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27.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200914

Landgericht Stuttgart: Urteil vom 12.04.2018 – 12 O 335/17

Im Fall des wirksamen Widerrufs der Willenserklärung zum Darlehensvertrag hat das Kreditinstitut im Rahmen des Rückabwicklungsschuldverhältnisses keinen Anspruch auf Wertersatz für die Bereitstellung des Darlehens, weil der Kreditnehmer insoweit keine Leistung im Sinne von § 346 Abs. 1 BGB empfangen hat. Das Kreditinstitut kann daher nicht gegen den Anspruch des Kreditnehmers auf Rückzahlung der Bereitstellungszinsen aufrechnen.


Aktenzeichen: 12 O 335/17
              
Landgericht Stuttgart

Im Namen des Volkes         

Urteil

In dem Rechtsstreit

wegen Rückabwicklung von Verbraucherdarlehen nach Widerruf

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.925,00 € nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.11.2017 zu zahlen.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 115 % des zu vollsteckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
  5. Der Streitwert wird auf 48.925,00 € festgesetzt.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtsfolgen eines wirksamen Widerrufs der Willenserklärung zu einem durch eine Grundschuld gesicherten Darlehensvertrag.

Der Kläger schloss mit der Beklagten im Februar 2007 einen Darlehensvertrag mit der Kontonummer … über 170.000,00 €. Gleichzeitig wurden die Forderungen der Beklagten durch die Eintragung einer Grundschuld abgesichert. Im Darlehensvertrag wurde ein Bereitstellungszins von 3 % p. a. ab 01.08.2007 vereinbart. Nach dem Vertrag sollte die Abnahme des Darlehens spätestens zum 08.02.2008 erfolgen. In der Folge wurde der Abnahmezeitpunkt mehrmals einvernehmlich in die Zukunft verschoben. Der Kläger rief das Darlehen nicht ab und bezahlte zwischen Februar 2007 und 2017 insgesamt 48.925,00 € an Bereitstellungszinsen.

Der Kläger widerrief mit Schreiben vom 20.05.2016 seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Die Beklagte akzeptierte zwischenzeitlich den Widerruf als wirksam und bezahlte den Nutzungsersatz aus den Bereitstellungszinsen an den Kläger.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte habe keinen Wertersatzanspruch im Hinblick auf die Bereitstellung des Darlehens, weil ein solcher erst dann entstehe, wenn ihm das Darlehen tatsächlich überlassen werde. Daran fehle es aber. Daher könne die Beklagte nicht gegen seinen Rückabwicklungsanspruch bezüglich der bezahlten Bereitstellungszinsen aufrechnen. Die Bereitstellungszinsen von 3 % p.a. seien sittenwidrig überhöht. Es seien nur 1,5 % p.a. üblich.

Der Kläger beantragt:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 48.925,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt (hilfsweise: Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist), den Kläger von Kosten i.H.v. 413,64 € für die außergerichtliche Inanspruchnahme der anwaltlichen Bevollmächtigten freizustellen.

Die Beklagte beantragt:

Klagabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Klägers sei zum Wertersatz verpflichtet, weil sie das Darlehen bereitgestellt habe und immer wieder bereit gewesen sei, den Abnahmezeitpunkt hinauszuschieben. Dies stelle eine geldwerte Leistung dar, für die sich der Kläger im Darlehensvertrag auch verpflichtet habe, das Bereitstellungsentgelt zu bezahlen. Insoweit habe der Kläger einen Vorteil erlangt. Daher sei er zum Wertersatz in Höhe der Bereitstellungszinsen verpflichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze jeweils mit Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 1.3.2017.

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat Anspruch auf Rückzahlung der für die Bereitstellung des Darlehens von 2007 bis 2017 an die Beklagte bezahlten 48.925,00 € gemäß § 346 Abs. 1 BGB. Die Beklagte kann nicht für die Bereitstellung des Darlehens und dem damit verbundenen zeitweisen Nichtgeltendmachen des Anspruchs auf Abnahme der Darlehensvaluta mit einem Wertersatzanspruch in gleicher Höhe gemäß § 346 Abs. 2 BGB aufrechnen, weil der Kläger insoweit nichts erlangt hat, was ihn zum Wertersatz verpflichten würde. 

1.

Maßgeblich sind die bei Abschluss des Vertrages geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über Verbraucherverträge nach den Änderungen durch das OLG - Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002 (BGBl. I S. 2850) in der bis zum 10.6.2010 gültigen Fassung (Art 229 § 9 Abs.1 Nr.2 und § 22 Abs. 2 EGBGB).

Zwischen den Parteien ist zwischenzeitlich unstreitig, dass der vom Kläger erklärte Widerruf seiner Willenserklärung bezüglich des streitgegenständlichen Darlehensvertrags vom 20.5.2016 wirksam ist, weil die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß war. Daher ist ein Rückabwicklungsschuldverhältnis zwischen den Parteien entstanden.

2.

Die Beklagte hat das Bereitstellungsentgelt im Zuge des durch den Widerruf entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnisses gemäß § 346 Abs. 1 BGB an den Kläger zurück zu zahlen, weil sie es aufgrund des Darlehensvertrages für die Bereitstellung des Darlehens und damit als Leistung des Klägers erhalten hat. Das ist zwischen den Parteien unstreitig.

3.

Der Beklagten steht wegen der Bereitstellung des Darlehens und der zeitweisen Nichtgeltendmachung ihres Abnahmeanspruch hinsichtlich der Darlehensvaluta bis 2017 kein Wertersatzanspruch gemäß § 346 Abs. 2 BGB zu, mit dem sie gegen den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Bereitstelllungszinsen aufrechnen könnte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Widerrufsfolgen gemäß §§ 357 Abs.1, 346 BGB schuldet der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber gemäß § 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB die Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf eine bereits erfolgte (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 BGB die Herausgabe von Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Dem stehen die Ansprüche des Darlehensnehmers auf Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 1 BGB) und von Nutzungsersatz (§ 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB) wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzung der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen gegenüber (BGH v. 22.9.2015 – XI ZR 116/15; v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, Rn. 18; v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15 Rn. 50; OLG Stuttgart v. 19.04.2017 - 6 U 36/16). Nimmt der Darlehensnehmer das bereitgestellte Darlehen nicht in Anspruch, ist er im Falle eines Widerrufs trotz der Bereitstellungsleistung der Beklagten nicht zum Wertersatz verpflichtet (OLG Hamm v. 21.10.2015 - 31 U 56/15).

Bereitstellungszinsen sind die Gegenleistung für die von der Bank übernommene Verpflichtung, dem Kunden die versprochenen Darlehensmittel während der vereinbarten Zeit auf Abruf zur Verfügung zu stellen. Wie die Bank diese Verpflichtung erfüllt, ist ihre Sache. Daher spielt es keine Rolle, ob sie tatsächlich für den Darlehensnehmer bestimmte Geldbeträge festgelegt oder zumindest entsprechende Refinanzierungsvereinbarungen mit Dritten getroffen hat (BGH v. 12.12.1985 - III ZR 184/84 Rn.11)

Zwar ist der Beklagten zuzugestehen, dass die zeitweilige Nichtgeltendmachung ihres Anspruchs auf Abnahme des Darlehens für den Kläger als Kreditnehmer vorteilhaft ist, weil er dann noch nicht die vertraglichen Darlehenszinsen bezahlen muss. Ferner kann der Kläger aufgrund der Bereitstellung des Darlehens jederzeit an die Beklagte herantreten und die Auszahlung des Darlehens verlangen. Dies stellt für den Kläger einen geldwerten Vorteil dar, für den er bereit war, das vertraglich vereinbarten Bereitstellungsentgelt zu bezahlen.

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, für welche Leistungen der Kläger im Fall des Widerrufs und der damit verbundenen Rückabwicklung Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 BGB zu leisten hat. Nach der Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte Stuttgart und Hamm ist dies nur der tatsächlich überlassene Teil der Darlehensvaluta. Nur insoweit liegt danach eine empfangene Leistung i.S.v. § 346 Abs. 1 BGB vor. Denn mit der Überlassung der Darlehensvaluta hat der Kläger das Kaptialnutzungsrecht für den vertraglich vereinbarten Zeitraum empfangen. Dies ist der Zweck des Darlehensvertrages aus Sicht des Klägers. Hierfür hat er dann auch Wertersatz zu leisten.

Allein mit der Bereitstellung des Darlehens durch die Beklagte erhält der Kläger dagegen noch nichts aus dem Darlehensvertrag. Die Beklagte macht nur für bestimmte Zeit ihren Anspruch auf Abnahme des Darlehens durch den Kläger nicht geltend. Hierfür verlangt und erhält sie das Bereitstellungsentgelt. Der Kläger behält dagegen den ihm schon mit dem Vertragsschluss zustehenden Anspruch auf jederzeitigen Abruf des Darlehens. Aus seiner Sicht ändert sich an seiner vertraglichen Situation durch das Hinausschieben des Abnahmezeitpunkts nichts. Folglich erlangt er dadurch auch nichts im Hinblick auf den Darlehensvertrag und ist daher nicht zum Wertersatz verpflichtet.

4.

Der Freistellungsanspruch des Klägers hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nicht, weil sich die Beklagte im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers noch nicht im Verzug gemäß § 286 Abs. 1 BGB befunden hat. Der Kläger hat mit Schreiben vom 20.5.2016 seine Willenserklärung widerrufen. Diesen Widerruf hat die Beklagte mit Schreiben vom 8.6.2016 zurückgewiesen. Daraufhin haben sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schriftsatz vom 29.6.2016 nochmals an die Beklagte gewandt. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch keine Seite die Aufrechnung der sich aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis ergebenden Ansprüche gemäß § 348 BGB erklärt. Insoweit stand der Beklagten jedenfalls ein Zurückbehaltungsrecht zu, welches den Verzug ausschließt (OLG Stuttgart v. 20.6.2017 - 6 U 230/16).

Auch unter dem Gesichtspunkt von Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB besteht kein Anspruch auf Freistellung, weil es keine vertragliche Verpflichtung gibt, die richtige Rechtsauffassung zu haben (OLG Stuttgart v. 20.11.2016 - 6 U 34/16).

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Das teilweise Unterliegen des Klägers hinsichtlich der Nebenforderungen hat keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung.

Für die vorläufige Vollstreckbarkeit gilt § 709 S. 2 ZPO.

Verkündet am 12.04.2018

RechtsgebietBGBVorschriften§ 346 BGB

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