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23.04.2018 · IWW-Abrufnummer 200801

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.08.2017 – 3 Sa 99/17


In dem Rechtsstreit
A., A-Straße, A-Stadt
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
gegen
C. e.V., C-Straße, C-Stadt
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte/r: Arbeitgeberverband D., C-Straße, C-Stradt
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dörner als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Helling und die ehrenamtliche Richterin Ackermann als Beisitzer für Recht erkannt:

Tenor:
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.02.2017 - 4 Ca 1465/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.


2. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche auf die Zahlung von Schmerzensgeld und Verdienstausfall wegen einer durch die betriebliche Tätigkeit der Klägerin verursachten Gesundheitsbeschädigung zustehen.



Die Klägerin ist aufgrund schriftlichen Vertrages vom 10.08.2009 als Ausbilderin im X-werk des Beklagten in W. beschäftigt. Sie ist Arbeitspädagogin und Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung. 2014 hat die Klägerin ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 2962,18 € erhalten. Die Klägerin arbeitet mit lernbehinderten und psychisch beeinträchtigten Jugendlichen, mit einer Gruppenstärke von 8 Teilnehmern. Die Teilnehmer verbringen 11 Monate in der Berufsvorbereitung und können dann - ihre Eignung vorausgesetzt - eine Berufsausbildung beginnen.



Die Klägerin war in den Jahren 2010 bis 2012 im Bereich der Hauswirtschaft tätig. Sodann wechselte sie in die Ausbildungsgruppe der Maler. Im Dachstudio Maler war die Klägerin von Anfang 2013 bis ca. Juni 2014 eingesetzt. Der Wechsel erfolgte nach Darstellung des Beklagten aufgrund des ausdrücklichen Wunsches der Klägerin, der sich auch darauf erstreckte, sich in dem Dachstudio ihren Arbeitsplatz einrichten zu dürfen. Dies geschah sodann einvernehmlich nach Absprache mit Herrn A., dem Ehemann und zugleich Vorgesetzten der Klägerin.



Nachdem die Klägerin angezeigt hatte, dass sie in diesen Räumlichkeiten nicht verbleiben könne, wurde sie in anderen Räumlichkeiten untergebracht. Zugleich wurden mit ihr ab Juni 2014 Gespräche geführt, sie in einen anderen Bereich zu versetzen. Die Klägerin sollte danach nicht mehr für Maler- und Lackierer zuständig sein, sondern für die Hauswirtschaft. Die Klägerin war damit jedoch nicht einverstanden. Anschließend erkrankte sie dauerhaft, so dass diese Maßnahme nicht umgesetzt werden konnte.



Im Juli 2014 hat der Beklagte Raumluftgutachten betreffend das Tapezierstudio eingeholt. Ein raumhygienisches Gutachten zur Belastung von Innenräumen durch Formaldehyd untersuchte die Innenraumbelastung des Tapezierstudios. Ergebnis der Untersuchung war, dass die ermittelte Formaldehydkonzentration im Bereich der normalen Innenraumbelastung und deutlich unter dem vom ehemaligen Bundesgesundheitsamt empfohlenen Richtwert liegt (Bl. 55-57 d. A.). Ein raumhygienisches Gutachten zur Belastung von Innenräumen durch Holzschutzmittelwirkstoffe/Organochlorverbindungen kommt zu dem Ergebnis, dass die ermittelnden Raumluftkonzentrationen an Lindan und Dichlofluanid unter dem Vorsorgewert liegt, der im Jahresmittel nicht überschritten werden sollte (Bl. 59 - 63 d. A.). Ein weiteres raumhygienisches Gutachten vom gleichen Tag zur Belastung von Innenräumen durch Schimmelpilze/Hefen kommt zu dem Ergebnis, dass keine auffällige Belastung der Raumluft der Schimmelpilze/Hefen zu ermitteln gewesen ist (Bl. 64 - 67 d. A.). Ein raumlufthygienisches Gutachten zur VEC-Belastung (leicht flüchtige organische Verbindungen) in Innenräumen vom 25.07.2014 (Bl. 68 - 76 d. A.) kommt zu dem Ergebnis, dass die ermittelte Gesamtkonzentration an leicht flüchtigen organischen Verbindungen (TVEC) als überdurchschnittlich zu bewerten ist und im Bereich der Stufe 3 des Beurteilungskonzepts des Bundesumweltsamt liegt. Die Stufe 3 dieses Beurteilungskonzepts stellt eine auffällige Belastung dar, die nur befristet tolerierbar ist. Es wird in diesem Fall eine nur befristete Nutzung empfohlen sowie eine Nachkontrolle der Richtwerteüberschreitung (vgl. Bl. 76 d. A.).



Die Klägerin wies im Jahr folgende Abwesenheitszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit auf: 2010: 18 Tage, 2011: 226 Tage, 2012: 44 Tage, 2013: 66 Tage, 2014: 196 Tage. Im Kalenderjahr 2015 hat sie vollständig arbeitsunfähig gefehlt. Ausweislich eines Bescheides der Rentenversicherung vom 08.09.2015 hat sie eine befristete Erwerbsminderungsrente rückwirkend zum 01.03.2015 zugesprochen erhalten.



Die Klägerin hat vorgetragen,



bei ihr liege aufgrund der beruflichen Anamnese und Krankheitssymptomatik ein MCS (Multiple-Chemical-Sensitivity)-Syndrom vor. Dies ergebe sich aus dem - von ihr unstreitig vorgelegten - ärztlichen Attest der Allgemeinärztin Dr. G. ,vom 03.06.2015, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 14 d. A. Bezug genommen wird. Ursache dafür sei der improvisierte Arbeitsplatz unter dem Dach, der nicht der Arbeitsstättenverordnung entspreche. Sie sei u. a. mit verschiedenen Chemikalien ohne entsprechende Schutzvorrichtung und mit unzureichender Lüftung in Kontakt gekommen. Der Krankheitsbeginn i. S. einer BK 1317-toxische Enzephalopathie (TE), toxische Polyneuropathie (TPNP) durch Lösungsmittel - könne auf den Zeitraum 2008/2009 festgeschrieben werden. Letztlich entscheidend sei aber der Umzug in das Studio unter das Dach gewesen. Um in ihr Minibüro zu gelangen, habe sie den Kabinengang der Maler passieren müssen, in dem mit Farben und Lacken gearbeitet werde. Dabei handelt es sich um Arbeiten, die normalerweise im Freien oder sehr gut belüfteten Räumen ausgeführt würden. Nach Auftreten der massiven gesundheitlichen Beschwerden sei sie einen Stock tiefer in der Maler-Ausbildung in einer Ecke von ca. 4 x 3 Meter untergebracht worden. Nach ihrem Ausfall sei das Büro im 1. Stock aufgelöst und die Maler einen Stock tiefer versetzt worden. Das mehr als 1 1/2 Jahre andauernde Provisorium habe ausgereicht, auf Dauer gesundheitliche Schäden bei ihr hervorzurufen. Das im Sommer 2014 eingeholte raumlufthygienische Gutachten sei zwar fehlerhaft, weil alle Räume des Tapezierstudios in die Betrachtung mit einbezogen worden seien. Andererseits sei der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die ermittelte Gesamtkonzentration an flüchtigen organischen Verbindungen als überdurchschnittlich zu bewerten sei und im Bereich der Stufe 3 des Beurteilungskonzepts sowohl Bundesamtes - unstreitig - liege. Solche Belastungen seien nur - unstreitig - befristet tolerierbar. Bei einer Dauer von mehr als 1 1/2 Jahren könne nicht mehr von einer Befristung gesprochen werden. Zusätzlich belastet sei die Klägerin dadurch geworden, dass sie im fraglichen Zeitraum 7 mal kurzfristig mit einem nicht unerheblichen Equipment habe umziehen müssen, da ihr sogenannter Hauptarbeitsraum für die Übergabe der Prüfungsunterlagen der Azubis genutzt worden sei.



Insgesamt habe der Beklagte die sich aus der Fürsorgepflicht ergebenden Verpflichtungen trotz entsprechender Hinweise nicht erfüllt und insbesondere keine Anstalten getroffen, den Arbeitsplatz der Klägerin möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrstoffen zu halten. Sie habe 11 mal den Betriebsrat aufgesucht, der die Beschwerden weitergegeben habe.



Sie habe an 5 Tagen in der Woche im Dachgeschoss gearbeitet. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit habe sie sich in dem ihr zugewiesenen sog. Büro aufgehalten. Ein Drittel ihrer Arbeitszeit habe sie mit den Teilnehmern im vorgelagerten Ausbildungsraum verbracht. Die restlichen 17 Prozent ihrer Arbeitszeit seien auf Tätigkeiten im Kabinengang der Maler entfallen. Mangels Absaug-/Belüftungsanlage habe keine ausreichende Durchlüftung stattgefunden. Die erforderliche ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft sei in dem als PC Arbeitsplatz genutzten Raum nicht gegeben gewesen.



Die Klägerin hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die die Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 46.572,97 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 657,70 seit dem 01.10.2014 und aus jeweils e€ 1.125,42 seit dem 01.11.2014, dem 01.12.2014, dem 01.02.2015, dem 01.03.2015 und jeweils aus € 2.120,43 seit dem 01.04.2015, dem 01.05.2015, dem 01.06.2015, dem 01.07.2015, dem 01.08.2015, dem 01.09.2015, dem 01.10.2015, dem 01.11.2015, dem 01.01.2016, dem 01.02.2016, dem 01.03.2016, dem 01.05.2016, dem 01.06.2016, dem 01.07.2016, dem 01.08.2016, dem 01.09.2016 und dem 01.10.2016 zu zahlen, 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, 3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 8.481,72 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten übe den jeweiligen Basiszinssatz aus 2.120,43 € seit dem 01.11.2016, 01.12.2016, 01.01.2017 und 01.02.2017 zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Der Beklagte hat vorgetragen,



das Studio Maler, das die Klägerin nunmehr als unzureichenden Arbeitsraum bezeichne, sei ihr Anfang 2013 auf ihren ausdrücklichen Wunsch hin nach Absprache mit ihrem Ehemann und Vorgesetzten zugewiesen worden. Tatsächlich habe sie sich dort nur stundenweise an 2 Tagen die Woche aufgehalten. Der Arbeitsauftrag der Klägerin bestehe aus dem Anleiten der Teilnehmer in der praktischen Arbeit, Vor- und Nachbereitung, dem Erstellen von Beurteilungen, Materialbestellung, Teilnahme an Teambesprechungen, Fortbildung, Supervision, Elterngesprächen, Entwicklungsgesprächen mit Teilnehmern und deren Dokumentation. An schulfreien Tagen seien die Teilnehmer in Vollzeit von Montags bis Freitags praktisch anzuleiten. Folglich habe sich die Klägerin lediglich an zwei Vormittagen im Dachstudio aufgehalten. Die übrige Zeit sei sie bei den Teilnehmern gewesen und habe sie bei der praktischen Arbeit angeleitet. Darüber hinaus seien Besprechungen und Fortbildungen anberaumt gewesen, die allesamt nicht in dem Dachstudio durchgeführt worden seien.



Soweit die Gesamtkonzentration an leicht flüchtigen organischen Verbindungen (VTOC) als überdurchschnittlich bewertet worden sei, müsse beachtet werden, dass an dem Tag, an dem die Proben für dieses Gutachten genommen worden seien, tatsächlich offene Farbeimer in dem Raum gestanden hätten. Dadurch sei eine höhere Konzentration an leicht flüchtigen organischen Verbindungen messbar gewesen, als dies üblicherweise der Fall gewesen sei. Es sei umgehend für Abhilfe gesorgt worden, in dem der Raum ordentlich belüftet und die Farbeimer entfernt worden seien. Die gemessene Raumluftkonzentration sei zwar als grenzwertig einzustufen. Jedoch gehe die Handlungsempfehlung des Gutachters davon aus, dass eine effektivere Lüftung der Räume erfolgen solle, um die VOC-Lösemittelbelastung zu reduzieren. Damit sei klargestellt, dass ein dauerhafter Aufenthalt nicht grundsätzlich untersagt werden müsse und die Nutzung des Raumes weiterhin möglich sei. Sogar ein dauerhafter Aufenthalt sei durchaus tolerierbar unter Einhaltung der Lüftungsvorschrift. Die gemessenen Werte ließen jedenfalls nicht den Rückschluss zu, dass die Raumluft im Tapezierstudio allein ursächlich für die Erkrankung der Klägerin sei.



Zudem sei der Klägerin nach ihrer Anzeige, dass sie im Tapezierstudio nicht bleiben könne, eine andere Räumlichkeit zur Verfügung gestellt worden. Zugleich sei mit ihr darüber gesprochen worden, sie in einen anderen Bereich zu versetzen, was sie jedoch abgelehnt habe.



Ihr seien die Proben von den Materialien herausgegeben worden, die in ihrem Umfeld verwendet worden seien, einschließlich der Sicherheitsdatenblätter; es treffe zu, dass die Klägerin des Öfteren beim Betriebsrat vorstellig gewesen sei. Tatsächlich habe sie diesen aber nicht für ihr Anliegen gewinnen können, so dass seitens des Betriebsrats keine weiteren Maßnahmen eingeleitet worden seien.



Insgesamt könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung der Klägerin auf die angeblich unzureichende Raumluft im Tapezierstudio zurückzuführen sei. Es treffe keineswegs zu, dass der Beklagte seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Das Gegenteil sei der Fall. Dem Vorbringen der Klägerin sei jederzeit Rechnung getragen und die Arbeitsbedingungen entsprechend verändert und umgestaltet worden. Dabei sei auf die Wünsche der Klägerin immer Rücksicht genommen worden.



Die Klägerin hat dazu wie folgt repliziert:



Die signifikanten Fehlzeiten 2011 seien - unstreitig - einer Krebserkrankung geschuldet. Es habe sodann im dritten Quartal 2011 eine Wiedereingliederung in die Berufsvorbereitung Hauswirtschaft gegeben. Der Umzug in das Dachstudio Maler sei Anfang Dezember 2012 erfolgt. Von den Dienstbesprechungen am Donnerstag abgesehen habe sie sich grundsätzlich im Dachgeschoss aufgehalten. Die Fortbildungen im fraglichen Zeitraum seien vernachlässigenswert. Es sei eine Unterstellung, wenn behauptet werde, es habe dem ausdrücklichen Wunsch der Klägerin entsprochen, ihren Arbeitsplatz im Dachstudio einzurichten. Sie habe nicht wissen können, dass sie mit diesen Arbeitsräumen erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen erlangen werde. Die Gespräche über die Umsetzungen der Klägerin in einen anderen Bereich seien erst nach ihrem allerletzten Hilfeschrei erfolgt. Zum damaligen Zeitpunkt seien die Gesundheitsschäden bereits nicht mehr reparabel gewesen. Die Klägerin habe insoweit im Bereich Lager arbeiten sollen. Aus gesundheitlichen Gründen habe sie - die Klägerin - darum gebeten, für die Dauer von 1 bis 2 Jahren in einem geeigneten Bereich nur mit einer Gruppe in der Hauswirtschaft BvB arbeiten zu dürfen. Die Abteilungsleiterin habe dies abgelehnt.



Die Klägerin hat eine gutachterliche Stellungnahme des Dr. M. zur Gerichtsakte gereicht, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 209 - 233 d. A. Bezug genommen wird.



Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens durch das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 141 ff. d. A. Bezug genommen wird.



Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 01.02.2017 - 4 Ca 1465/15 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 262 - 268 d. A. Bezug genommen.



Gegen das ihr am 15.02.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 09.03.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 12.05.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 05.04.2017 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 15.05.2017 einschließlich verlängert worden war.



Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die Umstände, unter denen sie im sog. Tapezierstudio ihre Arbeit habe ausführen müssen, hätten dazu geführt, dass sie seit August 2014 durchgehend arbeitsunfähig sei. Erst aufgrund ihrer immer wiederkehrenden Beschwerden sei das Tapezierstudio im Dachgeschoss und seien die sich daran anschließenden Räumlichkeiten zwischenzeitlich nicht mehr für die Durchführung von BvB-Maßnahmen genutzt worden. Der Beklagte habe eine entsprechende Entscheidung spätestens im Mai 2013 treffen müssen. Auch habe sie wegen der Missstände den Betriebsrat 11 Mal kontaktiert. Die Klage sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts auch wegen der behaupteten Berufskrankheit keineswegs unschlüssig geworden. Denn ob ein Versicherungsfall in diesem Sinne vorliege, stehe nicht fest. Die vermutete Berufskrankheit sei noch nicht nachgewiesen worden. Fest stehe aber, dass den Maßnahme-Teilnehmern aktuell eine sechs bis siebenfache größere Fläche zur Verfügung stehe, als sie unter dem Dach vorhanden gewesen sei. Zumindest insoweit würden derzeit die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten. Das Büro der Klägerin im Dachgeschoss sei als Arbeitsplatz nicht zugelassen gewesen. Mit dem von der Klägerin eingeholten Privatgutachten habe sich das Arbeitsgericht nicht hinreichend auseinandergesetzt. Diese habe sehr wohl einen kausalen Zusammenhang zwischen den im Rahmen des Raumluftgutachtens nachgewiesenen erhöhten Konzentrationen leicht flüchtiger organischer Verbindungen und der geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigung festgestellt. Demgegenüber habe sich das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten nicht näher mit der VOC-Belastung auseinandergesetzt. Es sei auch ansonsten mit Fehlern behaftet. So habe es ausgeführt, dass die von der Klägerin geschilderten Beschwerden typische Nebenwirkungen der von ihr durchgemachten Krebstherapie mit Chemotherapie seien. Bei ihr - der Klägerin - sei aber zu keinem Zeitpunkt eine Chemotherapie durchgeführt worden. Insoweit widerspreche sich der Gutachter auch teilweise selbst, weil dort unter der Rubrik Nebendiagnosen bursterhaltende Therapie ohne Chemotherapie festgehalten worden sei. Der Gutachter habe die Klägerin auch nicht persönlich untersucht und alle Krankenunterlagen eingesehen.



Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.05.2017 (Bl. 298 - 301 d. A.) sowie ihren Schriftsatz vom 03.08.2017 (Bl. 327 - 329 d. A.) Bezug genommen.



Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 01.02.2017, Az.: 4 Ca 1465/15, abzuändern und 1. den Beklagten zu verurteilen, an die die Klägerin Schadensersatz in Höhe von € 46.572,97 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 657,70 seit dem 01.10.2014 und aus jeweils € 1.125,42 seit dem 01.11.2014, dem 01.12.2014, dem 01.02.2015, dem 01.03.2015 und jeweils aus € 2.120,43 seit dem 01.04.2015, dem 01.05.2015, dem 01.06.2015, dem 01.07.2015, dem 01.08.2015, dem 01.09.2015, dem 01.10.2015, dem 01.11.2015, dem 01.01.2016, dem 01.02.2016, dem 01.03.2016, dem 01.05.2016, dem 01.06.2016, dem 01.07.2016, dem 01.08.2016, dem 01.09.2016 und dem 01.10.2016 zu zahlen, 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichtes gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch € 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, 3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 10.602,15 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten übe den jeweiligen Basiszinssatz aus 2.120,43 € seit dem 01.11.2016, 01.12.2016, 01.01.2017,01.02.2017 und 01.03.2017 zu zahlen.



Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, da die Klägerin ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten bezüglich der eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigung nicht behauptet und nicht vorgetragen habe, könne der Klage kein Erfolg beschieden sein. Es komme nicht darauf an, dass die zuständigen Sozialgerichte die Erkrankung der Klägerin noch nicht als Berufskrankheit anerkannt hätten. Es fehle bereits an der Kausalität zwischen der Arbeitsleistung der Klägerin und der Erkrankung. Dies folge aus dem beim Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Die Klägerin lege aber selbst dar, dass sie seit 2008 an einer toxischen Enzephalopathie und toxischen Polyneuropathie leide. Beide Krankheitsbilder seien anerkannte Berufskrankheiten. Folglich komme eine Haftung des Beklagten nur bei Vorsatz in Betracht, der ersichtlich auch nach dem Vorbringen der Klägerin nicht gegeben sei.



Im Übrigen liege auch kein fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten vor. Denn die Erkrankung der Klägerin habe bereits im Jahr 2008 begonnen, zu einem Zeitpunkt also, zu dem sie bei dem Beklagten noch gar nicht beschäftigt gewesen sei. Erst im Juli 2012 habe sie das Dachstudio bezogen. Dort habe sie sich im Büro nur stundenweise aufgehalten. Von einem Zwangsumzug in das Tapezierstudio könne keine Rede sein. Es sei der ausdrückliche Wunsch der Klägerin gewesen, sich in diesem kleinen Büro einrichten zu dürfen. Da diese Räumlichkeiten bislang nicht als Büro genutzt worden waren, seien die notwendigen technischen Voraussetzungen eigens für die Klägerin installiert worden. Der von der Klägerin massiv kontaktierte Betriebsrat habe sich nicht zu einer Unterstützung ihres Anliegens entschließen können.



Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 14.07.2017 (Bl. 320 - 326 d. A.) Bezug genommen.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 07.08.2017.



Entscheidungsgründe



I.



Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



II.



Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



Das Arbeitsgericht ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage voll umfänglich unbegründet ist.



Die Klägerin macht in beiden Rechtszügen zusammengefasst geltend, dass sie aufgrund der Beschäftigung an dem aus ihrer Sicht improvisierten Arbeitsplatz im sog. Tapezierstudio rechtswidrig unter Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers von diesem in ihrer Gesundheit beeinträchtigt worden ist mit der Maßgabe, dass dies schlussendlich zu einer Berufskrankheit geführt hat.



Insoweit sind die §§ 618 BGB, 62 HGB zwar keine Schutzgesetze i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB (BGH 02.06.1969 BGHZ 52,827). Allerdings kommen bei einer Verletzung der sich aus diesen Normen ergebenden Verpflichtungen Schadenersatzansprüche gem. §§ 280 ff., 241 Abs. 2 BGB, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 831, 276, 278, 254 BGB in Betracht. Insoweit gibt es allerdings keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der vorsätzlich eine zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehende Schutzvorschrift missachtet, eine Schädigung oder eine Berufskrankheit des Arbeitnehmers nicht billigend in Kauf nimmt. Es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an (BAG 20.06.2013, EzA § 636 RVO Nr. 15). Der Arbeitnehmer hat insoweit darzulegen und zu beweisen, dass ein zur Herbeiführung des Schadens geeigneter ordnungswidriger Zustand vorlag. Der Arbeitgeber muss dann sein Nichtverschulden sowie ggf. ein Mitverschulden des Arbeitnehmers beweisen. § 287 ZPO gilt zu Gunsten des Arbeitnehmers nicht nur für den Schadensumfang (haftungsausfüllende Kausalität), sondern auch für den Haftungsgrund (haftungsbegründende Kausalität; BAG 27.02.1970 AP Nr. 16 zu § 618 BGB; vgl. DLW/Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Aufl. 2017, Kap. 3 Rdnr. 2270). Der Haftungsumfang bestimmt sich gem. § 249 BGB. Gemäß § 618 Abs. 3 BGB, § 62 Abs. 3 HGB erstreckt sich die Haftung entsprechend der §§ 842 - 846 BGB auch auf Nachteile, die für den Erwerb und das Fortkommen des verletzten Arbeitnehmers entstehen.



Nach § 104 SGB VII bestehen bei Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten allerdings Einstandspflichten der Berufsgenossenschaften. Der Arbeitgeber haftet infolge dessen dem Verletzten nur dann unmittelbar, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt hat oder der Arbeitsunfall bei der Teilnahme am allgemeinen Verkehr eingetreten ist (BAG 28.04.2011 EzA § 636 RVO Nr. 14; DLW/Dörner/Luczak/Wildschütz, Kap. 3 Rdnr. 653 ff., 2272). Hat der vom Arbeitgeber bestellte Vorgesetzte des Arbeitnehmers den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt, ihn also gewollt oder seinen Eintritt billigend in Kauf genommen, so hat sich der Arbeitgeber diesen Vorsatz zurechnen zu lassen, wenn dessen schuldhaftes Handeln in einem engen sachlichen Zusammenhang mit den Aufgaben steht, die der Arbeitgeber dem Vorgesetzten als seinen Erfüllungsgehilfen zugewiesen hat (BAG 28.04.2011 a.a.O.).



Das Vorbringen der Klägerin in beiden Rechtszügen ist dahin zu verstehen, dass sie behauptet, dass sie aufgrund der auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgten Arbeitstätigkeit m sog. Tapezierzimmer unter Verstoß gegen entsprechende Schutzvorschriften gesundheitsgefährdenden Substanzen ausgesetzt war, dass sie dadurch in ihrer Gesundheit beeinträchtigt worden ist, was schlussendlich zu einer Berufskrankheit geführt hat. Im Hinblick auf das substantiierte Bestreiten des Beklagten wäre es Sache der Klägerin gewesen, die nach Maßgabe der zuvor dargestellten Grundsätze erforderlichen Tatsachen dazulegen, die Klageforderung schlüssig zu begründen, also insbesondere nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert darzulegen, woraus sich im Einzelnen ergeben soll, dass die zuvor beschriebenen Voraussetzungen im hier zu entscheidenden Einzelfall gegeben sein sollen. Denn nur dann wäre die Klageforderung möglicherweise begründet.



Insoweit genügt eine Partei ihrer Darlegungslast grundsätzlich, wenn sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und förderlich sind, die daraus abgeleitete Rechtsfolge zu tragen (BGH NJW 2012, 1647). Bei schlüssiger Klagebegründung ist die Angabe näherer Einzelheiten, die Zeit, Ort und Umstände bestimmte Ereignisse betreffen, nur dann nötig, wenn diese für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind, wenn der Vortrag in Folge der Einlassung des Gegners unklar wird oder wenn die Angabe weiterer Umstände erforderlich ist, um dem Gegner die Nachprüfung der behaupteten Tatsachen und den Antritt von Gegenbeweisen zu ermöglichen (BGH Versicherungsrecht 1999, 1279). In welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen substantiieren muss, hängt vom Einzelfall ab. Dabei beurteilt sich die Schlüssigkeit einer Klage nach dem Vorbringen des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung. Eine Partei ist daher nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Hat eine Partei die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch unzureichend vorgetragen, kann sie diese jederzeit in den Prozess einführen. Der Umfang der sekundären Darlegungslast richtet sich einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei und findet andererseits eine Grenze in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht (vgl. Prütting/Gehrlein, Hrsg. ZPO, 9. Aufl., 2017, Geisler, § 253 Rdnr. 47 ff. m.w.N.).



Vorliegend ist die Klägerin vom 15.08.2008 bis 14.08.2009 als Arbeitserzieherin für den Beklagten für die befristete Ausbildungsmaßnahme B., in W.und A. (im Auftrag der Agentur für Arbeit) tätig gewesen. Die mit diesem Vertrag verbundene Befristung wurde durch schriftlichen Vertrag vom 25.08.2009 aufgehoben; die Klägerin wurde ab dem 15.08.2009 als Ausbilderin im B-werk W. beschäftigt. Bevor sie ihre Tätigkeit u.a. im sog. Tapezierstudio ausübte, also im Bereich der Berufsvorbereitung für Tätigkeiten als Maler und Lackierer, war sie bis 2012 im Bereich Hauswirtschaft des Beklagten in anderen Räumlichkeiten tätig. Bereits im Jahre 2008 unterzog sie sich einer Brustkrebsbehandlung. Der Wechsel in den Bereich Maler und Lackierer sowie räumlich hinsichtlich des Tapezierstudios vollzog sich unstreitig weder aus betriebsbedingten Gründen, noch aus Gründen im Verhalten der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass die Übertragung der Tätigkeiten im Zusammenhang mit Maler und Lackierer gegen den Willen der Klägerin erfolgt sein könnte, lassen sich dem Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen nicht entnehmen. Hinsichtlich des Tapezierstudios hat der Beklagte im Einzelnen dargelegt, dass die Zuweisung dieser Räumlichkeit auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin erfolgt ist. Seitens des Beklagten wurde diese Entscheidung durch den Ehemann der Klägerin als ihrem Vorgesetzten veranlasst. Anhaltspunkte dafür, dass dieser in diesem Zusammenhang wie insgesamt im Rahmen des Vollzugs des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien etwas anderes als die bestmögliche Erfüllung der arbeitsvertraglichen (auch Rücksichtnahme-)Pflichten unter größtmöglicher Berücksichtigung der berechtigten Belange der Klägerin im Sinn gehabt haben könnte, werden von beiden Parteien, insbesondere der Klägerin, nicht vorgetragen. Die nach den Beschwerden der Klägerin vom Beklagten eingeholten umfassenden raumhygienischen Gutachten vom 25.07.2014 kommen lediglich im Hinblick auf die VOC-Belastung als Grundlage einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Betracht, weil insoweit eine auffällige Belastung festgestellt wird, die nur befristet tolerierbar ist. Allerdings hat der Beklagte in diesem Zusammenhang nachvollziehbar vorgetragen, dass an dem Tag der Probenentnahmen offene Farbeimer in dem fraglichen Raum standen, was zu einer höheren Konzentration an leicht flüchtigen organischen Verbindungen führte. Danach wurde umgehend für Abhilfe gesorgt, in dem der Raum ordentlich belüftet wurde und die Farbeimer entfernt wurden. Zudem geht die Handlungsempfehlung des Gutachters davon aus, dass eine effektivere Lüftung der Räume erfolgen soll, um die Belastung zu reduzieren.



Aufgrund der Gesamtheit dieser Einzelumstände wäre es Sache der Klägerin gewesen, im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisantritt nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert darzulegen, dass ein zur Herbeiführung eines Schadens geeigneter ordnungswidriger Zustand vorlag und sich sodann gleichermaßen substantiiert auf das substantiierte Vorbringen des Beklagten hinsichtlich seines Nichtverschuldens sowie des Mitverschuldens der Klägerin einzulassen. Gleichermaßen substantiiert wäre hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität ebenso wie hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität vorzutragen gewesen, um die Klageforderung schlüssig zu begründen.



Daran fehlt es.



Die Klägerin hat in der Klageschrift vom 18.08.2015 ohne nähere weitere Angaben lediglich behauptet, die erschwerten Arbeitsbedingungen hätten sich mit dem Zwangsumzug in das sog. Tapezierstudio verdichtet. Damit wird zwar deutlich, dass sie selbst ihre gesundheitlichen Einschränkungen nicht allein auf den Wechsel der Räumlichkeiten zurückführt. Warum das aus ihrer Sicht mehr als 1 1/2 Jahre andauernde Provisorium aber ausgereicht haben soll, um auf Dauer gesundheitliche Schäden bei der Klägerin hervorzurufen, wird nicht näher erläutert. Als einziger Anhaltspunkt lässt sich ihrem Vorbingen das zwar als fehlerhaft angesehene Raumlufthygienische Gutachten entnehmen, die dort festgestellten Ergebnisse sollen aber allein ursächlich für ihre Beschwerden gewesen sein. Eine Auseinandersetzung damit, dass bei der Klägerin bereits beginnend mit dem Jahr 2008 (Krebserkrankung) erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen gegeben waren, fehlt vollständig. Nichts anderes gilt für den Umstand, dass die Klägerin jedenfalls bis zum Jahre 2012 Lösungsmitteln und dergleichen nicht ausgesetzt war, weil sie im Bereich Hauswirtschaft in anderen Räumlichkeiten des Beklagten beschäftigt war. Anhaltspunkte dafür, dass der Wechsel hinsichtlich der Arbeitstätigkeit und der Räumlichkeiten gegen ihren Willen erfolgt sein könnte, bestehen, wie dargelegt nicht. Hinsichtlich ihres Ehemannes als ihrem Vorgesetzten werden auch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dieser auch nur unter außer Achtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Wechsel nicht erkannt haben könnte. Nicht nachvollziehbar erläutert wird auch, warum die Beanstandungen nach Maßgabe des raumlufthygienischen Gutachtens für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ursächlich sein könnten und dass dies dem Beklagten hätte bekannt sein müssen. Dabei spricht aufgrund der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Einzelfalls gerade alles dafür, dass beide Vertragsparteien, der Beklagte vertreten durch den Ehemann der Klägerin davon überzeugt waren, im Hinblick auf einen für beide Seiten positiven Vollzug des Arbeitsverhältnisses alles erforderliche und insbesondere das Richtige zu tun.



Im Schriftsatz vom 15.10.2015 finden sich zwar ausführliche Ausführungen zu gesundheitsbeeinträchtigenden Chemikalien, die am Arbeitsplatz der Klägerin vorhanden gewesen sein mögen. Eine nähere Darlegung der Ursächlichkeit trotz der vom Beklagten eingeholten raumhygienischen Gutachten fehlt aber vollständig.



Im Schriftsatz vom 19.11.2015 trägt die Klägerin vor, sie seit Anfang Dezember 2015 im Dachstudio Maler tätig gewesen. Insoweit ist für die Kammer bereits nicht einmal nachvollziehbar welche Anteile ihrer Arbeitszeit sie im Hinblick auf ihre vielfältigen Aufgaben tatsächlich in dieser Räumlichkeit zugebracht hat; der Beklagte hat insoweit ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass sich die Klägerin dort lediglich an zwei Vormittagen wöchentlich aufgehalten hat. Substantiiertes Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang fehlt vollständig. Im Schriftsatz vom 05.01.2016 werden dann die Wände der Dachverschläge als mitursächlich dargestellt, in denen Asbest verbaut worden sei, ohne dass ein Zusammenhang mit den hier maßgeblichen Einzelfragen erkennbar wäre.



Hinzu kommt, dass die Klägerin im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Rechtzuges nach Vorlage des von ihr in Auftrag gegebenen Privatgutachtens das Vorliegen von Berufskrankheiten behauptet, die durch ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit beim Beklagten verursacht sein sollen (Schriftsatz vom 01.02.2017). Insoweit wäre es im Hinblick auf § 104 SGB VII wegen der dann gegebenen Einstellungspflicht der Berufsgenossenschaft unter Berufskrankheiten und der folglich beschränkten Arbeitgeberhaftung auf Vorsatz Sache der Klägerin gewesen, im Einzelnen unter vorsorglichem Beweisantritt darzulegen, dass der Beklagte die von ihr behauptete Exposition mit gesundheitsgefährdenden Stoffen mit der Konsequenz des Eintritts einer Berufskrankheit, vertreten durch ihren eigenen Ehemann, vorsätzlich herbeigeführt hat. Vorbringen der Klägerin dazu fehlt.



Nach alledem kann bereits von einer schlüssigen Klagebegründung nicht ausgegangen werden.



Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz vom 25.10.2016. Es kommt zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass nach ausführlicher Sichtung der Akten, insbesondere der von der Klägerin zusätzlich zur Verfügung gestellten ärztlichen Unterlagen und unter Berücksichtigung der raumhygienischen Gutachten mehr dagegen als dafür spricht, dass die Klägerin durch die im Rahmen des Raumluftgutachtens nachgewiesenen erhöhten Konzentrationen leicht flüchtiger organischer Verbindung die geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erlitten hat. Dieses zusammenfassende Ergebnis begründet ebenso wie die ausführliche Begründung des Gutachtens keinesfalls die volle Überzeugung der Kammer gem. § 286 Abs. 1 ZPO dafür, dass auch nur die Ursächlichkeit zwischen den räumlichen Bedingungen der arbeitsvertraglichen Tätigkeit im fraglichen Zeitraum und den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen besteht.



Hinsichtlich des erforderlichen Beweismaßes im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten folgende Grundsätze:



Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.



Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).



Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.



Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.



Der Sachverständige hat insoweit zwar als Argument für die Annahme einer beruflichen Verursachung die erhöhte VOC-Konzentration am Arbeitsplatz festgestellt. Er hat aber gerade auch das Fortbestehen der Beschwerden über die Exposition hinaus festgestellt, die nach dem Vorbringen der Parteien als unstreitig anzusehen ist. Des Weiteren hat er auf die Beschwerden auch außerhalb des Arbeitsplatzes, den fehlenden medizinischen Nachweis der Beschwerden sowie konkurrierender Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerdebildern hingewiesen. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den ihm Rahmen des Raumluftgutachtens nachgewiesenen erhöhten Konzentration zu leichtflüchtiger organischer Verbindungen und den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist danach nicht belegbar. Eine volle Überzeugung der Kammer vom Gegenteil i. S. d. § 286 Abs. 1 ZPO kann daher nicht angenommen werden.



Etwas anderes folgt auch nicht aus der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. M., die die Klägerin als Privatgutachten vorgelegt hat. Sie kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die Dafür-Liste deutlich länger ist, als die Dagegen-Liste (bezogen auf Argumente Pro und Contra zur Kausalität). Dabei erschließt sich freilich nicht, was außer der VOC-Belastung, die, wie dargelegt, festgestellt wurde, und warum diese tatsächlich für die Kausalität sprechen soll. Das gilt z. B. für den allgemeinen Hinweis auf die Wirkcharakteristik der VOC, der ebenso wie Hinweise aus den Diagnosen auf Entzündungen, neurologische Beschwerden und multiples Allergiegeschehen einen konkreten Bezug zu den hier maßgeblichen Umständen vermissen lässt. Nichts anderes gilt für MCS / CFS, Definition der TE, Definition des SBS, weitere Expositionen durch offene Gebinde und mangelnde Lüftung. Insoweit handelt es sich um Einzelumstände, die als Dafürargument der in den Raum gestellt werden, ohne dass näher erläutert würde, warum es sich um Argumente Pro Kausalität handeln könnte. Soweit Verstöße gegen die Arbeitsstättenverordnung, Gefahrstoffverordnung und den allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sowie weitergehend gegen die Fürsorgepflicht einer Schwerbehinderten gegenüber angeführt werden, handelt es sich um durch Tatsachensubstrat nicht näher begründete allgemeine und folglich im hier maßgeblichen Zusammenhang unbehelfliche Rechtsbehauptungen.



Auch das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts.



In der Berufungsbegründung (11.05.2017) behauptet die Klägerin, dass sie von Anfang an vehement die Arbeitsbedingungen an dem ihr zugewiesenen Arbeitsplatz im Dachgeschoß für unzumutbar erachtet und um Abänderung nachgesucht hat. Warum die Klägerin, wenn dies von Anfang an für sie erkennbar unzumutbar war, gleichwohl um Zuweisung der Tätigkeit im Bereich Maler und Lackierer und auch im Tapezierstudio gebeten oder dies zumindest im besten Einvernehmen mit ihrem Ehemann als Mitarbeiter des Beklagten und ihrem Vorgesetzten verabredet hat, erschließt sich nicht und wird insbesondere nicht näher erläutert. Auch die Behauptung, sie habe mehr als 1 1/2 Jahre im Dachgeschoß mit ihren Teilnehmern auf engstem Raum arbeiten müssen, wird nicht näher begründet. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 03.08.2017 sodann nicht näher substantiiert behauptet, seit Aufnahme der Tätigkeit bei dem Beklagten sei sie mit Lösungsmitteln in Kontakt gekommen, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Vorbringen beider Parteien in beiden Rechtszügen eine Tätigkeit im Bereich Maler und Lackierer erst ab dem "Umzug" der Klägerin im Jahr 2012 überhaupt gegeben war. Soweit sie behauptet, sie habe 50 Prozent ihrer Arbeitszeit in dem Büro verbracht, setzt sie sich auch im Berufungsverfahren nicht mit den verschiedenen Einzeltätigkeiten, die zum Gesamtbild ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gehören auseinander, so dass auch insoweit kein substantiiertes Vorbringen im Berufungsverfahren gegeben ist. Insoweit ist zusammenfassend davon auszugehen, dass auch das Berufungsvorbringen der Klägerin keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts rechtfertigt. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptung, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht lediglich - wenn auch aus der Sicht der Klägerin heraus verständlich - deutlich, dass die Klägerin die tatsächliche und rechtliche Würdigung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls durch das Arbeitsgericht im erstinstanzlichen Rechtszug, der die Kammer im Ergebnis folgt, nicht teilt. Weitere Ausführungen sind folglich nicht veranlasst.



Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Dr. Dörner
Helling
Ackermann

Verkündet am: 07.08.2017

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