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18.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197252

Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 13.10.2017 – 12 U 107/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen: 12 U 107/17
9 O 282/15 LG Mannheim
               
Oberlandesgericht Karlsruhe
12. ZIVILSENAT

Im Namen des Volkes         

Urteil

In dem Rechtsstreit

xxx

wegen Leistungen aus privater Krankenversicherung

hat das Oberlandesgericht Karlsruhe - 12. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Guttenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kürz und die Richterin am Amtsgericht Dr. Stahmer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.09.2017 für Recht erkannt:

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 31.03.2017,  Az. 9 O 282/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    Die Beklagte wird verurteilt, 11.771,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.12.2015 an die Klägerin zu zahlen.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im tariflichen Umfang die Gesamtkosten für bis zu zwei weitere Behandlungszyklen der IVF/ICSI nebst Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen zu erstatten, sofern die Erfolgsaussicht hinsichtlich eines jeden Behandlungszyklus wenigstens 15 % bezogen auf den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft beträgt und nicht ein vorhergehender Zyklus bereits zur Geburt eines Kindes geführt hat.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Die weitergehende Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 48 % und die Beklagte zu 52 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 23 % und die Beklagte zu 77 %.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung gegen die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  5. Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.
Gründe:

I.

Die am 26.10.1981 geborene Klägerin unterhält bei der Beklagten eine private Krankheitskostenversicherung zum Tarif ---. Nach den dem Vertrag zugrunde liegenden Tarifbedingungen (Teil II der allgemeinen Versicherungsbedingungen, Anlage K 2) bietet die Beklagte Versicherungsschutz wie folgt:

„§ 1 Teil I
(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse...
(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen...“

Zum Umfang der Leistungspflicht zählen gemäß § 4 Teil II Nr. 6 auch die Kosten für eine künstliche Befruchtung; hierin heißt es:

„Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität der versicherten Person sind erstattungsfähig, soweit die Behandlungen und Untersuchungen an der versicherten Person durchgeführt werden. Finden zu diesem Zweck Behandlungen und Untersuchungen an dem nicht sterilen Ehegatten der versicherten Person statt, sind diese nur erstattungsfähig, wenn für den Ehegatten eine Krankheitskostenvollversicherung bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen besteht und nur soweit der dort bestehende Versicherungsvertrag keinen Versicherungsschutz für die Behandlungen und Untersuchungen bietet.

Der Anspruch besteht nur, sofern die versicherte Person verheiratet ist und ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen darf die Ehefrau das 40. Lebensjahr und der Ehemann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Erstattungsfähig sind bei einer hinreichenden Erfolgsaussicht die Aufwendungen für bis zu drei Behandlungsversuche.

Kosten für eine Kryokonservierung werden nicht erstattet.“

Die Klägerin und ihr am 18.5.1980 geborener Ehemann haben Kinderwunsch. Die Klägerin war im Jahr 2014 bereits einmal schwanger. Das Kind war genetisch geschädigt, so dass ein Schwangerschaftsabbruch in der 24. Schwangerschaftswoche vorgenommen wurde. Die Klägerin hat ihren Ehemann am 28.08.2015 geheiratet.

Vor der Eheschließung ließen sie einen Versuch zur künstlichen Befruchtung durchführen, der jedoch erfolglos war. Für diesen Behandlungsversuch entstanden aufgrund von Rechnungen und Rezepten aus dem Zeitraum März bis Juni 2015 (Anlagenkonvolut K 5) Kosten in Höhe von insgesamt 11.771,07 €. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme ab.

Die Klägerin hat vorgetragen,

diese Kosten seien ausschließlich im Rahmen der künstlichen Befruchtung entstanden und seien notwendig gewesen. Ihr Kinderwunsch sei auf natürlichem Wege nicht zu erfüllen. Ursache hierfür sei eine genetische Erkrankung der Klägerin im Rahmen einer balancierten reziproken Translokation zwischen den Chromosomen 9 und 15. Folge dieser Erkrankung sei entweder, dass ein so geschädigter Embryo früh absterbe und es gar nicht erst zu einer Einnistung komme. Folge könne aber auch sein, dass ein entsprechend geschädigter Embryo sich einniste, später aber im Rahmen einer Fehlgeburt abgehe, ein indizierter Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden müsse oder die Geburt eines chromosomal dauerhaft geschädigten Kindes stattfinde. Bei ihrem Ehemann lägen keine die Fertilität beeinträchtigenden Befunde vor. Medizinisch notwendige Heilbehandlung sei die In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Zuhilfenahme der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) unter gleichzeitiger Anwendung von medizinischen Maßnahmen zur Erkennung genetischer Schädigungen im Wege der Polkörperdiagnostik (PKD) oder der Präimplantationsdiagnostik (PID). Die Erfolgsaussicht der Behandlung hinsichtlich des Eintritts einer klinischen Schwangerschaft liege nicht unter 15 %.

Die Klägerin hält die Tarifbedingungen über die künstliche Befruchtung insgesamt für intransparent. Der Versicherungsnehmer könne nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, welche Kosten wann erstattungsfähig seien. Die Klausel betreffe vom Wortlaut her die „künstliche Befruchtung“, ohne weiter zu differenzieren (Zeugung trotz Behandlung auf natürlichem Wege im Körper oder extrakorporal mit Hilfe eines medizinischen Eingriffs).

Die Tarifbedingung, wonach Leistungen im Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung nur gegenüber verheirateten Paaren geschuldet wird, sei unwirksam. Es handele sich um medizinische Maßnahmen zur Beseitigung einer Krankheit, so dass die Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren nicht gerechtfertigt sei (BVerfG, Urteil vom 28.02.2007 - 1 BvL 5/03). 

Die Klägerin hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 11.771,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung an die Klägerin zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Gesamtkosten der künstlichen Befruchtung im Rahmen der IVF/ICSI nebst ergänzenden Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss von Gendefekten so lange zu erstatten, solange die Erfolgsaussicht der Behandlung bezogen auf den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft wenigstens 15 % beträgt und nicht ein vorhergehender Versuch zur Geburt eines Kindes geführt hat.

Hilfsweise wird insoweit beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im tariflichen Umfang die Gesamtkosten für drei Behandlungszyklen der IVF/ICSI nebst Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen zu erstatten, sofern die Erfolgsaussicht hinsichtlich eines jeden Behandlungszyklus wenigstens 15 % bezogen auf den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft besteht und nicht ein vorhergehender Zyklus bereits zur Geburt eines Kindes geführt hat.

Die Beklagte hat beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Bei der Klägerin liege keine Sterilität vor. Sämtliche Genprodukte würden in normaler, ausreichender Anzahl, Struktur und Funktion produziert. Der Körper der Klägerin sei zu einer normalen Empfängnis sowie zu einer normalen Austragung einer Schwangerschaft problemlos in der Lage. Jede Schwangerschaft berge das Risiko einer Fehlgeburt oder eines indizierten Schwangerschaftsabbruchs. Nachweislich sei die Klägerin bereits schwanger gewesen, d. h. der Embryo habe sich eingenistet gehabt. Der Begriff Sterilität definiere aber lediglich die Unfähigkeit, schwanger zu werden. Wie lange diese bestehen bleibe, und ob sie ausgetragen werden könne, spiele hierfür keine Rolle. Insofern sei die Frage, ob die Klägerin vermehrt Probleme in der Schwangerschaft haben könne und ob es zu Fehlgeburten komme, diesbezüglich unbeachtlich.

Der Zahlungsanspruch scheitere schon daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der künstlichen Befruchtung nicht verheiratet gewesen sei.

Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 31.3.2017 der Klage hinsichtlich des Hilfsantrags auf Feststellung stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin im tariflichen Umfang die Gesamtkosten für bis zu drei Behandlungszyklen der IVF/ICSI nebst Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schäden zu erstatten, da bei der Klägerin eine organisch bedingte Sterilität und damit eine Krankheit im Sinne der Musterbedingungen der Krankenkassen vorliege; die Beklagte müsse auch die Kosten für den Ausschluss genetischer Schädigungen übernehmen (PID oder PKD). Einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die vor der Eheschließung vorgenommene Behandlung habe die Klägerin dagegen nicht. Das Anknüpfen an das Bestehen der Ehe für die Erstattung der Kosten einer künstliche Befruchtung sei sachgemäß, da eine Ehe als eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft grundsätzlich die Gewähr dafür biete, dass Mutter und Vater langfristig Verantwortung für ihre Kinder übernähmen.

Gegen die Abweisung des Zahlungsantrags wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend verweist die Klägerin auf Art. 19 Abs. 1 AGG; gegen das dortige Verbot der Benachteiligung aufgrund der sexuellen Identität verstoße die tarifliche Leistungseinschränkung auf Eheleute. Die Begrenzung der Erstattung auf maximal drei Behandlungsversuche sei unzulässig, weshalb die mit dem Zahlungsantrag begehrte Erstattung nicht auf die im Feststellungsantrag zuerkannten drei Behandlungszyklen anzurechnen sei.

Sie beantragt,

das Urteil des Landgerichts Mannheim, Az. 9 O 282/15, verkündet am 31.3.2017 und zugestellt am 6.4.2017, teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 11.771,07 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung an die Klägerin zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Wege der Anschlussberufung beantragt sie,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die Teilabweisung der Klage im angefochtenen Urteil. Mit der Anschlussberufung greift sie die titulierte Feststellung mit der Begründung an, das Landgericht sei zu Unrecht von einer organisch bedingten Sterilität der Klägerin ausgegangen; tatsächlich könne die Klägerin auf natürlichem Wege schwanger werden. Verkannt habe das Ausgangsgericht weiter, dass der Ausschluss genetischer Schädigungen (PID oder PKD) keine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen im Sinne der AVB sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit in diesem Urteil keine anderen Feststellungen getroffen sind, auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie die von ihnen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und teilweise - im Hinblick auf den Zahlungsantrag - begründet.

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erstattung der Kosten aus den Rechnungen und Rezepten aus dem Zeitraum vom 16.3.2015 bis zum 10.6.2015 in Höhe von 11.771,07 €.

a) Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin erst am 28.8.2015 geheiratet hat, da die in § 4 Teil II Ziff. 6 Abs. 2 Satz 1 der Tarifbedingungen formulierte Anspruchsvoraussetzungen, wonach die versicherte Person verheiratet sein muss und ausschließlich Ei- und Samenzellen des Ehegatten verwendet werden dürfen, nach § 307 BGB unwirksam ist.

aa) Eine organisch bedingte Sterilität ist entgegen einer teilweise vertreten Auffassung (Kalis, VersR 1989, 1244; Brams, VersR 2004, 26) unabhängig vom Bestehen einer Ehe als Krankheit zu werten (so auch OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2016 - 20 U 119/16, juris Rn. 66; Marlow, VersR 2002, 144 unter II 1. b; Voit in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. § 192 Rn. 36). Die organisch bedingte Sterilität als solche ist als regelwidriger Körperzustand und damit als Krankheit im Sinne der privaten Krankenversicherungsbedingungen  einzuordnen (BGH, Urteil vom 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228-236, juris Rn. 16 und ständig). Auf äußere Lebensumstände kommt es nach dieser Definition des Krankheitsbegriffs nicht an. 

bb) Ausgehend von der Einordnung als Krankheit ist § 4 Teil II Ziff. 6 Abs. 2 Satz 1 der Tarifbedingungen nach § 307 BGB unwirksam. Zwar gefährdet die Klausel nicht den Vertragszweck (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB), da der Krankenversicherungsvertrag auch im Falle eines vollständigen Ausschlusses der Kostenerstattung für die - nicht vital lebensnotwendigen - Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung nicht ausgehöhlt würde. Die Differenzierung zwischen Verheirateten und Unverheirateten in den AVB ist aber willkürlich und stellt daher eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.

(1) In der Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, ob und in welchem Umfang Art. 3 GG über § 307 BGB auf privatrechtliche Beziehungen einwirkt, soweit der AGB-Verwender - wie hier - weder aufgrund seiner Organisationsstruktur noch aufgrund der Verfasstheit seiner Anteilseigner nach Art. 1 Abs. 3 GG unmittelbar an die Grundrechte gebunden ist (im Ergebnis offen gelassen in BGH, Urteil vom 15.1.2013 - XI ZR 22/12, juris Rn. 16; für ein aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitendes allgemeines Diskriminierungsverbot wohl Urteil vom 9.11.1989 - IX ZR 269/87, juris Rn. 27). Da für die Inhaltskontrolle von AGB über § 307 BGB ein objektiver Maßstab gilt, wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass in AGB keine willkürlichen Differenzierungen zwischen Vertragspartnern mit gleicher Interessenlage enthalten sein dürfen (Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 6. Aufl. § 307 Rn. 176; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. § 307 Rn. 161). Dies muss aufgrund der Bedeutung des Krankenversicherungsschutzes jedenfalls für die Tarifbedingungen des privaten Krankenversicherers gelten, in denen Voraussetzung und Umfang der Kostenerstattung für die Heilbehandlung für alle unter diesem Tarif Versicherten einheitlich formuliert sind. Eine Ungleichbehandlung der Versicherten aufgrund von willkürlich gewählten Differenzierungsmerkmalen stellt aufgrund der Ausstrahlung des Art. 3 GG eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB dar.

(2) Die Anknüpfung an den Familienstand für die Erstattung der Kosten von Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung aufgrund von organisch bedingter Sterilität ist willkürlich; ein sachlicher Grund für diese Differenzierung ist im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien nicht ersichtlich. 

(a) Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28.2.2007 (1 BvL 5/03, juris) den entsprechenden Ausschluss einer Kostenerstattung für eine künstliche Befruchtung für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in § 27 a Abs. 1 Nr. 3 SGB V als sachlich gerechtfertigt angesehen. Die dortigen Erwägungen sind aber auf das System der gesetzlichen Krankenversicherung bezogen und lassen sich auf das Verhältnis der Parteien eines privaten Krankenversicherungsvertrags nicht übertragen.

(aa) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist wie folgt begründet:

Im Hinblick auf die gesetzlich normierte wechselseitige Beistandspflicht von Ehepartnern liege es im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, die eheliche Partnerschaft als besonders geeignet anzusehen, die mit den in Frage stehenden medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen (BVerfG aaO Rn. 37). Der Gesetzgeber  dürfe auch in typisierender Betrachtung die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft, und deshalb den Ehegattenvorbehalt in der vorgenannten Regelung vorsehen. Die Ehe biete, da sie nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung oder Scheidung wieder auflösbar sei, einem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen betreut zu werden. Auch die gesetzlichen Unterhaltspflichten seien auf die Bedürfnisse der gemeinsamen Kinder ausgerichtet (BVerfG aaO Rn. 38).

Nach der vorgenannten Entscheidung wäre die Ungleichbehandlung allerdings im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würden die in § 27 a SGB V geregelten medizinischen Maßnahmen der Beseitigung einer Krankheit im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 und § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V dienen (BVerfG aaO Rn. 34). Dazu führt das BVerfG aus:

„Der Gesetzgeber hat jedoch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen, sondern nur den für Krankheiten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt (…).

Dieses § 27a SGB V zugrunde liegende Konzept ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen (…), auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein veranlasst ist. ….“

(bb) Diese auf das Einschätzungsermessen des Gesetzgebers abstellenden Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts begründen für den privaten Krankenversicherer keinen sachlichen Differenzierungsgrund. Dem Gesetzgeber, der im Rahmen seiner Regelungskompetenz umfassend auch gesellschaftspolitische Erwägungen anstellen durfte, ist diese Differenzierung im Rahmen der gesetzlichen Ausgestaltung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in § 27a SGB V erlaubt; er durfte im Rahmen seines Einschätzungsermessens annehmen, dass die eheliche Partnerschaft besonders geeignet ist, die mit der künstlichen Befruchtung verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen, und dass die Ehe wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens eine den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung tragende Lebensbasis für ein Kind sei.

Derartige Erwägungen sind indessen nicht geeignet, eine gleichartige Differenzierung durch den privaten Krankenversicherer zu rechtfertigen.

Dieser verfolgt mit der Ausgestaltung seiner Versicherungsbedingungen unternehmerische und wirtschaftliche Interessen. Der Familienstand der versicherten Person stellt sich aus seiner wirtschaftlichen Sicht als zufällig und damit als willkürlich dar. Auch unter Einbeziehung des Vertragszwecks der Krankheitskostenversicherung, der in der Abdeckung des mit der notwendigen Behandlung von Krankheiten verbundenen Kostenrisikos liegt (BGH, Urteil vom 19.5.2004 - IV ZR 29/03, juris Rn. 27), ist ein Grund für die Differenzierung nicht ersichtlich. Bei Vorliegen einer organisch bedingten Sterilität ist das Interesse der versicherten Person an einer Behandlung dieser Krankheit unabhängig von ihrem Familienstand anzuerkennen. 

(b) Auch über eine Leitbildfunktion der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Differenzierung nicht zu rechtfertigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellen die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Leitbild für die private Krankenversicherung dar. Vielmehr ist die Privatversicherung nach ihrem eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihrem eigenen Vertragszweck zu beurteilen (BGH, Urteil vom 21.2.2001 - IV ZR 11/00, juris Rn. 16; Beschluss vom 11.2.2009 - IV ZR 28/08, juris Rn. 17, jeweils m.w.N.).

b) Auch die weiteren Voraussetzungen für die Kostenerstattung sind erfüllt.

aa) Versicherungsfall im Sinne von § 1 Teil I (1) und (2) der Tarifbedingungen ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Was den Versicherungsfall ausmacht, wird zum einen durch die Bezeichnung eines die Behandlung auslösenden Ereignisses oder Zustandes (Krankheit oder Unfallfolgen) ausgefüllt, zum anderen dadurch festgelegt, dass es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handeln muss (BGH, Urteil vom 15.9.2010 - IV ZR 187/07, juris Rn. 10). Voraussetzung und Umfang der Kostenerstattung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung werden hier unter § 4 Teil II Ziff. 6 der Tarifbedingungen umschrieben.

bb) Bei der Klägerin liegt eine organisch bedingte Sterilität im Sinne von § 4 Ziff. 6 der Tarifbedingungen vor. Eine solche auf körperlichen Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, ist zugleich eine Krankheit im Sinne von § 1 Teil I (1) und (2) der Tarifbedingungen (BGH, Urteil vom 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, BGHZ 99, 228-236, juris Rn. 16; Urteil vom 15.9.2010 - IV ZR 187/07, juris Rn. 10 f.).

(1) Unerheblich ist, dass in der Fachsprache der Begriff der „Sterilität“ nur die Empfängnisunfähigkeit umfasst, während die Unfähigkeit, ein Kind nach Empfängnis auszutragen, als „Infertilität“ bezeichnet wird (http://www.---.html). Aus der maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers fällt - dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend - auch die Unfähigkeit, eine Schwangerschaft bis zu einem lebensfähigen Kind auszutragen, unter den Begriff der „Sterilität“ (vgl. auch BGH, Urteil vom 17.12.1986 - IVa ZR 78/85, juris Rn. 20). Ein engeres Verständnis des Begriffs der „Sterilität“ stünde im Übrigen nur einer Anwendung des § 4 Ziff. 6 der Tarifbedingungen entgegen, nicht aber dem Vorliegen eines Versicherungsfalls im Sinne von § 1 Teil I (1) und (2) der Tarifbedingungen.

(2) Eine organisch bedingte Sterilität im Sinne von § 4 Teil II Ziff. 6 ist auch dann anzunehmen, wenn eine intakte Schwangerschaft nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich ist. Eine Krankheit im Sinne von § 1 der Tarifbedingungen ist ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anomaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand (BGH, Urteil vom 15.9.2010 - IV ZR 187/07, juris Rn. 11). Dazu zählt bei einem Mann ein regelwidriger körperlicher Zustand, der zur Folge hat, dass die Fähigkeit, eine Eizelle zu befruchten, nicht aufgehoben, aber stark eingeschränkt ist (BGH aaO Rn. 15). Dementsprechend ist eine bedingungsgemäße Krankheit bei einer Frau bereits dann gegeben, wenn die Fähigkeit, auf natürlichem Weg ein Kind zur Welt zu bringen, nicht ausgeschlossen, aber stark eingeschränkt ist. In diesem Sinne ist aus der Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch der Begriff der „organisch bedingten Sterilität“ im Sinne von § 4 Teil II Ziff. 6 der Tarifbedingungen auszulegen, da hiermit ersichtlich nicht der Krankheitsbegriff in § 1 der Tarifbedingungen eingeschränkt werden soll, sondern lediglich für eine bestimmte Art der Heilbehandlung - die künstliche Befruchtung - Voraussetzungen und Umfang der Kostenerstattung formuliert werden.

Eine Krankheit in diesem Sinne ist bei der Klägerin gegeben. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen liegt infolge der chromosomalen Veränderung bei der Klägerin die Wahrscheinlichkeit für eine intakte Schwangerschaft bzw. für ein gesundes Kind bei unter 50 %.

Diese Ausführungen hat die Sachverständige dahin konkretisiert, dass bei der Klägerin möglicherweise über einen längeren Zeitraum trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs keine erkennbare Schwangerschaft eintreten werde; nach Feststellen einer Schwangerschaft bestehe ein stark erhöhtes Abortrisiko. Daraus folgt, dass die Fähigkeit der Klägerin, ein Kind zur Welt zu bringen, infolge eines regelwidrigen körperlichen Zustands stark eingeschränkt ist.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ist es nicht (allein) entscheidend, mit welchem Prozentsatz es bei der Klägerin auf natürlichem Wege zu einer Schwangerschaft kommen kann, sondern wie wahrscheinlich eine sog. „intakte“ Schwangerschaft ist, d.h. eine Schwangerschaft ohne einen durch die Fehlbildung des Kindes verursachten Abort. Denn auch das erhöhte Abortrisiko ist durch die chromosomale Veränderung der Klägerin bedingt. Auch insoweit handelt es sich daher um eine bedingungsgemäße Krankheit in Form einer Fertilitätsstörung.

cc) Dass Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung als eine auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung erstattungsfähig sind, ist unter § 4 Teil II Ziff. 6 der Tarifbedingungen festgelegt und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist die im Wege der homologen In-vitro-Fertilisation vorgenommene künstliche Befruchtung eine medizinische Heilbehandlung, da die Behandlung zumindest auf eine Linderung der Krankheit (Sterilität) mittels der Ersetzung der gestörten Körperfunktionen durch medizinische Maßnahmen abzielt (BGH, Urteil vom 17.12.1986 - IVa ZR 78/85 - BGHZ 99, 228-236, juris Rn. 18; Urteil vom 21.9.2005 - IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122-132, juris Rn. 13).

dd) Die mit den streitgegenständlichen Rechnungen und Rezepten aus dem Jahr 2015 (Anlagenkonvolut K 5) abgerechnete Behandlung war auch medizinisch notwendig.

Bei der IVF/ICSI-Behandlung ist von einer für die medizinische Notwendigkeit nicht mehr ausreichenden Erfolgsaussicht erst dann auszugehen, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Behandlung zur gewünschten Schwangerschaft führt, signifikant absinkt und eine Erfolgswahrscheinlichkeit von mindestens 15 % nicht mehr erreicht wird (BGH, Urteil vom 21.9.2005 aaO Rn. 23). Bei der Einschätzung der Erfolgswahrscheinlichkeit ist von dem IVF-Register unter Berücksichtigung individueller Faktoren auszugehen; insbesondere ist auch einzubeziehen, ob eine IVF/ICSI-Behandlung bei denselben beteiligten Personen bereits früher einmal erfolgreich war (BGH aaO Rn. 21 f.). Entscheidend ist die Prognose vor Beginn der Behandlung (BGH aaO Rn. 27).

Nach diesem Maßstab war bei der Klägerin sowohl für den abgerechneten ersten Behandlungszyklus als auch für die weitere Behandlung eine ausreichend hohe Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben. Nach dem IVF-Register besteht bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres noch eine generelle Erfolgswahrscheinlichkeit von über 15 %. Bei der Klägerin ist nach den Ausführungen der Sachverständigen auch aufgrund der hohen Eizellreserve von einem guten Ansprechen auf eine reproduktionsmedizinische Behandlung auszugehen, was sich auch darin zeigt, dass beim ersten Kryotransfer nach PID eine Schwangerschaft eingetreten ist.  

ee) Zu erstatten sind auch die Kosten für Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen.

Zu der bedingungsgemäßen Heilbehandlung zählen die ärztlichen Maßnahmen in ihrer Gesamtheit, soweit sie den Zweck haben, die durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen (BGH, Urteil vom 3.3.2004 - IV ZR 25/03, BGHZ 158, 166, juris Rn. 16 ff.). Hier bildet die In-Vitro-Fertilisation zusammen mit den weiteren Maßnahmen der Präimplantationsdiagnostik (PID) oder der Polkörperdiagnostik (PKD) eine auf das Krankheitsbild der Klägerin abgestimmte Gesamtbehandlung. Erst die Kombination der Maßnahmen dient der Linderung ihrer Krankheit, welche nach dem Sachverständigengutachten zur Folge hat, dass die große Mehrheit der von der Klägerin produzierten Eizellen einen unbalancierten Chromosomensatz aufweisen, der zum Implantationsversagen, zum frühen Abort oder gegebenenfalls zur Geburt eines Kindes mit einer schweren chromosomalen Veränderung führen kann. Dazu hat die Sachverständige weiter dargelegt, dass bei der Klägerin infolge ihrer genetischen Erkrankung möglicherweise über einen längeren Zeitraum trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehrs keine erkennbare Schwangerschaft eintreten werde und nach Feststellen einer Schwangerschaft ein stark erhöhtes Abortrisiko bestehe. Dass bei der Klägerin der Kinderwunsch vor Eintreten der ersten Schwangerschaft bereits über 4 Jahre bestanden hat, ist nach Einschätzung der Sachverständigen mit großer Wahrscheinlichkeit auf die chromosomale Veränderung zurückzuführen. Im Wege einer PKD bzw. alternativ einer PID könnten Rückschlüsse auf die chromosomale Zusammensetzung der Eizelle und damit auf den maternal geerbten Teil des Genoms bei einem zukünftigen Kind gezogen und chromosomal auffällige Eizellen selektioniert werden.

Maßgeblich ist, dass nach diesen überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen die chromosomale Veränderung bei der Klägerin bereits die Fortpflanzungsfähigkeit als solche stark beeinträchtigt, so dass es nicht allein darum geht, die Übertragung einer erblich bedingten Krankheit auf das Kind zu verhindern. Die Frage, ob ohne Einschränkung der Fertilität die Kosten einer PKD oder PID erstattungsfähig sind, wenn diese Maßnahmen allein dazu dienen, die Übertragung einer Genmutation auf den Embryo zu vermeiden (dagegen OLG Köln, Urteil vom 17.6.2016 - 20 U 163/14, juris), bedarf daher keiner Entscheidung.

Dem Anspruch der Klägerin steht auch das grundsätzliche Verbot der PID nach § 3a Abs. 1 ESchG nicht entgegen. Allerdings hat der Versicherer nur Aufwendungen für solche Heilbehandlungen zu ersetzen, die nach deutschem Recht erlaubt sind (BGH, Urteil vom 14.6.2017 - IV ZR 141/16, juris Rn. 14). Hier greift jedoch die Ausnahmeregelung des § 3a Abs. 2 ESchG. Danach ist die zur Herbeiführung einer Schwangerschaft durchgeführte PID nicht rechtswidrig, wenn auf Grund der genetischen Disposition der Frau, von der die Eizelle stammt, das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit besteht (§ 3a Abs. 2 Satz 1 ESchG) oder wenn die PID zur Feststellung einer schwerwiegenden Schädigung des Embryos erfolgt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird (§ 3a Abs. 2 Satz 2 ESchG). Das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit bzw. einer Tot- oder Fehlgeburt besteht bei einer Wahrscheinlichkeit von 25 bis 50 % (Pelchen/Häberle in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Mai 2017, § 3a ESchG, Rn. 7 und 10). Hier liegt zumindest eine dieser Voraussetzungen vor, da nach dem Sachverständigengutachten aufgrund der chromosomalen Veränderung bei der Klägerin das Risiko einer schweren Behinderung des Kindes oder eines frühen Abortes besteht und eine Zeugung auf natürlichem Weg nur in unter 50 % der Fälle zu einem gesunden Kind führt.

ff) Dass die im Anlagenkonvolut K 5 im Einzelnen dargestellten Aufwendungen für den Versuch zur künstlichen Befruchtung entstanden sind, ist unstreitig. Einwendungen gegen die Höhe der Abrechnung hat die Beklagte nicht vorgebracht.

2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

3. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet.

a) Unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung ist der Berufungsantrag der Klägerin dahin auszulegen, dass zusätzlich zur Kostenerstattung für den ersten Behandlungsversuch die vom Landgericht getroffene Feststellung der Erstattungspflicht für bis zu drei weitere Behandlungszyklen der IVF/ICSI bestehen bleiben soll.

b) Die Beklagte hat jedoch in § 4 Teil II Ziff. 6 Abs. 3 der Tarifbedingungen die Kostenerstattung wirksam auf bis zu drei Behandlungszyklen beschränkt. Durch die Beschränkung wird der Versicherungsnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB). Der private Krankheitskostenversicherer hat mit Blick auf die Überschaubarkeit der von ihm zu erbringenden Leistungen und seine Tarifkalkulation - und damit letztlich auch im Interesse der Versicherten - ein berechtigtes Interesse, einer für ihn unüberschaubaren Ausweitung des Versicherungsschutzes entgegenzutreten (BGH, Beschluss vom 11.2.2009 - IV ZR 28/08, juris Rn. 22 m.w.N.). Dieses Ziel wird auch mit der streitgegenständlichen Klausel in zulässiger Weise verfolgt.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch ohne ausdrückliche Einschränkung der Kostenerstattung in den Tarifbedingungen Maßnahmen der extrakorporalen Befruchtung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur begrenzt erstattungsfähig sind. Nach den Grundsätzen von Treu und Glauben hat der Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme dieser besonders kostenträchtigen und nicht vital lebensnotwendigen Behandlung in angemessener Weise Rücksicht auf den Versicherer und die Versichertengemeinschaft zu nehmen, weshalb der Versuch nicht beliebig oft wiederholt werden kann (BGH, Urteil vom 17.12.1986 aaO Rn. 25). Hieran hat der Bundesgerichtshof mit der Maßgabe festgehalten, dass bereits der erforderliche Grad der Erfolgsaussicht von mindestens 15 % dem Umstand Rechnung trägt, dass eine vital lebensnotwendige Behandlung nicht in Rede steht, und eine Erstattung der Kosten für beliebig oft wiederholte erfolglose Behandlungen regelmäßig ausschließt (Urteil vom 21.9.2005 - IV ZR 113/04, BGHZ 164, 122-132, juris Rn. 34). 

Allein durch das Merkmal der „hinreichenden Erfolgsaussicht“ in § 4 Teil II Ziff. 6 Abs. 3 der Tarifbedingungen kann jedoch die Erstattung der Kosten nicht zuverlässig auf ein vorhersehbares Höchstmaß begrenzt werden, so dass der Versicherer ein berechtigtes Interesse hat, die Erstattung zusätzlich auf maximal drei Behandlungsversuche zu beschränken.

c) Zur Klarstellung wird der Feststellungstenor des angefochtenen Urteils neu gefasst, indem die Erstattungspflicht der Beklagten auf „bis zu zwei weitere Behandlungszyklen“ begrenzt wird.

III.

Die Anschlussberufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. 

1. Die Feststellungsklage ist zulässig, weil das Begehren nach der Behauptung der Klägerin auf bereits aktualisierte, ärztlich für notwendig erachtete, bevorstehende Behandlungen gerichtet und durch ein Feststellungsurteil eine sachgemäße und erschöpfende Lösung des Streits über die Erstattungspflichten zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.7.2006 - IV ZR 173/05, juris Rn. 10 m.w.N.).

2. Im Umfang der durch das Landgericht titulierten Feststellung ist die Feststellungsklage auch begründet. Aus den bereits dargelegten Gründen ist die Beklagte nach den Tarifbedingungen verpflichtet, der Klägerin die Gesamtkosten für insgesamt bis zu drei Behandlungszyklen der IVF/ICSI nebst Behandlungsmaßnahmen zum Ausschluss genetischer Schädigungen zu erstatten, sofern die Erfolgsaussicht hinsichtlich eines jeden Behandlungszyklus mindestens 15 % beträgt und nicht ein vorhergehender Zyklus bereits zur Geburt eines Kindes geführt hat.  Die Einschränkung der Erstattungspflicht der Beklagten für zukünftige Behandlungsmaßnahmen hat das Landgericht zutreffend unter Konkretisierung der Voraussetzung der „hinreichenden Erfolgsaussicht“ gemäß § 4 Teil II Ziff. 6 Absatz 3 der Tarifbedingungen durch die an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 21.9.2005 aaO Rn. 23) orientierte Formulierung „sofern die Erfolgsaussicht hinsichtlich eines jeden Behandlungszyklus wenigstens 15 % bezogen auf den Eintritt einer klinischen Schwangerschaft beträgt“ übernommen.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO für die Beklagte zugelassen. Die Frage, ob die Anknüpfung der Kostenerstattung für die künstliche Befruchtung an das Bestehen einer Ehe wirksam ist, kann - auch im Hinblick auf die entsprechende Leistungsbegrenzung in den MB/BT 2009 (Tarif BT B. Ziff. 2 (1) a), vgl. Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. S. 2121) - in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Dasselbe gilt für die Frage, unter welchen Voraussetzungen in der Privaten Krankenversicherung Maßnahmen der Präimplantations- oder Polköperdiagnostik erstattungsfähig sind.

Soweit die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden ist, liegen demgegenüber keine Revisionszulassungsgründe vor.

Verkündet am 13.10.2017

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