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18.12.2017 · IWW-Abrufnummer 198385

Landesarbeitsgericht Hamm: Urteil vom 19.07.2017 – 5 Sa 129/17

Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien den Betriebsparteien durch eine Öffnungsklausel in § 14 Ziff. 1 Abs. 3 EMTV die Möglichkeit eröffnet haben, die tarifliche zusätzliche Urlaubsvergütung zu einem festen Stichtag "en-bloc" zu gewähren, hebt die strenge Akzessorietät der zusätzlichen Urlaubsvergütung zum Urlaubsentgelt gem. § 14 Ziff. 1 Abs. 1, 2 EMTV nicht auf.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 14.12.2016 - 9 Ca 2939/16 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch über die Höhe des für 2016 zu zahlenden zusätzlichen Urlaubsgeldes für neun im März 2016 genommene Urlaubstage.



Der Kläger ist bei der Beklagten als Diplom-Ingenieur tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der metallverarbeitenden Industrie NRW Anwendung unter anderem der Einheitliche Manteltarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (im Folgenden EMTV). Die wöchentliche Arbeitszeit des Klägers betrug bis zum 31.03.2016 40 Stunden in der Woche. Gemäß § 3.3 Abs. 4 des einheitlichen Manteltarifvertrages in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (EMTV) wurde diese Arbeitszeit ab dem 01.04.2016 auf 35 Stunden in der Woche verringert.



Die Urlaubsvergütung bestimmt sich nach § 14 EMTV. Dort heißt es:



Urlaubsvergütung



1. Den Beschäftigten und Auszubildenden wird während des Urlaubs das regelmäßige Arbeitsentgelt/ die regelmäßige Ausbildungsvergütung weitergezahlt (berechnet nach § 16).



Sie erhalten darüber hinaus eine zusätzliche Urlaubsvergütung, die bei 30 Urlaubstagen gemäß § 13 Nr. 1 je Urlaubstag 2,4 % des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts/der regelmäßigen Ausbildungsvergütung ausmacht. In Fällen des § 13 Nr. 4 ist der Prozentsatz wertgleich anzupassen.



Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Urlaubsvergütung sind die festen Entgeltbestandteile des laufenden Monats zuzüglich des Monatsdurchschnitts der gemäß § 16 Nr. 1 zu berücksichtigenden variablen Entgeltbestandteile der letzten sechs abgerechneten Monate.



2. Die Urlaubsvergütung ist auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Antritt des Urlaubs zu zahlen, sofern der Urlaub mindestens zwei Wochen umfasst. Statt der Urlaubsvergütung kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden. Fällt ein Zahlungstermin für Entgelt oder Ausbildungsvergütung in die Urlaubszeit, so ist das Entgelt oder die Ausbildungsvergütung auf Wunsch des/der Beschäftigten/Auszubildenden vor Beginn des Urlaubs auszuzahlen. Stattdessen kann ein entsprechender Abschlag geleistet werden.



3. Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann festgelegt werden, dass die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Urlaubsjahr spätestens mit der Abrechnung für den Monat Juni, bei Eintritt im Laufe des Urlaubsjahres mit der Abrechnung für den Monat Dezember ausgezahlt wird. Steht dem/der Beschäftigten/Auszubildenden bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis/Ausbildungsverhältnis ein anteiliger Urlaubsanspruch zu, kann die zu viel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden.



Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung vom 20.12.2005 gemäß § 14 Ziffer 3 EMTV, mit der der Auszahlungszeitraum für das zusätzliche tarifliche Urlaubsgeld auf Mai eines jeweiligen Jahres festgelegt wird.



Der Kläger hat im März 2016 neun Urlaubstage genommen. Mit der Abrechnung für den Monat Mai 2016 erhielt der Kläger das Urlaubsgeld für das gesamte Jahr 2016 berechnet auf Basis einer 35-Stunden-Woche. Dadurch erhielt der Kläger für die neun im März in Anspruch genommenen Urlaubstage im Mai ein Urlaubsgeld, das um 199,44 € brutto niedriger ausfiel als bei Berechnung des Urlaubsgeldes auf Basis der im März 2016 geltenden 40-Stunden-Woche. Die Berechnung der Forderung durch den Kläger ergibt sich aus seiner E-mail vom 13.07.2016 (Bl. 14 der Akte), mit der der Kläger die Differenz des Urlaubsgeldes i.H.v. 199,40 € brutto vergeblich geltend gemacht hat.



Mit seiner bei Gericht am 27.07.2016 eingegangenen Klage verfolgte der Kläger seinen Anspruch weiter und erweiterte diese zunächst noch um die Zahlung einer weiteren zusätzlichen Urlaubsvergütung für die ab Juli 2016 genommenen Urlaubstage aufgrund der zum 01.07.2016 in Kraft getretenen Tariflohnerhöhung.



Er hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsvergütung für März 2016 sei auf Basis einer 40-Stunden-Woche abzurechnen und zu vergüten. Aufgrund der Akzessorietät zwischen der Inanspruchnahme des Urlaubs und der dafür zu zahlenden zusätzlichen Urlaubsvergütung nach § 14 Ziff. 1 Abs.2 MTV sei die zusätzliche Urlaubsvergütung auf der Basis der regelmäßigen Wochenarbeitszeit zu berechnen, die zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs gegolten habe. Eine andere Handhabung scheitere am Tarifvorbehalt gemäß § 4 TVG. § 14 Abs. 3 EMTV ermögliche zwar, durch Betriebsvereinbarung eine abweichende Regelung zum Fälligkeitszeitpunkt, nicht jedoch zur Höhe des zu zahlenden Urlaubsgeldes zu treffen; der tarifliche Vorbehalt beziehe sich allein auf den Fälligkeitszeitpunkt. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine solche Handhabung mit einem zu hohen Verwaltungsaufwand verbunden sei. Denn § 16 Nr. 1b) erfordere ohnehin, das Urlaubsgeld auf Basis der letzten sechs abgerechneten Monate und nicht pauschal zu berechnen.



Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 199,44 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 38,70 € brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.10.2016 zu zahlen.



Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.



Sie hat die Auffassung vertreten, das gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung im Mai eines jeden Jahres fällig werdende Urlaubsgeld sei auf Grundlage der zum Auszahlungszeitpunkt geltenden Arbeitszeit zu berechnen. Schon aus dem Wortlaut von § 3 der Betriebsvereinbarung ergebe sich, dass für die Berechnung des Urlaubsgeldes das Stichtagsprinzip, bezogen auf den konkreten Auszahlungsmonat Mai, Anwendung finde. Denn § 3 der Betriebsvereinbarung lege fest, dass das zusätzliche Urlaubsgeld als Einmalbetrag für das gesamte Urlaubsjahr gezahlt werde. Die Betriebsvereinbarung greife insoweit die Sprachregelung des § 14 Abs. 3 EMTV auf. Durch die Möglichkeit der Festsetzung eines einheitlichen Auszahlungszeitpunktes werde auch die Höhe des zusätzlichen Urlaubsgeldes automatisch geregelt. Nach § 14 Ziffer 1 Abs. 3 EMTV i.V.m. § 16 Nr. 1 sei dabei die Vergütung des Auszahlungsmonats Mai (einschließlich der variablen Entgeltbestandteile der letzten sechs abgerechneten Monate) zugrunde zu legen. Es werde fingiert, dass der gesamte Urlaub im Auszahlungsmonat genommen werde. Eine etwaige Nachberechnung, bezogen auf das jeweilige Entgelt im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs, sei gerade nicht vorgesehen. Dies gelte sowohl für die Frage, inwieweit spätere Tariflohnerhöhungen zu berücksichtigen seien, als auch für Veränderungen der Wochenarbeitszeit. Dies sei von den Tarifvertragsparteien bewusst so geregelt worden, um den großen Verwaltungsaufwand, der mit andernfalls anzustellenden Nachberechnungen erforderlich würde, zu vermeiden.



Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des zusätzlichen Urlaubsgeldes für die im März genommenen Urlaubstage stattgegeben, im Übrigen bezüglich der Anrechnung der Tariflohnerhöhung abgewiesen und für die Beklagte die Berufung zugelassen. Soweit es der Klage stattgegeben hat, hat es ausgeführt, die Auslegung des Tarifwortlautes, insbesondere des § 14 Ziff. 1 EMTV ergebe die Akzessorietät der zusätzlichen Urlaubsvergütung zu dem in Anspruch genommenen Urlaub und dem regelmäßigen Arbeitsentgelt als Urlaubsvergütung. Die in § 14 EMTV geregelte Urlaubsvergütung setze sich zusammen aus dem regelmäßigen Arbeitsentgelt als Urlaubsgrundvergütung nach § 14 Ziff. 1 Abs. 1 EMTV sowie der zusätzlichen Urlaubsvergütung gemäß § 14 Ziff. 1 Abs. 2 EMTV. Es erfolge eine enge Verknüpfung zwischen der Urlaubsgrundvergütung und der zusätzlichen Urlaubsvergütung durch deren prozentuale Berechnung anhand der Urlaubsgrundvergütung, woraus sich deren strenge Akzessorietät zur Urlaubsgrundvergütung und der Inanspruchnahme des Urlaubs ergebe.



Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil vom 14.12.2016 (Bl. 57 bis 68 d.A.) Bezug genommen.



Gegen das ihr am 28.12.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 26.01.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.03.2017 mit am 28.03.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.



Sie vertritt die Auffassung, durch die im EMTV 2011 geregelte "en-bloc"-Gewährung der Sonderzahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung sei die Verknüpfung zwischen Urlaubsgrundvergütung im Zeitpunkt der tatsächlichen Urlaubsgewährung und zusätzlicher Urlaubsvergütung aufgehoben worden. Bei einer Einordung der Zahlung lediglich als Fälligkeitsverschiebung sei der durch die Tarifvertragsparteien verfolgte Zweck der Vereinfachung der Abrechnung verfehlt, da diese dann nur in eine reine Abschlagszahlung mit am Ende notwendiger Schlussrechnung verkehrt würde. Basis für die Berechnung der en-bloc gewährten zusätzlichen Urlaubsvergütung sei unter Rückgriff auf § 14. 1 Abs. 3 EMTV das Monatsentgelt des in der Betriebsvereinbarung festgelegten Auszahlungsmonates als "feste Entgeltbestandteile des laufenden Monates". Die Berechnung erfolge unter der Fiktion, dass die Beschäftigten des Betriebes ihren gesamten Jahresurlaub in dem abzurechnenden Monat verwirklichten. Der Anwendungsbereich der Regelung liefe leer, wenn Veränderungen der Arbeitszeit vor oder nach dem in der Betriebsvereinbarung festgelegten Stichtag zu berücksichtigen wären. Die Stichtagsregelung könne sich sowohl zugunsten als auch zu Lasten beider Parteien auswirken. Sie verweist insoweit auf die Regelung des § 2 Nr. 4 ETV zum 13. Monatseinkommen, welches anhand des durchschnittlichen Monatsentgeltes der letzten sechs Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung ermittelt werde. Weiterhin verweist sie auf die Kommentierung zu § 14 EMTV (Weiss, 2012), wo ausgeführt wird, dass eine zunächst erwogene Abschlagszahlung mit einer am Jahresende zu leistenden Schlussabrechnung im Fall von Tariflohnerhöhungen als unpraktikabel verworfen worden sei. Auch sehe § 14.3 Satz 2 EMTV eine Rückforderung zu viel gezahlter zusätzlicher Urlaubsvergütung nur für den Fall des Ausscheidens des Arbeitnehmers im Kalenderjahr vor, nicht aber bei einer Verringerung der Arbeitszeit nach der Auszahlung. Die Tarifvertragsparteien hätten sich daher sehr wohl mit einer möglichen Veränderung von Umständen, die Einfluss auf die Urlaubsvergütung hätten, befasst. Dass diese nur für den Fall des unterjährigen Ausscheidens geregelt sei, belege, dass in den anderen Fällen eine Veränderung unbeachtlich sein solle. Die Auslegung des Arbeitsgerichts decke sich daher nicht mit dem Willen der Tarifvertragsparteien.



Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 14. Dezember 2016 - 9 Ca 2939/16 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.



Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.



Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens. Insbesondere verweist er darauf, dass gerade die von der Beklagten herangezogene Bestimmung des § 14 Ziffer 3 EMTV für den Fall des unterjährigen Ausscheidens die vom Arbeitsgericht angenommene Akzessorietät der zusätzlichen Urlaubsvergütung betone.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den von ihnen in Bezug genommenen Inhalt der in beiden Rechtszügen zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG) begründet worden.



II. Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht der Klage im in der Berufung noch zu entscheidenden Umfang stattgegeben.



1. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung für die im März 2016 genommenen neun Urlaubstage auf Basis der von ihm zu diesem Zeitpunkt noch geleisteten 40-Stunden-Woche. Dies ergibt die Auslegung des § 14 Ziff. 1 Abs. 3 EMTV i.V. m. § 14Ziff. 1 Abs. 1, 2, § 11 EMTV.



Die Kammer folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Auslegung der tariflichen Bestimmungen des § 14 EMTV und sieht insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 69 Abs. 2 ArbGG).



a) Die Berufungsbegründung gibt zu folgenden Ergänzungen Anlass:



Für die Auslegung von Tarifverträgen gelten folgende Grundsätze:



Haben die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag mit Rechtsnormen vereinbart, sind diese nach der objektiven Methode auszulegen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (siehe nur aus neuerer Zeit unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung BAG, Urteil vom 23. Juni 2016, 8 AZR 643/14, [...]).



Diese Grundsätze hat auch das Arbeitsgericht zugrunde gelegt und zutreffend angewandt.



Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Arbeitsgericht die Akzessorietät der zusätzlichen Urlaubsvergütung zur Urlaubsgrundvergütung sowie dem Urlaubsanspruch zu Recht bejaht und dabei zunächst entsprechend der Rechtsprechung insbesondere die Auslegung am Wortlaut der tarifvertraglichen Regelungen zugrunde gelegt. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtes unter I.1.a, b des Urteiles (Bl. 63/64 d.A.) wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.



Danach erhalten die Beschäftigten entsprechend § 14 Ziff. 1 Abs. 1 EMTV während des Urlaubes das regemäßige Arbeitsentgelt berechnet nach § 16 EMTV, sowie nach Abs. 2 der Regelung eine zusätzliche Urlaubsvergütung, die sich als prozentualer Anteil des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgeltes bemisst, wobei die variablen Entgeltbestandteile gemäß § 16 Nr. 1 EMTV zu berechnen sind. § 16 EMTV selbst regelt wiederum die Berechnung der Vergütung für Zeiträume, in denen Arbeitnehmer Anspruch auf Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes ohne Arbeitsleistung haben. Hierunter fallen somit auch Urlaubszeiten, in denen der Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Entgeltes von der Arbeitsleistung befreit ist. Nach § 16 Ziff. 1 Abs. 1 EMTV sollen die festen Entgeltbestandteile zugrunde gelegt werden, "die der/die Beschäftigte erhalten haben würde, wenn er/sie gearbeitet hätte".



Die Berechnung der Urlaubsgrundvergütung sowie der zusätzlichen Urlaubsvergütung folgt schon danach dem Grundsatz, dass diejenige Vergütung zu zahlen ist, die an den Tagen der Freistellung zu zahlen gewesen wäre (Urlaubsgrundvergütung), zuzüglich eines prozentualen Aufschlages, der sich aus dieser Vergütung errechnet (zusätzliche Urlaubsvergütung).



Die grundsätzliche Anbindung der insgesamt zu zahlenden Vergütung an die Urlaubstage ergibt sich auch aus § 14 Ziff. 2 EMTV, wonach die Urlaubsvergütung auf Wunsch der/des Beschäftigten vor Antritt des Urlaubes auszuzahlen ist, soweit dieser mindestens zwei Wochen umfasst.



b) Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus § 14 Ziff. 3 EMTV kein vollständiger Paradigmenwechsel dahingehend, dass hier eine Sonderregelung sowohl hinsichtlich Höhe als auch Zeitpunkt der Zahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung durch die Möglichkeit einer Regelung durch Betriebsvereinbarung eröffnet wurde.



Vielmehr begründet diese Öffnungsklausel lediglich die Möglichkeit der Betriebsparteien, für die Zahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung einen einheitlichen Zahlungszeitpunkt vorzusehen, ohne an den Grundlagen der Berechnung etwas zu ändern. Die tarifliche Regelung betrifft ausschließlich die Möglichkeit zu einer Änderung des Fälligkeitszeitpunktes, also des Zeitpunktes, von dem an der Arbeitnehmer die Leistung verlangen kann. Die Akzessorietät der zusätzlichen Urlaubsvergütung wird hierdurch nicht aufgehoben (so auch schon LAG Hamm, Urt. v. 15.09.2004, 18 Sa 389/04, [...]). Vielmehr entsteht der Anspruch auf die zusätzliche Urlaubsvergütung erst mit dem Entstehen des Urlaubsanspruchs endgültig, weshalb die Tarifvertragsparteien in § 14 Ziff. 1 Abs. 3 EMTV auch geregelt haben, dass bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu viel gezahlte zusätzliche Urlaubsvergütung zurückgefordert werden kann, wenn der/die Beschäftigte nur einen anteiligen Urlaubsanspruch hatte. Auf diese Entscheidung hat das Arbeitsgericht zu Recht Bezug genommen. Die Entscheidung des LAG Hamm bezieht sich zwar auf die tarifliche Regelung in der Fassung vom 24.08./11.09.2001, diese war aber hinsichtlich § 14 Ziff. 3 bereits gleichlautend mit der jetzigen Regelung.



Beide Regelungen legen fest, dass "die zusätzliche Urlaubsvergütung für das gesamte Kalenderjahr" an dem durch Betriebsvereinbarung festzulegenden Zahlungstermin ausgezahlt werden kann. Eine Änderung der Berechnungsweise ergibt sich aus der Regelung weder ausdrücklich noch mittelbar. Für die von der Beklagten angesprochene Auffassung, die Tarifvertragsparteien hätten die Berechnung der Urlaubsvergütung unter der Fiktion gewollt, dass die Beschäftigten den gesamten Jahresurlaub im Monat der Abrechnung der zusätzlichen Urlaubsvergütung erteilt erhalten, ergibt sich kein Anhaltspunkt in der tariflichen Regelung selbst.



Soweit die Beklagte auf Ausführungen in der Kommentierung des EMTV zu § 14 Ziff. 1 Abs. 3 verweist (hier: Weiss, Kommentar zum EMTV Metall NRW, 5. Aufl., 2012, § 14 Anmerkung 7), wonach die Tarifvertragsparteien eine nachträgliche Schlussabrechnung der zusätzlichen Urlaubsvergütung im Fall von Tariflohnerhöhungen als unpraktikabel verworfen hätten, steht dies der oben ausgeführten Auslegung nicht entgegen, unabhängig davon, dass der Wille der Tarifvertragsparteien nur insoweit Berücksichtigung finden kann, soweit er sich im Tarifvertragstext niederschlägt.



Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes begegnet die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung eines Tarifvertrags bereits grundsätzlichen Bedenken. Wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse Dritter, die an den Tarifvertragsverhandlungen nicht beteiligt waren, könne der Wille der Tarifvertragsparteien danach im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur ausnahmsweise dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden habe. Die an einen Tarifvertrag gebundenen Arbeitsvertragsparteien müssten aus dessen Wortlaut ermitteln können, welchen Regelungsgehalt die Tarifnormen haben. Sie könnten regelmäßig nicht darauf verwiesen werden, sich - über den Wortlaut und die Systematik hinaus - Kenntnisse über weitere Auslegungsaspekte und -methoden zu verschaffen, zB durch Einholung von Auskünften ihrer Koalition über die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder durch Ermittlung der Existenz und des Inhalts von - vermeintlichen - Vorgängertarifverträgen. Dies gelte insbesondere, wenn der Wortlaut zu Zweifeln keinerlei Anlass gebe. Eine solche Verpflichtung widerspräche dem Normcharakter eines Tarifvertrags. Sie nähme der Gewissheit des Geltungsgrundes und des Geltungsinhalts der Tarifnormen die notwendige Sicherheit. Die Tarifvertragsparteien könnten einem vom Wortlaut der tariflichen Vorschrift abweichenden Regelungswillen vielmehr dadurch Rechnung tragen, dass sie diesen in einer auch für Außenstehende erkennbaren Weise zum Ausdruck bringen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2014, 4 AZR 503/12, [...], Rn. 22 m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall.



Selbst wenn man die Tarifgeschichte selbst unter Berücksichtigung der von der Beklagten bei den Tarifverhandlungen - womöglich - besprochenen Problematiken berücksichtigen würde, ergäbe sich kein anderes Ergebnis.



Im Fall einer nach Auszahlung eintretenden Tariflohnerhöhung wäre tatsächlich eine Nachberechnung der bereits ausgezahlten zusätzlichen Urlaubsvergütung bezogen auf alle Entgeltbestandteile, sowohl Festentgelt als auch daraus gegebenenfalls prozentual zu errechnender variabler Entgeltbestandteile notwendig und zwar unabhängig von der tatsächlich erbrachten Arbeitszeit, eben aufgrund der geänderten Vergütungshöhe pro Stunde aufgrund einer nachträglichen Tariflohnerhöhung.



Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich um die konkrete Berechnung zum Auszahlungszeitpunkt. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die konkrete Berechnung der zusätzlichen Urlaubsvergütung bei Zugrundelegung der bis zur Zahlung erteilten Urlaubstage sowie bei vorausschauender Betrachtung der im Rest des Jahres zu erbringenden täglichen Arbeitsstunden sowohl möglich als auch praktikabel ist. Wenn die Tarifvertragsparteien eine nach der Auszahlung eintretende Veränderung der Stundenzahl nicht ausdrücklich geregelt haben, steht dies der hier gefundenen Auslegung nicht entgegen. Ein solcher Sachverhalt wäre vielmehr im konkreten Einzelfall zu lösen. Dass die tarifliche Handhabung einer sog. "Glück-Pech-Regel" etwa im Fall der Aufnahme einer Teilzeittätigkeit mit erheblich weniger Stunden nach Auszahlung folgen würde, ist für die Kammer jedenfalls nicht ersichtlich.



Aus der von Beklagtenseite herangezogenen Kommentierung ergibt sich im Gegenteil, dass die Problematik von nach Auszahlung einer en-bloc gewährten zusätzlichen Urlaubsvergütung auftretenden Veränderungen bereits zu einem Zeitpunkt gesehen wurde, als diese tarifvertraglich noch nicht geregelt war. Danach bestand die Handhabung der en-bloc Gewährung zumindest "in einigen Betrieben in Nordrhein-Westfalen" bereits vor der tariflichen Einführung, was einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG darstellen würde, wenn dieses durch eine Betriebsvereinbarung gestaltet wäre. Bereits hier wurde in der einschlägigen Kommentierung darauf verwiesen, dass in diesem Fall sowohl bei Tariflohnerhöhungen als auch bei unterjährigem Ausscheiden häufig Streit entstünde (Ziepke/Weiss, Kommentar zum MTV Metall NRW, 4. Aufl. 1998, § 14 Anm. 1 Ziff. 5). Gerade diese Problematik wurde sodann in der folgenden tariflichen Regelung des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 24. August/ 11. September 2001 erstmals geregelt und wortgleich in den jetzt geltenden Einheitlichen Manteltarifvertrag in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (hier jeweils zitiert unter EMTV) übernommen.



Auch die Regelung in § 14 Ziff. 1 Abs. 3 S. 2 EMTV, wonach überzahlte zusätzliche Urlaubsvergütung bei Zwölftelung des Urlaubsanspruches im Falle des unterjährigen Ausscheidens aus dem Betrieb zurückverlangt werden kann, bedeutet daher nicht, dass dieses nur im Fall des unterjährigen Ausscheidens der Fall ist. Bei Fehlen einer solchen Regelung bestünden Auslegungsprobleme im Hinblick auf § 5 Abs. 3 BurlG und § 11 Nr. 4 EMTV, wonach überzahltes Urlaubsentgelt nicht zurückgefordert werden darf. § 11 Nr. 4 EMTV geht hier über das gesetzliche Rückforderungsverbot hinaus, da er eine Rückforderung für genommenen Urlaub unabhängig von einer erfüllten Wartezeit verbietet. Da das im Urlaub fortzuzahlende Entgelt sowie die zusätzliche Urlaubsvergütung einheitlich in § 14 EMTV als "Urlaubsvergütung" ausgewiesen sind, somit ohne eine dahingehende Regelung fraglich wäre, ob es sich tatsächlich um eine Leistung handelt, die in ein fortzuzahlendes Entgelt im engeren Sinne, welches gemäß § 5 Abs. 3 BurlG, § 11 Nr. 4 EMTV nicht rückforderbar wäre, und eine davon trennbare und daher rückforderbare zusätzliche Leistung, die nicht als Gegenleistung für geleistete Arbeit gezahlt wird, bedurfte es somit einer klarstellenden Regelung im Tarifvertrag, um Auslegungsproblemen zu begegnen. Ein weitergehender Aussagewert kommt dieser tariflichen Regelung aber nicht zu, insbesondere bedeutet sie keine Ablösung vom ansonsten tariflich weiterhin stringent angewandten Grundsatz der Akzessorietät. Eher spricht die Regelung sogar dagegen, da eine Rückforderung überzahlten Urlaubsentgeltes nach Tarifrecht ohnehin nicht in Frage kommt, die Höhe der zusätzlichen Urlaubsvergütung aber an die tatsächlich zustehenden Urlaubstage gekoppelt bleibt (zum Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers bei en-bloc Gewährung bereits nach der Regelung im MTV für die Metall- und Elektroindustrie vom 11. Dezember 1996, vor Einfügung des § 14 Ziff. 1 Abs. 3, Ziepke, Weiss, a.a.O., § 11 Anm. 12).



Wenn also die Tarifvertragsparteien aufgrund einer abweichend vom Tarifvertrag im Anwendungsbereich des Tarifvertrages gelebten Handhabung diese Handhabung tariflich abgesichert haben (die Kommentierung zum EMTV vom 18. Dezember 2003 führt als eine wesentliche Änderung der Neufassung des MTV vom 11.09.2001 an, dass in § 14 Nr. 3 "zusätzliche Urlaubsvergütung" die rechtssichere Auszahlung der zusätzlichen Urlaubsvergütung en-bloc ermöglicht wurde, siehe Weiss, a.a.O., § 26 Anm. 1), bedeutet dieses eben gerade keine Abkehr vom in § 14 Ziff. 1 Abs. 1, 2 EMTV festgelegten Akzessorietätsprinzip. Hierzu hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, welche in einfacher Form, etwa durch den Zusatz "es gelten die Vergütungsvoraussetzungen des Auszahlungsmonates" zu bewerkstelligen gewesen wäre. Dies ist nicht erfolgt.



Der Verweis der Beklagten auf die Berechnungsmethode für das 13. Monatseinkommen nach dem Einheitlichen Tarifvertrag zur Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens ändert hieran nichts. Allein der Umstand, dass auch hier ein Stichtag für die Berechnung zugrunde gelegt wird, hat keinen Aussagewert für die hiervon abweichende Regelung zur Zahlung einer zusätzlichen Urlaubsvergütung. Zum einen handelt es sich bei dem 13. Monatseinkommen nach der tariflichen Regelung bereits dem Grunde nach um eine einmalig im Jahr zu erbringende Leistung. Zum anderen wird hier der Durchschnitt der letzten sechs abgerechneten Monate für die Berechnung zugrunde gelegt, somit ein Zeitraum, der die maßgeblichen Einkommensverhältnisse realitätsnäher abbildet, als der Zeitraum von einem Monat.



Nach alledem hat das Arbeitsgericht der Klage im in der Berufung angefallenen Umfang zutreffend stattgegeben, weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.



III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels zu tragen.



IV. Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

Vorschriften§ 14 Ziff. 1 Abs.2 MTV, § 4 TVG, § 64 Abs. 1 ArbGG, § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, § 519 ZPO, § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 520 Abs. 3 ZPO, § 69 Abs. 2 ArbGG, § 77 Abs. 3 BetrVG, § 97 ZPO, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG

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