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26.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199201

Landesarbeitsgericht Sachsen: Beschluss vom 19.10.2017 – 4 Ta 81/16 (9)

Eine Berücksichtigung ersparter häuslicher Aufwendungen ist nur bei der pauschal versteuerten Vergütung für Verpflegungsmehraufwand i.S. § 40 II S. 1 Nr. 4 EStG vorzunehmen und zwar in Höhe eines Drittels der gewährten Vergütung (vgl. LAG Hamm v. 08.09.14 - 14 Ta 352/14 - zitiert in juris).


Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors beim Sächsischen Landesarbeitsgericht gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 11.02.2016 - 1 Ca 365/16 - in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 22.03.2016 - 1 Ca 365/16 - wird

z u r ü c k g e w i e s e n

und der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.02.2016 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 22.03.2016 - 1 Ca 365/16 - zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

1. Dem Kläger wird für das Klageverfahren erster Instanz ab 04.02.2016 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

2. Der Kläger hat auf die bewilligte Prozesskostenhilfe monatliche Raten in Höhe von 31,00 € auf die Prozesskosten zu zahlen.

3. Eine Beschwerdegebühr war nicht zu erheben.



Gründe



I.



Mit der Beschwerde wendet sich der Bezirksrevisor beim Sächsischen Landesarbeitsgericht gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.02.2016 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 22.03.2016, in dem dem Kläger eine monatliche Ratenzahlungspflicht in Höhe von 31,00 € auferlegt wurde. Der Verpflegungsmehraufwand des Klägers wurde dabei bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens des Klägers nicht angerechnet.



Mit Beschluss vom 11.02.2016 gewährte das Arbeitsgericht Leipzig zunächst dem Kläger ab dem 04.02.2016 Prozesskostenhilfe. Eine Ratenzahlungsanordnung erfolgte nicht.



Hiergegen legte der Bezirksrevisor beim Sächsischen Landesarbeitsgericht namens der Staatskasse am 19.02.2016 Beschwerde ein mit dem Antrag, Monatsraten in Höhe von 132,00 € festzusetzen und führt zur Begründung aus, da der Kläger monatliche Spesen in Höhe von durchschnittlich 201,00 € erhalte, seien diese als Einkommen zu berücksichtigen.



Mit Beschluss vom 22.03.2016 half das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde dahingehend ab, dass es nunmehr eine Ratenzahlungspflicht des Klägers in Höhe von 31,00 € anordnete und der weitergehenden Beschwerde im Übrigen nicht abhalf und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht vorlegte.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt nebst Anlagen verwiesen.



II.



1. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 3 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Die in Abänderung der ursprünglichen Bewilligung vom 11.02.2016 erfolgte Anordnung einer Ratenzahlung ist zwar zu Unrecht erfolgt, soweit durch die angefochtene Entscheidung eine monatliche Rate in Höhe von 31,00 € für die Zahlung der in der ersten Instanz entstandenen Kosten festgesetzt wurde. Vorliegend wäre jedoch eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 65,00 € festzusetzen. Da jedoch im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren das Verschlechterungsver- bot gilt, muss es bei der vom Arbeitsgericht festgesetzten Rate in Höhe von 31,00 € verbleiben (vgl. statt vieler: Beschluss vom 30.09.2014 - 4 Ta 209/14 -). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sind Verpflegungszuschüsse (Spesen, Auslöse) zu einem Drittel anrechnungsfähiges Einkommen i. S. d. § 115 I ZPO.



Das Sächsische Landesarbeitsgericht hält nach nunmehriger Überprüfung an seiner bisherigen Rechtsprechung der Berücksichtigung der Spesenzahlung als Einkommen nicht weiter fest. Vielmehr können nach der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe vom 24.09.2003 - 18 WF 161/02 - und des LAG Hamm vom 08.09.2014 - 14 Ta 352/14 -, beide zitiert in Juris, denen sich auch die Beschwerdekammer anschließt, wenn ein Arbeitnehmer (hier: Kraftfahrer) von seinem Arbeitgeber eine monatliche Aufwandsentschädigung ("Spesen", "Fahrgeld", "Auslösungen") erhält, die entsprechend bezahlten Beträge pauschaliert auf ein Drittel des monatlichen Durchschnittsbetrages als Einkommen i. S. d. § 115 Abs. 1 ZPO angerechnet werden, denn insoweit kann eine Ersparnis häuslicher Kosten angenommen werden.



a) Es ist streitig, ob bei der Berechnung des Einkommens Aufwandsentschädigungen wie Fahrtkostenerstattungen, Spesen oder Auslandszulagen als Einkommen anzusehen sind (vgl. LAG Hamm 07.02.2011 - 14 Ta 28/11 - n. v.; LAG Sachsen-Anhalt 07.09.2011 - 2 Ta 124/11 -, Juris; OLG Karlsruhe 24.09.2003 - 18 WF 161/02 -, FamRZ 2004, 645; a. A. LAG Köln 15.01.2009 - 5 Ta 534/08 -, Juris; LAG Schleswig-Holstein 15.11.2012 - 5 Ta 189/12 -). Allerdings werden solche Aufwandsentschädigungen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII wiederum als Abzugsposten berücksichtigt (vgl. Bütt- ner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess-u. Verfahrenskostenhilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 219), wobei streitig ist, ob dieser Abzug in voller Höhe (so LAG Hamm a. a. O.) zu erfolgen hat oder Aufwandsentschädigung (nur) zu einem Drittel für ersparte häusliche Aufwendungen als Einkommen zu berücksichtigen sind (so LAG Sachsen-Anhalt a. a. O.; OLG Karlsruhe a. a. O.). Jedenfalls ist nur ein evtl. Überschuss anzurechnen (Bütter/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck a. a. O.). Einer besonderen Geltendmachung des Verpflegungsmehraufwandes als Werbungskosten bedarf es im Prozesskostenhilfe-Bewilligungsverfahren bei der tatsächlichen Gewährung von Aufwandsentschädigungen im Rahmen der steuerlich anerkannten Pauschalsätze nicht. Der tatsächliche Anfall von Mehraufwand aufgrund wechselnder Einsatzstellen und besonderer Arbeitszeiten ist Voraussetzung für ihre Gewährung. Soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte konkret ersichtlich sind, wird in der Praxis davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber sie nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung der antragstellenden Partei gewährt (vgl. hierzu LAG Hamm, LAG Sachsen-Anhalt, LAG Schleswig-Holstein, OLG Karlsruhe, a. a. O.).



Hinsichtlich der nach § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 4 a EStG steuerfreien Vergütungen ist es unerheblich, ob diese als Einkommen i. S. d. § 115 Abs. 1 ZPO berücksichtigt werden oder nicht. Bei einer Anrechnung als Einkommen muss gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII der ihrer Gewährung zugrunde liegende Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten nach § 9 Abs. 4 a EStG in Höhe der dort vorgesehenen Pauschalsätze wieder abgezogen werden. Ein Abzug für ersparte häusliche Aufwendungen ist nicht vorzunehmen.



b) Das Landesarbeitsgericht Hamm a. a. O. führt insoweit in seiner Entscheidung vom 08.09.2014, der sich - wie gesagt - die Beschwerdekammer anschließt, aus:



"Die Erstattung der Verpflegungsmehraufwendungen ist in diesen Fällen deshalb steuerfrei, weil sie den Mehraufwand abdeckt, der durch die Tätigkeit der Partei an wechselnden Einsatzstellen und aufgrund besonderer Arbeitszeiten entstehen. Der Grund für die Steuerfreiheit liegt gerade darin, dass es sich um zusätzlichen arbeitsbedingten Aufwand handelt (vgl. LAG Köln 15.01.2009 - 5 Ta 534/08 -, Juris). Dabei ist in den steuerfreien Sätzen des § 9 Abs. 4 a EStG bereits berücksichtigt, dass der betreffende Arbeitnehmer, der berufsbedingt auswärts tätig ist und deshalb auf eine auswärtige Verpflegung angewiesen ist, in gewissem Umfang häusliche Ersparnisse hat. Steuerfrei sind nur die vorgegebenen Sätze und nicht der tatsächlich in den auswärtigen Gaststätten oder Imbissen getätigte Verpflegungsauf- wand. Folglich bezieht sich die Steuerfreiheit auch nur auf den Verpflegungsmehr- aufwand (vgl. LAG Schleswig-Holstein 15.11.2012 - 5 Ta 189/12 -, Juris). Auf die unterhaltsrechtliche Beurteilung kommt es insoweit nicht an (so zu Unrecht LAG Sachsen-Anhalt 07.09.2011 - 2 Ta 124/11 -, Juris)".



Die Beschwerdekammer hält auch unter Berücksichtigung der Einwendungen des Bezirksrevisors vom 12.05.2016 bzw. vom 20.12.2016 und in Anlehnung an die Entscheidungen des LAG Schleswig-Holstein vom 15.11.2012 - 5 Sa 189/12 - und des LAG Nürnberg vom 30.06.2016 - 7 Ta 75/16 - und unter Bezugnahme auf die dortigen Ausführungen, denen sich die Beschwerdekammer hier anschließt, die Änderung der bisherigen Rechtsprechung deshalb für sachgerecht, weil Zielsetzung des Aufwendungsersatzes nicht die Vermehrung des Einkommens des Arbeitnehmers, sondern Sinn und Zweck vielmehr der Ersatz der beim Arbeitnehmer anfallenden Aufwendungen, nicht die Verschaffung eines weiteren Einkommens ist.



Die bisherige Rechtsprechung der Beschwerdekammer mag zwar vertretbar gewesen sein, führte jedoch in der Praxis zu keiner praktikablen Lösung, wenn der Arbeitnehmer seinen Verpflegungsmehraufwand konkret darlegen musste - wollte er die Nichtberücksichtigung bei seinem Einkommen erreichen, während er demgegenüber nach der Rechtsprechung des LAG Hamm a. a. O. und des OLG Karlsruhe a. a. O. lediglich den des pauschalierten Mehraufwandes von einem Drittel übersteigenden Zwei-Drittel-Mehraufwand konkret darzulegen hat.



c) Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, den durch die pauschal versteuerte Vergütung gewährten Aufwendungsersatz entweder nur begrenzt als Einkommen anzurechnen oder bei einer vollen Berücksichtigung als Einkommen den zugrunde liegenden Verpflegungsmehraufwand nicht wie bei der steuerfreien Zahlung nach § 3 Nr. 16, § 9 abs. 4 a EStG in gleicher Höhe als anrechenbar i. S. d. § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII zu berücksichtigen. Vielmehr ist von ersparten häuslichen Aufwendungen für Verpflegung auszugehen. Soweit der Arbeitnehmer nicht einen höheren tatsächlichen Verpflegungsmehrauf- wand belegt, beträgt der dafür anzusetzende Betrag ein Drittel des gewährten Auf- wendungsersatzes (vgl. LAG Sachsen-Anhalt 07.09.2011 - 2 Ta 124/11 -, Juris; OLG Karlsruhe 24.09.2003 - 18 WF 161/02 -, FamRZ 2004, 645).



d) Daraus ergibt sich folgendes durchschnittliches Nettoeinkommen des Klägers:



Davon sind abzuziehen:



Es verbleibt ein Resteinkommen des Klägers in Höhe von 130,52 €, woraus sich aus der Tabelle zu § 115 ZPO eine Ratenhöhe in Höhe von abgerundet (§ 115 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO) von 65,00 € ergibt.



Da jedoch im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren das Verbot der reformatio in peus gilt (Verschlechterungsverbot), muss es bei den vom Arbeitsgericht festgesetzten Raten in Höhe von 31,00 € verbleiben.



Nach alledem war die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 11.02.2016 in Gestalt des Teilabhilfebeschlusses vom 22.03.2016 zurückzuweisen.



Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO).



Eine Beschwerdegebühr war nicht zu erheben (Nr. 8614 KVGKG).



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Vorschriften§ 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 3 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 u. 3 ZPO, § 115 I ZPO, § 115 Abs. 1 ZPO, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO, § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII, § 3 Nr. 16, § 9 Abs. 4 a EStG, § 9 abs. 4 a EStG, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. b ZPO, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO, § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO, § 115 ZPO, § 115 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO, §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 568 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO, Nr. 8614 KVGKG

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