Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

27.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197387

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 14.09.2017 – L 1 KR 476/14

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Rechtsstreit
Deutsche A-Hilfe e. V.,
vertreten durch d. Vorstand,
Wstraße , B
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwälte B, R & D,
B Platz , B
Az.:
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin
Az.:
- Beklagte und Berufungsklägerin -
1. J L,
Oweg , B
2. KKH - Kaufmännische Krankenkasse,
Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover
Az.:
3. Bundesagentur für Arbeit,
vertreten durch Geschäftsführerin des Operativen Services
der Agentur für Arbeit Berlin Mitte,
Charlottenstraße 87 - 90, 10969 Berlin,
Az.:
- Beigeladene -
zu 1 Prozessbevollmächtigte/r:
Rechtsanwalt M W,
R-K-Straße , B
hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Weinert, den Richter am Landessozialgericht Pfistner und den Richter am Landessozialgericht Dr. Schneider sowie den ehrenamtlichen Richter Schich und die ehrenamtliche Richterin Zimmermann für Recht erkannt:
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2014 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand

Streitig ist, ob der Beigeladene zu 1) ab dem 2. Januar 2009 bei dem Kläger versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist.

Der 1968 geborene Beigeladene zu 1) ist Diplom-Medienwissenschaftler. Am 12. Dezember 2008 schloss er mit dem Kläger einen Dienstvertrag über die Planung, Umsetzung und Dokumentation der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Klägers. Er verpflichtete sich, diese Leistung vom 2. Januar 2009 bis zum 30. Dezember 2009 mit monatlich 100 Stunden zu erbringen. Dafür sollte er eine Vergütung von monatlich brutto 4.284,- € erhalten. Daneben schloss der Beigeladene zu 1) einen Dienstvertrag mit dem Kläger über die Konzeption und Durchführung der Presse- und PR-Arbeit für die MSM-Kampagne "ich weiß was ich tu". Dafür sollte der Beigeladene zu 1) monatlich 1.785,00 € brutto erhalten. Am 18. November 2009 schloss der Beigeladene zu 1) einen weiteren Dienstvertrag mit dem Kläger über Planung, Umsetzung und Dokumentation der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und des Fundraisings. Die Leistung sollte vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 mit monatlich 120 Stunden erbracht werden, dabei sollten 75 % auf die Presse und 25 % auf das Fundraising entfallen. Als Vergütung wurden 5.140,80 € vereinbart. Für die Einzelheiten der Verträge wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Am 18. Dezember 2009 beantragte der Beigeladene zu 1) bei der Beklagten die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens für seine Tätigkeit als Pressesprecher und ab dem 1. Januar 2010 auch als Fundraiser. Nach Anhörung des Klägers entschied die Beklagte durch Bescheid vom 14. Juli 2010, dass der Beigeladene zu 1) seine Tätigkeit für den Kläger seit dem 2. Januar 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Seit diesem Tag bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses spreche, dass der Beigeladene zu 1) seine Arbeiten auch am Betriebssitz des Klägers erledige, er nach außen hin im Namen des Klägers auftrete und als Mitarbeiter erscheine, er die Arbeitsleistung höchstpersönlich erbringe, er an Teilprojekten zusammen mit anderen Mitarbeitern des Klägers arbeite, ihm eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung ohne Gewinn- oder Verlustrisiko gewährt werde und ihm benötigte Arbeitsmittel von dem Kläger zur Verfügung gestellt würden. Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit spreche dagegen, dass der Beigeladene zu 1) auch in seinem Home Office und auch für andere Auftraggeber tätig geworden wäre. Die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände würden überwiegen.

Den gegen diesen Bescheid von dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) erhobenen Widerspruch, mit dem beide das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit geltend machten, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2011 zurück. Alle Aufgabenbereiche des Beigeladenen zu 1) fänden sich in der Definition für abhängig beschäftigte Pressesprecher wieder, welche die Tätigkeit von Pressesprechern im Allgemeinen beschreibe. Dem Beigeladenen zu 1) seien nur scheinbar Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Arbeitszeit eingeräumt. Die Stundenzahl sei vertraglich festgelegt und die Arbeitszeiten würden sich aus dem erteilten Auftrag ergeben. Der Beigeladene zu 1) habe immer die aktuellen Nachrichten preiszugeben und sei Ansprechpartner für die Medien. Versäume er die zeitnahe Erledigung seiner Aufgaben, würde ihm eine Weisung erteilt werden. Dass der Beigeladene zu 1) nicht nur am Betriebssitz des Klägers tätig sei, belege noch keine selbständige Tätigkeit, da dies auch für Außendienstmitarbeiter üblich sei. Eine eigenverantwortliche Planung sei auch Aufgabe von abhängig Beschäftigten. Eine über die Beschäftigung hinausgehende Verantwortlichkeit sei nicht ersichtlich. Bei Diensten höherer Art trete an die Stelle der Weisungsgebundenheit die funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess. Der Beigeladene zu 1) trage kein Unternehmerrisiko, da er seine Arbeitskraft angesichts der festen Pauschalvergütung nicht mit ungewissem Erfolg einsetze. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses stehe nicht entgegen, dass im Urlaubs- und Krankheitsfall keine Vergütung gezahlt werde. Der Verzicht auf eigentlich zustehende Leistungen begründe noch keine Selbständigkeit.

Dagegen richtet sich die am 22. März 2011 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 12. November 2014 den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 aufgehoben und festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) in der für den Kläger ausgeübten Tätigkeit als Pressesprecher und Fundraiser seit dem 2. Januar 2009 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgrund abhängiger Beschäftigung unterliege. Die Beklagte habe zu Unrecht Versicherungspflicht festgestellt. Die Kammer sei zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1) eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Die Vertragsparteien hätten eine freie Mitarbeit vereinbaren und gerade kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollen. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urt. v. 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R) komme dem im Vertrag dokumentierten Willen jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn er den sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspreche und durch weitere Aspekte gestützt werde. Beides sei vorliegend der Fall. Der Beigeladene zu 1) sei in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei gewesen. Er habe keinen Arbeitsplatz in den Räumen des Klägers gehabt, sondern überwiegend zu Hause gearbeitet. Abgesehen von dem vereinbarten Stundenkontingent habe es keine zeitlichen Vorgaben gegeben. Hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit seien keine Weisungen erfolgt. Diverse Bestimmungen des Vertrags enthielten werkvertragliche Elemente. Der Beigeladene zu 1) habe keine bzw. nur im untergeordneten Umfang Arbeitsmittel des Klägers in Anspruch genommen. Zwar lägen auch auf eine abhängige Beschäftigung hindeutende Indizien vor. Im Wesentlichen sei die mit der Tätigkeit verbundene Eingliederung in den Betrieb des Klägers zu nennen. Der Beigeladene zu 1) habe die zur Ausübung seiner Tätigkeit notwendigen Informationen von dem Kläger erhalten, seine Werke vor der Veröffentlichung mit dem Kläger abgesprochen und sei nach außen hin für den Kläger aufgetreten. Diese Aspekte seien aber von untergeordneter Bedeutung, da sie mit der Art der Tätigkeit naturgemäß verbunden seien. Selbst bei einem einmaligen Kontakt und einem abgeschlossenen Werkvertrag müssten Abstimmungen erfolgen. Die enge Zusammenarbeit spreche zwar in gewisser Weise für eine abhängige Tätigkeit, schließe andererseits aber eine selbständige Ausübung nicht aus und stehe nicht im offensichtlichen Widerspruch zu dem vertraglich dokumentierten Willen der Begründung einer freiberuflichen Tätigkeit. Weiteres Indiz für eine abhängige Beschäftigung sei die Laufzeit des Vertrags von einem Jahr und die Vereinbarung einer festen monatlichen Vergütung und einer festen Stundenzahl in diesem Zeitraum. Diese Indizwirkung sei aber eingeschränkt, weil die vorgenommene Vertragsgestaltung bei vorher feststehendem und gleichbleibendem Bedarf an die Stelle einer Rahmenvereinbarung oder einer Kette von Werkverträgen trete. Kein Indiz sei dagegen das Fehlen eines unternehmerischen Risikos. Bei freiberuflichen Tätigkeiten, welche keinen besonderen Einsatz von Sachmitteln erforderten, könne das weder für noch gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung angeführt werden.

Gegen das der Beklagten am 21. November 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 16. Dezember 2014 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für nicht überzeugend. Schon der Ausgangspunkt des Sozialgerichts sei fraglich, den geschlossenen Verträgen einen auf eine freie Mitarbeit gerichteten Willen zu entnehmen. Die Verträge seien als Dienstverträge überschrieben. Die aufgeführten Leistungen wie z.B. positive Darstellung der Deutschen Aids-Hilfe in der medialen Öffentlichkeit oder Pflege und systematische Erweiterung von Kontakten zur Presse, zu Medien etc. ließen eine werkvertragliche Einordnung eher nicht zu. Soweit jeweils von Auftraggeber und Auftragnehmer die Rede sei und die Geltung der VOL festgelegt werde, handele es sich um Worthülsen, die am Gegenstand des Vertrags vorbeigingen. Angesichts der vereinbarten pauschalen Vergütung habe der Beigeladene zu 1) kein Unternehmerrisiko getragen. Er habe die Beklagte als Pressesprecher zu repräsentieren gehabt, sei damit nicht als Selbständiger wahrgenommen worden. Interviews und Medienstatements hätten der vorherigen Abstimmung bedurft. Nach § 3 des Dienstvertrags betr. die MSM-Kampagne "ich weiß was ich tu" sei der Beigeladene zu 1) verpflichtet gewesen, Weisungen und Änderungswünsche des Klägers zeitnah umzusetzen. Der Beigeladene zu 1) sei auch zeitlich keineswegs frei gewesen. Aus dem Schreiben vom 12. Februar 2010 ergäben sich enge Zeitkorridore. Da der Kläger eine Nachbesserungspflicht geltend mache, solle er schriftliche Abnahmeerklärungen entsprechend den Vorgaben des Dienstvertrages vorlegen und Nachweise dafür, dass im Einzelfall wegen Schlechtleistung eine andere als die vertraglich vereinbarte Vergütung gezahlt worden sei. Der Name des Beigeladenen zu 1) bei Presseinformationen werde nur zusammen mit dem Hinweis "Pressesprecher" und dem Kläger als Herausgeber genannt. Der Beigeladene zu 1) werde also nur als Sprachrohr des Klägers wahrgenommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Urteil des Sozialgerichts sei zutreffend. Das Sozialgericht habe richtig erkannt, dass die Vertragsparteien ein freies Dienstverhältnis und keine abhängige Beschäftigung begründen wollten. Der Beigeladene zu 1) habe keinem Weisungsrecht unterlegen und sei nicht in den Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und eine frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet gewesen. Soweit die Beklagte von einer Eingliederung des Beigeladenen zu 1) ausgehe, verkenne sie, dass erforderliche Absprachen auch für einen Dienst- oder Werkvertrag typisch seien. Auch im Rahmen der MSM-Kampagne "ich weiß was ich tu" sei kein Weisungsrecht vereinbart worden. Auch tatsächlich habe es keine Weisungen gegeben. Die bloße Möglichkeit eines Auftraggebers, Änderungswünsche oder konkrete Weisungen zu formulieren, sei kein Weisungsrecht im Sinne des § 106 GewO. Dieses Weisungsrecht beziehe sich auf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung. Insoweit habe er - der Kläger - aber kein Direktionsrecht gehabt. Für das Vorliegen freier Dienstverträge spreche, dass der Beigeladene zu 1) einen detaillierten Nachweis seiner Leistungen nebst Zeiterfassung vorlegen musste und selbst für die Versteuerung seines Honorars verantwortlich war. Urlaubsansprüche oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall seien nicht vorgesehen gewesen. Auch sei jedem Dienstvertrag immanent, dass der Auftraggeber eine kurzfristige Erledigung erwarte. Zutreffend habe das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass der Beigeladene zu 1) in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei war und zuhause arbeitete, dass für den Beigeladenen zu 1) abgesehen von dem Stundenkontingent keine zeitlichen Vorgaben bestanden und er keine fremden Arbeitsmittel in Anspruch genommen habe. Zutreffend sei auch der Hinweis auf die zahlreichen werkvertraglichen Elemente sowie darauf, dass weder die fest vereinbarte Stundenzahl noch die feste monatliche Vergütung hier gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen würden. Die Beklagte nehme nicht zur Kenntnis, dass die namentliche Nennung des Beigeladenen zu 1) in seinen - des Klägers - Veröffentlichungen gerade für eine selbständige Tätigkeit spreche. Auch fehlten Ansprüche auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, Mehrarbeits- und Sonntagszuschläge, auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Jahresurlaub. Für eine selbständige Tätigkeit spreche weiter, dass der Beigeladene zu 1) von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, Arbeitszeit und Arbeitsort frei einzuteilen, der Vertrag ständig neu befristet worden sei, der Auftrag für die MSM-Kampagne "ich weiß was ich tu" wortgleich auch an eine GmbH vergeben worden sei, die vereinbarte Kündigungsfrist sich nicht an den zwingenden Vorschriften für Arbeitsverhältnisse orientiere, die Bezugnahme auf die VOL/A und VOL/B in einem Arbeitsverhältnis keinen Sinn mache, die Fälligkeit der Vergütung abweichend von den für Arbeitsverhältnisse gesetzlichen Regelungen ausgestaltet worden sei, in einem Arbeitsverhältnis keine Verpflichtung zur Rechnungsstellung mit Stundennachweis bestehe und die Arbeitsleistung nicht abgenommen werde. Es habe auch ein unternehmerisches Risiko gegeben, da der Beigeladene zu 1) zur Nachbesserung verpflichtet gewesen sei und bei Erfolglosigkeit ohne Vergütung geblieben wäre. Auch habe der Beigeladene zu 1) ihn - den Kläger - von eventuellen Ansprüchen Dritter freistellen müssen. Zudem habe sich die Höhe des effektiven Stundenlohns nach der Schnelligkeit der Arbeit gerichtet. Der Beigeladene zu 1) habe selbständig gearbeitet. Die bloße Freigabe der Pressemitteilungen stelle kein Weisungsrecht dar, sondern lediglich die Abnahme eines Werkes. Bei Flugzeugführern gehe das BSG davon aus, dass allein von der geminderten Autonomie noch nicht auf eine Weisungsgebundenheit geschlossen werden dürfe. Der Beigeladene zu 1) sei schließlich auch noch für weitere Auftraggeber tätig geworden. Es komme nicht darauf an, ob der Vertrag in einigen wenigen Bereichen nicht gelebt worden sei. Zu Unrecht bezeichne die Beklagte den Beigeladenen zu 1) als bloßes Sprachrohr. Die Nennung seines Namens mache ihn als Urheber deutlich. Der Beigeladene zu 1) habe eigene Betriebsräume und Arbeitsmittel und trete nach außen hin als selbständiger Kommunikationsberater auf. Er sei auch für andere Auftraggeber tätig geworden. Er - der Kläger - habe ihm keine über die vertraglichen Regelungen hinausgehenden Tätigkeiten übertragen können, was für Selbständigkeit spreche. Auch einem Selbständigen könnten Rahmenbedingungen vorgegeben werden, sofern noch genügend Spielraum für deren Ausgestaltung verbleibe. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) sei mit der eines Bildjournalisten vergleichbar, für die das BSG bereits eine selbständige Tätigkeit angenommen habe (Hinweis auf Breith 1987, 924). Nach Eingehung des Auftragsverhältnisses zu verzeichnende Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürften aus Vertrauensschutzgründen nicht rückwirkend angewandt werden. Der Beigeladene zu 1) habe diverse eigene Themen selbständig bearbeitet und erstmals ein Kommunikationskonzept für ihn - den Kläger - entwickelt. Gelegentliche inhaltliche Zuarbeiten begründeten keine abhängige Beschäftigung. Die Pressemeldungen seien vom Beigeladenen zu 1) selbständig erarbeitet und eigenständig verschickt worden. Die Auswertung des Pressespiegels sei selbständig und unabhängig erfolgt, der Beigeladene zu 1) habe das Themenfeld HIV/Aids eigenständig beobachtet. Er habe auch eigene Pressekontakte gepflegt und ihn - den Kläger - hinsichtlich der Pressestrategie und Öffentlichkeitsarbeit beraten. Auch das Fundraising sei selbständig und eigenverantwortlich erfolgt. Der Beigeladene zu 1) habe sein bestehendes Netzwerk zur Akquise genutzt und eigenständig ein Fundraisingprojekt aufgebaut. Die Geschäftsführung sei informiert und bei besonderen Anlässen auch einbezogen worden. Eine Zusammenarbeit mit seinen - des Klägers - Mitarbeitern sei nur in Einzelfällen und Anlassbezogen erfolgt. Ein Kommunikationsberater habe nicht alle Themen inhaltlich gleichermaßen abdecken können. Eine strukturierte Zusammenarbeit habe jedoch nicht stattgefunden, es habe keine Teilnahme an Sitzungen oder sonstigen Veranstaltungen gegeben. Die journalistische Recherche sei aktiv und eigenständig erfolgt. Das gelte auch für die Pflege der Webseite.

Der Beigeladene zu 1) weist darauf hin, dass er während seiner Tätigkeit als Pressesprecher diverse eigene Themen eingebracht und selbständig bearbeitet habe. Er habe dem Kläger Vorschläge zur Außenkommunikation gemacht. Bei der Bearbeitung der Themen habe er auch auf die fachliche Expertise von Mitarbeitern des Klägers (z.B. hinsichtlich medizinischer Fragen) zurückgegriffen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2011 aufgehoben. Die Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beigeladene zu 1) stand ab dem 2. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei dem Kläger, aus dem sich Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ergab.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Mit Recht ist die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ausgegangen. Rechtsgrundlage ist § 5 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI), § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Nach diesen Vorschriften unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht.

Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - und Urteil vom 12. November 2015 - B 12 KR 10/14 R -).

Der Beigeladene zu 1) ist, wie sich aus den von ihm vorgelegten Dienstverträgen und Rechnungen ergibt, vom 2. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2010 für den Kläger tätig gewesen. Für die Einordnung dieser Tätigkeit als selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ist zunächst von den zwischen den Beteiligten getroffenen vertraglichen Abreden auszugehen. Diese deuten darauf hin, dass eine selbständige Tätigkeit gewollt war. Dafür sprechen die Bezeichnung der Parteien als Auftraggeber und Auftragnehmer, die Regelungen über die Abnahme der Leistung sowie die Bezugnahme auf die VOL/A und VOL/B.

Die vertraglich vorgegebene Einordnung als selbständige Tätigkeit muss aber auch vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und ist nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen (auch) die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welchen gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 - B 12 KR 13/07 R - [...] Rn 17; Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - [...] Rn 17). Nach diesen ist hier von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) auszugehen. Entgegen dem Sozialgericht widersprechen die tatsächlichen Bedingungen der Arbeitsleistung der vertraglich vorgesehenen Einordnung als freie Mitarbeit.

Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Verwendung werkvertraglicher Begrifflichkeiten den tatsächlichen Verhältnissen bei der Erbringung der vertraglich geschuldeten Dienstleistungen nicht gerecht wird. Denn deren Gegenstand war durch die abgeschlossenen Dienstverträge noch nicht so weit konkretisiert, dass abnahmefähige Leistungen beschrieben und vorgegeben waren. Ihr Inhalt ergab sich erst im Verlauf der Tätigkeit. Der Beigeladene zu 1) griff bei der Ausführung seiner Arbeit jedenfalls zum Teil auf die anderen Mitarbeiter des Klägers und dessen Arbeitsmittel zurück. Er hat eingeräumt, sich auch der vom Kläger zu Verfügung gestellten Arbeitsmittel zu bedienen und gelegentlich auf die fachliche Expertise der anderen Mitarbeiter zurückzugreifen, Insoweit erbrachte der Beigeladene zu 1) seine Leistungen in Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Klägers. Für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung spricht weiter, dass der Beigeladene zu 1) kein Unternehmerrisiko trug. Eigenes Kapital oder eigene Arbeitsmittel hat er nicht im nennenswerten Umfang eingesetzt. Bei den vom Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Ausübung seiner Tätigkeit eingesetzten eigenen sächlichen Mittel handelte es sich um solche Gegenstände wie Computer, Büroräume, Büromaterial und Mobiltelefone, die auch von Beschäftigten typischerweise vorgehalten und zur Arbeit benutzt werden.

Der Beigeladene zu 1) hat seine Arbeitskraft nicht mit der Gefahr eingesetzt, keine Vergütung zu erhalten. Die pauschal pro Monat gewährte Vergütung verhinderte das. Nicht nachvollziehen kann der Senat in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Klägers dazu, dass die Höhe des effektiven Arbeitslohns von der Schnelligkeit der Arbeit abhing. Sollte diese Möglichkeit tatsächlich bestanden haben, ergibt sich aus ihr jedenfalls noch nicht die Gefahr, dass eine Entlohnung gänzlich ausbleibt. Im Übrigen hatte der Beigeladene zu 1) einen Stundennachweis vorzulegen. Den dem Kläger vor Augen stehende höheren Effektivlohn hätte er demnach nur durch vertragswidrige Manipulationen erzielen können. Auf die vertraglich vorgesehene Möglichkeit des Klägers, die Abnahme und Honorierung einzelner Leistungen des Beigeladenen zu 1) zu verweigern, kommt es schließlich ebenfalls nicht an, weil von dieser Möglichkeit nach dem Vortrag des Klägers noch nie Gebrauch gemacht worden ist.

Selbst unter den geschilderten eher auf eine abhängige Beschäftigung hindeutenden äußeren Umständen kann eine Dienstleistung aber in der Form einer freien Mitarbeit erbracht werden, wenn der Dienstleistende hinsichtlich der Ausgestaltung und des Inhalts seiner Tätigkeit nach innen hin, also gegenüber seinem Auftraggeber, im Wesentlichen frei ist (vgl. BSG v. 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R - [...] Rn 41-49). Dabei spricht aber nicht jede inhaltliche Freiheit oder die Überlassung von Gestaltungsspielräumen schon gegen die Annahme einer abhängigen Beschäftigung. Denn auch bei Diensten höherer Art liegt eine Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit funktionsgerecht dienende Teilhabe an einem fremden Arbeitsprozess bleibt (Urteil des BSG vom 9. Dezember 1981 - 12 RK 4/81). Um gleichwohl eine selbständige Tätigkeit annehmen zu können, muss die inhaltliche Freiheit der Tätigkeit so prägend für ihren Gegenstand sein, dass die Bedeutung der von fremder Hand vorgegebenen äußerlichen Rahmenbedingungen dahinter zurücktritt. Dann führt auch die Verpflichtung, sich an bestimmten inhaltlichen Vorgaben auszurichten, noch nicht notwendig zur Annahme von Weisungsgebundenheit. Tätigkeiten bleiben nämlich weisungsfrei, wenn zwar ihre Ziele vorgegeben werden, die Art und Weise der Ausführung aber dem Dienstleister überlassen bleibt. Eine trotz äußerer organisatorischer Vorgaben freie Tätigkeit ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt etwa für Lehrtätigkeiten. Hier wird eine abhängige Beschäftigung nicht bereits deswegen angenommen, weil dem Dozenten der äußere Ablauf seiner Lehrtätigkeit vorgegeben wird, solange er inhaltlich frei und insbesondere nicht durch öffentliche Lehrpläne gebunden ist (Urteil des BSG vom 12. Februar 2004 - B 12 KR 26/02 R - [...] RdNr. 29). Entsprechend hat der erkennende Senat auch für die Selbständigkeit vom Bundesrat beauftragter Führer des Besucherdienstes entscheidend darauf abgestellt, dass diese als Honorarkräfte im Kernbereich ihrer Tätigkeit frei waren (Urteil vom 15. Juli 2011 - L 1 KR 206/09 - [...] RdNr. 171). Auch das BSG hat bestätigt, dass Erziehungsbeistände selbständig sein können, obwohl sie durch Hilfepläne auf die Erreichung bestimmter Ziele verpflichtet werden (BSG v. 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R - [...] Rn 33-34).

Übertragen auf den vorliegenden Sachverhalt bedeutet dies, dass für den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) neben der Frage, wie seine Tätigkeit im Verhältnis zu der betrieblichen Organisation des Klägers und seine Verdienstmöglichkeiten im Einzelnen organisiert und ausgestaltet gewesen sind, entscheidend darauf abzustellen ist, welches Maß an inhaltlicher Gestaltungsfreiheit dem Beigeladenen zu 1) bei der Ausübung seiner Tätigkeit zugebilligt worden ist. Nur soweit seine Tätigkeit dadurch geprägt war, dass es allein auf seine fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ankam und ihm entsprechend auch die Entscheidung überlassen wurde, wie die von dem Kläger vorgegebenen Ziele zu erreichen waren, könnte von einer freien Mitarbeit ausgegangen werden.

Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) war aber dadurch bestimmt, dass er für mehrere Gegenstände seiner Tätigkeit dem Vorstand des Klägers das Letztentscheidungsrecht überlassen musste. Ausweislich der Anlage 1 zu dem ersten Dienstvertrag vom 12. Dezember 2008 waren der Vorstand, die Geschäftsführung und die Abteilungen/Referate des Klägers bei allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen. Die Verwendung des Wortes Unterstützung belegt, dass das Entscheidungsrecht darüber, was von der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) nach außen dringen sollte, beim Kläger verblieb. Nach der Anlage zum zweiten Dienstvertrag vom 18. November 2009 war der Vorstand ebenso bei allen Kommunikationsfragen zu beraten, neben der Geschäftsführung und den Abteilungen/Referaten bei allen Fragen der Öffentlichkeitsarbeit durch publizistische Tätigkeit zu unterstützen, Veranstaltungen, Tagungen, Mitgliederversammlung und Empfänge mussten mitorganisiert und Reden für die Geschäftsführung und den Vorstand verfasst werden. Jeweils soweit diese in der Anlage zum Dienstvertrag aufgeführten Tätigkeiten betroffen sind, hat der Beigeladene zu 1) dienende Funktionen ausgeübt, ohne das Letztentscheidungsrecht zu haben. Diese eine abhängige Beschäftigung begründende Eingliederung lässt sich auch nicht mit dem Hinweis negieren, dass die Unterordnung unter den Vereinsvorstand wesensgemäße Aufgabe des Pressesprechers eines Vereins sei. Wenn dies so wäre, ergäbe sich daraus nämlich nur ein Argument dafür, dass die Tätigkeit als Pressesprecher jedenfalls durch natürliche Personen nur im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung verrichtet werden kann.

Nach alledem war auf die Berufung der Beklagten hin das Urteil des Sozialgerichts Berlin aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr