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11.10.2017 · IWW-Abrufnummer 197088

Finanzgericht Hamburg: Beschluss vom 18.07.2017 – 6 V 119/17

Bei einer unstreitig mangelhaften Buchhaltung kann eine Hinzuschätzung auf Grund der sog. Quantilschätzung vorgenommen werden, wenn der Steuerpflichtige keine konkreten Einwendungen erhebt, die eine andere Schätzung begründen könnten.


FINANZGERICHT HAMBURG

6 V 119/17

18.07.2017

Beschluss - Senat

Gründe

I.

Die Antragstellerin (AStin) begehrt mit ihrem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV-Antrag) die AdV der nach einer Betriebsprüfung (BP) geänderten Bescheide.

Die 1991 gegründete AStin gehört zur Unternehmensgruppe "XX", welche diverse ... betreibt.

Der Gegenstand des Unternehmens der AStin ist der "Betrieb von ... sowie der Erwerb und Errichtung weiterer Betriebe dieser Art und aller damit verbundener Geschäfte".

In der Zeit vom 08.12.2015 bis zum 10.01.2017 wurde für die Jahre 2009 bis 2011 eine BP durchgeführt. Der Betriebsprüfer gelangte zu der Auffassung, dass die vorgelegte Buchhaltung mangelhaft sei und die Besteuergrundlagen gem. § 162 Abgabenordnung (AO) zu schätzen seien. Die Schätzungen nahm er auf der Grundlage von sog. Quantilschätzungen vor. Hierdurch ermittelte er einen Rohgewinnaufschlagsatz (RGAS) in Höhe von 372 %. Auf den BP-Bericht vom 11.01.2017 wird verwiesen.

Anschließend ergingen am 22.02.2017 folgende Änderungsbescheide:
- Gewerbesteuermessbetrag 2010-2014,
- Bescheide über Körperschaftsteuer 2010-2014 und
- Umsatzsteuer 2009-2011

Hiergegen legte die AStin am 20.03.2017 Einspruch ein.

Am 24.03.2017 stellte die AStin einen AdV-Antrag, welchen der Antragsgegner (Ag) durch Bescheid vom 03.04.2017 ablehnte. Am 27.04.2017 beantragte die Astin erneut AdV. Diesen Antrag wertete der Ag als Einspruch gegen die AdV-Ablehnung und wies diesen durch Einspruchsentscheidung vom 03.07.2017 als unbegründet zurück.

Die Einsprüche vom 20.03.2017 wurden durch Einspruchsentscheidung vom 03.07.2017 zurückgewiesen. Der Ag wies insbesondere daraufhin, dass die von der AStin vorgelegten Zahlen einen RGAS in Höhe von 425 % begründen und damit eine Verböserung bewirken würden.

Am 29.06.2017 hat die AStin einen AdV-Antrag bei Gericht gestellt. Zur Begründung trägt sie vor:

Der Antrag sei zulässig, obwohl der Ag bisher nicht über ihren AdV-Antrag vom 24.03.2017 entschieden habe, denn die Bearbeitungszeit sei unangemessen.

Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Schätzungsbescheide. Die Schätzungsbefugnis des Ag sei nicht streitig, sondern die Methodik der Schätzung. Die Quantilschätzung sei keine zulässige Schätzungsmethode. Sie fuße auf den Ergebnissen eines gleichsam inzident bzw. immanent vorgenommenen Zeitreihenvergleichs. Die Methodik des Zeitreihenvergleichs sei jedoch ihrerseits im großen Maße defizitär, so dass ausweislich ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung strenge Anforderungen hieran zu stellen seien. Eine Beschränkung auf einen summarischen Vergleich mit amtlichen Richtsätzen sei nicht ausreichend. Eine hinreichende Plausibilitätsprüfung lasse die BP nicht erkennen.

Der Ag habe das ihm obliegende Auswahlermessen nicht oder jedenfalls nicht ermessensfehlerfrei ausgeübt. Rechtliche Grundlage sei das in § 5 AO normierte Ermessen i. V. m. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar möge vorliegend die Ausübung des Entschließungsermessens des Ag angesichts der festgestellten formellen Buchführungsmängel mit Blick auf die in § 162 AO normierte Schätzungsbefugnis nur wenig angreifbar erscheinen. Allerdings habe der Ag sein auf zweiter Ebene auszuübendes Auswahlermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt. Die Finanzbehörde hätte prüfen müssen, ob im Einzelfall eine andere Schätzungsmethode existiere oder sich aufdränge, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führe.

Ermessensleitend sei dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe komme. Der Ag hätte zumindest eine fehlerfreie und methodisch anerkannte Vergleichsrechnung, sog. Sensivitätsanalyse, anstellen müssen.

Auch mit Blick auf den durch die Finanzbehörden einzuhaltenden verfassungsrechtlichen Rahmen bestünden Bedenken. So sei unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs des Steuerpflichtigen auf einen effektiven Rechtsschutz durch die Gerichte der Zeitreihenvergleich nicht frei von methodenspezifischen Bedenken. Schätzungsgrundlagen müssten von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung, insbesondere eine Schlüssigkeitsprüfung des zahlenmäßigen Ergebnisses, möglich sei. Dabei müssten sowohl die Kalkulationsgrundlagen und damit auch die spezifischen Daten, auf denen der Zeitreihenvergleich basiere, als auch die Ergebnisse der Kalkulation sowie die Ermittlungen, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, lückenlos offengelegt werden.

Durch den erheblichen Umfang des Zahlenwerks, welches einem Zeitreihenvergleich zu Grunde liege, teile auch der BFH in seiner Entscheidung vom 25.03.2015 X R 20/13 die Bedenken hinsichtlich der Möglichkeit einer Nachprüfbarkeit durch den Steuerpflichtigen, aber auch durch die Gerichte.

Nach alledem stehe die Beweiskraft der Ergebnisse des im Rahmen der durch den Ag offenbar vorgenommenen summarischen Risikoprüfung gleichsam vorgenommenen Zeitreihenvergleichs mehr als nur infrage. Der BFH habe klargestellt, dass ein rechnerisches Mehrergebnis für sich alleine als Nachweis, Einnahmen seien nicht ordnungsgemäß verbucht worden, nicht geeignet sei.

Von der Anordnung einer Sicherheitsleistung sei abzusehen, da aufgrund ihrer, der AStin, Vermögensverhältnisse keine Gefährdung des Steueranspruchs bestehe.

Die AStin beantragt,
die Vollziehung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2010-2014, Gewerbesteuermessbetrag 2010-2014 und Umsatzsteuer 2009-2011 vom 22.02.2017 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in voller Höhe auszusetzen.

Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Der Ag trägt zur Begründung vor, es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Die AStin wiederhole im gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem vorangegangenen außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Sie gehe bei ihrer Argumentation nicht konkret auf die Verhältnisse des Streitfalles ein. Die AStin sei bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass genauere Daten, die eine von der Schätzung abweichende Verteilung des Wareneinsatzes rechtfertigen könnten und gleichzeitig dazu führen würden, ein für die AStin günstigeres Ergebnis zu erzielen, vorbehaltlich einer vorherigen Überprüfung, Berücksichtigung finden könnten. Derartige Angaben seien aber nicht gemacht worden.

Dem Gericht haben die BP-Akten und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO vor. Der Ag hat entgegen dem Vortrag der AStin die bei ihm beantragte AdV abgelehnt.

Ein gerichtlicher AdV-Antrag setzt voraus, dass die Steuerbescheide, die ausgesetzt werden sollen, angefochten wurden. Zwar hat die AStin gegen alle hier streitbefangenen Steuerbescheide Einspruch eingelegt. Diese Einsprüche wurden jedoch durch Einspruchsentscheidung vom 03.07.2017 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Klage hat die AStin noch nicht erhoben. Allerdings ist der vorläufige Rechtsschutz solange eröffnet, wie noch die Möglichkeit des endgültigen Rechtsschutzes besteht (Seer in Tipke/Kruse § 69 FGO Rn. 50). Da die Klagefrist noch nicht abgelaufen ist, geht das Gericht zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass die AStin fristgemäß Klage erheben wird.

Der Antrag ist unbegründet, denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben Umständen, die für seine Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.02.1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 23.05.2016 V B 20/16, juris). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss vom 18.02.2015 V S 19/14, BFH/NV 2015, 866). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 155 FGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -), soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschlüsse vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809; vom 10.02.2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930).

Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Um-stände und Gründe sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Irgendeine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht. Andererseits ist zur Gewährung der AdV nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Beschlüsse vom 20.07.2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809; vom 23.05.2016 V B 20/16, juris).

Bei summarischer Prüfung anhand des Vortrags der Beteiligten und des Akteninhalts bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

aa) Der Ag hat nach summarischer Prüfung dem Grunde nach zu Recht die Besteuerungsgrundlagen für die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 KStG, des Gewerbeertrags gemäß § 7 Abs. 1 GewStG und der Umsatzsteuer gemäß § 162 AO geschätzt.

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO gelten die Vorschriften der §§ 158 und 162 AO im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß. Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Zu schätzen ist gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Danach sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn die Würdigung des Sachverhalts ergibt, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann das Ergebnis der Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt der Ag (BFH-Urteil vom 24.06.1997 VIII R 9/96, BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).

Im Streitfall war der Ag gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO zur Schätzung befugt, weil die Buchführung der Antragstellerin der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann. Die Buchführung der Antragstellerin ist nach summarischer Prüfung nicht ordnungsgemäß. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die AStin hat im gerichtlichen Verfahren hierzu auch nichts vorgetragen.

bb) Auch die Höhe der vom Ag vorgenommenen Schätzungen begegnen keinen Bedenken. Das Gericht hat keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der hinzugeschätzten Einnahmen und Umsätze. Es folgt im Rahmen seiner eigenen Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 FGO i. V. m. § 162 AO) der Hinzuschätzung des Ag und sieht sie als maßvoll und sachgerecht an.

Im Rahmen der Schätzung können Tatsachenfeststellungen auch mit einem geringeren Grad an Überzeugung getroffen werden, als dies in der Regel geboten ist. Der Grad der grundsätzlich erforderlichen Gewissheit verringert sich dabei so weit, dass der Sachverhalt aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen festgestellt werden darf. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss aber schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (BFH-Beschluss vom 13.10.2003 IV B 85/02, BStBl II 2004, 25). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamtes bzw. des Finanzgerichts. Ermessensleitend ist dabei das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommen (BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743).

Bei einer Buchführung, die zwar formell nicht ordnungsgemäß ist, bei der aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmeerfassung nicht konkret nachgewiesen sind, ist zwar die Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO eröffnet, weil die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO nicht gilt. In dem Verfahren X R 20/13 (BStBl II 2015, 743) hat der BFH jedoch entschieden, dass allein die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs in diesen Fällen aufgrund der dieser Verprobungsmethode innewohnenden methodenbedingten Unsicherheiten noch keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen und den Umfang auch materieller Unrichtigkeiten der Buchführung zulassen. Steht hingegen aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist, und übersteigt die nachgewiesene materielle Unrichtigkeit der Buchführung eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (BFH-Urteil vom 25.03.2015 X R 20/13, BStBl II 2015, 743 Rz. 63, 66). Gegenstand der höchstrichterlichen Entscheidung war die Hinzuschätzung auf der Grundlage des höchsten Rohgewinnaufschlagsatzes aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres auf den Wareneinsatz, der denklogisch immer zu einem Mehrergebnis führt, auch wenn die Buchführung formell und materiell ordnungsgemäß ist (FG Hamburg, Beschluss vom 31.10.2016 2 V 202/16, EFG 2017, 265).

Im vorliegenden Fall hat der Ag seine Hinzuschätzung nicht auf den höchsten Rohgewinnaufschlagsatz aller Zehn-Wochen-Perioden eines Jahres gestützt, sondern auf der Grundlage des höchsten Rohgewinnaufschlagsatzes des 80 %-Quantils eines Jahres. Aber auch diese Methode führt denklogisch immer zu einem Mehrergebnis, auch wenn dies durch die Bereinigung von Extremwerten in der Höhe geringer ausfällt.

Bei der Methode der Quantilschätzung wird aus den betriebseigenen Daten des Steuerpflichtigen eine Spannbreite des "Normalen" herausgelesen. Dazu eignen sich Prozentstränge - sog. Quantile -, die zur Einteilung der Datenmenge in den Standardbereich, in schwache und starke Ausreißer verwendet werden. Überträgt man die Verhältnisse der Standardnormalverteilung, definiert sich der Bereich Mittelwert plus/minus mittlerer Abweichung - die sog. Standardabweichung - mit dem 16 %- und dem 84 %-Quantil. Die 68 % der dazwischenliegenden Daten umfassen die "Normalfälle". Diese Erkenntnisse werden bei der Quantilschätzung dazu genutzt, um noch einmal vorsichtiger zwischen dem 20 %- und dem 80 %-Quantil der betriebseigenen Werte zum monatlichen Aufschlagssatz oder Wareneinsatz den Regelgeschäftsbereich festzustellen, also den normalen Betriebsverlauf ohne relevante Ausreißer (vgl. Arno Becker, Außenprüfung digital - Prüfungsmethoden im Fokus (Teil II), DStR 2016, 1430). Mit der vorsichtigen Wahl des obersten Wertes aus dem 80 %-Quantil soll die Schätzungsmethode die objektivierte Leistungsfähigkeit unabhängig von Extremwerten oder der Länge des Prüfungszeitraums berücksichtigen und alle betriebliche Besonderheiten umfassen (FG Hamburg, Beschluss vom 31.10.2016 2 V 202/16, EFG 2017, 265).

Das Gericht folgt insoweit der Methode der Hinzuschätzung von Besteuerungsgrundlagen mittels des 80 %-Quantils. Im Allgemeinen ist der Ag nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, in diesem Schätzungsrahmen an die obere Grenze zu gehen. Denn Abweichungen von den tatsächlichen Verhältnissen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird die Schätzung aber erforderlich, weil der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, kann sich das Finanzamt an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 15.05.2002 X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415; vom 15.07.2014 X R 42/12, BFH/NV 2015, 145; vom 28.07.2015 VIII R 2/09, BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, FG Hamburg, Beschluss vom 26.08.2016 6 V 81/16, juris).

Die Methode ist danach grundsätzlich geeignet, bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchführung unter Heranziehung der betriebsinternen Daten eine Hinzuschätzung vorzunehmen. Es handelt sich zudem um einen inneren Betriebsvergleich, der grundsätzlich besser geeignet ist, das wahrscheinliche Ergebnis zu liefern, als ein äußerer Betriebsvergleich (vgl. FG Münster, Urteil vom 26.07.2012 4 K 2071/09 E, U).

Im vorliegenden Fall kann die Hinzuschätzung auch auf die Quantilschätzung gestützt werden. Es ist unstreitig, dass die Buchhaltung der AStin nicht ordnungsgemäß ist und deshalb § 158 AO nicht zur Anwendung gelangt. Die Quantilschätzung wurde deshalb nicht dazu genutzt, die Buchhaltung zu widerlegen, sondern um eine Schätzung durchführen. Der Ag hat den Wareneinkauf aus der Buchhaltung der AStin übernommen. Die von der AStin während des Rb-Verfahrens geltend gemachten Einwendungen hätten zu einer Verböserung geführt. Zusätzliche konkrete Einwendungen hat die AStin im gerichtlichen Verfahren nicht dargelegt. Die AStin hat auch keine alternativen Schätzungsmethoden dargelegt, welche zu angemesseneren Ergebnissen hätten führen können. Der vom Ag ermittelte RGAS in Höhe von 372 % liegt im durchschnittlichen Bereich in den Richtsatzsammlungen, dieser liegt zwischen 223 und 525 %.

b) Eine AdV kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO gewährt werden.

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn durch die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung der eingezogenen Beträge nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 02.06.2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es ergeben sich weder diesbezügliche Hinweise aus den Akten noch hat die AStin hierzu vorgetragen.

c) Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs.1 FGO. Gründe für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

RechtsgebietAOVorschriftenAO § 162

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