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18.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198879

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Beschluss vom 07.12.2017 – 4 Ta 12/17


Im Beschwerdeverfahren mit den Beteiligten
1.
- Schuldnerin/Beschwerdeführerin -
2.
- Schuldner/Beschwerdeführer -
3.
- Gläubiger/Beschwerdegegner -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 4. Kammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Stöbe ohne mündliche Verhandlung am 7.12.2017
beschlossen:

Tenor:
1. Auf die sofortige Beschwerde der beiden Schuldner wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 27. September 2017 (22 Ca 6344/16) abgeändert.


Der Antrag des Gläubigers wird zurückgewiesen.


2. Der Gläubiger hat die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu tragen.


3. Die Rechtsbeschwerde wird für den Gläubiger zugelassen.



Gründe



I.



Die Schuldner richten sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes sowie gegen die hilfsweise Festsetzung einer Zwangshaft.



Gegen die beiden Schuldner wurde durch das Arbeitsgericht am 31. Oktober 2016 ein Versäumnisurteil erlassen mit nachfolgendem Tenor:



Die Schuldner haben ihre Verpflichtung aus dem Versäumnisurteil bislang nicht erfüllt.



Auf Antrag des Gläubigers setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 27. September 2017 gegen die beiden Schuldner zum Zwecke der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Versäumnisurteil ein gesamtschuldnerisch zu erbringendes Zwangsgeld iHv. insgesamt 1.000,00 EUR fest und für den Fall der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes die Zwangshaft für jeden Schuldner iHv. vier Tagen.



Dieser Beschluss wurde den beiden Schuldnern jeweils am 29. September 2017 zugestellt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende sofortige Beschwerde der Schuldner, die am 11. Oktober 2017 beim Arbeitsgericht einging.



Die Schuldner berufen sich zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde auf eine Unmöglichkeit der Erbringung der geschuldeten Leistung. Sie tragen unter Vorlage eines Schreibens des Finanzamts S. II vom 6. Oktober 2017 vor, dass wegen der Einstellung der von den Schuldnern betriebenen Firma auch das Arbeitgebersignal beim Finanzamt gelöscht worden sei, weshalb eine "Lohnsteuerbescheinigung" nicht mehr erstellt werden könne. Auch die Bemühungen der Schuldner bei der AOK S.-B. zur Erlangung von "Sozialversicherungsnachweisen" seien erfolglos gewesen.



Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 7. November 2017 nicht abgeholfen. Es legte die sofortige Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor.



II.



Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Schuldner ist begründet.



Das Arbeitsgericht hat gegen die Schuldner zu Unrecht ein Zwangsgeld festgesetzt und zu Unrecht hilfsweise die Zwangshaft festgesetzt. Die zu vollstreckende Verpflichtung der Schuldner ist nicht auf eine nicht vertretbare Handlung iSv. § 888 Abs. 1 ZPO gerichtet, sondern lediglich auf eine Herausgabe der bezeichneten Papiere, die gemäß § 883 Abs. 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zu vollstrecken ist.



1. Die bloße Herausgabe von Arbeitspapieren ist nach § 883 Abs. 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher zu vollstrecken. Ist dagegen ein Titel auf das Ausfüllen von Arbeitspapieren gerichtet, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, die nach § 888 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken ist (GMP/Schleusener ArbGG 9. Aufl. § 62 Rn. 62; Ostrowicz/Künzl/Scholz Handbuch des arbeitsgerichtlichen Verfahrens 4. Aufl. Rn. 897). Wenn ein Titel sowohl auf ein Ausfüllen oder auf Berichtigung von Arbeitspapieren als auch auf deren Herausgabe gerichtet ist, ist streitig, ob diese Verpflichtungen einheitlich nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden können (LAG Hamm 8. August 2012 - 7 Ta 173/12, Rn. 19; LAG Schleswig-Holstein 19. Juli 2001 - 4 Ta 98/01, Rn. 6) oder ob in zwei Akten vollstreckt werden muss (Hess. LAG 17. Oktober 2001 - 15 Ta 282/01; LAG Berlin 7. Januar 1998 - 9 Ta 1/98, Rn. 9).



2. Um beurteilen zu können, ob es sich bei der zu vollstreckenden Verpflichtung der Schuldner um eine nicht vertretbare Handlung, um eine bloße Herausgabeverpflichtung oder um eine Kombination aus beiden Verpflichtungen handelt, bedarf es einer Auslegung des zu vollstreckenden Titels.



a) Soweit der Titel auf die Herausgabe von "Lohnsteuerbescheinigungen" der Jahre 2015 und 2016 gerichtet ist, ist erkennbar nicht die Herausgabe der Lohnsteuerbescheinigungen selbst gewollt, sondern lediglich die Herausgabe oder die elektronische Übermittlung eines nach amtlich vorgeschriebenen Muster gefertigten Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung iSv. § 41b Abs. 1 Satz 3 EStG (so in einem vergleichbaren Fall auch: LAG Baden-Württemberg 17. Februar 2017 - 21 Ta 10/16).



Denn (nicht elektronische) "Lohnsteuerbescheinigungen" dürfen gem. § 41b Abs. 3 EStG nur noch Arbeitgeber ohne maschinelle Lohnabrechnung erstellen, die ausschließlich Arbeitnehmer im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung im Privathaushalt iSv. § 8a SGB IV beschäftigen. Zu dieser Arbeitergebergruppe gehörten die Schuldner unstreitig nicht. Die Klage, und somit auch die Titulierung, war demnach nicht auf solche Lohnsteuerbescheinigungen gerichtet.



Erkennbar war die Klage des Gläubigers - unabhängig davon, dass hierfür auch der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet gewesen wäre (LAG Baden-Württemberg 17. Februar 2017 - 21 Ta 10/16) - auch nicht auf den Abschluss des Lohnkontos nebst elektronischer Übermittlung der Besteuerungsdaten ("elektronische Lohnsteuerbescheinigung" gem. § 41b Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG gerichtet. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass der Gläubiger eine nur gegenüber dem Finanzamt erfüllbare Verpflichtung der Schuldner begehrte. So ist jedenfalls der Begriff "Herausgabe" nicht gemeint. So war demnach auch die Titulierung des Arbeitsgerichts nicht gemeint.



Vielmehr begehrte schon der Gläubiger nur das, was ihm gesetzlich zusteht. Auch das Arbeitsgericht wollte dem Gläubiger nur das diesem gesetzlich Zustehende zusprechen. Der Titel ist somit auf die Aushändigung des Ausdrucks der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung gerichtet.



b) Entsprechendes gilt für die Herausgabe der "Sozialversicherungsnachweise" der Jahre 2015 und 2016.



Den Begriff des " Sozialversicherungsnachweises" kennt das SGB nicht. Es bedarf daher der Auslegung, was der Kläger und mit ihm das Arbeitsgericht mit diesem Begriff meinte.



Gemäß § 28a Abs. 1 SGB IV obliegen dem Arbeitgeber gegenüber der Einzugsstelle Meldepflichten. Insbesondere sind Beginn und Ende eines Beschäftigungsverhältnisses zu melden, als auch Änderungen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber gegenüber der Einzugsstelle gemäß § 28a Abs. 2 SGB IV jeweils zum 31. Dezember eines Jahres eine sogenannte Jahresmeldung zu erstatten. Diese Meldungen haben durch elektronische Datenübertragung zu erfolgen. Einzelheiten hierzu sind geregelt in der DEÜV (va. §§ 6, 8 und 10 DEÜV). Über diese Meldungen hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gem. § 25 Abs. 1 Satz 1 DEÜV mindestens einmal jährlich bis zum 30. April eines Jahres für alle im Vorjahr durch Datenübertragung erstatteten Meldungen eine maschinell erstellte Bescheinigung zu übergeben, die inhaltlich getrennt alle gemeldeten Daten wiedergeben muss. Bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist die Bescheinigung unverzüglich nach Abgabe der letzten Meldung auszustellen, § 25 Abs. 1 Satz 2 DEÜV. Nur über einen solchen "Nachweis" haben die Parteien gestritten. Nur einen solchen hat das Arbeitsgericht titulieren wollen.



c) Soweit das Arbeitsgericht eine "Herausgabe" dieser Unterlagen titulierte, ist die Verpflichtung eindeutig und bestimmt. Die Schuldner haben somit die Ausdrucke der elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen für die Jahre 2015 und 2016 sowie die maschinell erstellte Bescheinigung über die Jahresmeldung 2015 und die maschinell erstellte Bescheinigung über die Abmeldung 2016 auszuhändigen.



d) Das Arbeitsgericht titulierte jedoch zusätzlich, dass die herauszugebenden Unterlagen "ordnungsgemäß ausgefüllt" zu sein haben. Darin liegt jedoch keine über die bloße Herausgabe hinausgehende Verpflichtung der Schuldner.



Der Begriff "ordnungsgemäß" ist ohnehin nicht hinreichend bestimmt und vollstreckbar.



Ein weiterer "Ausfüllungsakt" ist nicht geschuldet. Wie bereits oben dargelegt, sollen die Schuldner lediglich Mitteilung über bereits an das Finanzamt bzw. die Einzugsstelle übermittelte Daten erteilen durch Aushändigung von Ausdrucken bzw. maschinell erstellten Bescheinigungen. Dies setzt denknotwendig jedoch voraus, dass Datenübermittlungen bereits erfolgt sind. Eines eigenständigen Ausfüllungsaktes gegenüber den Arbeitnehmern bedarf es bei diesen Bescheinigungen nicht mehr.



3. Unter Zugrundelegung dieser Auslegungen des vollstreckbaren Inhalts des Versäumnisurteils, schulden die Schuldner lediglich eine Herausgabe. Diese ist nach § 883 Abs. 1 ZPO zu vollstrecken.



a) Die Erstellung der geschuldeten Ausdrucke durch Betätigung des Eingabebefehls an den Drucker ist kein der Herausgabe vorgelagerter Erstellungsakt, der nach § 888 Abs. 1 ZPO vollstreckt werden müsste. Vielmehr ist die Vollstreckung auch dann, wenn die herauszugebende bewegliche Sache erst noch herzustellen ist, nach § 883 Abs. 1 ZPO durchzuführen (Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 883 Rn. 9). Es kann auch keinen Unterschied machen, ob ein Schriftstück in einem Aktenordner bereits körperlich vorhanden ist und von dort entnommen werden kann oder ob dieses Schriftstück sich noch in einer Datei eines elektronischen Ordners befindet und aus dieser ausgedruckt werden muss.



b) Nicht gefolgt werden kann der Ansicht, dass auch bloße Herausgabetitulierungen über die Ausdrucke der elektronischen Lohnsteuerkarte oder maschinell erstellten Bescheinigungen über die Meldungen gegenüber der Einzugsstelle zugleich eine "Ausfüllungsverflichtung" beinhalten würden (so aber LAG Hamm 8. August 2012 - 7 Ta 173/12). Es ist zwar richtig, dass die Aushändigung dieser Bescheinigungen denknotwendig einer vorherigen Übermittlung und somit auch eine "Erstellung" der elektronischen Lohnsteuerkarte oder Meldung gegenüber der Einzugsstelle bedarf (siehe oben). Dies sind jedoch Verpflichtungen, die den Arbeitgeber nur gegenüber dem Finanzamt bzw. der Einzugsstelle treffen, die vorliegend aber gar nicht tituliert sind. Sollten die Schuldner schon diese Pflichten nicht erfüllt haben, möge der Gläubiger auch diese klageweise erzwingen. Hierfür bedarf es aber der Klage vor den Finanz- bzw. Sozialgerichten (LAG Baden-Württemberg 17. Februar 2017 - 21 Ta 10/16; LAG Baden-Württemberg 2. Februar 2011 - 18 Ta 2/11).



4. Der Gläubiger ist mit seinem Zwangsvollstreckungsantrag unterlegen. Er hat deshalb die Kosten zu tragen, §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO.



5. Die Entscheidung weicht ab von der Entscheidung des LAG Hamm (LAG Hamm 8. August 2012 - 7 Ta 173/12) und beruht auch auf dieser Abweichung. Die Rechtsbeschwerde war demnach gem. §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.

Der Vorsitzende: Stöbe

Vorschriften§ 888 Abs. 1 ZPO, § 883 Abs. 1 ZPO, § 41b Abs. 3 EStG, § 8a SGB IV, § 41b Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG, § 28a Abs. 1 SGB IV, § 28a Abs. 2 SGB IV, §§ 6, 8, 10 DEÜV, § 25 Abs. 1 Satz 1 DEÜV, § 25 Abs. 1 Satz 2 DEÜV, §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO, §§ 78 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG

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