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23.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199004

Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 05.09.2013 – 6 Sa 361/12


In dem Rechtsstreit

...................

Prozessbevollmächtigte/r:

..................

gegen

...........................

- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigte/r:

........................

hat das Thüringer Landesarbeitsgericht durch Richterin am Arbeitsgericht König als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Frau Holzvoigt und Herr Schuchardt als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 18. September 2012 - 2 Ca 216/12 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit über den Antrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 01. September 2007 hinaus entschieden wurde.

Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 01. September 2007 hinaus, über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ab 01. Juli 2012 ein Arbeitsvertragsangebot zu unterbreiten, über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses ab 01. Juli 2012 sowie über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein Änderungs- bzw. Aufhebungsvertragsangebot nach dem Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung (TV Ratio) zu unterbreiten.



Der am 30. Juli 1961 geborene Kläger war seit 01. Oktober 1992 bei der Beklagten, zuletzt in der Kundenniederlassung Spezial in G...., beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1992 (Bl. 10 d. A.) vereinbarten die Parteien die Anwendung der für die Beklagte geltenden Tarifverträge.



Die V...... C....... S........ GmbH (fortan: VCS GmbH), ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Beklagten, informierte den Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 2007 (Bl. 11 ff. d. A.) über den bevorstehenden Betriebsübergang von der Beklagten auf die VCS GmbH. Die VCS GmbH übernahm den Betrieb der Beklagten zum 01. September 2007. Der Kläger setzte seine Tätigkeit nunmehr für die VCS GmbH fort.



Mit Schreiben vom 25. Oktober 2008 (Bl. 29 ff. d. A.) informierten die VCS GmbH und die T........ S........ C........ G....... GmbH (fortan: T......... GmbH) den Kläger über einen weiteren geplanten Betriebsübergang von der VCS GmbH auf die T........... GmbH. Der Betriebsübergang wurde zum 01. Dezember 2008 vollzogen. Der Kläger war fortan für die T...... GmbH tätig.



Die T..... GmbH wandte sich Ende 2009 an ihre Mitarbeiter unter Hinweis darauf, eine Schließung des Betriebes müsse in Betracht gezogen werden, wenn kein wirtschaftlicheres Arbeiten zu erreichen sei. Sanierungsbeitrag in diesem Sinne könne auch sein, Arbeitsverträge mit schlechteren Arbeitsbedingungen abzuschließen. Der Kläger lehnte das hierzu von der T....... GmbH unterbreitete Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages ab.



Der Widerspruch gegen den Betriebsübergang von der Beklagten auf die VCS GmbH und damit das auch dem Kläger in diesem Zusammenhang zugegangene Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 war Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Das Bundesarbeitsgericht entschied am 26. Mai 2011 (8 AZR 18/10), das Unterrichtungsschreiben sei, jedenfalls im Bezug auf die Unterrichtung zum Haftungssystem des § 613 a BGB, rechtsfehlerhaft und daher die Widerspruchsfrist des §



613 a Abs. 6 S. 1 BGB nicht in Lauf gesetzt worden, weswegen die Mitarbeiter dem Betriebsübergang auf die VCS GmbH in den Grenzen der Verwirkung noch widersprechen könnten.



Der Kläger widersprach am 03. März 2010 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der VCS GmbH auf die Teldas GmbH. Er erhob mit Schriftsatz vom 08. April 2010 Klage vor dem Arbeitsgericht Bonn gegen die VCS GmbH (4 Ca 851/10) mit den Anträgen festzustellen, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis und auf das Arbeitsverhältnis seien die Tarifverträge der D......... T........ AG Stand 31.08.2007 anzuwenden (Bl. 345 ff. d. A.). Das Verfahren wurde zunächst zum Ruhen gebracht. Der Kläger erklärte am 07. August 2013 Klagerücknahme, der die VCS GmbH nicht zustimmte.



Darüber hinaus erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Gera gegen die Teldas GmbH eine Klage auf Anwendung der Tarifverträge der D......... T......... AG (3 Ca 813/10). Das Verfahren wurde ausgesetzt.



Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 (Bl. 26 f. d. A.) widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die VCS GmbH zum 01. September 2007. Der Kläger wandte sich außerdem mit Schreiben gleichen Datums an die Beklagte und machte unter anderem Differenzvergütung sowie Rückkehrrecht nach den Tarifverträgen der Beklagten geltend (Bl. 322 f. d. A.).



Die Teldas GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis im November 2011 wegen Betriebsstilllegung zum 30. Juni 2012. Hiergegen erhob der Kläger Klage, die inzwischen rechtskräftig abgewiesen wurde.



Der Kläger hat mit der am 16. Februar 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 01. September 2007 hinaus zur Beklagten geltend gemacht und mit der am 12. März 2012 eingegangenen Klageerweiterung hilfsweise die Abgabe eines Arbeitsvertragsangebotes durch die Beklagte ab 01. Juli 2012 sowie die Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses ab diesem Zeitpunkt und wiederum hilfsweise die Abgabe eines Angebotes auf Abschluss eines Änderungsvertrages sowie eines Aufhebungsvertrages mit Abfindung begehrt. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 246 ff. d. A.) Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Widerspruchsrecht sei nicht verwirkt. Das Zeitmoment sei zwar erfüllt. Es fehle jedoch am Umstandsmoment. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 249 ff. d. A.) verwiesen.



Die Beklagte hat gegen das ihr am 08. Oktober 2012 zugestellte Urteil am 18. Oktober 2012 Berufung eingelegt und die Berufung am 07. Januar 2013 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 18. Oktober 2012 eingegangenen Antrag bis zum 08. Januar 2013 verlängert worden war.



Die Beklagte ist der Auffassung, das Widerspruchsrecht sei verwirkt. Der Kläger habe auch das Umstandsmoment verwirklicht. Er habe mit den gegen die VCS GmbH und die T...... GmbH gerichteten Feststellungsklagen über sein Arbeitsverhältnis disponiert.



Die Beklagte hält auch die Hilfsanträge für abweisungsreif. Sie macht insbesondere geltend, der TV Ratio finde in persönlicher und sachlicher Hinsicht keine Anwendung.



Die Beklagte beantragt,



das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 18.09.2012 - 2 Ca 216/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.



Der Kläger beantragt,



die Berufung zurückzuweisen.



Der Kläger geht davon aus, sein Widerspruchsrecht sei nicht verwirkt. Es fehle insbesondere am Umstandsmoment. Er habe nicht über sein Arbeitsverhältnis disponiert.



Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die nach dem Beschwerdegegenstand statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist abzuweisen.



I. Zwischen den Parteien besteht über den 01. September 2007 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr.



1. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ging zum 01. September 2007 im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB von der Beklagten auf die VCS GmbH über.



2. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 24. Oktober 2011. Der Widerspruch ist jedoch nicht wirksam.



Es kann dahinstehen, ob die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung in Gang gesetzt wurde. Denn das Widerspruchsrecht war zum Zeitpunkt seiner Ausübung verwirkt.



a) Das Widerspruchsrecht kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Verwirkungsgrundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 700/10 - NZA 2012, 1097-1101 mwN).



b) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und dient dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Angesichts der gesetzlichen Regelung ist hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine bestimmte Monatsfrist abzustellen. Entscheidend sind vielmehr die konkreten Umstände des Einzelfalles. Auch ist die Länge des Zeitablaufes in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment zu setzen. Zeitmoment und Umstandsmoment beeinflussen sich wechselseitig, d. h. beide Elemente sind bildhaft iS



"kommunizierender Röhren" miteinander verbunden. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Umgekehrt gilt, je mehr Zeit seit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer bereits für den Erwerber gearbeitet hat, desto geringer sind die Anforderungen an das Umstandsmoment. Es müssen letztlich besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 700/10 - aaO. mwN).



Der Verwirkungseinwand setzt schließlich nicht voraus, dass der Verpflichtete eine konkret feststellbare Vermögensdisposition im Vertrauen auf die Nichtinanspruchnahme getroffen haben muss. Richtig ist vielmehr, dass die Verwirkung eines Rechts nur in Betracht kommt, wenn die verspätete Inanspruchnahme für die Gegenseite unzumutbar erscheint. Diese Unzumutbarkeit muss sich jedoch nicht aus wirtschaftlichen Dispositionen des Verpflichteten ergeben. Solche können das Umstandsmoment zwar verstärken, sind jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme desselben. Zudem ist in diesem Zusammenhang im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen eine typisierende Betrachtungsweise angezeigt. Nach einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang kann davon ausgegangen werden, dass der Betriebsveräußerer mit zeitlichem Abstand zum Betriebsübergang zunehmend seine Kalkulation auf der Grundlage vorgenommen hat, dass die nach seiner und des Erwerbers Ansicht übergegangenen Arbeitsverhältnisse nicht mehr mit ihm bestehen. Einer konkret feststellbaren Vermögensdisposition des Verpflichteten, d. h. des bisherigen Arbeitgebers, bedarf es daher nicht (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 752/09 - DB 2011, 2385-2386 mwN).



c) Nach diesen Grundsätzen ist das Widerspruchsrecht des Klägers verwirkt.



aa) Das Zeitmoment ist erfüllt.



(1) Das Zeitmoment "begann" mit Unterrichtung vom 26. Juli 2007.



(a) Die Frist für das Zeitmoment beginnt nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt zu laufen, insbesondere nicht erst mit der umfassenden Unterrichtung oder Kenntnis des Arbeitnehmers über den Betriebsübergang und dessen Folgen. Bei dem Zeitmoment handelt es sich nicht um eine gesetzliche, gerichtliche oder vertraglich vorgegebene Frist, für welche bestimmte Anfangs- und Endzeitpunkte gelten, wie sie in dem §§ 186 ff. BGB geregelt sind. Vielmehr hat bei der Prüfung, ob ein Recht verwirkt ist, immer eine Gesamtbetrachtung stattzufinden, bei welcher das Zeit- und das Umstandsmoment zu berücksichtigen und in Relation zu setzen sind (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 752/09 - aaO. mwN).



(b) Hiernach war für den "Beginn" des Zeitmoments der Zeitpunkt der Unterrichtung über den bevorstehenden Betriebsübergang maßgebend. Ab diesem Zeitpunkt konnte die Beklagte mit einer Reaktion des Klägers rechnen.



(2) Die erforderliche Zeitdauer ist gegeben.



(a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts genügen Zeiträume von 15 Monaten (BAG 27. November 2008 - 8 AZR 174/07 - BAGE 128, 328), von neun Monaten (BAG 24. Februar 2011 - 8 AZR 699/09 - aaO.) oder auch von siebeneinhalb Monaten (BAG 02. April 2009 - 8 AZR 220/07 - AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 6) zur Verwirklichung des Zeitmoments. Vergehen zwischen der fehlerhaften Unterrichtung und der Erklärung des Widerspruchs sechseinhalb Jahre, so ist von einem besonders schwerwiegend verwirklichten Zeitmoment auszugehen (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 700/10 - aaO.).



(b) Es kann dahinstehen, ob vorliegend von einem besonders schwerwiegend verwirklichten Zeitmoment auszugehen ist. Denn das Zeitmoment ist auf jeden Fall erfüllt. Zwischen fehlerhafter Unterrichtung und Widerspruch des Klägers verging ein Zeitraum von vier Jahren und fast drei Monaten.



bb) Das Umstandsmoment war zum Zeitpunkt des Widerspruchs des Klägers am 07. Oktober 2011 ebenfalls verwirklicht.



(1) Die widerspruchslose Weiterarbeit des Arbeitnehmers beim Betriebserwerber nach einem Betriebsübergang begründet für sich allein noch keine Verwirkung des Widerspruchsrechts



(vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 752/09 - DB 2011, 2385-2386 mwN). Als ein Umstand, der das Vertrauen des bisherigen Arbeitgebers in die Nichtausübung des Widerspruchsrechts rechtfertigen kann, ist es jedoch anzusehen, wenn der Arbeitnehmer über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert, dass er mit dem Betriebserwerber einen Aufhebungsvertrag abschließt, eine vom Betriebserwerber ausgesprochene Kündigung nicht angreift oder das Arbeitsverhältnis im Wege eines gerichtlichen Vergleichs beendet (BAG 24. September 2011 - 8 AZR 699/09 - juris). Das Umstandsmoment kann ferner dadurch verwirklicht werden, dass sich der Arbeitnehmer beim Streit über die Weitergeltung der Tarifdynamik ausschließlich an den Betriebserwerber wendet und dabei weder diesem noch dem Betriebsveräußerer gegenüber auch nur andeutet, dass im Wege des noch möglichen Widerspruchs der Betriebserwerber Gegner seiner Ansprüche auf Tariferhöhungen werden könnte (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 700/10 - aaO.).



(2) So ist es hier.



(a) Der Kläger disponierte mit den gegen die VCS GmbH und die T..... GmbH erhobenen Feststellungsklagen über sein Arbeitsverhältnis. Er begehrte die Feststellung der Weitergeltung der Tarifverträge der D......... T....... AG gegenüber der VCS GmbH und der T...... GmbH als Betriebserwerber, ohne Hinweis darauf, dass die Beklagte noch für diese Ansprüche in Betracht kommt. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe auch die Beklagte auf Anwendung der Tarifverträge in Anspruch genommen. Denn das erfolgte erst am 24. Oktober 2011 zeitgleich mit dem Widerspruch und damit zu einem Zeitpunkt, als die Verwirkung bereits eingetreten war.



(b) Das Umstandsmoment war bereits vor dem Widerspruch verwirklicht.



Die Klagen wurden im Jahr 2010 und damit lange vor dem Widerspruch erhoben.



Es kommt nicht darauf an, wann die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte. Ihr ist die Kenntnis der VCS GmbH und der T....... GmbH als dortige Beklagte zuzurechnen. Denn zur Verwirkung des Widerspruchsrechts im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang genügt es, dass einer der Widerspruchsadressaten von den vertrauensbildenden Umständen Kenntnis hat. Neuer und alter Arbeitgeber können sich wechselseitig auf die Kenntnis des Anderen vom Arbeitnehmerverhalten berufen. Eine nachgewiesene subjektive Kenntnis des in Anspruch genommenen Verpflichteten von einem bestimmten Arbeitnehmerverhalten ist nicht erforderlich, wenn feststeht, dass dieses Verhalten wenigstens dem anderen Verpflichteten bekannt geworden ist (BAG 24. Februar 2011 - 8 AZR 699/09 - aaO. mwN). Das gilt auch im Fall von Kettenbetriebsübergängen, wenn, wie hier, weitere Arbeitgeber hinzutreten (Thüringer LAG 16. Mai 2013 - 3 Sa 371/12).



cc) Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf den Einwand der Verwirkung zu berufen.



Der Kläger stützt sich ohne Erfolg auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 579/10. Dort lag der Sachverhalt anders. Das Bundesarbeitsgericht hat das Recht der dortigen Klägerin, sich auf den Inhalt der ursprünglich mit der D....... T....... AG einzelvertraglich vereinbarten Tarifbestimmungen zu berufen, nicht als verwirkt angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Umstandsmoment sei nicht gegeben. Aus der zunächst widerspruchslosen Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach dem Betriebsübergang zu den neuen Bedingungen könne keine besonders vertrauens- begründende Verhaltensweise gefolgert werden, weil die Klägerin damit nur nachvollzogen habe, was die VCS GmbH und die D........... T......... AG ihr anlässlich der Betriebs- übergänge als bestehende, von ihnen unbeeinflusste Rechtslage mitgeteilt hätten. Hier ist die Rechtslage jedoch anders. Der Kläger war es, der das Umstandsmoment unbeeinflusst von der Beklagten dadurch verwirklichte, dass er allein die VCS GmbH und die T....... GmbH, nicht jedoch die Beklagte, als Anspruchsgegner auf Weitergeltung der Tarifbestimmungen in Anspruch nahm.



II. Die Hilfsanträge sind ebenfalls abzuweisen.



1. Der Kläger hat weder Anspruch auf Abgabe eines Arbeitsvertragsangebotes zum 01. Juli 2012, noch kann festgestellt werden, dass ab diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis besteht.



a) Die Klage ist unschlüssig.



aa) Eine Klage ist schlüssig, wenn ihr Tatsachenvortrag, seine Richtigkeit unterstellt, geeignet ist, den Klageantrag sachlich zu rechtfertigen (Zöller 29. Aufl. vor 253 Rn 23).



bb) Das ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat die beiden Hilfsanträge nebeneinander gestellt. Diese schließen sich jedoch aus. Der Anspruch auf Abgabe eines Arbeitsvertragsangebotes ist nur dann begründet, wenn nicht bereits ein Arbeitsverhältnis besteht. Das will der Kläger jedoch gerade festgestellt haben. Der Kläger muss sich entscheiden.



b) Überdies fehlt es an einer Anspruchsgrundlage. Der Kläger kann sich bereits deshalb nicht mit Erfolg auf das in § 8 Abs. 3 der Anlage 4 zum TV Ratio normierte Rückkehrrecht berufen, weil er nicht dem TV Ratio unterfällt. Der sachliche Geltungsbereich ist nicht eröffnet. Eine hier allein in Betracht kommende personalwirtschaftliche Maßnahme iSd. § 1 Abs. 2 d) TV Ratio, durch die der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers wegfällt oder verlegt wird, liegt nicht vor.



Das Arbeitsverhältnis des Klägers ging vielmehr mit allen Rechten und Pflichten im Rahmen des Betriebsübergangs auf die VCS GmbH über.



2. Die Beklagte ist weder verpflichtet, dem Kläger ein Angebot auf Abschluss eines Vertrages gem. § 5 Abs. 1 TV Ratio zu unterbreiten, noch, ihm einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung gem. § 5 Abs. 2 TV Ratio anzubieten.



a) Die Anträge sind unzulässig. Sie sind nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.



aa) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hat die Klage einen bestimmten Antrag zu enthalten. Dieser richtet sich auf einen Urteilsausspruch. Nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO enthält ein verfahrensbeendendes Urteil eine Urteilsformel. Diese muss hinreichend deutlich gefasst sein. Das Erfordernis der - von Amts wegen zu prüfenden - Bestimmtheit des Urteilsausspruchs dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Der Umfang der materiellen Rechtskraft iSv § 322 Abs. 1 ZPO und damit die Entscheidungswirkungen müssen festgestellt werden können. Ein auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichteter Urteilsspruch ist nur dann bestimmt, wenn er so gefasst ist, dass der Inhalt der nach § 894 S. 1 ZPO fingierten Erklärung klar ist. Geht es um den Abschluss eines Arbeitsvertrages, muss die nach der speziellen Vollstreckungsklausel des § 894 S. 1 ZPO als abgegeben geltende Willenserklärung den für eine Vertragseinigung notwendigen Mindestinhalt umfassen (BAG 13. März 2013 - 7 AZR 344/11 - juris). Hierzu gehören bei einem Arbeitsvertrag unter anderem Art und Beginn der Arbeitsleistung, bei einem Änderungsvertrag Art und Beginn der Änderungen und bei einem Aufhebungsvertrag zumindest der Auflösungstermin.



Die fehlende Datumsangabe über den Zeitpunkt der künftigen Änderung führt jedoch dann nicht zur Unzulässigkeit der Klage mangels hinreichender Bestimmtheit, wenn sich der Zeitpunkt, zu dem die Vertragsänderung wirksam werden soll, aus dem Gesetz ergibt. Da eine Willenserklärung nach § 894 ZPO mit Rechtskraft der Entscheidung als abgegeben gilt, wird die Zustimmungserklärung des Arbeitgebers zu dem Zeitpunkt fingiert, zu dem ein rechtskräftiges Urteil vorliegt (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 409/04 - BAGE 115, 136-148 mwN).



bb) Nach diesen Grundsätzen sind die Klageanträge nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger hat weder den Zeitpunkt der erstrebten Vertragsänderung noch den Zeitpunkt der begehrten Beendigung des Arbeitsverhältnisses angegeben. Diese Datumsangaben waren auch nicht entbehrlich, denn sie ergeben sich nicht aus dem Gesetz. Der Kläger begehrt nicht die Annahme eines eigenen Angebotes auf Abschluss eines Änderungs- sowie Aufhebungsvertrages, bei dem der entsprechende Zeitpunkt nach § 894 ZPO fingiert werden kann, sondern die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe entsprechender Vertragsangebote, die er seinerseits annehmen kann.



b) Darüber hinaus ist die Klage unbegründet.



aa) Die Klage ist unschlüssig.



Der Kläger hat auch hier zwei sich gegenseitig ausschließende Anträge gestellt. Er begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines Änderungsvertrages nach § 5 Abs. 1 TV-Ratio sowie zur Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines Auflösungsvertrages nach § 5 Abs. 2 TV-Ratio. Das ist nicht möglich. Gemäß § 5 Abs. 2 TV-Ratio kann der Arbeitnehmer als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrages einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Der Kläger muss sich somit entscheiden.



bb) Der Beklagten fehlt überdies die Sachlegimitation.



(1) Der Beklagte ist dann passiv legitimiert, wenn er Schuldner des Klageanspruchs ist (Zöller 29. Aufl. vor § 253 Rn 25).



(2) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.



(a) Die Abgabe eines Angebotes zum Abschluss eines Vertrages zur Änderung oder Aufhebung des Arbeitsverhältnisses schuldet nur der Vertragsarbeitgeber. Dies ist bei der Beklagten nicht der Fall. Zwischen den Parteien besteht seit 01. September 2007 kein Arbeitsverhältnis mehr.



(b) Die Passivlegitimation der Beklagten folgt auch nicht aus § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB.



Danach haftet der bisherige Arbeitgeber neben dem neuen Inhaber für Verpflichtungen nach Abs. 1, soweit sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden sind und vor Ablauf von einem Jahr nach diesem Zeitpunkt fällig werden, als Gesamtschuldner.



Ein auf den Zeitpunkt vor dem Betriebsübergang zum 01. September 2007 rückwirkendes Angebot auf Änderung bzw. Aufhebung des ursprünglich zur Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses begehrt der Kläger jedoch nicht.



(c) Etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte als seinen vormaligen Arbeitgeber macht der Kläger nicht geltend.



cc) Selbst wenn die Beklagte passiv legitimiert wäre, erweist sich die Klage als unbegründet.



Die Beklagte wäre nur dann nach dem TV Ratio verpflichtet, wenn sie Änderungen der Aufbauorganisation, der Ablauforganisation, Maßnahmen zur Nutzung des technischen Fortschritts oder andere personalwirtschaftliche Maßnahmen vorgenommen hätte, durch die der Arbeitsplatz des Klägers iSd § 1 Abs. 2 TV-Ratio weggefallen oder verlegt worden wäre. Das ist, wie bereits in II. 1. b) ausgeführt, hier nicht der Fall.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.



Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG zuzulassen, soweit die auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über den 01. September 2007 hinaus gerichtete Klage abgewiesen wurde. Im Übrigen sind keine Gründe für die Zulassung der Revision ersichtlich.

KönigHolzvoigtSchuchardt

Vorschriften§ 613 a BGB, § 613 a Abs. 1 S. 1 BGB, § 613 a Abs. 6 S. 1 BGB, § 242 BGB, §§ 186 ff. BGB, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, § 322 Abs. 1 ZPO, § 894 S. 1 ZPO, § 894 ZPO, § 613 a Abs. 2 S. 1 BGB, § 91 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG

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