Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

12.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199528

Verwaltungsgericht Darmstadt: Urteil vom 21.08.2017 – 3 K 717/15.DA

Die Sicherstellung gemäß § 40 Abs. 2 HSOG zum Schutzeeines Berechtigten kann nur solange aufrechterhalten werden, wie dieser die Herausgabe des Gegenstands der Sicherstellung gemäß § 43 Abs. 2 S. 3 HSOG noch verlangen kann.

Die gemäß § 43 Abs. 2 S. 3 HSOG für den Herausgabeanspruch geltende Dreijahresfrist beginnt bei sichergestelltem Buchgeld bereits mit Ablauf des Jahres der Sicherstellung.

Sind die Voraussetzungen der Sicherstellung weggefallen, sind nach der gesetzlichen Wertung die ursprünglichen Verhältnisse wieder herzustellen und der Gegenstand der Sicherstellung fällt an den letzten Inhaber zurück.


Verwaltungsgericht Darmstadt

Urt. v. 21.08.2017

Az.: 3 K 717/15.DA

Tenor:

Der Beklagte wird verurteilt, die sichergestellten 150.000 € an die Klägerin herauszugeben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Herausgabe sichergestellten Geldes.

Die Wohnung der Klägerin wurde aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Darmstadt vom 30.10.2008 durchsucht. Im Rahmen der Durchsuchung fanden die Polizisten einen Schließfachschlüssel für das Schließfach T bei der S in A-Stadt, das auf die Klägerin angemeldet war. Die Klägerin gab an, dass sich in dem Schließfach ausschließlich Privatgegenstände befänden. Sie widersprach einer Durchsuchung und versuchte sich vor Beginn der polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme Zugang zu dem Schließfach zu verschaffen. Aufgrund eines weiteren Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Darmstadt durchsuchten die Polizisten noch am gleichen Tag das Schließfach. Bei dieser Durchsuchung fanden die Polizisten 150.000,00 € Bargeld in 500-Euro-Scheinen in einem Briefumschlag, drei hochwertige Uhren und Goldschmuck und -münzen. Auf dem Paket fanden die Ermittler Fingerabdrücke der Klägerin. Das Geld und sämtliche Gegenstände wurden als Zufallsfund beschlagnahmt.

Auf dem Bargeld fanden die Ermittler u. a. Fingerabdrücken des Bruders der Klägerin, Z, sowie je einen Fingerabdruck des Y sowie des X. X wurde am 28.10.2009 wegen Handelns mit nicht geringen Mengen Haschischs zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Laut des gegen ihn ergangenen Urteils erlangte X durch die abgeurteilten Straftaten 519.750,00 €, von denen lediglich 44.335,00 € gesichert werden konnten. Y, ein Geschäftspartner des Herrn Z, war verdächtig Geld für X zu waschen. Zwei der drei Uhren wurden durch W, einen Bekannten des Herrn Z, mittels Geld, das aus einem Betrugsdelikt stammt, erworben.

Mit Beschluss vom 06.12.2008 bestätigte das AG Frankfurt die Beschlagnahme des sichergestellten Geldes. Das Landgericht Frankfurt verwarf mit Beschluss vom 11.09.2009 die Beschwerde hiergegen als unbegründet.

Das Strafverfahren, das gegen die Klägerin nach dem Bargeldfund im Schließfach wegen des Verdachts der Geldwäsche eingeleitet worden war, endete mit einem Freispruch (Amtsgerichts Groß-Gerau, Urt. vom Q).In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht legte die Klägerin eine auf den 11.08.2008 datierte Bescheinigung des türkischen Juweliers V über dessen Ankauf von Gold der Eltern der Klägerin im Wert von 141.440,00 türkische Lira (umgerechnet 80.360,00 €) vor. Nach dem Freispruch der Klägerin gab die Staatsanwaltschaft Darmstadt am 11.10.2013 das beschlagnahmte und bei der Gerichtskasse Darmstadt eingezahlte Geld frei.

Mit Bescheid vom 14.10.2013 stellte das Hessische Landeskriminalamt den Geldbetrag in Höhe von 150.000,00 € sicher und ordnete die sofortige Vollziehung der Sicherstellung an. Sodann wurde das Geld auf ein Verwahrkonto der Polizeibehörden überwiesen. Gestützt wurde die Sicherstellung auf § 40 Nr. 2 (Schutz des Eigentümers oder des Inhabers der rechtmäßigen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung) und Nr. 4 HSOG (Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Sachen zur Begehung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten gebraucht oder verwendet würden).Von diesen Befugnissen sei nach Abwägung aller Umstände Gebrauch gemacht worden, da eine Herausgabe der Sachen dem bisher noch nicht ermittelten Eigentümer die Wiedererlangung des Eigentums erschweren und jede weitere Verwendung der 150.000 € erneut den Verdacht einer Geldwäsche begründen würde.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 31.10.2013 Widerspruch ein.

Am 30.12.2013 beantragte die Klägerin Eilrechtschutz bei diesem Gericht. Mit Beschluss vom 02.07.2014 (Az. 3 L 1923/13.DA) lehnte die 3. Kammer dieses Gerichts den Antrag als unbegründet ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Sicherstellungsanordnung. Diese sei vielmehr offensichtlich rechtmäßig. Die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB, welche grundsätzlich für den Besitzer einer Sache streite, sei im vorliegenden Fall so nachhaltig erschüttert, dass nicht davon ausgegangen werden könne, die Antragstellerin sei Eigentümerin oder anderweitige Berechtigte in Bezug auf das sichergestellte Geld. Ob auch die Voraussetzungen des § 40 Nr. 4 HSOG vorliegen, könne daher dahinstehen.

Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.07.2014 Beschwerde ein. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Hess. VGH) wies die Beschwerde durch Beschluss vom 22.12.2014 als unbegründet zurück (Az. 8 B 1294/14) und bestätigte die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, dass die Eigentumsvermutung der Klägerin erschüttert sei. So sei auch der Hinweis der Klägerin auf die Einnahmen ihres Bruders nicht geeignet, die legale Herkunft der 150.000 € nachzuweisen. Zudem hat der Hess. VGH ausgeführt, dass die Angemessenheit der Sicherstellung jedenfalls solange angenommen werden könne, wie Berechtigte noch einen Anspruch auf Herausgabe des Geldes geltend machen könnten. Für den Erlösherausgabeanspruch gelte die Dreijahresfrist des § 43 Abs. 2 S. 3 HSOG, welche nach der Sicherstellung im Jahre 2013 am 31.12.2016 ablaufe. Ebenso wie auch in dem Eilbeschluss dieses Gerichts ließ der Hess. VGH offen, ob zudem die Voraussetzungen des § 40 Nr. 4 HSOG vorlagen.

Daraufhin erließ das Hessische Landeskriminalamt am 10.04.2015 den Widerspruchsbescheid, mit dem der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen wurde. Als Rechtsgrundlage für die Sicherstellung zog das Landeskriminalamt nun lediglich § 40 Nr. 2 HSOG heran. In der Begründung hieß es, dass die Sicherstellung zum Schutze des Eigentümers des Geldes verhältnismäßig sei. Dieser könne möglicherweise in Zukunft noch ermittelt werden und habe jedenfalls bis zum Ablauf des 31.12.2016 einen Erlösherausgabeanspruch. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 17.04.2015 zugestellt.

Am 15.05.2015 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie behauptet, dass sie die rechtmäßige Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über das Geld sei. Sie ist der Ansicht, dass die Eigentumsvermutung für sie spreche. Es sei zu berücksichtigen, dass sie von dem Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen worden sei, vor allem, da nicht habe nachgewiesen werden können, dass die Gelder tatsächlich von Herrn X stammten.

Die Klägerin behauptet, dass ein Teil des sichergestellten Geldes (EUR 80.360,00) aus einem Goldverkauf ihres Vaters in der Türkei im August 2008 stamme. Das Geschäft sei in der Währung Euro abgewickelt worden.

Im Übrigen verfüge die Familie der Klägerin über ausreichend finanzielle Mittel, um hohe Bargeldbeträge vorrätig halten zu können. Insbesondere seien die Einnahmen des Bruders der Klägerin, Herrn Z, aus dem Betrieb eines Wettbüros nicht hinreichend berücksichtigt worden. Das Finanzamt Darmstadt gehe davon aus, dass Herr Z in den Jahren 2006 bis 2008 Einnahmen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 285.000,00 erzielt habe. Da ein Steuerstrafverfahren gegen Herrn Z vorgelegen habe, welches am 28.03.2011 eingestellt worden sei, erkläre dies, weshalb er sich dazu nicht bereits früher eingelassen habe. Aus dem Umstand alleine, dass Herr Z mit Personen bekannt sei, die wegen Straftaten verurteilt worden seien, könne nicht bereits geschlossen werden, dass er für diese Geld gewaschen habe. Vielmehr nutze der Beklagte die Bestimmungen des HSOG zur Sicherstellung, um die strafrechtlichen Beweisregelungen des dinglichen Arrests gegenüber Herrn X zu umgehen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die sichergestellten 150.000 € an sie herauszugeben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, die Sicherstellungsvoraussetzungen lägen weiterhin vor, auch wenn der wahre Berechtigte des Geldes nicht feststehe und somit eine Herausgabe an ihn bislang nicht möglich sei. Jedenfalls sei die Eigentumsvermutung zugunsten der Klägerin aufgrund einer Vielzahl von Indizien derart erschüttert, dass sie als Berechtigte mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und somit eine Herausgabe an sie nicht in Betracht komme.

Die Klägerin habe das Schießfach als Depot für im Zusammenhang mit Straftaten stehende Wertgegenstände genutzt. Die Stückelung des Geldes in 500-Euro-Scheine sei eine szenetypische Größeneinheit im Drogen- und Waffenmilieu. Es bestehe der dringende Verdacht, dass das sichergestellte Geld in Zusammenhang mit Drogengeschäften des Herrn X stehe. Die privaten und geschäftlichen Verbindungen des Herrn Z zu Herrn X und Herrn Y seien ein Indiz dafür, dass der Bruder der Klägerin im Bereich der organisierten Kriminalität, namentlich dem Rauschgifthandel, aktiv sei. Das sichergestellte Geld im Schließfach sei somit im Kontext dieser illegalen Aktivitäten zu sehen.

In der mündlichen Verhandlung hat für den Beklagten der seiner Zeit für die Ermittlungen zuständige Kriminalhauptkommissar U erläutert, dass nicht davon auszugehen sei, dass sich Herr X als Eigentümer des Geldes melden werde, da gegen ihn ein dinglicher Arrest verhängt worden und überwiegend noch ausstehend sei.

Weiter wurde in der mündlichen Verhandlung Herr Z als Zeuge zu der Behauptung vernommen, dass die Gelder, welche nicht aus der Türkei durch den Vater der Klägerin mitgebracht worden seien, also 69.640 €, von ihm als Berechtigtem stammen. Er hat dazu ausgesagt, dass es sich bei dem Geld um laufenden Umsatz aus seinem Wettbüro handele. Er habe in seinem Wettbüro viel Bargeld im Umlauf gehabt und sein Vater habe ihm zu dem Zeitpunkt geraten, einen Teil in dem Bankschließfach zu deponieren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und des zugehörigen Eilverfahrens (3 L 1923/13.DA) sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage auf Herausgabe des sichergestellten Geldbetrags ist zulässig und begründet.

Ein Herausgabeanspruch der Klägerin besteht gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 HSOG. Demnach sind Sachen an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind.

Da die Voraussetzungen der Sicherstellung mittlerweile nicht mehr vorliegen, ist der sichergestellte Geldbetrag an die Klägerin herauszugeben, denn das Geld wurde bei ihr sichergestellt.

Die Sicherstellung vom 14.10.2013 hat das Hessischen Landeskriminalamt (LKA) aufgrund von § 40 Nr. 2 HSOG vorgenommen. Gemäß § 40 Nr. 2 HSOG erfolgt eine Sicherstellung, um die Eigentümerin oder den Eigentümer oder die rechtmäßige Inhaberin oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Da das ursprünglich beschlagnahmte Bargeld zum Zeitpunkt der Sicherstellung bereits bei der Gerichtskasse Darmstadt eingezahlt war, handelte es sich um Buchgeld, das sichergestellt worden ist. Bei der Sicherstellung ist das LKA davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht die rechtmäßige Inhaberin des Geldes ist. Aufgrund des Vorliegens zahlreicher Indizien sah es diese Vermutung trotz deren Verfügungsgewalt über das Schließfach derart erschüttert, dass es nicht von dem bloßen Besitz des Bargeldes auf die rechtmäßige Inhaberschaft schließen konnte. Zu diesen Indizien gehörten u.a. die Höhe des Bargeldbetrags und dessen Stückelung, das Verhalten der Klägerin im Zusammenhang mit der Durchsuchung, die am Tag der Sicherstellung aufgezeichneten Gespräche zwischen den Familienmitgliedern, die festgestellten Fingerabdrücke auf den Geldscheinen sowie die unstimmigen Angaben zur Herkunft des Geldes. Zwar stand der wahre Berechtigte im Zeitpunkt der Sicherstellung nicht fest, jedoch galt es als nicht ausgeschlossen, dass dieser noch zu ermitteln ist. Während sich die Sicherstellungsverfügung vom 14.10.2013 neben § 40 Nr. 2 noch auf Nr. 4 HSOG stützte, wurde im Widerspruchsbescheid vom 10.04.2015 offen gelassen, ob § 40 Nr. 4 HSOG als weitere Rechtsgrundlage herangezogen werden kann.

Im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung sind die Voraussetzungen des § 40 Nr. 2 HSOG an die Sicherstellung jedenfalls weggefallen. Die Sicherstellung kann nicht mehr zum Schutze eines Berechtigten aufrechterhalten werden.

Ein Berechtigter kann nur solange geschützt werden, wie dieser die Herausgabe des sichergestellten Geldes noch verlangen kann.

Gemäß § 43 Abs. 2 S. 3 HSOG gilt für die Herausgabe eine Dreijahresfrist. Nach dieser Vorschrift erlischt der Anspruch auf Herausgabe des Erlöses drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem sie Sache verwertet worden ist. Gemäß § 42 Abs. 3 S. 3 HSOG tritt der Erlös an die Stelle der verwerteten Sache, wobei die Verwertung unter den Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 HSOG zulässig ist. Die Verwertung kann gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 4 HSOG erfolgen, wenn eine sichergestellte Sache nicht binnen Jahresfrist an eine berechtigte Person herausgegeben werden kann, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden. Der Erlös wird gemäß § 42 Abs. 3 S. 1 HSOG durch öffentliche Versteigerung erzielt. Diese Regelungen über die Verwertung haben also sichergestellte Gegenstände im Blick, mit deren Verwahrung die Polizeibehörden nur einen begrenzten Zeitraum befasst sein sollen, bevor sie durch Versteigerung zu Geld gemacht werden, welches sodann ohne weiteren Aufwand für den Berechtigten drei weitere Jahre bereit gehalten werden kann. Da im vorliegenden Fall aber keine Sache, sondern Buchgeld sichergestellt worden ist, war eine Verwertung weder notwendig noch möglich. Es war für die Dauer von drei Jahren zu verwahren, was mit der Einzahlung auf das Verwahrkonto der Polizei im Zuge der Sicherstellung auch erfolgt ist. Folglich begann die Dreijahresfrist für den Erlösherausgabeanspruch bereits mit Ablauf des Jahres der Sicherstellung, also mit Ablauf des Jahres 2013, und ist infolgedessen am 31.12.2016 abgelaufen ist (ebenso Hess. VGH, Beschl. v. 22.12.2014 - 8 B 1294/14 -).

Darüber hinaus kann die Sicherstellung nicht länger aufrechterhalten werden. Da das Ziel der Sicherstellung, die Wahrung des Interesses des Eigentümers, nicht mehr erreicht werden kann, widerspricht die Sicherstellung nach diesem Zeitpunkt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 4 Abs. 3 HSOG).

Diese zeitliche Beschränkung der Dauer der Sicherstellung nach § 40 Nr. 2 HSOG unter Anknüpfung an das Fortbestehen des Erlösherausgabeanspruchs dient der Rechtssicherheit, da somit vom Gesetzgeber eine klare Regelung getroffen wurde, wie lange eine Sicherstellung als verhältnismäßig im Sinne des § 4 HSOG anzusehen ist. Letztlich kann die präventiv-polizeiliche Sicherstellung nur vorübergehender Natur sein. Sie kann nicht dazu dienen, im Wege einer dauerhaften Maßnahme die strafprozessualen Regelungen der Gewinnabschöpfung nach §§ 73 ff. StGB zu umgehen (ebenso bereits VG Darmstadt, Beschl. v. 02.07.2014 - 3 L 1923/13.DA). Vielmehr sind, sobald die Voraussetzungen der Sicherstellung weggefallen sind, nach der gesetzlichen Wertung die ursprünglichen Verhältnisse wieder herzustellen und der Gegenstand der Sicherstellung fällt an den letzten Inhaber zurück.

Im Übrigen sprechen die Umstände des vorliegenden Falls dafür, dass die Rückgabe an einen Berechtigten zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht mehr realisiert werden kann und damit auch rein tatsächlich dessen Schutz nicht mehr angezeigt ist. Die Sicherstellung basierte auf der Annahme des LKA, dass es sich nicht um Geld der Klägerin oder deren Familie handelt, sondern um Gelder des Herrn X, die er im Zuge von Rauschgiftgeschäften erlangt und die der Geschäftspartner des Bruders der Klägerin, Herr Y, für den Herrn X gewaschen haben soll. Im Raum stand also nicht ein unbekannter Berechtigter, den es noch zu ermitteln galt. Wohl deswegen sind auch bislang keine weiteren Bemühungen unternommen worden, einen Berechtigten ausfindig zu machen, wie etwa die Veröffentlichung der Suche im Staatsanzeiger. Das LKA geht nach seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung selbst davon aus, dass sich wegen des Geldes kein Berechtigter mehr melden werde, da jedenfalls Herr X selbst wegen des gegen ihn verhängten dinglichen Arrestes keine Ansprüche geltend machen werde, was auch realistisch erscheint.

Ansonsten kann die Sicherstellung auch nicht auf § 40 Nr. 4 HSOG gestützt werden, denn es liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die die Annahme rechtfertigen, dass das Geld zur Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gebraucht oder verwendet werden soll. An den Nachweis der beabsichtigten Verwendung sind hohe Anforderungen zu stellen, insbesondere reicht es nicht aus, dass die bloße Möglichkeit eines strafbaren Verhaltens besteht (VG Darmstadt, Beschl. v. 02.07.2014 - 3 L 1923/13.DA - und Hess. VGH, Beschl. v. 22.12.2014 - 8 B 1294/14 -).

Eine konkrete Verwendungsabsicht des Geldes für strafbare Zwecke kann hier nicht nachgewiesen werden. Dies gilt erst recht unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin vom Amtsgericht Groß-Gerau am 28.05.2013 von dem Vorwurf der Geldwäsche freigesprochen worden ist und damit die Begehung dieses Straftatbestands durch die Klägerin nicht mehr im Raum steht.

Auch ist die Herausgabe nicht durch § 43 Abs. 1 S. 3 HSOG ausgeschlossen. Danach wäre die Herausgabe an die Klägerin nicht möglich, wenn dadurch erneut die Voraussetzungen der Sicherstellung eintreten würden. Kann die Sicherstellung aber wegen des Fristablauf und der tatsächlichen Umstände nicht mehr dem Schutz eines Berechtigten dienen, würden die Voraussetzungen des § 40 Nr. 2 HSOG bei der Herausgabe des Geldes an die Klägern nicht erneut eintreten.

Da die Voraussetzungen der Sicherstellung weggefallen sind, ist das Geld an die Klägerin als letzte Inhaberin herauszugeben. Der Beklagte kann der Klägerin auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass eine Herausgabe nicht möglich sei, da sie nach wie vor nicht die Berechtigte sei und nur an einen Berechtigten herausgegeben werden könne. Wie bereits oben ausgeführt, konnte ein Berechtigter seit der Sicherstellung im Jahre 2013, der bereits eine Beschlagnahme im Jahre 2008 vorausging, nicht ermittelt werden und es ist auch von den tatsächlichen Umständen her eher fernliegend, dass sich dieser noch melden wird. Konnte aber ein anderweitiger Berechtigter in der gesamten Zeit nicht gefunden werden, lebt die Vermutung, dass der ursprüngliche Inhaber der tatsächlichen Gewalt auch der Berechtigte ist, grundsätzlich wieder auf. Dies entspricht jedenfalls der gesetzlichen Wertung des § 43 Abs. 1 S. 1 HSOG, der die Herausgabe an die Person, bei der sichergestellt worden ist, vorsieht.

Daher kann im vorliegenden Fall auch dahinstehen, ob § 43 Abs. 1 S. 1 HSOG dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass die Herausgabe nicht an einen offensichtlich Nichtberechtigten erfolgen kann (für eine solche einschränkende Auslegung Bay. VGH, Urt. v. 15.11.2016 -10 BV 15.1049 -, juris, wobei es um die Herausgabe von Schmuckstücken an den vermeintlichen Hehler ging, so dass die Voraussetzungen des § 40 Nr. 2 HSOG bei der Herausgabe an diesen erneut eingetreten wären und dessen Herausgabeverlangen deswegen als rechtsmissbräuchlich angesehen wurde), denn die Nichtberechtigung der Klägerin ist nicht erwiesen. Letztlich konnte im Laufe der Jahre nicht geklärt werden, woher das sichergestellte Geld tatsächlich stammt, weshalb die Eigentumsvermutung nunmehr für die Klägerin als letzte Besitzerin spricht. Zwar liegen in der Tat auch nach der mündlichen Verhandlung zahlreiche Anhaltspunkte dafür vor, dass die 150.000 € nicht wie von der Klägerin behauptet, zu einem Teil (in Höhe von 80.360 €) aus einem Goldverkauf ihres Vaters aus der Türkei und zu einem anderen Teil (69.640 €) aus dem Betrieb des Wettbüros des Bruders stammen. Jedoch ist auch nicht belegt, dass das Geld insgesamt oder zu Teilen aus Drogengeschäften des X herrührt, wenn auch Indizien hierfür sprechen mögen. Daher kann die Berechtigung der Klägerin nicht dauerhaft als widerlegt gelten.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO i. V. m. § 709 ZPO. § 167 Abs. 2 VwGO findet im Falle einer Leistungsklage keine Anwendung.

RechtsgebietHSOGVorschriftenHSOG § 40 Nr. 2; HSOG § 40 Nr 4; HSOG § 43 Abs 1 S 1; HSOG § 43 Abs 2 S 3

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr