02.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198632
Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 02.07.2017 – 12 Ta 373/17
1. (Warn-)Streiks um Abfindungsregelungen in Sozialtarifverträgen werden um tarifliche regelbare Ziele geführt.
2. Ein Sozialtarifvertrag ist auch dann tariflich regelbar und damit auch erstreikbar, wenn keine Betriebsänderung nach den Regeln der Betriebsverfassung (§§ 111, 112 BetrvG) vorliegt.
3. Im Beschwerdeverfahren nach § 567 ZPO kann eine Entscheidung durch den Vorsitzenden allein ergehen, wenn eine mündliche Verhandlung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter aus Zeitgründen nicht mehr stattfinden kann.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 01.07.2017 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die antragstellende Arbeitgeberin verlangt von der im Betrieb vertretenen IG-Metall (Antragsgegnerin zu 1.) sowie deren Untergliederungen in NRW bez. G (Antragsgegnerinnen zu 2. und 3.) und dem ersten Bevollmächtigen (Antragsgegner zu 4.) die Unterlassung eines Warnstreiks, der für Montag, 03.07.2017, von 06:00 Uhr - 07:00 Uhr vor dem Werksgelände beabsichtigt ist und zu dem die Antragsgegnerin zu 3). aufgerufen hat.
Die Antragstellerin beschäftigt 114 Arbeitnehmer im Betrieb in G und stellt mit circa 50 Maschinen Trinkwasser-, Gas- und Sanitärarmaturen, Hausanschlüsse und Rohrverbindungstechnik her.
Sie beschloss vier Maschinen im Juli 2017, September 2017 sowie November 2017 zu veräußern. Von der Maßnahme sind acht Arbeitnehmer betroffen, die im Betrieb an einer anderen Bearbeitungsmaschine ohne Änderung der Arbeitsbedingungen beschäftigt werden sollen.
Hierüber informierte die Antragstellerin den bei ihr gewählten Betriebsrat am 08.06.2017. Mit Schreiben vom 22.06.2017 forderte die Antragsgegnerin zu 3. die Antragstellerin auf, über einen Zukunfts- und Standortsicherungstarifvertrag sowie gegebenenfalls über einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln.
In dem Schreiben heißt es:
Gleichzeitig wurde ein Terminvorschlag für Mittwoch den 28.06.2017, 17:00 Uhr unterbreitet.
Mit Schreiben vom 27.06.2017 lehnte die Antragstellerin den Terminvorschlag ab und kündigte an, einen Alternativvorschlag zu unterbreiten, sobald sie ihre internen Beratungen abgeschlossen hätte.
Mit undatiertem Schreiben der Antragsgegnerin zu 2). wurde der Antragstellerin am Freitag, den 30.06.2017 bekannt, dass für Montag den 03.07.2017 in der Zeit von 06:00 Uhr - 07:00 Uhr zum Warnstreik aufgerufen werde. Verantwortlich für den Inhalt zeichnet der Antragsgegner zu 4.).
Gegen den Warnstreik richtet sich der beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen am 30.06.2017 um 13:36 Uhr eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Untersagung der beabsichtigten Streikmaßnahme.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Verfügungsanspruch auf Untersagung der Streikmaßnahmen zu, weil der Streik auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sei. Denn die erforderliche Betriebsänderung im Sinn des § 111 BetrVG liege nicht vor. Weiter liege auch ein Verfügungsgrund vor, weil bei rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen eine Unterlassungsverfügung stets zu erlassen sei, da ansonsten die Ansprüche der Arbeitgeberin vereitelt würden. Bei Durchführung des Streikes drohten der Antragstellerin erhebliche wirtschaftliche Nachteile.
Die Antragstellerin hat - soweit hier von Belang - beantragt,
Mit Beschluss vom 30.06.2017 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die besondere Dringlichkeit für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei wegen des Zeitablaufs gegeben. Der Antrag sei zulässig aber unbegründet. Nach summarischer Prüfung im einstweiligen Verfügungsverfahren sei der Streik nicht als rechtswidrig anzusehen. Denn die Antragsgegner verfolgten mit dem Streik kein rechtswidriges Ziel. Die Tarifvertragsparteien seien nicht auf den Abschluss solcher Sozialtarifverträge beschränkt, die nach betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen als Sozialplan erzwungen werden können. Auch im Betrieb ohne Betriebsrat oder in Kleinbetrieben sei der Abschluss eines Sozialtarifvertrages zulässig. Deswegen sei das Vorliegen einer Betriebsänderung entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Voraussetzung für den Abschluss eines Sozialtarifvertrages. Der Inhalt der Streikforderung unterliege keiner gerichtlichen Übermaßkontrolle. Der Aufruf zum Warnstreik am 03.07.2017 verstoße auch nicht gegen die relative Friedenspflicht und sei auch nicht unverhältnismäßig. Der zulässige Antrag zu 2) sei ebenfalls unbegründet. Er erfasse als Globalantrag eine Vielzahl möglicher Fragestellungen. Deswegen führe die unbegrenzte absolute Untersagung von Arbeitskampfmaßnahmen zu einem Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG.
Gegen den ihr am 30.06.2017 zugestellten und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat die Antragstellerin am 01.07.2017, 15:34 Uhr beim Landesarbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegner verfolgten kein rechtmäßiges tarifvertraglich regelbares Ziel. Denn Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit eines Streikaufrufes mit dem Ziel eines Sozialtarifvertrags sei, dass diesem Sozialtarifvertrag eine Maßnahme des Arbeitgebers in Form einer Betriebsänderung im Sinne der §§ 111, 112 BetrVG zugrunde liege. Die Auffassung des Arbeitsgerichts führe dazu, dass der Arbeitgeber völlig rechtlos gestellt werde. weil er keine rechtliche Handhabe habe, Arbeitskampfmaßnahmen zu verhindern beziehungsweise abzuwehren, die ohne jedweden und konkreten Anlass geplant und durchgeführt würden. Da die Antragstellerin für Montag, den 03.07.2017 und Dienstag, den 04.07.2017 Informationsgespräche mit dem Betriebsrat vereinbart habe, sei der Streikaufruf auch unverhältnismäßig.
Die Antragstellerin beantragt
Die Antragsgegnerin, der rechtliches Gehör gewährt wurde, beantragt,
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss. Das Arbeitsgericht habe zutreffend angenommen, dass es zum Abschluss eines Sozialtarifvertrages keiner Betriebsänderung bedürfe. Eine solche liege aber auch vor. Die Wichtigkeit der zur Verlagerung vorgesehenen Maschinen sei allein schon daran zu erkennen, dass die Antragstellerin seit 2014 einen Tarifvertrag zur Investition in solche Maschinen vorliegen habe, der jedoch nie zum Tragen gekommen sei. Dem Betriebsrat sei mittlerweile bekannt, dass noch weitere Maschinen veräußert werden sollen. Die verbleibenden Sägemaschinen seien 30 Jahre alt. Die Veräußerung und Verlagerung der Maschinen sei technisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll möglich. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe zwar angekündigt, dass er im Rahmen der Änderung keine betriebsbedingte Kündigung aussprechen wolle, war aber nicht bereit dies vertraglich zu fixieren, da alles noch unsicher sei. Das Unternehmen habe sich bislang geweigert, mit dem Betriebsrat über die Betriebsänderung zu verhandeln. Die Gewerkschaft erwarte, dass die Auswirkungen befürchteter betriebsbedingter Kündigungen im Sozialtarifvertrag gemildert würden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die eingereichten eidesstattlichen Versicherungen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig aber unbegründet.
1. Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig.
a) Ist durch das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen worden, ist gegen diese Entscheidung die sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO gegeben. Von einer mündlichen Verhandlung war hier gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ebenso abzusehen wie von einer Abhilfeprüfung durch das Arbeitsgericht gem. § 572 Abs. 1 ZPO, weil der erforderliche dringende Fall vorliegt. Das Arbeitsgericht hat am Abend des 30.06.2017 entschieden, das Rechtsmittel ist am Samstag, den 01.07.2017 nachmittags beim Landesarbeitsgericht eingegangen und richtet sich auf die Unterlassung eines Streiks am Montag den 03.07.2017 um 06:00 Uhr. Da keine mündliche Verhandlung unter Beteiligung der ehrenamtlichen Richter mehr stattfinden konnte, konnte die Entscheidung durch den Vorsitzenden des Beschwerdegerichtes alleine ergehen. Aus diesem Grund war der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren rechtliches Gehör zu gewähren.
b) Die Antragstellerin hat ihren Antrag gerichtet gegen die Gewerkschaft unmittelbar, gegen deren Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen, gegen deren Standortrepräsentanz in G und gegen den ersten Bevollmächtigten der Untergliederung in G. Ob die Untergliederungen der Gewerkschaft, die Bezirksleitung in Nordrhein-Westfalen sowie der Standort G überhaupt parteifähig sind, ist zweifelhaft. Die IG-Metall handelt durch ihre Organe. Dadurch, dass sie sich in den Bundesländern und Ortsbereichen weiter untergliedert hat, werden diese nicht selbst Tarifvertragspartei und damit rechts- und parteifähig. Dies mag aber im Ergebnis dahinstehen, da der Antrag ohnehin unbegründet ist.
2. Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegner keinen Anspruch aus §§ 1004, 823 BGB auf Unterlassung des Warnstreiks am Montag den 03.07.2017. Dies folgt hinsichtlich des Antragsgegners zu 4. schon aus der mangelnden Passivlegitimation. Der erste Bevollmächtige wollte erkennbar nur für die IG-Metall zum Streik aufrufen, nicht im eigenen Namen.
a) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch bei Arbeitskämpfen nach einhelliger Meinung zulässig (vgl. nur die Düwell/Lippke/Dreher, ArbGG, 4. Auflage 2016, § 62 Rn. 47; LAG Hamm 13.07.2015 - 12 SaGa 21/15). Vorauszusetzen ist ein Verfügungsanspruch und ein Verfügungsgrund. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Denn jegliche gerichtliche Maßnahme verschiebt die Kampfparität zwischen den streikenden Gewerkschaften und dem bestreikten Arbeitgebern zu Gunsten der einen oder zu Ungunsten der anderen Partei. Deswegen wird übereinstimmend angenommen, dass ein Eingriff in den Arbeitskampf jedenfalls veranlasst sein kann, wenn der Streik offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. zum Meinungsstand LAG Hessen, 07.11.2014 - 9 SaGa 1496/14). Ob allerdings eine solche Evidenz erforderlich ist, wird teilweise bezweifelt (vgl. Germelmann/Matthes/Pütting, 8. Auflage 2013, § 62 ArbGG Rn. 113). Neben der Rechtswidrigkeit fordern die Vorschriften der §§ 935 ff. ZPO für den Erlass einer einstweiligen Verfügung, eine besondere Dringlichkeit. Sowohl im Falle der Sicherungsverfügung gemäß § 935 ZPO als auch bei der Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO sind schon deswegen besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn die einstweilige Verfügung nicht nur Ansprüche sichert, sondern sie auch zur Befriedigung führen und damit Tatschen schafft. Da Streikmaßnahmen nicht nachgeholt werden können, ist die Gefahr besonders groß, dass Eingriffe in den Streik eine endgültige Regelung herbeiführen. Erforderlich ist daher eine Abwägung der grundrechtlichen Position beider Seiten (vgl. zum Ganzen LAG Hamm 13.07.2015 - 12 SaGa 21/15). Rechtswidrig und damit zu untersagen sein, kann ein. Streik, wenn er ein tariflich nicht regelbares Ziel verfolgt, gegen die Friedenspflicht verstößt oder unverhältnismäßig ist.
b) Diese Voraussetzungen hat die Antragstellerin nicht darzulegen vermocht.
aa) Das von der Gewerkschaft verfolgte Ziel ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht rechtswidrig.
Die Rechtsfrage, ob Sozialtarifverträge also solche, die sich inhaltlich weitgehend mit dem Sozialplan decken können, zulässig sind, hat das Bundesarbeitsgericht mit seiner Entscheidung vom 24.04.2007 (1 AZR 252/06) entschieden. Danach werden Streiks um Abfindungsregelungen, um tarifliche regelbare Ziele geführt. Dies folgt aus § 1 Abs. 1 TVG, wonach Tarifverträge Rechtsnormen enthalten, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen können. Insofern hat § 111 BetrVG auch keine Sperrwirkung (vgl. BAG 24.04.2007 - 1 AZR 353/06). Dass es um einen solchen Tarifvertrag hier geht, folgt aus dem Streikaufruf vom 30.06.2017 und aus dem Anschreiben der Gewerkschaft vom 22.06.2017. Denn in dem geforderten Sozialtarifvertrag werden Abfindungen gefordert, eine Verdienstsicherung und eine Transfergesellschaft. Dies sind Regelungen, die so in einem Sozialplan gemäß §§ 111, 112 BetrVG stehen könnten. Um den ebenfalls geforderten Zukunfts- und Standortsicherungsvertrag soll es bei dem Warnstreik ausweislich der Streikankündigung nicht gehen. Dass es sich bei den Forderungen um Maximalforderungen handelt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals Inhalt eines Tarifvertrages werden, spielt für die Wirksamkeit des Streikaufrufs keine Rolle. Denn wie das Arbeitsgericht zurecht ausgeführt hat, lässt die in Art. 9 Abs. 3 GG geregelte Tarifautonomie eine Übermaßkontrolle nicht zu (vgl. BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06).
Beim Streik um einen Sozialtarifvertrag ist das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 111, 112 BetrVG nicht erforderlich. Ein Sozialtarifvertrag ist dann tariflich regelbar und damit auch erstreikbar, wenn keine Betriebsänderung nach den Regeln der Betriebsverfassung vorliegt. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft auf der einen Seite und dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber auf der anderen Seite betrifft unterschiedliche Regelungssysteme. Der Abschluss von Tarifverträgen und die Möglichkeit diese durch Arbeitskämpfe zu erreichen, steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Dem gegenüber sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates einfach gesetzlich normiert. Art. 9 Abs. 3 GG ist ein schrankenloses Grundrecht, das nur durch gleichrangige Rechte, also Grundrechte eingeschränkt werden kann. Soweit es sich also um ein tariflich regelbares Recht handelt, würde es einen Eingriff in die Tarifautonomie bedeuten, wenn man aus dem anderen Regelungssystem der Betriebsverfassung Anforderungen übernehmen würde, die nur für dortige Fälle geregelt sind. Solange sich die Gewerkschaft auf Forderungen beschränkt, die Inhalte eines Tarifvertrages nach § 1 Abs. 1 TVG sein können, unterliegen ihre Forderungen jedenfalls keinen Einschränkungen, die sich aus der Betriebsverfassung ergeben. Dort hat der Gesetzgeber für bestimmte definierte Situationen vorgeschrieben, dass ein Sozialplan zwingend zu verhandeln und zu vereinbaren ist. Damit hat der Gesetzgeber im Bereich der wirtschaftlichen Mitbestimmung den Betriebsräten in bestimmten Fällen Rechte eingeräumt, die die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Unternehmers einschränken. Unabhängig von der Frage, ob § 111 BetrVG im Katalog des Satzes 3 die Betriebsänderungen erschöpfend aufzählt (vgl. zum Meinungsstand Richardi/Annuß 15. Auflage 2016 § 111 Rn. 41), sind der Fantasie, in welchen Situationen einem Arbeitnehmer Abfindungen gewährt werden können, keine Grenzen gesetzt. Hat also der Gesetzgeber im Bereich der Betriebsverfassung für bestimmte Fälle gemeint, Ausgleichspflichten einzuführen, kann daraus nicht geschlossen werden, dass es nicht auch andere Fälle geben kann, von denen die Gewerkschaft meint, sie müssten geregelt werden. Dieser Befund wird bestätigt durch das BetrVG selbst. § 2 Abs. 3 BetrVG regelt, dass die Aufgaben der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder durch das Gesetz nicht berührt werden und § 77 Abs. 3 BetrVG auf dem Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG keine Anwendung findet (vgl. dazu Schaub-Treber, 16. Aufl.2015, § 192 Rn. 7). Auch in anderen Fällen, in denen eine Sozialplanpflicht nicht besteht, wie beim Betriebsübergang, der eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG ausschließt (vgl. BAG 16.06.1987 - 1 ABR 41/85), wird angenommen, dass ein Sozialtarif abgeschlossen und erstreikt werden kann (vgl. Greiner NZA 2008, 1274, 1275). Erfasst werden auch Betriebe ohne Betriebsrat oder Kleinbetriebe (vgl. Berg/Kocher/Schumann-Wankel/Schoof, 5. Aufl. 2015 § 1 TVG Rn. 189a).
bb) Der Streikaufruf ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Streikaufruf gegen die Friedenspflicht verstößt.
Der beabsichtigte Warnstreik ist auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit macht sich das Beschwerdegericht die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG zu Eigen. Soweit die Antragstellerin die Unverhältnismäßigkeit darin sieht, dass für den 03. und 04.07.2017 Gespräche mit dem Betriebsrat vereinbart seien, kann dies den Streik nicht unverhältnismäßig machen. Denn die Gespräche auf Betriebsratsebene, bei denen es um die dort geregelten Mitwirkungsrechte geht, können die Rechte der Gewerkschaft nach Artikel 9 Abs. 3 GG nicht einschränken, weil es eine Sperrwirkung der §§ 111 ff. BetrVG nicht gibt (vgl. BAG 24.04.2007 - 1 AZR 252/06).
c) Der Antrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet.
Auch insofern wird auf die nicht angegriffenen Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.