht denkbar, wenn die Spezialisten der Kampfmittelbeseitigung noch eine von dem Zerscheller ausgehende Restgefahr vermutet hätten.

(4) Eine Scheingefahr lässt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht mit dem Argument widerlegen, dass eine Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne in Form einer Gefährdung des Grundwassers durch den im Boden befindlichen Sprengstoff vorliege.

i) Die Klägerin hat eine solche Gefahr bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Anders als bei Blindgängern, die bekanntermaßen auch noch nach langer Zeit detonieren können, ist es bei Sprengstoffresten, die weit mehr als 60 Jahre im Boden lagen, nicht selbstverständlich, dass diese noch immer Schadstoffe an das Grundwasser abgeben. Dagegen spricht vorliegend, dass die Klägerin offenbar keine Auskofferung des Bodens unter der Eissporthalle veranlasst hat.

ii) Auf eine eventuelle Gefährdung des Grundwassers kommt es aufgrund der Konzeption des Entschädigungsanspruchs im Übrigen nicht an. Eine Scheingefahr im Sinne des Aufopferungsanspruchs ist auch dann gegeben, wenn sich lediglich eine gegenüber der eigentlichen Gefahr völlig untergeordnete Gefahr realisiert.

Dies folgt aus dem Umstand, dass die Abwendung einer solchen Gefahr regelmäßig außer Verhältnis zu dem von der in Anspruch genommenen Person erbrachten Sonderopfer steht. Gemäß § 4 Abs. 2 Nds. SOG ist diese Gefahr damit nicht geeignet, die Gefahrerforschungsmaßnahmen zu rechtfertigen. Da es folglich an einer Kausalität zwischen diesen Maßnahmen und der sich realisierten Gefahr fehlt, kann diese Gefahr auch kein Rechtsgrund sein, einen Aufopferungsanspruch zu versagen.

Die Gesetzessystematik spricht zudem dafür, dass Umstände, wie die Realisierung einer nur ganz untergeordneten Gefahr, nicht auf tatbestandlicher Ebene des Schadensausgleichs, sondern auf seiner Rechtsfolgenseite zu berücksichtigen sind. Dies folgt daraus, dass § 81 Abs. 5 S. 1 Nds. SOG regelt, dass bei der Bemessung des Ausgleichs alle Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. Saipa, Nds. SOG, Stand Juli 2016, § 81 Rn. 4). Dies wäre indes nicht möglich, wenn das Vorliegen jeder ganz untergeordneten Gefahr den Tatbestand des Ausgleichsanspruchs ausschließen würde.

Der Gefahrenverdacht bezog sich im vorliegenden Fall auf die Möglichkeit einer Bombenexplosion und die damit einhergehenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben. Da von intakten Blindgängern regelmäßig keine Gefahr für das Grundwasser ausgeht, bestand zum Zeitpunkt der Gefahrerforschungsmaßnahmen lediglich die fernliegende Möglichkeit einer Gefahr für die Umwelt. Es handelt sich folglich um eine nur völlig untergeordnete Gefahr im oben genannten Sinne.

(5) Als Rechtsfolge schuldet die Klägerin der Beklagten gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 Nds. SOG keinen vollen Schadensersatz, sondern eine angemessene Entschädigung in Geld für die erlittenen Vermögensschäden (Saipa, Nds. SOG, Stand Juli 2016, § 81 Rn. 1). Diese schätzt das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 ZPO angesichts der erheblichen Beschädigung der Eislaufbahn samt Kühlanlage sowie der Notwendigkeit, das Kühlmittel abzupumpen und zwischenzulagern, auch unter Berücksichtigung einer möglichen Gefahr für das Grundwasser auf mindestens 18.570,96 Euro.

cc) In dieser Höhe ist eine Aufrechnung § 215 BGB auch nicht aufgrund der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.04.2015 erhobenen Verjährungseinrede ausgeschlossen. Bei Fälligkeit der Erbbauzinsraten in Höhe von jeweils 9.285,48 Euro am 01.10.2013 und 02.04.2014 war der Ausgleichsanspruch nach § 80 Abs. 1 Nds. SOG analog noch nicht verjährt. 

Die Verjährungsfrist des Ausgleichsanspruchs beträgt gemäß § 83 Nds. SOG drei Jahre und beginnt, sobald der Geschädigte Kenntnis von dem Schaden und der zum Ausgleich verpflichteten Person hat. Diese Voraussetzungen liegen erst mit dem Tag der Bombenräumung am 05.06.2011 vor, sodass die Verjährungsfrist am 02.04.2014 offensichtlich noch nicht abgelaufen war.

dd) Eine Aufrechnung ist auch nicht gemäß § 395 BGB ausgeschlossen, weil die Klägerin eine Einheitskasse führt.

ee) Schließlich steht der Aufrechnung durch die Beklagte auch kein Aufrechnungsverbot entgegen. § 2 Abs. 3 des Erbbauvertrags stellt eine gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksame, weil den Vertragspartner unangemessen benachteiligende Klausel Allgemeiner Geschäftsbedingungen dar.

(1) Bei dem Aufrechnungsverbot handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Klägerin hat ihre Erbbaurechtsverträge bereits im Entstehungsjahr 1979 anhand von vorformulierten Textbausteinen gefertigt. Entgegen der Behauptung der Klägerin wurde die Bedingung im vorliegenden Fall nicht i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelt. Das Gegenteil ergibt sich nicht aus den von der Beklagten formulierten Änderungswünschen vom 12.09.1978 und 30.03.1979. Diese enthalten vornehmlich Anpassungen, die sich auf die Individualisierung des Vertrags auf den Betrieb einer „Eis- und Rollsporthalle“ beziehen. Insofern sind die Änderungen nicht von einem solchen Umfang, dass sie auf den gesamten Vertrag ausstrahlen. Da die Klausel des § 2 Abs. 3 unverändert blieb, ist jedenfalls insofern von einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auszugehen. 

(2) Nach § 309 Nr. 3 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis genommen wird, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Da diese Regelung eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt (BGH NJW 2007, 3421 (3422)), gilt sie auch in dem geschäftlichen Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits. Die vorliegende Klausel ist unwirksam, da sie keine entsprechende Beschränkung enthält.

b) Über den Betrag von 18.570,96 Euro hinaus kann die Beklagte nicht mit einer Gegenforderung aufrechnen, weil sich die Klägerin insofern erfolgreich auf die Einrede der Verjährung beruft.

aa) Zum Fälligkeitszeitpunkt der dritten streitgegenständigen Erbbauzinsrate am 01.10.2014 war der Ausgleichsanspruch der Beklagten bereits verjährt. Entsprechend den obigen Ausführungen beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt der Kenntnis von Schaden und Anspruchsgegner am 05.06.2011 und endet damit grundsätzlich mit Ablauf des 05.06.2014.

bb) Eine über den September 2014 hinausgehende Hemmung der Verjährung kommt nicht in Betracht.

(1) Der Ablauf der Verjährungsfrist wird gemäß § 203 S. 1 BGB gehemmt, wenn zwischen den Parteien Verhandlungen über den Anspruch schweben. Hierfür genügt eine Erklärung des Schuldners, die für den Gläubiger Grund zu der Annahme gibt, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein (Palandt/Ellenberger, BGB, 74. Aufl., § 203 Rn. 3). Dies ist indes nicht der Fall, wenn der Schuldner jeden Ersatz sofort und eindeutig ablehnt.

(2) Eine solche Hemmung kann insbesondere nicht in dem Anhörungsschreiben der Klägerin vom 08.09.2011 und der Antwort der Beklagten vom 26.09.2011 gesehen werden. Diese Korrespondenz hatte lediglich einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten zum Gegenstand. Ein Verhandeln über Ansprüche der Beklagten scheidet bereits aus diesem Grunde aus.

(3) Auch in der Korrespondenz von August bis Oktober 2012 liegt kein Verhandeln über die Ansprüche der Beklagten. Indem die Klägerin in ihrem Antwortschreiben vom 08.08.2012 knapp zum Ausdruck brachte, dass sie die Rechtsauffassung der Beklagten nicht teile, liegt gerade eine sofortige und eindeutige Ablehnung einer Ersatzleistung.

(4) Inwieweit eine Hemmung durch das Gespräch vom 30.04.2012 eintrat, kann dahingestellt bleiben. Da keine der Parteien im Anschluss auf dieses Gespräch Bezug genommen hat, endete die Hemmung gemäß § 203 S. 2 BGB spätestens nach drei Monaten und damit im September 2014.  

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es der Klägerin nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Eine solche Unzulässigkeit der Verjährungseinrede kommt zwar nach dem Grundsatz in Betracht, dass niemand aus einem unredlichen Verhalten Vorteile ziehen darf (BGH NJW-RR 2005, 415 (416)); allein aus dem Umstand, dass die Klägerin als Eigentümerin des streitgegenständigen Grundstücks selbst eine Zustandsstörerin im Sinne von § 7 Abs. 2 S. 1 Nds. SOG war, folgt in Bezug auf die Ausübung der Verjährungseinrede jedoch kein unredliches Verhalten. Die Klägerin hat den Eintritt der Verjährung damit in keiner Weise beschleunigt oder gefördert.

Soweit man der Störereigenschaft der Klägerin eine besondere Verpflichtung entnimmt, der Beklagten ihre Aufwendungen zu ersetzen, hat dies keinen Einfluss auf das Institut der Verjährung. Selbst deliktische Ansprüche verjähren im Sinne des Rechtsfriedens. Erst recht muss sich eine kommunale Körperschaft, die den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit unterliegt, auf Verjährung berufen dürften.

2. Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

3. Die Widerklage ist erfolglos, weil sich die Klägerin aus den genannten Gründen gegenüber einem eventuell über 18.570,96 Euro hinausgehenden Anspruch berechtigterweise auf die Einrede der Verjährung beruft.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 S. 1 ZPO.

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