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17.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198852

Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 08.05.2017 – 6 U 62/16

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Oberlandesgericht Hamm

6 U 62/16

Tenor:

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin vom 13.04.2016 gegen das am 10.03.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg bietet und auch die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO vorliegen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses, auch zu der Frage, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

1

Gründe:

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I.

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Die Parteien streiten um das Bestehen eines Versicherungsvertrages.

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Die Klägerin war gemäß Versicherungsvertrag aus dem Jahre 2011 (Versicherungsschein vom 21. April 2011) bei der Beklagten in dem Tarif „###1“ privat krankenversichert. Der monatliche Beitrag betrug 539,49 €. Zum Zwecke der Reduzierung des monatlichen Beitrags nahm die Klägerin im Mai 2014 Dienstleistungen der X, Versicherungsberater mit Erlaubnis gemäß § 34e Abs. 1 GewO, in Anspruch und unterzeichnete eine entsprechende Dienstleistungsvereinbarung (Bl. 12) nebst Vollmacht (Bl. 13). Durch E-Mail vom 26.05.2014 (Bl. 60) bat die X die Beklagte namens der Klägerin unter Vorlage der Vollmacht um Übersendung einer aktuellen Vertragsübersicht sowie um Übersendung von Umrechnungen in die Tarife „###2“, „###3“, „###4“ und „###5“ unter Berücksichtigung eventuell bestehender Vorerkrankungen. Dem kam die Beklagte umgehend nach (Bl. 62). Daraufhin beantragte die Klägerin unter dem 12.06.2014 bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.07.2014 einen Wechsel in den Tarif „###2“ zu einem monatlichen Beitrag von 369,32 € (Bl. 64). Die Beklagte nahm den Antrag durch Übersendung eines Versicherungsscheins an (Bl. 46). Der Tarif „###2“ umfasst im Gegensatz zu dem ursprünglich bestehenden „Tarif ###1“ bei stationärer Heilbehandlung kein Krankenhaustagegeld; Wahlleistungen wie Zweibettzimmer und gesondert berechenbare wahlärztliche Leistungen umfasst er nur noch im Falle eines Unfalls. Um die weggefallenen Leistungen abzusichern, beantragte die Klägerin auf Anraten der X bei der A Versicherung in B ergänzenden Krankenversicherungsschutz ab dem 01.07.2014 in den Tarifen „###6“ und „###7“ zum monatlichen Gesamtbeitrag von 31,41 € (Bl. 15), woraufhin ihr von der A Versicherung ein entsprechender Versicherungsschein übersandt wurde.

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In der Folgezeit wurde der Klägerin bewusst, dass die bei der A Versicherung bestehende ergänzende Krankenversicherung nur für gesetzlich Krankenversicherte vorgesehen ist, und dass der gewählte Tarif nur in Verbindung mit dem - nicht gewählten – Baustein „###8“ Bestand haben kann. Diese Bedingungen waren bereits aus dem Antragsformular erkennbar. Der Mitarbeiter der X hatte dort die Frage nach der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch fälschlich mit „Z“ beantwortet. Die A Versicherung bescheinigte der Klägerin Anfang März 2015 die außerordentliche Vertragsbeendigung (Bl. 17). Für Beratungsleistungen zahlte die Klägerin an die X ein Honorar von 1.500 €.

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Die Klägerin wandte sich Anfang März 2015 an die Beklagte, informierte diese über den Abschluss der ergänzenden Krankenversicherung bei der A Versicherung und bat um Mitteilung, ob bei bewusster Täuschung durch den Versicherungsberater der vormalige Versicherungsschutz bei der Beklagten wiederhergestellt werden könne (Bl. 73 und 18). Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass eine zusätzliche Absicherung von Versicherungsschutz bei einem anderen Versicherer unüblich und häufig nicht bedarfsgerecht sei, dass private Zusatzkrankenversicherungen oft an die Vorleistungen durch eine gesetzliche Krankenkasse angepasst seien und dass die Beklagte eine zusätzliche Absicherung von Kostenerstattungstarifen bei einer anderen Gesellschaft nicht empfehle (Bl. 19). Eine Umstellung auf den vormaligen Tarif könne wegen der enthaltenen Mehrleistungen nur aufgrund eines Antrags mit Gesundheitsprüfung erfolgen. Durch weiteres Schreiben teilte die Beklagte mit, dass im Falle der Rückkehr in den vormaligen Tarif ein Monatsbeitrag von 1.188,42 € zu zahlen sei (Bl. 20).

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Das Landgericht hat die auf Feststellung des Fortbestehens des Krankenversicherungsvertrages zu den im Versicherungsschein vom 21. April 2011 dokumentierten Bedingungen gerichtete Klage der Klägerin abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Parteien hätten einen wirksamen Tarifwechsel vereinbart. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf Rückkehr in den alten Tarif zu. Der Beklagten falle keine Pflichtverletzung wegen unterlassener Beratung zur Last. Ein Anlass zur Beratung gemäß § 6 Abs. 1 und 4 VVG habe nicht bestanden, zumal die Klägerin von einem sachkundigen Berater, einem Versicherungsmakler, beraten worden sei. Ein Beratungserlass habe sich nicht aus dem formularmäßigen Antrag ergeben. Einen Anlass, über die Risiken im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Zusatzversicherung bei einem anderen Versicherer zu informieren, habe es für die Beklagte nicht gegeben, weil sie zu diesem Zeitpunkt von dem diesbezüglichen Vorhaben der Klägerin noch keine Kenntnis gehabt habe. Es könne dahinstehen, ob der X eine Pflichtverletzung zur Last falle, denn diese sei der Beklagten nicht zuzurechnen.

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Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin abändernd unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Antrags die Feststellung des Fortbestehens des Krankenversicherungsvertrages zu den im Versicherungsschein vom 21. April 2011 dokumentierten Bedingungen. Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht einen Beratungsanlass verneint. Es habe verkannt, dass es sich bei der X nicht um einen Versicherungsmakler, sondern um einen Versicherungsberater mit Erlaubnis gemäß § 34e Abs. 1 GewO gehandelt habe. Die Beklagte habe bereits vor Vertragsänderung Kenntnis davon gehabt, dass alleiniger Zweck der Einschaltung der X durch die Klägerin entsprechend deren Geschäftsmodell nur gewesen sein könne, bei einem anderen Versicherer in den Genuss einer günstigeren Zusatzversicherung zu gelangen. Es habe auch deshalb ein Beratungsanlass bestanden, weil es sich bei der X für die Beklagte ersichtlich um einen nicht sachkundigen Berater gehandelt habe. Dies ergebe sich bereits aus der Rechtsform der Unternehmergesellschaft, aus formalen und inhaltlichen Mängeln der Dienstleistungsvereinbarung sowie aus inhaltlichen Mängeln der Vollmacht. Die Beklagte sei dazu verpflichtet gewesen, die Klägerin vor einer Beratung durch die X zu warnen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

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II.

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1.

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Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, § 522 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
12

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

13

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Im Ergebnis zu Recht und mit überwiegend zutreffender Begründung hat das Landgericht die auf Feststellung des Fortbestehens der Versicherung im ursprünglichen Tarif gerichtete Klage abgewiesen.

14

Durch Annahme des klägerischen Angebots seitens der Beklagten haben die Parteien rechtswirksam eine Vertragsänderung vereinbart. Einen aus § 6 Abs. 5 VVG folgenden auf Rückgängigmachung der Vertragsänderung gerichteten Schadensersatzanspruch der Klägerin hat das Landgericht zu Recht verneint, weil die Beklagte nicht gegen ihre aus § 6 Abs. 4 VVG folgende vertragliche Pflicht zu Nachfrage und Beratung verstoßen hat.

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a)

16

Anlass für eine solche rgab sich nicht bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin Nachfrage und Beratung für die Beklagte eine Reduzierung ihres Versicherungsschutzes bei dieser beabsichtigte. Bei den im neuen Tarif nicht mehr abgesicherten Risiken (Krankenhaustagegeld sowie Zweibettzimmer und Wahlarzt bei nicht unfallbedingten stationären Heilbehandlungen) handelte es sich nämlich nicht um die Basisabsicherung der Krankenversicherung sondern lediglich um zusätzliche Leistungen, welche für eine angemessene stationäre Heilbehandlung nicht unbedingt erforderlich sind und deshalb in den günstigeren Tarifen nicht enthalten sind. Wenn die Klägerin - offenbar aus Anlass ihres Eintritts ins Rentenalter mit dementsprechend engeren finanziellen Verhältnissen - sich aus Kostengründen dafür entscheidet, auf diese zusätzlichen Leistungen zu verzichten und dementsprechend in den Genuss eines günstigeren monatlichen Beitrags zu gelangen, so erscheint diese Entscheidung auch aus Sicht der Beklagten wirtschaftlich sinnvoll und gibt keinen Anlass für eine Nachfrage und Beratung. So weist die Beklagte auch darauf hin, dass für sie der von der Klägerin beantragte Tarifwechsel kein ungewöhnlicher Vorgang gewesen sei, sondern dass insbesondere ältere Versicherungsnehmer häufig eine teilweise deutliche Herabsetzung der Versicherungsbeiträge im Hinblick auf gesunkene Einkommen beantragen.

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Einen Anlass für die Beklagte, die Klägerin vor dem Abschluss einer Zusatzversicherung bei einem anderen Versicherer zu warnen, gab es vor der Vertragsänderung schon deshalb nicht, weil die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch keine Kenntnis von der diesbezüglichen Absicht der Klägerin hatte. Entgegen der Auffassung der Klägerin gab es für die Beklagte auch keinerlei Anhaltspunkte, aufgrund derer diese auf eine diesbezügliche Absicht der Klägerin hätte schließen können. Die Beklagte trägt nämlich unwidersprochen vor, dass eine Herabsetzung der Versicherungsbeiträge durch ältere Versicherungsnehmer üblich sei, wohingegen eine zusätzliche Absicherung bei einem anderen Versicherer unüblich sei. Allein aus dem Umstand, dass die Klägerin sich durch die X beraten ließ, konnte die Beklagte hingegen nicht auf eine Absicht der Klägerin zum Abschluss einer Versicherung bei einem anderen Versicherer schließen. Zwar musste die Beklagte davon ausgehen, dass die Klägerin der X für deren Beratungsleistungen ein entsprechendes Honorar zahlt, jedoch war der Beklagten weder die Höhe des Honorars noch der Umfang der dafür zu erbringenden Beratungsleistungen der X bekannt.

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b)

19

Im Übrigen stünde einer aus § 6 Abs. 4 VVG folgenden Beratungspflicht der Beklagten § 6 Abs. 6 VVG entgegen. Nach dieser Vorschrift besteht eine Beratungspflicht nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird. Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass es sich bei der X nicht um einen Versicherungsmakler im Sinne des § 59 Abs. 3 VVG, sondern um einen Versicherungsberater im Sinne des § 59 Abs. 4 VVG und § 34e GewO handelt. Jedoch findet die Vorschrift des § 6 Abs. 6 VVG auf Versicherungsberater entsprechende Anwendung, weil diese wie Versicherungsmakler der Frage- und Beratungspflicht nach § 61 VVG unterliegen, § 68 VVG. Einer ausdrücklichen Klarstellung im Gesetz bedarf es insoweit nicht (BTDrucks. 16/3945, S. 58; Schwintowski in: Baumann/Beckmann/Johannsen/Johannsen, VVG, 9. Aufl. 2008, § 6 VVG Rn. 7; Münkel in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 3. Aufl. 2015, § 6 VVG Rn. 51).

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c)

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Ein Anlass zur Beratung ergab sich für die Beklagte auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin sich von einem Versicherungsberater in der Rechtsform einer UG beraten ließ oder aus etwaigen formalen oder inhaltlichen Mängeln der Dienstleistungsvereinbarung bzw. der Vollmacht, selbst wenn hierdurch bei der Beklagten Zweifel daran hätten aufkommen können, ob die Klägerin durch die X tatsächlich sachkundig beraten wird. Eine über § 6 Abs. 4 VVG hinausgehende Beratungspflicht der Beklagten besteht nicht. Die Beklagte hat nur in dem Umfang zu beraten, in dem sie auch zu beraten hätte, wenn die Klägerin sich gar nicht vertreten lassen würde. Eine Verpflichtung, den Versicherungsnehmer vor einem von diesem gewählten Vertreter zu warnen, folgt hieraus nicht.

22

2.

23

Die übrigen Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO liegen ebenfalls vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

24

3.

25

Die Klägerin wird abschließend darauf hingewiesen, dass eine Rücknahme der Berufung die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren gemäß Nr. 1222 KV GKG von vier auf zwei Gebühren reduziert.

26

Aufgrund des obigen Hinweisbeschlusses wurde die Berufung zurückgenommen.

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