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05.12.2017 · IWW-Abrufnummer 198105

Landesarbeitsgericht Thüringen: Beschluss vom 18.04.2017 – 6 Sa 328/15


In dem Rechtsstreit

./.

- Kläger und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte:

./.

gegen

./.

- Beklagte und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:

./.

hat die 6. Kammer des Thüringer Landesarbeitsgerichts durch den Richter am Arbeitsgericht Holthaus als Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung am 18.04.2017 beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 12.06.2015 - 8 Ca 2716/14 - wird unter Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Die Revisionsbeschwerde wird zugelassen.



Gründe



I.



Die Parteien streiten in der Hauptsache über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von Nachtarbeitszuschlägen.



Mit Urteil vom 12.06.2015 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Kläger am 10.07.2015 zugestellt worden. Am 10.08.2015 ist ein Schriftsatz des Klägers, der in der Überschrift als "Berufung" bezeichnet worden ist, an das Arbeitsgericht Erfurt unter dessen Telefax.-Nr. 0361-3776395 per Telefax eingegangen. Diesen Schriftsatz hat das Arbeitsgericht am 11.08.2015 formlos an das Thüringer Landesarbeitsgericht weitergeleitet. Am Abend des 10.08.2015 hat der Klägervertreter das Original des Schriftsatzes in den Nachtbriefkasten beim Justizzentrum Erfurt eingeworfen. Der Nachtbriefkasten enthält eine gemeinsame Posteingangseinrichtung sowohl für das Arbeitsgericht als auch für das Landesarbeitsgericht und andere Justizbehörden. Mit Schreiben vom 12.08.2015 hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass die als Berufung gekennzeichnete Schrift beim Arbeitsgericht Erfurt eingegangen sei, dem Landesarbeitsgericht am 11.08.2015 formlos übergeben worden sei und diese zunächst an das Arbeitsgericht zurückgegeben werde.



Mit Schriftsatz vom 14.08.2015 hat der Klägervertreter klargestellt, dass der Berufungsschriftsatz versehentlich an das Arbeitsgericht adressiert gewesen sei und tatsächlich an das Landesarbeitsgericht gerichtet sein soll.



Er ist der Ansicht, dass es nicht darauf ankäme, an welches Gericht der Schriftsatz adressiert gewesen sei, sondern allein darauf, dass er vor Fristablauf in den Verfügungsbereich des zuständigen Rechtsmittelgerichts gekommen sei. Selbst wenn eine Berufungsschrift an das unzuständige Gericht adressiert sei und in einen gemeinsamen Briefkasten sowohl des Ausgangs- als auch des Berufungsgerichts eingelegt werde, gelte die Frist dann als gewahrt, wenn der zur Entgegennahme bestellte Beamte die falsch adressierte Berufungsschrift an das zuständige Gericht weiterleite. Schon aus prozessualer Fürsorgepflicht habe die Obliegenheit bestanden, im normalen Geschäftsgang unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit seitens der Urkundsbeamten des Arbeitsgerichtes oder auch der Wachtmeister die falsche Adressierung des Schriftsatzes zu erkennen und noch rechtzeitig unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit an das zuständige Thüringer Landesarbeitsgericht weiter zu leiten. Das Schreiben habe als Telefax immerhin bereits um 15:00 Uhr das Arbeitsgericht erreicht. Die normalen Geschäftszeiten des Gerichtes seien zumindest von Montag bis Donnerstag bis jeweils 16:00 Uhr. Im Rahmen des normalen Geschäftsganges habe sich der Kläger darauf verlassen dürfen, dass das Fax noch am selben Tag durch einen der zuständigen Justizwachtmeister zu Kenntnis genommen würde. Dabei hätte dem Arbeitsgericht auffallen müssen, dass es für den Zugang von Berufungen nicht zuständig sei. Zur Meidung eines Rechtsverlustes hätte das Arbeitsgericht entweder das fristwahrende Telefax noch am selben Tage an das ohne weiteres aus dem Schreiben erkennbare zuständige Gericht weiterleiten müssen oder zumindest dem ebenfalls erkennbaren Absender einen Hinweis auf den irrtümlichen Versand geben müssen. Beide Handlungsweisen wären dem Arbeitsgericht ohne weiteres möglich gewesen. Hätte das Arbeitsgericht richtig gehandelt, wäre das Telefax noch am selben Tag, also fristwahrend, an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet worden.



Den Kläger treffe daher keinerlei Verschulden am verspäteten tatsächlichen Zugang der Berufungsschrift beim Landesarbeitsgericht. Er habe auf die Organisation des Arbeitsgerichtes und darauf, wann dort Schriftsätze zur Kenntnis genommen und weitergeleitet würden, keinen Einfluss. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist von Amts wegen seien gegeben. Die versäumte Handlung, Einlegung der Berufung, sei innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt worden mit dem Schriftsatz vom 10.08.2015.



Mit am 08. März 2017 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt er vorsorglich,



Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.



In der Hauptsache hat er den Antrag angekündigt,



das Urteil des Arbeitsgericht Erfurt vom 12.6.2015, 8 Ca 2716/14, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9090,00 € nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



Die Beklagte beantragt,



die Berufung des Klägers zurückzuweisen.



Sie ist der Ansicht, die Berufung sei nicht fristwahrend eingelegt.



II.



Die Berufung ist unzulässig. Sie ist nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist beim zuständigen Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen. Der vorsorgliche Wiedereinsetzungsantrag ist nicht zulässig. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist von Amts wegen sind nicht gegeben.



Die Berufungsschrift gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 12.06.2015 ist nicht rechtzeitig beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.



Gemäß § 66 Abs. 1 ArbGG beträgt die Frist zur Einlegung der Berufung einen Monat seit Zustellung des Urteils. Das angefochtene Urteil ist dem Kläger am 10.07.2015 zugestellt worden. Der Berufungsschriftsatz ist am 11.8.2015 beim Thüringer Landesarbeitsgericht tatsächlich eingegangen.



Der als Berufung überschriebene Schriftsatz vom 10.08.2015 ist als Telefax zuvor an das Arbeitsgericht Erfurt gesendet worden und dort eingegangen. Adressiert ist der Schriftsatz an das Arbeitsgericht. Die Telefaxnummer, die dort angegeben ist und an die der Schriftsatz gesendet wurde ist ebenfalls die vom Arbeitsgericht. Auch wenn irrtümliche die Adresse des Arbeitsgerichts auf den Schriftsatz geschrieben sein sollte, wie der Klägervertreter vorträgt, ändert dies nichts an dem tatsächlichen Ergebnis, dass nicht nur die Adresse sondern auch die Telefaxnummer dieses Arbeitsgerichtes verwendet wurde. Der Kläger Vertreter hat also diesen Schriftsatz am 10.08.2015 nicht auf den Weg an das zuständige Thüringer Landesarbeitsgericht gebracht, sondern auf den Weg an das Arbeitsgericht, wo der Schriftsatz eingegangen ist. In die tatsächliche Verfügungsgewalt des Thüringer Landesarbeitsgerichts ist dieser Schriftsatz erst einen Tag später, am 11.08.2015, und damit nach Ablauf der Berufungsfrist gelangt. Damit ist ein tatsächlicher fristwahrender Zugang nicht gegeben.



Das Original des per Telefax vorab gesendeten Schriftsatzes ist noch am Abend des 10.08.2015 in den gemeinsamen Nachtbriefkasten des Justizzentrums Erfurt eingeworfen worden. Damit ist es an das Gericht zugegangen, an das es gerichtet und adressiert war. Ein bei einer gemeinsamen Einlaufstelle mehrerer Gerichte eingehender Schriftsatz gerät nur in die Verfügungsgewalt des Gerichtes, an welches dieser Schriftsatz adressiert ist (BGHZ 18.2.1997, VI ZB 28/96). Auch dieser Schriftsatz ist körperlich, tatsächlich erst am 11.08.2015 an Thüringer Landesarbeitsgericht gelangt und damit verspätet.



Es liegt keine Konstellation vor, aufgrund derer die Berufung so zu behandeln wäre, als sei sie rechtzeitig in die Verfügungsgewalt des Thüringer Landesarbeitsgerichts gekommen. Für das Telefax ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür.



Hinsichtlich des noch am Abend durch den Klägervertreter in den gemeinsamen Nachtbriefkasten eingeworfenen Originalberufungsschriftsatzes liegen keine Umstände vor, aufgrund derer der Berufungsschriftsatz so zu behandeln wäre, dass er durch den Einwurf in den Nachtbriefkasten dem Thüringer Landesarbeitsgericht als zugegangen betrachtet werden müsste. Die Adressierung des Schriftsatzes ist eindeutig. Dass es sich um eine Berufung handelt und diese an ein anderes Gericht zu richten gewesen wäre bedeutet allein noch nicht, dass der Schriftsatz automatisch bei dem zuständigen Gericht als eingegangen gilt. Die Falschadressierung, die der Klägervertreter zu verantworten hat, ist nicht bedeutungslos. Es ist nicht von vornherein ersichtlich, dass lediglich bei der Adressierung ein Fehler unterlaufen ist; ebenso denkbar ist, dass das unzuständige Gericht angegangen wird. In der vorerwähnten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (18.02.1997 aaO.) Ausnahmen erkannt, bei denen ein falsch adressierter Schriftsatz gleichwohl als an das zuständige Gericht gerichtet angesehen werden kann und damit bei Einwurf in eine gemeinsame Posteinlaufstelle beim zuständigen Gericht als eingegangen angesehen werden kann. Solche oder auch nur gleichkommende ähnliche Umstände sind hier nicht feststellbar. Bei den vom Bundesgerichtshof gesehenen Ausnahmen ging es zum einen darum, dass ein Schriftsatz zu einem bereits anhängigen Berufungsverfahren mit dem Berufungsaktenzeichen in den Briefkasten geworfen wurde. Daraus ist erkennbar, dass der Schriftsatz zu einem bestimmten Verfahren bei einem anderen Gericht als an das. an welches adressiert worden ist, gerichtet war. Dem lässt sich zwanglos entnehmen, wer der Adressat des Schreibens wirklich sein sollte. Ebenso verhält es sich mit einem überhaupt nicht adressierten Schriftsatz, der eine Berufung enthält. Dadurch, dass ein solcher Schriftsatz gar nicht adressiert ist, ist nur dem Inhalt (Berufung) zu entnehmen, an welche Stelle der Schriftsatz gerichtet sein soll. Dann ist es auch richtig, hier anzunehmen, bei einem Einwurf in eine gemeinsame Posteinrichtung sei der Berufungsschriftsatz an das Berufungsgericht gerichtet und es ist richtig anzunehmen, dass dieser dort mit Einwurf in den Nachtbriefkasten eingegangen ist.



So ist es hier nicht. Hier war der Schriftsatz ausdrücklich adressiert. Hier ergab sich aus der Adressierung lediglich, dass das falsche Gericht angegangen wurde, weil für Berufungen das adressierte Gericht nicht zuständig ist. Ohne weiteres darauf zu schließen, dass der Schriftsatz an ein anderes Gericht gerichtet sein sollte, als der Adressierung zu entnehmen, ist so nicht gerechtfertigt. Schließlich bestimmt der einen Schriftsatz Unterzeichnende was mit dem Schriftsatz geschehen und wohin dieser gesendet werden soll; es handelt sich auch bei einer Rechtsmittelschrift nicht automatisch um einen Schriftsatz an denjenigen, den es tatsächlich angeht und der zuständig ist.



Der förmliche gestellte vorsorgliche Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil er außerhalb der Frist des § 234 Abs. 3 ZPO gestellt worden ist. Danach ist es nach Ablauf eines Jahres vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, hier also seit dem 10.08.2016, nicht mehr möglich, die Wiedereinsetzung zu beantragen.



Gleichwohl bleibt das Vorbringen des Klägervertreters nicht unberücksichtigt, weil die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand von Amts wegen zu prüfen waren, denn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachgeholt worden (§ 236 Abs. 2 S. 2; 2. Halbsatz ZPO).



Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Voraussetzung wäre, dass der Kläger ohne eigenes Verschulden gehindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wird im zugerechnet (§ 85 Abs. 2 ZPO).



Das ist hier nicht der Fall. Dass der Schriftsatz nicht beim zuständigen Thüringer Landesarbeitsgericht nicht rechtzeitig eingegangen ist, beruht in erster Linie und entscheidend darauf, dass dieser an das Arbeitsgericht und nicht an das Landesarbeitsgericht adressiert gewesen ist und darauf, dass die Telefaxnummer des Arbeitsgerichtes und nicht die des Landesarbeitsgerichtes verwendet worden ist. Dieses Versäumnis hat der Klägervertreter zu vertreten, denn er hat vor Unterzeichnung des Rechtsmittelschriftsatzes sich davon zu überzeugen, dass dieser an das zuständige Gericht gerichtet ist.



Dieser Ursachenzusammenhang ist auch nicht durch Verhalten des Gerichtes unterbrochen, so dass von einer unverschuldeten Fristversäumnis auszugehen wäre. Ein Gericht, das im vorangegangenen Rechtszug mit der Sache befasst gewesen ist, ist regelmäßig verpflichtet, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im Zuge des ordentlichen Geschäftsgangs an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Eine ins Gewicht fallende Belastung des Gerichts tritt dadurch nicht ein, weil ihm die Zuständigkeit für das Rechtsmittel gegen seine eigene Entscheidung bekannt ist und daher die Ermittlung des richtigen Adressaten, selbst wenn er in dem Schriftsatz nicht deutlich bezeichnet sein sollte, keinen besonderen Aufwand verursacht. Das bedeutet freilich nicht, dass das vorinstanzliche Gericht neben dem Rechtsmittelgericht zur Entgegennahme von Rechtsmittelschriftsätzen zuständig wird. Die Einreichung bei dem vorinstanzlichen Gericht wahrt daher nicht die Fristen im Rechtsmittelverfahren. Der Rechtsuchende darf jedoch darauf vertrauen, dass das mit der Sache befasst gewesene Gericht den bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird. Eine etwaige Fehlleitung oder ein Verlust des Schriftsatzes fällt insoweit - unabhängig von ihren konkreten Ursachen - in den Verantwortungsbereich des Gerichts. Geht der Schriftsatz so zeitig bei dem mit der Sache befasst gewesenen Gericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei nicht nur darauf vertrauen, dass der Schriftsatz überhaupt weitergeleitet wird, sondern auch darauf, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, so ist der Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (BVerfG, Beschluss v. 20. Juni 1995 - 1 BvR 166/93 -, BVerfGE 93, 99 - 120).



Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor. Der Berufungsschriftsatz ist nicht so zeitig beim Arbeitsgericht eingegangen, dass mit einer Weiterleitung im ordnungsgemäßen Geschäftsgang noch am selben Tage und somit innerhalb der Berufungsfrist gerechnet werden konnte. Das Gericht unterstellt dabei zu Gunsten des Klägers, dass der Schriftsatz per Telefax tatsächlich am Montag, den 10.08.2015 um 15 Uhr beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Die übliche Geschäftszeit beim Arbeits- und Landesarbeitsgericht endet montags um 16:00 Uhr. Das Arbeitsgericht Erfurt und das Thüringer Landesarbeitsgericht sind räumlich im Justizzentrum Erfurt auf derselben Etage untergebracht. Gleichwohl war der unterstellte Zugang eine Stunde vor Ende der üblichen Geschäftszeit nicht so zeitig, dass bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang mit der Weiterleitung innerhalb der Berufungsfrist, mithin am selben Tage gerechnet werden durfte. Eine nicht ordnungsgemäße Handlungsweise des Gerichts lässt sich nicht feststellen. Da keine Verpflichtung zur permanenten Kontrolle des Telefaxeingangs besteht, kann hier nicht festgestellt werden, wann zwischen der behaupteten Versendung um 15:00 Uhr und dem Ende der Geschäftszeit tatsächlich der Schriftsatz dem Telefaxgerät des Arbeitsgerichts entnommen worden ist. Feststellen lässt sich nur, dass der Schriftsatz vom Arbeitsgericht so schnell wie möglich schon unmittelbar nachdem bemerkt worden ist, dass es sich um eine Berufung handeln soll, von der zuständigen Mitarbeiterin formlos - also unter maximaler Abkürzung des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs - an das Landesarbeitsgericht weitergeleitet worden ist, was am 11.08.2015 geschah und damit aus Sicht des Klägers verspätet. Aufgrund des Umstandes, dass nach als wahr unterstellter Behauptung der Klägerseite der Schriftsatz nur eine Stunde vor Ende der üblichen Geschäftszeiten beim Arbeitsgericht eingegangen sein kann, lässt sich hierin auch kein Verschulden des Arbeitsgerichtes und kein Verstoß gegen dessen Fürsorgepflicht feststellen. Bei so knapper Einlegung des Rechtsmittels besteht nicht Anlass, sich darauf verlassen zu können, dass ein Irrtum bemerkt und noch rechtzeitig korrigiert werden kann. Das Arbeitsgericht ist nicht zu permanenter Kontrolle des Telefaxeingangs verpflichtet, gleichwohl zu einer regelmäßigen Kontrolle des Telefaxeingangs auch tagsüber. Sicher wird man auch erwarten können, dass kurz vor Ende der üblichen Geschäftszeiten noch eine Kontrolle stattfindet, ob eilbedürftige Schriftsätze per Telefax eingegangen sind. Dass dann aber die Zeit noch ausreicht, um den Schriftsatz zu prüfen, die eigene Zuständigkeit zu überprüfen, einen Irrläufer festzustellen, den Weg zu erkennen, die Folgen des anwaltlichen Irrtums zu beseitigen, und dies auch noch tatsächlich zu tun, mithin den Schriftsatz an das zuständige Landesarbeitsgericht weiterzuleiten, davon kann nicht ausgegangen werden. Auch wenn das Arbeitsgericht Erfurt und das Thüringer Landesarbeitsgericht auf demselben Stockwerk des Justizzentrums in Erfurt untergebracht sind bedeutet dies nicht, dass wenn gegen Ende der Geschäftszeit die Kontrolle beim Arbeitsgericht stattfindet noch vor Ende der Geschäftszeit beim Thüringer Landesarbeitsgericht gehandelt werden kann. Insofern ist die maximal hierzu zur Verfügung stehende eine Stunde nicht ausreichend, um ein fehlerhaftes Verhalten des Arbeitsgerichts festzustellen. Dabei bleibt sogar noch unbeachtet, dass die zuständige Mitarbeiterin zu Gunsten des Klägers unmittelbar am 11.08.2015 den Schriftsatz formlos an das Thüringer Landesarbeitsgericht weitergeleitet hat, weshalb dieser zunächst auch vom Vorsitzenden an das Arbeitsgericht zurückgegeben worden ist, was sich hier aber nicht zu Lasten des Klägers auswirkt, da der Eingang beim Landesarbeitsgericht auf den 11.08.2015 datiert bleibt, denn insofern ist ausschlaggebend, wann der Schriftsatz tatsächlich das erste Mal in die Verfügungsgewalt des Landesarbeitsgerichts kam, auch wenn der ordnungsgemäße Geschäftsgang dann erst nachgeholt wird. Der ordnungsgemäße Geschäftsgang sieht nämlich vor, dass jeder eingehende Schriftsatz in irgendeiner Form zunächst beim Eingangsgericht erfasst und registriert wird. Erst dann kann vom zuständigen Rechtspflegeorgan eine Entscheidung über eine etwa notwendige Weiterleitung getroffen werden. Angesichts dessen war die maximal zur Verfügung stehende Stunde am 10.08.2015 nicht ausreichend, um von einer rechtzeitigen Weiterleitung noch an diesem Tage ausgehen zu dürfen.



Aus Sicht des Gerichts sind die abstrakten Rechtsfragen geklärt; offen ist jedoch die grundsätzliche Frage, welche genauen Anforderungen an die Organisation der Geschäftsabläufe in einem Gericht bestehen und welcher Zeitraum als so rechtzeitig betrachtet werden kann, dass der Rechtsmittelführer sich noch darauf verlassen darf, dass der falsch adressierte Schriftsatz rechtzeitig weitergeleitet werden wird. Aus diesem Grunde bestand Anlass für die Zulassung der Revisionsbeschwerde.

Vorschriften§ 66 Abs. 1 ArbGG, § 234 Abs. 3 ZPO, § 236 Abs. 2 S. 2; 2. Halbsatz ZPO, § 85 Abs. 2 ZPO

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