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23.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199011

Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 10.01.2017 – 7 Sa 172/14


In dem Rechtsstreit

./.

- Klägerin, Berufungsklägerin und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigter:

./.

gegen

./.

- Beklagter, Berufungsbeklagter und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte/r:

./.

hat das Landesarbeitsgericht in Erfurt auf die mündliche Verhandlung vom 10.01.2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Brummer als Vorsitzenden und die Ehrenamtlichen Richter Volquardsen und Richter als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

A. Auf die Berufung beider Parteien und unter Zurückweisung beider Berufungen im Übrigen wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Suhl vom 22.05.2014, 5 Ca 1881/13, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab 01.01.2012 die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit (TV-BA) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden und der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.2012 eine Funktionsstufe 1 der Tätigkeitsebene IV zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu zahlen

- Vergütung für die Monate 12/2013 bis einschließlich 12/2015 in Höhe von 4.547,37 Euro brutto,

- Sonderzahlung für 2013 in Höhe von 147,07 Euro brutto,

- Sonderzahlung für 2014 in Höhe von 220,22 Euro brutto,

- Sonderzahlung für 2015 in Höhe von 280,49 Euro brutto.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

B. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin zu 70% zu tragen, der Beklagte zu 30%.

C. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten darüber, ob sich das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach dem von § 6 c Abs.1 S.1 SGB II angeordneten Übergang von der Bundesagentur für Arbeit (künftig: BA) auf den beklagten Landkreis weiterhin nach dem arbeitsvertraglich vereinbarten TV-BA bestimmt, und um Vergütung nach diesem Tarifvertrag. Hilfsweise geht es um die Eingruppierung nach dem TVöD/VKA.



Seit 01.07.1991 war die nicht tarifgebundene Klägerin bei der BA beschäftigt. Auf den zuletzt maßgeblichen Änderungsvertrag vom 12.06.2006 wird Bezug genommen (Bl.11/12 d. A.). Danach bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem TV-BA in der jeweils geltenden Fassung. Die Eingruppierung in die Tätigkeitsebene IV ist vereinbart.



Mit Schreiben der BA vom 30.04.2007 (Bl.13 d. A.) wurde der Klägerin ab 01.01.2007 die der Tätigkeitsebene IV zugeordnete Tätigkeit einer Arbeitsvermittlerin (U25/Ü 25) im Bereich SGB II in der ARGE Sch....-M...... übertragen. Neben dem Festgehalt nach Tätigkeitsebene IV erhielt sie für diese Tätigkeit als weiteren Gehaltsbestandteil die Funktionsstufe 1 und wegen späterer Übertragung der Abwesenheitsvertretung des Teamleiters im Bereich SGB II eine weitere Funktionsstufe 1. Ihr Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 3.818,80 Euro. Es setzte sich zusammen aus dem Festgehalt nach Tätigkeitsebene IV Entwicklungsstufe 6 in Höhe von 3.430,00 Euro und 2 Funktionsstufen 1 in Höhe von jeweils 194,40 Euro.



Anstelle der BA ist der Beklagte seit 01.01.2012 nach § 6 a SGB II zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende (sog .Optionskommune). Über den von § 6 c Abs.1 S.1 SGB II angeordneten Arbeitgeberwechsel zum Beklagten war die Klägerin unterrichtet.



Der Beklagte ist Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes und wendet den TVöD/VKA an. Er bot der Klägerin den Abschluss eines Arbeitsvertrages an, wonach sie am 01.01.2012 eingestellt wird. Das Arbeitsverhältnis sollte sich nach dem TVöD/VKA bestimmen mit Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 (Bl. 35/36 d. A.). Die Klägerin unterschrieb nicht. Sie setzte ihre bisherige Tätigkeit ab 01.01.2012 beim Beklagten im "Team Eingliederung in Arbeit II" unverändert fort. Im zweiten Rechtszug haben die Parteien klargestellt, dass die Klägerin wie bisher Schwerbehinderte und Rehabilitanden betreut, die bisher übertragene Abwesenheitsvertretung des Teamleiters aber weggefallen ist.



Wegen "zukünftiger Eingruppierung gemäß TVöD" widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 08.02.2012 (Bl. 182 bis 184 d. A.) einer "Rückstufung" in die Entgeltgruppe 8 und vertrat die Auffassung, dass sich die Eingruppierung nach § 6 c Abs. 5 S.1 SGB II nur zwischen den Entgeltgruppen 9 und 12 bewegen könne.



Der Beklagte bewertete die Tätigkeit ab 01.01.2012 nach Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVöD. Die Differenz zum letzten Bruttoentgelt bei der BA (3.818,80 Euro) wird nach § 6 c Abs.5 SGB II ausgeglichen. Auf die Eingruppierungsmitteilung vom 27.02.2013 wird Bezug genommen (Bl. 78/79 d. A.).



Mit Schreiben vom 21.06.2012 verlangte die Klägerin vergeblich die Entgeltgruppe 10 TVöD (Bl.186 d. A.). Sie beauftragte ihren Prozessvertreter, der mit Schreiben vom 29.10.2013 (Bl.60/61 d. A.) wiederum vergeblich die vertraglich vereinbarte Anwendung des TV-BA und die Nachzahlung der danach aufgelaufenen Vergütungsdifferenzen geltend machte. Am 06.12.2013 hat die Klägerin beim Arbeitsgericht Feststellungs- und Zahlungsklage eingereicht.



Parallel klagt die Klägerin mit Blick auf BAG vom 26.09.2013, 8 AZR 775/12 (A), vor dem Arbeitsgericht Suhl gegen die BA auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und Zahlung der Vergütung ab 01.01.2012 abzüglich anzurechnender Zahlungen des Beklagten. Dieser unter dem Aktenzeichen 4 Ca 964/14 geführte Rechtsstreit ist seit 17.06.2014 ausgesetzt.



Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der TV-BA in der jeweiligen Fassung sei aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme weiterhin anzuwenden. Danach sei sie nach Tätigkeitsebene IV Entwicklungsstufe 6 mit zwei Funktionsstufen 1 zu vergüten. Die von Januar 2012 bis November 2013 aufgelaufene Differenz beim Festgehalt in Höhe von 3.639,87 Euro brutto sowie die Differenz bei der Jahressonderzahlung für 2012 in Höhe von 870,68 Euro brutto und für 2013 in Höhe von 959,85 Euro brutto sei nachzuzahlen.



Die Klägerin hat beantragt,



1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.01.2012 weiterhin der TV-BA Anwendung findet und sie ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf eine Vergütung nach Tätigkeitsebene IV Stufe 6 mit zwei Funktionsstufen 1 gemäß § 20 TV-BA hat.



hilfsweise festzustellen, dass sie ab Januar 2012 in die Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TVöD gemäß Anlage 1 zum TVÜ-VKA eingruppiert ist.



2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.470,40 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2013 zu zahlen.



Der Beklagte hat beantragt,



die Klage abzuweisen.



Er hat die Auffassung vertreten, das nach § 6 c Abs.1 SGB II übergegangene Arbeitsverhältnis richte sich gemäß § 6 c Abs.3 S.3 SGB II ausschließlich nach dem TVöD. Danach sei die Klägerin richtig eingruppiert. Die gesetzlich angeordnete Umstellung der Arbeitsbedingungen auf den TVöD sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Sollte der TV-BA doch anwendbar sein, habe die Klägerin daraus resultierende Entgeltansprüche erst mit Schreiben vom 15.10.2013 geltend, womit die Ausschlussfrist nach § 39 TV-BA greife.



Mit Urteil vom 22.05.2014 hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben und den Beklagten unter Abweisung im Übrigen zur Zahlung von 2.696,25 Euro brutto nebst verlangter Zinsen verurteilt Zur Begründung ist ausgeführt, der Arbeitsvertrag vom 12.06.2006 verweise unbedingt zeitdynamisch auf den TV-BA in der jeweils geltenden Fassung. Diese arbeitsvertraglich vereinbarte Tarifgeltung werde durch § 6 c Abs.3 S.3 SGB II nicht verdrängt. Mit dem LAG Berlin-Brandenburg vom 20.06.2013, 26 Sa 349/13, sei die Vorschrift verfassungskonform dahin auszulegen, dass in arbeitsvertragliche Arbeitsbedingungen nicht eingegriffen werde. Die Klägerin habe die der Höhe nach unstreitigen Entgeltansprüche aber erst mit Anwaltsschreiben vom 29.10.2013 geltend gemacht. Damit sei der Anspruch auf das monatliche Festgehalt bis einschließlich März 2013 und der Anspruch auf die Sonderzahlung für 2012 nach § 39 TV-BA verfallen. Geschuldet sei die monatliche Differenzvergütung von April 2013 bis November 2013 in Höhe von 1.736,40 Euro brutto und die Differenz bezüglich der Sonderzahlung für 2013 in Höhe von 959,85 Euro brutto, insgesamt also 2.696,25 Euro brutto.



Mit dem jeweils am 16.06.2014 zugestellten Urteil sind beide Parteien nicht einverstanden. Die Klägerin hat am 26.06.2014 Berufung eingelegt und nach Fristverlängerung zum 16.09.2014 am 16.09.2014 begründet, der Beklagte hat am 16.07.2014 Berufung eingelegt und nach Fristverlängerung zum 16.09.2014 am 15.09.2014 begründet.



Der Berufung des Beklagten rügt, die Klage könne schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Klägerin im Rechtsstreit gegen die BA den von § 6 c Abs. 1 S.1 SGB II angeordneten Übergang ihres Arbeitsverhältnisses gerade in Abrede stelle. Jedenfalls verkenne das Arbeitsgericht § 6 c Abs.3 S.3 SGB II, wonach sich das übergegangene Arbeitsverhältnis ausschließlich nach den beim neuen Träger geltenden tariflichen Regelungen richte. Anzuwenden sei also das Tarifregime des TVöD/VKA. Der Wortlaut der Norm sei eindeutig. Für eine verfassungskonforme Auslegung sei kein Raum. Falls das Gericht die Norm für verfassungswidrig halte, müsse es die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegen. § 6 c Abs.3 S.3 SGB II sei verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden. Gewollt sei die verfassungsrechtlich gewünschte Gleichbehandlung der Arbeitnehmer der Optionskommune. Die in den Dienst der Optionskommune übergetretenen Arbeitnehmer würden dadurch nicht benachteiligt. Ihr Besitzstand im Zeitpunkt des Übertrittes werde durch die Ausgleichszahlung nach § 6 c Abs.5 S.3 SGB II geschützt. Dagegen verletze die vom Arbeitsgericht festgestellte dynamische Anwendbarkeit des TV-BA die negative Koalitionsfreiheit des Beklagten und verstoße gegen Europarecht, weil er an Tarifverträge gebunden werde, auf die er keinen Einfluss habe. Der Beklagte schulde damit keine Vergütung nach dem TV-BA. Im Übrigen stünden der Klägerin auch bei Anwendbarkeit des TV-BA die zwei Funktionsstufen 1 nicht zu.



Die Berufung des Beklagten beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichtes Suhl vom 22.05.2014, 5 Ca 1881/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.



Die Klägerin beantragt,



die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.



Sie verteidigt die Klagestattgabe und meint ergänzend, trotz Wegfalls der Abwesenheitsvertretung stehe ihr die entsprechende Funktionsstufe 1 schadensersatzrechtlich weiter zu, weil der Beklagte die Pflicht zur Übertragung einer tarifrechtlich gleichwertigen Tätigkeit gemäß § 6 c Abs.5 S.1 und 2 SGB II verletzt habe. Allerdings habe sie sich bei der Sonderzahlung für 2013 verrechnet. Geschuldet seien lediglich 147,07 Euro brutto.



Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Klageabweisung und verlangt klageerweiternd die Differenz zum Festgehalt nach Tätigkeitsebene IV Entwicklungsstufe 6 mit zwei Funktionsstufen TV-BA für die Monate Dezember 2013 bis einschließlich Dezember 2015 sowie die Differenz bei der Sonderzahlung für 2014 und 2015. Mit weiterer Klagerweiterung will sie auf Grundlage der Arbeitszeit nach dem TV-BA hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Überstundenvergütung festgestellt haben. Weitere Hilfsanträge werden für den Fall gestellt, dass der TV-BA auf das Arbeitsverhältnis nicht anwendbar ist.



Die Berufung der Klägerin rügt, fehlerhaft habe das Arbeitsgericht die Klage wegen § 39 TV-BA teilweise abgewiesen. Die im Zeitraum Januar 2012 bis einschließlich März 2013 fälligen Klageansprüche seien mit Schreiben vom 08.02.2012 in Verbindung mit dem Schreiben vom 21.06.2012 rechtzeitig geltend gemacht worden. Allerdings betrage die Differenz bei der Sonderzahlung für 2012 nur 80,19 Euro brutto. Wegen Anwendbarkeit des TV-BA seien auch die klagerweiternd verlangte Differenz beim Festgehalt entsprechend ihrer Aufstellung geschuldet und ebenso die Differenz bei der Jahressonderzahlung für 2014 in Höhe von 220,22 Euro brutto und für 2015 in Höhe von 280,49 Euro brutto. Sollte der TVöD anwendbar sein, müsse die Klägerin nach § 6 c Abs.5 SGB II tarifrechtlich gleichwertig beschäftigt werden. Gleichwertig sei die Entgeltgruppe 10 Stufe 6 und nicht die Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVöD/VKA, womit wegen Verstoßes gegen § 6 c Abs.5 SGB II Schadensersatz zu leisten, jedenfalls aber entsprechend einzugruppieren sei.



Die Berufung der Klägerin beantragt,



1. das Urteil des Arbeitsgerichtes Suhl vom 22.05.2014 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 11.486,07 Euro brutto sowie Zinsen aus



- 1.170,88 Euro seit 01.01.2014,



- aus 4.625,85 Euro seit 01.01.2015,



- aus 5.986,00 Euro seit 01.01.2016



zu zahlen.



2. Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht durch den Feststellungsantrag Nr.1 aus der Klageschrift die Verjährung diesbezüglich nicht gehemmt erachtet, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die Zeit beginnend ab 1.1.2 bis 31.12.2013 die Überstundenvergütung zu zahlen, die aufgrund der für die Klägerin gem. § 6 Abs.1 S.1 TV-BA geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden mit Hinblick auf die beim Beklagten zu erbringende wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden angefallen ist.



2. Hilfsweise für den Fall, dass der Antrag auf Feststellung der Fortgeltung des TV-BA ab 01.01.2012 abgewiesen werden sollte, den Beklagte zu verurteilen, die Klägerin durch Zahlung von Schadensersatz in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen der Vergütung nach Entgeltgruppe 10 Stufe 6 gem. Anlage 1 zum TVÜ-VKA und der gezahlten Vergütung ab Januar 2012 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses so zu stellen, als sei sie in die Entgeltgruppe 10 Stufe 6 gem. Anlage 1 zum TVÜ-VKA eingruppiert.



3. Höchst hilfsweise für den Fall, dass der Schadensersatzfeststellungsantrag abgewiesen werden sollte, festzustellen, dass die Klägerin ab Januar 2012 in der Entgeltgruppe 10 Stufe 6 zum TVÜ-VKA eingruppiert ist auf Grundlage der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a gemäß Anlage 1 a zur allgemeinen Vergütungsordnung (VKA) BAT.



Der Beklagte beantragt,



die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.



Er verteidigt die teilweise Klageabweisung und meint, wegen Nichtanwendbarkeit des TV-BA seien auch die klagerweiternd verlangten Vergütungsdifferenzen zum TV-BA nicht geschuldet, jedenfalls bestehe auch bei Anwendbarkeit des TV-BA kein Anspruch auf die zwei Funktionsstufen 1. Der TVöD werde gesetzeskonform angewendet, womit der hilfsweise verlangte Schadensersatz ausscheide. Die weiter hilfsweise Eingruppierungsfeststellungsklage sei unschlüssig.



Ergänzend wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



A. Die Berufung des Beklagten ist zum Teil begründet und im Übrigen zurückzuweisen.



I. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der TV -BA auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab 01.01.2012 Anwendung findet.



1. Der Antrag auf Feststellung der Anwendbarkeit des TV-BA ab 01.01.2012 - gemeint ist: in der jeweiligen Fassung - ist als sog. Elementenfeststellungsklage nach § 256 ZPO zulässig. Mit dem Feststellungsbegehren kann der Streit der Parteien über Grund und Umfang der Leistungspflichten, die sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag ergeben, geklärt werden (BAG v. 22.12.12, 4 AZR 579/10, AP Nr.110 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag). Das Feststellungsinteresse fehlt nicht deshalb, weil die Klägerin gegenüber der BA den gesetzlich angeordneten Arbeitgeberwechsel zum Beklagten aus Verfassungsgründen angreift. Eine Entscheidung des BVerfG auf Vorlage des BAG v. 26.09.13, 8 AZR 775/12 (A) (AP Nr.1 zu § 6 c SGB II) steht aus. Jedenfalls bis dahin ist für die Zeit der Beschäftigung von beiden Parteien ein Arbeitsverhältnis gewollt. Streitig ist nur, ob der TV-BA oder der TVöD/VKA anzuwenden ist (vgl. BAG v. 16.4.15, 6 AZR 142/14, Rz 15, BAGE 151, 263).



2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der TV-BA ist seit 01.01.2012 in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis anwendbar.



a. Die mit Änderungsvertrag vom 12.06.2006 - also nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.01.2002 - vereinbarte Bezugnahmeklausel ist nach ihrem eindeutigen Wortlaut eine unbedingte zeitdynamische Verweisung (BAG v. 22.10.08, 4 AZR 793/07, BAGE 128, 185), wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen TV-BA in der jeweils geltenden Fassung ist nicht zur auflösenden Bedingung gemacht worden.



b. Das Arbeitsgericht hat richtig erkannt, dass der als Vertragsrecht geltende TV-BA nach dem Arbeitgeberwechsel auf den Beklagten gemäß § 6 c Abs.3 S.2 SGB II weiter anzuwenden ist und nicht gemäß § 6 c Abs.3 S.3 SGB II vom TVöD/VKA ersetzt wird.



aa. Nach § 6 c Abs.3 S. 2 SGB II tritt der neue Träger in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übertrittes bestehenden Arbeitsverhältnisses ein, allerdings unbeschadet des Satzes 3. Nach Satz 3 sind vom Zeitpunkt des Übertrittes an die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des neuen Trägers geltenden Tarifverträge ausschließlich anzuwenden, in der Sache also der TVöD/VKA. Streitig ist, ob Satz 3 auch dann greift, wenn der TV-BA als Vertragsrecht anzuwenden war (bejahend: LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 26.9.13, 2 Sa 98/13, juris; LAG Sachsen v. 21.5.14, 2 Sa 693/13, juris; verneinend: LAG Berlin-Brandenburg vom 20.6.13, 26 Sa 349/13, juris; LAG Sachsen v. 19.4.16, 3 Sa 45/16, juris; LAG Thüringen v. 20.12.16, 1 Sa 41/16, juris).



bb. Der Beklagte versteht § 6 c Abs.3 S. 3 SGB II so, dass der TV-BA vom TVöD/VKA unabhängig davon ersetzt wird, ob er im Arbeitsverhältnis mit der BA normativ oder vertragsrechtlich galt. Bei der hier interessierenden vertragsrechtlichen Geltung greift § 6 Abs. 3 S.3 SGB II nach diesem Normverständnis in den fortgeltenden Arbeitsvertrag ein und ersetzt den dort privatautonom vereinbarten TV-BA durch den gesetzlich verordneten TVöD/VKA. Das ist verfassungsrechtlich nicht gedeckt. Die Vertragsfreiheit wird von Art. 2 Abs.1 GG gewährleistet. Ein Eingriff in die Privatautonomie muss erforderlich und verhältnismäßig sein. Mit dem von § 6 c Abs.1 S.1 SGB II angeordneten Arbeitgeberwechsel soll die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung durch personelle Kontinuität gewährleistet werden ("Personal folgt Aufgabe"). Dafür ist es nicht erforderlich, mit dem von § 6 c Abs. 3 S. 3 angeordneten Tarifwechsel verschlechternd in bestehende Arbeitsverträge einzugreifen. Die Ausgleichszulage nach § 6 c Abs.5 SGB II ist keine ausreichende Kompensation. Sie knüpft statisch an den Zeitpunkt des Arbeitgeberwechsels an und schneidet die vereinbarte dynamische Entwicklung des TV-BA ab. Das Interesse der Optionskommune an der Gleichbehandlung ihrer Mitarbeiter rechtfertigt den Eingriff nicht. Arbeitsvertraglich ist gerade keine Gleichstellungsabrede vereinbart.



cc. Mit dem Arbeitsgericht kann § 6 c Abs.3 S.3 SGB II verfassungskonform dahin ausgelegt werden, dass die Anwendbarkeit des TV-BA kraft Vertragsrechtes nicht ausgeschlossen ist. Zwar rügt der Beklagte, der eindeutige Wortlaut ("ausschließlich") stehe dieser Auslegung entgegen, weshalb das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des BVerfG eingeholt werden müsse. Nach dem Wortlaut ist aber nicht hinreichend deutlich, ob der gesetzlich angeordnete Tarifwechsel in Vertragsrecht überhaupt eingreifen wollte (ebenso LAG Thüringen v. 20.12.16, a.a.O.). Der TV-BA (als Haustarifvertrag) und der TVöD (als Flächentarifvertrag) sind von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen. Für Gewerkschaftsmitglieder wird der normativ geltende TV-BA also nach § 3 Abs.1 TVG vom normativ geltenden TVöD/VKA abgelöst. § 6 c Abs. 3 S. 3 SGB II hat für normativ gebundene Arbeitnehmer klarstellende Funktion.



dd. Der Beklagte sieht durch die verfassungskonforme Auslegung seine negative Koalitionsfreiheit verletzt. Er übersieht, dass es um die Anwendung des TV-BA als Vertragsrecht geht. Auch Unionsrecht ist nicht verletzt. Der Anwendungsbereich der Richtlinie 2001/23/EG ist nicht eröffnet (BAG v. 16.04.15, 6 AZR 142/14, a.a.O.). Die vom Beklagten angezogene Entscheidung des EuGH v. 18.7.13 (C-426/11 Alemo-Herron) ist damit nicht einschlägig.



II. Das Arbeitsgericht hat antragsgemäß weiter festgestellt, dass die Klägerin nach dem TV-BA Anspruch auf Vergütung nach Tätigkeitsebene IV Stufe 6 mit zwei Funktionsstufen 1 hat. Das ist auf Grundlage des neuen Sachstandes im Berufungsverfahren teilweise zu korrigieren.



1. Die Eingruppierung in die Tätigkeitsebene IV Entwicklungsstufe 6 TV-BA stellt der Beklagte nicht in Frage. Er bestreitet aber zweitinstanzlich, dass der Kläger nach dem Arbeitgeberwechsel weiterhin zwei Funktionsstufen 1 zustehen.



2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fortzahlung der Funktionsstufe 1 für die Abwesenheitsvertretung, die ihr nach dem Arbeitgeberwechsel nicht mehr übertragen ist (§ 20 Abs. 5 TV-BA). Sie meint, ihr stehe diese Funktionsstufe 1 aus Schadensersatzgründen nach wie vor zu, weil der Beklagte mit Wegfall der Abwesenheitsvertretung § 6 c Abs.5 S.1 und 2 SGB II verletzt habe. Das ist zu weit hergeholt. Weder aus der angezogenen Vorschrift noch aus § 20 TV-BA ergibt sich ein Anspruch auf Beibehaltung einer Abwesenheitsvertretung.



3. Die seit 2007 gewährte Funktionsstufe 1 für die Tätigkeit als Arbeitsvermittlerin ist mit dem Arbeitgeberwechsel nicht weggefallen. Nach wie vor betreut die Klägerin schwerbehinderte Menschen und Rehabilitanten. An der Tätigkeit hat sich nichts geändert. Nach § 20 TV-BA i. V. m. Nr. 32 der Zuordnungstabelle für die Agenturen für Arbeit (Anlage 1.1 zum TV-BA), die auch für den Rechtskreis SGB II (Gemeinsame Einrichtungen) gilt (Vorbemerkung Nr. 2 der Anlage 1.10 zum TV-BA), erhält die Arbeitsvermittlerin in Reha/SB mit Beratungsaufgaben die Funktionsstufe 1.



III. Die Verurteilung zur Nachzahlung im Zeitraum April bis November 2013 aufgelaufener Vergütungsdifferenzen zum TV-BA ist wegen Wegfalls einer Funktionsstufe 1 zu korrigieren.



1. Die Höhe der Differenz beim Festgehalt für die Monate April 2013 bis einschließlich November 2013 ergibt sich aus dem Zahlenwerk der Klägerin, das der Beklagte nicht angreift. Das Arbeitsgericht hat die verlangten 1.736,40 Euro brutto deshalb zugesprochen. Geschuldet ist aber nur eine der zwei dort angesetzten Funktionsstufen 1. Nach Herausrechnung einer Funktionsstufe 1 bleiben 92,80 Euro brutto.



2. Auch die Höhe der vom Arbeitsgericht zugesprochenen Differenz bei der nach § 22 TV-BA geschuldeten Jahressonderzahlung für 2013 war unstreitig. Das Arbeitsgericht hat die verlangten 959,85 Euro brutto deshalb zugesprochen. Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin die Differenz wegen eines "Rechenfehlers" auf 147,07 Euro reduziert, die Klage wegen des überschießenden Betrages aber nicht zurückgenommen. Insoweit ist die Berufung des Beklagten ohne weiteres begründet. Das Berufungsgericht hat allerdings versäumt, auch bei der Jahressonderzahlung eine Funktionsstufe 1 herauszurechnen. Der Fehler kann im Berufungsrechtszug nicht mehr behoben werden.



B. Auch die Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet und im Übrigen zurückzuweisen.



I. Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Zahlung der Differenz beim Festgehalt für die Monate Januar 2012 bis einschließlich März 2013 und bei der Jahressonderzahlung für 2012 wegen Versäumung der Ausschlussfrist gemäß § 39 TV-BA zu Recht abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung ist auf den ersten Blick in die Schreiben der Klägerin vom 08.02.2012 und 21.06.2012 unbegründet. Dort geht es um die Eingruppierung in den TVöD. Das ist keine Geltendmachung der Vergütung nach dem TV-BA.



II. Die im zweiten Rechtszug zulässige Erweiterung der Zahlungsklage ist teilweise begründet. Verlangt wird für die Monate Dezember 2013 bis Dezember 2015 die Differenz zum Festgehalt nach dem TV-BA gemäß Tätigkeitsebene IV Entwicklungsstufe 6 mit zwei Funktionsstufen 1 und die Differenz bei der Sonderzahlung für 2014 und 2015.



1. Die Differenz beim Festgehalt lässt sich aus dem Zahlenwerk der Klägerin errechnen. Sie beträgt bei Ansatz von zwei Funktionsstufen 1 9.814,49 Euro brutto. Geschuldet ist nur eine Funktionsstufe 1, so dass 4.454,57 Euro brutto nachzuzahlen sind.



2. Die Differenz bei der Jahressonderzahlung für 2014 beziffert die Klägerin unwidersprochen mit 220,22 Euro brutto, bei der Jahressonderzahlung mit 280,49 Euro brutto. Wie bei der Jahressonderzahlung für 2013 hat das Berufungsgericht versäumt, eine Funktionsstufe 1 herauszurechnen.



3. Gesetzliche Zinsen sind nicht zuzusprechen. Die Zinsforderung ist unbestimmt.



Ungeachtet der prozessualen Ausgangslage stellt die Klägerin auf die im Zeitraum Januar 2012 bis Dezember 2015 nach ihrer Rechnung angefallene Gesamtdifferenz in Höhe von 14.182,32 Euro brutto ab, aus der sie zuletzt die erstinstanzlich schon zugesprochenen 2.696,25 Euro brutto herausrechnet. Verlangt werden die verbleibenden 11.486,32 Euro brutto. Dieser Betrag soll zeitlich gestaffelt verzinst werden. Das ist anspruchsbezogen nicht zuzuordnen. Welche Forderung nach der jeweiligen Staffelung verzinst werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Hinzu kommt, dass die Staffelbeträge addiert 11.783,08 Euro ergeben, also mehr als die Hauptforderung.



III. Der zweitinstanzlich klagerweiternde Hilfsantrag auf Feststellung der Überstundenvergütung ist ein bedingter Hauptantrag, der davon abhängig gemacht wird, wie das Gericht Verjährungsfragen beurteilt. Der Antrag ist unzulässig. Das Gericht ist keine Gutachtenstelle.



IV. Da der Hauptantrag auf Feststellung des TV-BA Erfolg hat, sind die für den Fall seiner Abweisung gestellten weiteren Hilfsanträge nicht angefallen.



C. Der Übersichtlichkeit wegen ist das auf die Berufung beider Parteien abzuändernde erstinstanzliche Urteil wie aus dem Tenor ersichtlich neu zu fassen. Die nachzuzahlende Vergütungsdifferenz beim Festgehalt betrifft den Zeitraum 4/13 bis 12/15 (4/13 bis 11/13: 92,80 Euro, 12/13 bis 12/15: 4.454,57 Euro brutto, insgesamt: 4.547,37 Euro brutto) und nicht, wie im Tenor bezeichnet, den Zeitraum 12/13 bis 12/15. An der Verurteilung zur Zahlung von 4.547,37 Euro brutto ändert sich nichts.



D. Die Kostenentscheidung beruht streitwertbezogen auf § 92 Abs. 1 ZPO.



Der Feststellungsantrag wegen Anwendbarkeit des TV-BA ist mit der 36-fachen monatlichen Differenz beim Festgehalt zu bewerten. Maßgeblich ist die aktuelle Differenz. Dazu ist nicht vorgetragen. Also ist der Vortrag der Klägerin zu Dezember 2015 zugrunde zu legen. Danach beträgt die Differenz bei Ansatz von 2 Funktionsstufen 1 in Höhe von jeweils 218,20 Euro monatlich 467,48 Euro, bei Ansatz einer Funktionsstufe 1 also 249,28 Euro. Der Feststellungsantrag ist somit zu bewerten mit 16.829,28 Euro (36 x 467,48). Erfolgreich ist er in Höhe von 8.974,08 (36 x 249,28 Euro).



Der Wert der Zahlungsklage bestimmt sich nach der eingeklagten Summe. Das sind nach Rechnung der Klägerin 14.182,32 Euro. Erfolgreich ist sie mit 5.195,15 Euro.



Der Wert des "Hilfsantrages" wegen Überstunden bestimmt sich auf Grundlage des TV-BA nach der Vergütung für wöchentlich eine Arbeitsstunde in den Jahren 2012 und 2013. Bei Ansatz des Monatsgehaltes für 12/15 in Höhe von 4.063,91 Euro ergibt sich ein Stundenlohn von 24,05 Euro (Wochenarbeitszeit 39 Stunden = Monatsarbeitszeit 169 Stunden). Bei 92 Arbeitswochen in zwei Jahren sind das 2.212,50 Euro. Hier unterliegt die Klägerin voll.



E. Wegen Divergenz zu den Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Mecklenburg-Vorpommern vom 26.09.2013 und Sachsen vom 21.05.2014 (a.a.O. ist für den Beklagten die Revision zuzulassen. Die Zulassung der Revision für die Klägerin ist nicht veranlasst.

BrummerVolquardsenRichter

Vorschriften§ 6 c Abs.1 S.1 SGB II, § 6 a SGB II, § 6 c Abs. 5 S.1 SGB II, § 6 c Abs.5 SGB II, § 6 c Abs.1 SGB II, § 6 c Abs.3 S.3 SGB II, § 6 c Abs. 1 S.1 SGB II, § 6 c Abs.5 S.3 SGB II, § 6 c Abs.5 S.1 und 2 SGB II, § 256 ZPO, § 1 TVG, § 6 c SGB II, § 6 c Abs.3 S.2 SGB II, § 6 c Abs.3 S. 2 SGB II, § 6 c Abs.3 S. 3 SGB II, § 6 Abs. 3 S.3 SGB II, Art. 2 Abs.1 GG, § 3 Abs.1 TVG, § 6 c Abs. 3 S. 3 SGB II, Richtlinie 2001/23/EG, § 92 Abs. 1 ZPO

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