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23.01.2018 · IWW-Abrufnummer 199003

Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 27.09.2012 – 2 Sa 408/11


In dem Rechtsstreit

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- Beklagte und Berufungsklägerin -

Prozessbevollmächtigte:

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Gegen

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- Kläger und Berufungsbeklagter -

Prozessbevollmächtigter:

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hat das Thüringer Landesarbeitsgericht in Erfurt auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2012 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Amels als Vorsitzenden und die Ehrenamtlichen Richter Bergmann und Wolfram als Beisitzer

für Recht erkannt:

Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 15.11.2011 - 2 Ca 815/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2) Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.



Der Kläger war seit April 2007 bei der Beklagten als Hausmeister mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt von 1.059,00 Euro angestellt.



Die Beklagte informierte sich im März 2011 über anderweitige Gebäudereinigungen und holte sich entsprechende Angebote ein.



Der Kläger meint, seine Kündigung vom 29.06.2011 zum 31.12.2011 sei sozial ungerechtfertigt. Sein Beschäftigungsbedarf sei nicht weggefallen. Eine Entscheidung über eine Fremdvergabe der Tätigkeit läge gar nicht vor. Des Weiteren vertritt der Kläger die Ansicht, der Betriebsrat sei zur Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden.



Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages, wegen der gestellten Anträge und wegen der richterlichen Feststellungen wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 77-79 d. A.) Bezug genommen.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 15.11.2011 der Klage aus den in den Entscheidungsgründen (Bl. 79-82 d. A.) ersichtlichen Gründen stattgegeben.



Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28.11.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2011 Berufung eingelegt und die Berufung mit dem am 28.02.2012 eingegangenen Telefax ihrer Prozessbevollmächtigten begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden bis zu diesem Tag verlängert worden war.



Die Beklagte vertritt in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil nach wie vor die Auffassung, dass die Kündigung aus betrieblichen Gründen gerechtfertigt sei.



Sie meint, sie habe für die betrieblichen Gründe ausreichend Beweise angeboten, die aber vom Gericht nicht berücksichtigt worden seien. Das Gericht habe in diesem Zusammenhang gegen die Vorschrift des § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es seiner Hinweispflicht bei Unvollständigkeit des Tatsachenvortrages oder der Beweisangebote nicht nachgekommen sei. Im Rahmen der Prozessleitung habe das Gericht auch nicht das rechtliche Gehör im erforderlichen Maße gewährt.



Die Beklagte ist der Ansicht, die im Urteil zugrunde liegende Entscheidung des BAG, sei auf den hiesigen Fall, aufgrund anders liegender Sachverhaltskonstellationen, nicht übertragbar.



Sie behauptet eine unternehmerische Entscheidung über die Fremdvergabe der Hausmeistertätigkeit in der 24. Kalenderwoche sei durch den Geschäftsführer getroffen worden.



Die Unternehmerentscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, weder offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Vertragsschluss mit dem ...-Service und die Nachverhandlungen erst im Monat Oktober erfolgten, also nach der streitgegenständlichen Kündigung im Juni 2011.



Im Übrigen stützt sie sich auf ihren bisherigen erstinstanzlichen Tatsachenvortrag.



Die Beklagte beantragt daher:



1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 15.11.2011 - 2 Ca 815/11 - aufgehoben.



2. Die Klage wird abgewiesen.



3. Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.



Der Kläger stellt den Antrag,



die Berufung zurückzuweisen.



Er verteidigt unter Berücksichtigung des Berufungsvortrags weites gehend die tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils. Er trägt insbesondere vor, das es dahin stehen könne, ob die Rechtsprechung des BAG einschlägig sei oder nicht. Unter Berücksichtigung der einzelnen erforderlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Gesetzes sei es immer noch Sache des Gerichts im Einzelfall zu entscheiden.



Der Kläger ist auch der Ansicht, es fehle bereits an einem substantiierten Vortrag in Bezug auf das Vorliegen einer unternehmerischen Organisationsentscheidung.



In diesem Zusammenhang macht er auch geltend, dass bereits ein ausführlicher Hinweisbeschluss im Anschluss an die Güteverhandlung ergangen sei. Die Beklagte könne sich damit nicht auf eine Verletzung der Hinweispflicht des Gerichts stützen. Zumal auch die geeigneten Beweismittel berücksichtigt worden seien.



Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit insgesamt zulässige Berufung ist nicht begründet, weil das Arbeitsgericht aus völlig zutreffenden Erwägungen, auf die gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen werden kann, der Klage stattgegeben hat.



Die betriebsbedingte Kündigung des Klägers ist nicht wirksam. Es besteht kein dringendes betriebliches Erfordernis, welches der Weiterbeschäftigung des Klägers in dem Betrieb der Beklagten entgegensteht. Die Beklagte hat keine hinreichend substantiierten Tatsachen vorgetragen, die das Vorliegen einer tatsächlichen unternehmerischen Entscheidung genüge getan hätten.



Das Kündigungsschutzgesetz findet Anwendung. Die nötigen Voraussetzungen der §§ 1, 23 KSchG sind gegeben. Im Betrieb der Beklagten werden mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt gem. § 23 KSchG, und der Kläger ist seit mehr als 6 Monaten bei ihr tätig gem. § 1 KSchG.



Eine betriebsbedingte Kündigung ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Kündigungsschutzes wirksam, wenn gem. § 1 Abs. 2 KSchG zunächst dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitsnehmers entgegenstehen. Betriebliche Erfordernisse können sich dabei aus innerbetrieblichen Umständen, wie unternehmerische Rationalisierungsmaßnahmen, Outsourcing oder durch außerbetriebliche Umstände, wie z.B. Auftragsmangel, ergeben. Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen aber nur dann ein dringendes betriebliches Erfordernis für eine Kündigung, wenn sie sich auch konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken.



In diesem Zusammenhang ist als Grundlage für eine solche betriebsbedingte Kündigung eine unternehmerische Entscheidung zwingend erforderlich.



Die Gerichte überprüfen dabei voll, ob eine unternehmerischen Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98). Die unternehmerische Entscheidung selbst ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist.



Dem Arbeitgeber kann es dabei bereits Schwierigkeiten bereiten ausreichend darzulegen, dass eine solche Entscheidung tatsächlich getroffen wurde. Im Prozess muss er dies nämlich substantiiert darlegen. Zur Vermeidung von solchen Risiken ist es ratsam, eine unternehmerische Entscheidung zu dokumentieren. Durch schriftliche Fixierung des Beschlusses der Geschäftsführung oder der Unternehmensleitung kann dem Gericht die Entscheidung zeitliche und inhaltlich nachgewiesen werden. Die Entscheidung hat zeitlich mit einem gewissen Abstand vor dem Ausspruch der Kündigung und Anhörung des Betriebsrats zu erfolgen.



Im Anschluss daran muss die getroffene Entscheidung im Betrieb auch umgesetzt werden und greifbare Formen annehmen.



Wie bereits das Ausgangsgericht zutreffend dargestellt hat, scheitert die Wirksamkeit der Kündigung bereits an der unternehmerischen Organisationsentscheidung, da der diesbezügliche Tatsachenvortrag nicht substantiiert und schlüssig ist.



Die Beklagte erklärte zwar, dass ihr Geschäftsführer in der 24. Kalenderwoche die unternehmerische Entscheidung, noch vor Ausspruch der Kündigung getroffen habe. Aber seine darauf gestützten Beweggründe sind aus dem Tatsachenvortrag der Beklagten nicht ersichtlich. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte der Geschäftsführer keine konkreten Angaben machen, die die Entscheidung schlüssig dargelegt hätten.



Es kommt dabei nicht zwingend auf den konkreten Wochentag an, an welchem die Entscheidung getroffen wurde. Jedoch ist es erforderlich, schlüssig darzulegen auf welchen Überlegungen die Entscheidung beruht und wann sie tatsächlich getroffen wurde.



Die Beklagte bietet in der Klageerwiderung zwar Beweise durch Zeugen an, die das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung bestätigen sollen. Allerdings müssen, wie bereits erwähnt, die dazu vorgetragenen Tatsachen erkennen lassen, wie die Entscheidung tatsächlich zustande gekommen ist. Eine Zeugenaussage kann dies nicht ersetzen, sondern nur bestätigen, soweit das Vorbringen schlüssig ist.



Auch in der Berufungsbegründung vermochte die Beklagte den erforderlichen Vortrag nicht erbringen. Sie stellt nur dar, dass die unternehmerischen Entscheidung getroffen und im Anschluss daran in der Dienstberatung bekannt gegeben wurde. Aber auch erfolgt erneut keine Stellungnahme, auf welchen Überlegungen die Entscheidung überhaupt beruht.



Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass Ausgangsgericht habe sie nicht auf den lückenhaften Vortrag hingewiesen. Gem. § 139 Abs. 1 ZPO ist es die Aufgabe des Gerichts, den Parteien einen unvollständigen Tatsachenvortrag aufzuzeigen. Das Ausgangsgericht ist seiner Hinweispflicht nachgekommen. Es erging bereits nach der ersten mündlichen Verhandlung ein ausführlicher Hinweisbeschluss (Bl. 14 - 16 d. A.), indem die Beklagte sehr deutlich auf den noch zu ergänzenden Vortrag hingewiesen wurde. Diesem ist sie aber nicht nachgekommen. Weder in der Klageerwiderung und in den folgenden Schriftsätzen, noch in der Berufungserwiderung.



Das tatsächliche Vorliegen einer unternehmerischen Entscheidung des Geschäftsführers kann auch nicht aus anderen vorgetragenen Tatsachen hergeleitet werden. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Kündigung selbst nicht als unternehmerische Entscheidung herangezogen werden kann. Eine Kündigung stellt zwar als solche eine Unternehmerentscheidung dar, aber in Verbindung mit dem Kündigungsschutzgesetzes ist es eben keine "freie" Unternehmerentscheidung, wie es eine Entscheidung im Rahmen der innerbetrieblichen Erfordernisse aber generell ist. Die Kündigung kann nur die Folge einer unternehmerischen Entscheidung sein. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die unternehmerische Entscheidung zeitlich vor der Kündigung erfolgen muss.



Die Tatsache, dass die Beklagte im März 2011, also zeitlich weit vor der Kündigung des Klägers im Juni, Angebote von anderen Dienstleistungsfirmen eingeholt hat, kann gleichfalls nicht das Vorliegen einer unternehmerische Entscheidung bestätigen. Eine solche Anfrage sagt noch nichts darüber aus, ob sie auch umgesetzt wird und ob eine unternehmerische Entscheidung bereits getroffen wurde. Der Vertrag mit der neuen Dienstleistungsfirma ...-Service wurde erst im September 2011 geschlossen. Ob die unternehmerische Entscheidung erst im September, oder bereits, wie die Beklagte behauptet, in der 24. Kalenderwoche fiel, kann ohne einen schlüssigen Vortrag nicht festgestellt werden.



Abgesehen von der Durchführung der Kündigung des Klägers und der behaupteten Betriebsratsanhörung hat die Beklagte ihre unternehmerische Entscheidung noch nicht umgesetzt. Nach der Rechtsprechung des BAG erfordert eine solche Umsetzung, dass die Entscheidung "greifbare" Formen angenommen haben muss (BAG vom 24.05.2000 - 2 AZR 214/04). Hierfür ist es nicht nötig, dass bei Ausspruch der Kündigung bereits mit der tatsächlichen Umsetzung und Durchführung der unternehmerischen Entscheidung begonnen wurde. Maßgeblich ist die Prognose zum Zeitpunkt der Kündigung. Sie muss bei vernünftiger betriebswirtschaftlicher Betrachtung aufzeigen, dass der die Entlassung erforderlich machende betriebliche Grund auch mit einiger Sicherheit eintreten wird.



Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs im Juni waren drei Monate zuvor Angebote von Dienstleistern angefordert worden. Diese dienten zunächst aber nur dem reinen informativen Zweck. Konkrete Verhandlungen mit dem ...-Service fanden erst lange nach der unternehmerischen Entscheidung und der Kündigung statt. Eine "greifbare" Form der Entscheidung lag daher zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht vor.



Soweit die Beklagte behauptet, das Ausgangsgericht habe eine Rechtsprechung des BAG vom 17.06.1999 - 2 AZR 522/98 herangezogen, die auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar sei, wird darauf hingewiesen, dass sie für die Entscheidung nicht maßgeblich ist. Auch ohne Berücksichtigung dieser Entscheidung hat das Ausgangsgericht das Vorbringen der Beklagten zutreffend als unschlüssig und nicht hinreichend substantiiert begründet.



Da es bereits an der unternehmerischen Entscheidung fehlt und damit an einem dringenden betrieblichen Erfordernis, welches der Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegensteht, braucht auf die weiteren Voraussetzungen, ob der Betriebsrat zur Kündigung des Klägers angehört wurde und ob eine Sozialauswahl stattgefunden hat, nicht mehr eingegangen werden.



Die Berufung war demnach zurückzuweisen.



Die Beklagte trägt die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels gem. § 97 Abs. 1 ZPO.



Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Dr. AmelsBergmannWolfram

Vorschriften§ 69 Abs. 2 ArbGG, § 139 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2 ArbGG, §§ 1, 23 KSchG, § 23 KSchG, § 1 KSchG, § 1 Abs. 2 KSchG, § 97 Abs. 1 ZPO

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