08.02.2006 · IWW-Abrufnummer 060382
Landesarbeitsgericht Hamm: Beschluss vom 22.09.2005 – 4 Ta 395/04
1. Hat der Zahlungsrückstand seine Ursache darin, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Partei verschlechtert haben, so ist vorrangig zu prüfen, ob nicht eine Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO in Betracht kommt. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist nämlich unzulässig, wenn die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht (mehr) entsprechen.
2. Bitte die Partei unter Hinweis darauf, dass auf die Unterstützung durch das Sozialamt angewiesen sei, um Zahlungsaufschub, dann muss das Arbeitsgericht diesen als Abänderungsantrag ausdeutenden Stundungsantrag förmlich vorbescheiden und die Ratenzahlungsanordnung aus dem PKH-Bewilligungsbeschluss gemäß § 120 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 ZPO aufheben, denn wer Sozialhilfe bezieht, erfüllt schon allein aus diesem Grunde die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH-Bewilligung ohne Ratenzahlungsverpflichtungen.
Tenor:
Auf die als sofortige auszudeutende Beschwerde des Klägers werden der PKH-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 06.05.2004 -2 Ca 588/03 - aufgehoben und der PKH-Bewilligungsbeschluss vom 06.05.2003 -2 Ca 588/03 - dahingehend abgeändert, dass der Kläger einstweilen keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Die Prozesskostenhilfesache wird zur Prüfung einer eventuellen (neuen) Ratenzahlungsanordnung an das Arbeitsgericht Bocholt zurückverwiesen.
Gründe:
I. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 06.05.2003 in vollem Umfang mit Wirkung vom 17.03.2003 Prozesskostenhilfe bewilligt, ihm Rechtsanwalt R1xxxxxx aus L1xxxxxxxxxx beigeordnet, ihm monatliche Raten in Höhe von 45,00 ¤ auferlegt und den Zahlungsbeginn auf den 01.06.2003 festgesetzt.
Nach Erhalt des Zahlungsplanes hat der Kläger mit Schreiben vom 19.08.2003 um Zahlungsaufschub bis Oktober 2003 mit dem Bemerken gebeten, er sei arbeitslos und bekomme voraussichtlich erst im September 2003 den Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag mit Schreiben vom 20.08.2003 entsprochen. Nach Zahlungsaufforderung hat der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2003 erneut um Zahlungsaufschub, diesmal mit der Begründung, er sei seit August 2003 und voraussichtlich noch für weitere zwei Monate arbeitsunfähig krank und sei auf die Unterstützung durch das Sozialamt der Gemeinde S5xxxx angewiesen. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag mit Schreiben vom 03.12.2003 mit dem Hinweis entsprochen:
Sollten Sie ab März 2004 keine Zahlungen aufnehmen können, wird um rechtzeitige Mitteilung und Übersendung entsprechender Nachweise gebeten (z.B. Sozialhilfebescheid, Arbeitslosenhilfebescheid etc.).
Nachdem der Kläger auf die gerichtliche Aufforderung vom 05.03.2004, "unverzüglich die Ratenzahlung aufzunehmen", nicht reagiert hat, hat das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 08.07.2003 die PKH-Bewilligung vom 06.05.2003 mit der Begründung aufgehoben, der Kläger sei "nach der vorliegenden Rückstandsanzeige der Gerichtskasse Düsseldorf vom 06.05.2004 ... mit der am 02.06.2003 fällig gewordenen Rate länger als drei Monate im Rückstand".
Gegen den am 08.05.2004 zugestellten Beschluss hat der Kläger sich mit Schreiben vom 11.05.2004, bei dem Arbeitsgericht am 18.05.2004 eingegangen, unter Vorlage unter anderem des Sozialhilfebescheides der Gemeinde S5xxxx vom 06.04.2004 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, er sei bedingt durch seine Handverletzung weiterhin ohne Arbeit und erhalte vom Sozialamt Hilfe zum Lebensunterhalt.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern mit Beschluss vom 18.05.2004 dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach § 11 Abs. RPflG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO form und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen Nichterfüllung der Ratenzahlungsverpflichtung (§ 124 Nr. 4 ZPO) gemäß PKH-Aufhebungsbeschluss vom 06.05.2004 ist nicht gerechtfertigt.
1. Die Vorschrift des § 124 Nr. 4 ZPO steht im Zusammenhang mit den §§ 115, 120 ZPO und soll sicherstellen, dass die Partei ihrer Verpflichtung, auf zumutbare Weise aus eigenen Mitteln Kosten des Rechtsstreits beizutragen, auf der vom Gericht angeordneten Weise nachkommt. Voraussetzung für die Aufhebung der PKH-Bewilligung ist zunächst der mindestens dreimonatige Rückstand mit einer Monatsrate. Aufgehoben werden kann also schon, wenn eine seit drei Monaten fällige Monatsrate nicht gezahlt worden ist, denn es wird nicht etwa verlangt, dass die Partei mit drei Monatsraten in Rückstand ist (Stein/Jonas/Bork, § 124 ZPO Rz. 24). Unpünktliche Zahlung allein rechtfertigt demnach noch keine Aufhebung der PKH (OLG Schleswig v. 30.03.1993 - 9 W 2/93, JurBüro 1993, 691). Die Partei, welcher Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, muss entsprechend den Gedanken der §§ 282, 285 BGB a.F. = §§ 280, 286 BGB n.F. nachweisen, dass der Rückstand unverschuldet ist (Musielak/Fischer, § 124 ZPO, Rz. 9). Deshalb ist die PKH-Partei vor der Aufhebungsentscheidung auf die Rückstände hinzuweisen (OLG Brandenburg v. 29.01.2001 - 10 WF 3/01, FamRZ 2020, 1419). Gibt sie auf einen solchen Hinweis keine Stellungnahme ab, kann dementsprechend davon ausgegangen werden, dass der Zahlungsrückstand nicht unverschuldet ist (OLG Stuttgart v. 23.09.1985 - 8 WF 71/85, JurBüro 1986, 297 = Justiz 1986, 14), so dass die PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO aufgehoben werden darf, ohne dass es einer weiteren Aufklärung seitens des Rechtspflegers bedarf (OLG Hamm v. 06.03.1992 - 12 U 224/98, JurBüro 1992, 621 = Rpfleger 1992, 257).
1.1. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist unzulässig, wenn eine Zahlungsanordnung zu Unrecht getroffen worden ist (OLG Düsseldorf v. 23.03.1993 - 6 WF 5/93, FamRZ 1993, 1474 = OLGR Düsseldorf 1993, 281). Eine PKH-Partei befindet sich nämlich auch dann nicht in einem den Zahlungsverzug begründenden Rückstand, wenn Raten gegen sie von vornherein nicht hätten festgesetzt werden dürfen, weil die Partei schon im Zeitpunkt der PKH-Bewilligung zur Ratenzahlung nicht im Stande gewesen ist (OLG Düsseldorf v. 06.01.1987 - 9 WF 274/86, JurBüro 1987, 914; OLG Koblenz v. 04.03.1988 - 11 WF 239/88, FamRZ 1988, 1184; OLG Celle v. 09.10.1996 - 18 WF 151/96, FamRZ 1997, 1089; OLG Koblenz v. 22.01.1999 - 13 WF 32/99, JurBüro 1999, 371). Dies bedeutet, dass im Rahmen einer Entscheidung nach § 124 Nr. 4 ZPO die subjektiven Voraussetzungen der PKH-Bewilligung nochmals geprüft werden müssen (OLG Karlsruhe v. 12.02.1998 - 18 WF 7/98, OLGR Karlsruhe 1998, 368; OLG Koblenz v. 27.10.1998 - 9 WF 1167/98, OLGR Koblenz 1999, 120); dem steht nicht entgegen, dass es zu einem früheren Zeitpunkt versäumt wurde, Beschwerde einzulegen (KG Berlin v. 13.12.1983 - 17 WF 4267/83, FamRZ 1984, 412 = JurBüro 1984, 1251). Ein Verschulden wird ferner auch dann zu verneinen sein, wenn die Partei die Ratenzahlungen in der erlaubten Erwartung einstellt, einem von ihr gestellten Änderungsantrag werde stattgegeben (OLG Zweibrücken v. 12.08.1991 - 6 WF 58/91, JurBüro 1992, 412 = Rpfleger 1992, 117).
1.2. Auch eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung der Verhältnisse der PKH-Partei lässt, wenn sie die Raten ganz oder teilweise nicht mehr aufbringen kann, einen Rückstand in Form des Zahlungsverzuges nicht entstehen (OVG Saarlouis v. 12.10.1987 - 1 Z 1/87, JurBüro 1988, 370). Hat der Zahlungsrückstand seine Ursache darin, dass sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Partei verschlechtert haben, so ist vorrangig zu prüfen, ob nicht eine Änderungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO in Betracht kommt. Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist nämlich unzulässig, wenn die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht (mehr) entsprechen (OLG Düsseldorf v. 23.03.1993 - 6 WF 5/93, FamRZ 1993, 1474 = OLGR Düsseldorf 1993, 281). Da die Bewilligungsentscheidung bei einer Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse rückwirkend auf den Zeitpunkt geändert werden kann, zu dem die Verschlechterung eingetreten ist, kommt eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen in diesen Zeitraum fallender (rückständiger) Beträge nicht in Betracht (LAG Niedersachsen v. 20.05.1985 - 8 Ta 9/85, JurBüro 1985, 1575 [M ümmler]; LAG Bremen v. 08.10.1987 - 4 Sa 169/87, LAGE § 120 ZPO Nr. 6 = ARST 1988, 93 = MDR 1988, 81; OLG Bamberg v. 16.12.1991 - 1 W 94/91, JurBüro 1992, 250). Die auferlegte Ratenzahlung ruht in einem solchen Falle bis zur Besserung der Vermögensverhältnisse des Bedürftigen (LAG Düsseldorf v. 11.04.1983 - 7 Ta 59/83, JurBüro 1984, 616 [Mümmler]).
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die [sofortige] Beschwerde gegen die Aufhebung der PKH-Bewilligung Erfolg haben müssen, denn das Arbeitsgericht hat die nachgewiesene Verschlechterung des Einkommens des Klägers außer Acht gelassen und zu Unrecht seinen als Abänderungsantrag auszudeutenden Stundungsantrag vom 01.12.2003 nicht förmlich verbeschieden.
2.1. Das Arbeitsgericht hatte zwar nach Erhalt des Schreibens des Klägers vom 19.08.2003, mit dieser um Zahlungsaufschub bis Oktober 2003 mit dem Bemerken gebeten, er sei arbeitslos und bekomme voraussichtlich erst im September 2003 den Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes, keine Veranlassung, dieses Schreiben als Abänderungsantrag anzusehen; es genügte, dem Stundungsbegehren für zwei Monate zu entsprechen. Anders ist jedoch das Schreiben des Klägers vom 01.12.2003 zu bewerten, mit dem dieser diesmal mit der Begründung, er sei auf die Unterstützung durch das Sozialamt der Gemeinde S5x-xxx angewiesen, erneut um Zahlungsaufschub nachgesucht hat. Das Arbeitsgericht hätte diesen als Abänderungsantrag ausdeutenden Stundungsantrag förmlich vorbescheiden und die Ratenzahlungsanordnung aus dem PKH-Bewilligungsbeschluss gemäß § 120 Abs. 4 Satz 1 HS. 2 ZPO aufheben müssen, denn wer Sozialhilfe bezieht erfüllt schon allein aus diesem Grunde die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH-Bewilligung ohne Ratenzahlungsverpflichtungen (LAG Köln v. 18.09.2003 - 8 Ta 209/03, AGS 2004, 26, 27 [Mock]). Danach hätte das Arbeitsgericht ganz normal turnusmäßig mit dem sog. PKH-Nachprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO beginnen müssen. Es hätte zunächst die Ratenzahlungsanordnung aus dem PKH-Bewilligungsbeschluss vom 06.05.2003 aufheben und ggf. nach Durchführung des Nachprüfungsverfahrens entweder im Falle der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers eine erneute Ratenzahlungsanordnung treffen oder im Falle der Nichtbesserung davon absehen oder im Falle der Verletzung der Mitwirkungspflichten des Klägers aus § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO gemäß (§ 124 Nr. 2 ZPO) aufheben können. Die Feststellung eines solchen Fehlverhaltens setzt regelmäßig voraus, dass der ergebnislosen Aufforderung zur Vorlage einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch eine Mahnung folgt, die im PKH-Beiheft zu dokumentieren ist (LAG Hamm v. 02.01.2002 - 14 Ta 710/01, n.v.). Hieran mangelt es, denn das gerichtliche mit Schreiben vom 03.12.2003 genügt diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil das Arbeitsgericht damit nur einen weiteren Zahlungsaufschub hat gewähren wollen, sich aber - trotz der Aufforderung, im Falle der Nichtaufnahme der Ratenzahlungen ab März 2004 rechtzeitig Mitteilung davon zu machen und entsprechende Nachweise (z.B. Sozialhilfebescheid, Arbeitslosenhilfebescheid etc.) einzureichen - nicht im Nachprüfungsverfahren befunden hat, sondern die Ratenzahlungen hat eintreiben wollen. Dies verdeutlicht auch die an den Kläger gerichtete Aufforderung vom 05.03.2004, "unverzüglich die Ratenzahlung aufzunehmen". Folglich trägt die Begründung des Aufhebungsbeschlusses vom 08.07.2003, der Kläger sei "nach der vorliegenden Rückstandsanzeige der Gerichtskasse Düsseldorf vom 06.05.2004 ... mit der am 02.06.2003 fällig gewordenen Rate länger als drei Monate im Rückstand", nicht der einer ordnungsgemäßen PKH-Aufhebungsentscheidung nach § 124 Nr. 2 ZPO.
2.2. Mithin hat die (sofortige) Beschwerde Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 06.05.2004. Zugleich war die Ratenzahlungsordnung im PKH-Bewilligungsbeschluss vom 06.05.2003 aufzuheben. Die Frage der Ratenfreiheit bzw. der Ratenzahlungsverpflichtung wird das Arbeitsgericht nunmehr im PKH-Nachprüfungsverfahren neu zu prüfen haben. Zur Vermeidung eines weiteren Beschwerdeverfahrens wird nochmals auf folgendes hingewiesen: Stellt eine PKH-Partei einen Abänderungsantrag und verletzt sie dann im PKH-Nachprüfungsverfahren ihre weitere Mitwirkungspflicht aus § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, dann kann - wie oben bereits dargelegt - die Aufhebung der Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO erfolgen. Wer Sozialhilfe bezieht erfüllt schon allein aus diesem Grunde die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH-Bewilligung ohne Ratenzahlungsverpflichtungen, so dass sonstige unvollständigen Angaben in derartigen Fällen Auflagen im Sinne des § 118 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO nicht zu rechtfertigen vermögen (LAG Köln v. 18.09.2003 - 8 Ta 209/03, AGS 2004, 26, 27 [Mock]). Diese Grundsätze gelten zwar im PKH-Nachprüfungsverfahren nach § 120 Abs. 4 ZPO entsprechend, setzen aber voraus, dass die PKH-Partei den Sozialhilfebescheid auch vorlegt. Der Kläger ist gut beraten, wenn er den Sozialhilfebescheid künftig sofort und zusammen mit der "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen" zu den Gerichtsakten reicht, wenn das Arbeitsgericht im automationsunterstützten Verfahren zur Ausfüllung und Einreichung des amtlichen Vordruck auffordert.