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26.09.2017 · IWW-Abrufnummer 196726

Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 01.03.2017 – 11 Sa 34/16

Einzelfall


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 02.07.2015 - 7 Ca 284/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand



Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.



Die am 1979 geborene Klägerin, verheiratet, zwei Kinder, hat im Jahre 2014 in A den Masterstudiengang für das Lehramt an Grundschulen erfolgreich abgeschlossen. Bereits mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 wurde an der H -W -Schule, einer Grundschule, eine Ganztagesbetreuung im Sinne einer Offenen Ganztagsschule (OGS) eingerichtet. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, der mit seinen Mitarbeitern das Konzept der OGS umsetzt. Wegen der Einzelheiten des OGS-Konzepts wird auf Bl. 84 ff. d. A. verwiesen.



Die Klägerin wurde ab dem 01.05.2014 vom Beklagten als Betreuerin mit einer Stundenzahl von 26,75 Wochenstunden eingestellt.



Nach Beschwerden von Eltern hielt der Rektor der Schule der Klägerin am 15.09.2014 vor, dass die Schwächen der Klägerin in der Aussprache und in der Grammatik an der einer deutschen Grundschule nicht akzeptiert werden können und forderte die Klägerin auf, intensive Anstrengungen zu unternehmen, um diese Schwächen zu überwinden. Am 17.09.2014 unterzeichnete die Klägerin eine Vereinbarung (Bl. 27 f. d. A.), die u.a. eine vorübergehende Entbindung von ihren Aufgaben der Klasse 1a, eine Arbeitszeitreduzierung von sechs Wochenstunden und eine Verpflichtung der Klägerin, Aussprache, Grammatik und Rechtschreibung bis Ende Mai 2015 zu verbessern, vorsieht. Eine Rückkehr der Klägerin in den Einsatz der Klasse 1a war hiernach für den 01.06.2015 vorgesehen. Sollte die Klägerin weiterhin nicht zufriedenstellende sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten erbringen, ende das Beschäftigungsverhältnis zu Beginn der Sommerferien 2015.



Nachdem aus Sicht des Beklagten die Klägerin u.a. Aufsichtspflichten verletzt hatte und sie am 09.01.2015 den Dienst erst um 15:00 Uhr statt 12:00 Uhr angetreten hatte, weil sei ihre Mutter vom Flughafen abgeholt hatte, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21.01.2015 zum 31.03.2015.



Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.07.2015 (Bl. 128 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage, mit der die Klägerin die Feststellung begehrt, dass ihr Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten durch die Kündigung vom 21.01.2015 nicht zum 31.03.2015 beendet worden ist, abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Kündigungsschutzgesetz finde aufgrund der Mitarbeiterzahl des Beklagten keine Anwendung. Die Annahme eines gemeinsamen Betriebs des Beklagten und der Grundschule scheitere an dem Fehlen einer einheitlichen institutionellen Leitung. Die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des KSchG sei beim vorliegenden Kleinbetrieb auch unter verfassungskonformer Auslegung des § 23 KSchG nicht zu beanstanden. Die Vereinbarung vom 15.09./17.09.2014 enthalte keinen Kündigungsverzicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.



Gegen das ihr am 25.07.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.08.2015 Berufung eingelegt und diese am 21.08.2015 begründet.



Die Klägerin begründet ihre Berufung zum einen damit, dass entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finde, weil der Beklagte ständig mehr als 10 Mitarbeiter im Sinne des § 23 KSchG beschäftige. Die Herausnahme des Beklagten aus dem Anwendungsbereich des KSchG als Kleinbetrieb sei im Hinblick auf Arbeitnehmerzahl, Finanzausstattung und betrieblicher Gegebenheiten verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Die räumliche, personelle und inhaltliche Verflechtung sowie die Weisungskompetenz des Rektors spreche für den Bestand eines gemeinsamen Betriebs. Hinsichtlich der Vereinbarung vom 15.09./17.09.2014 habe das Arbeitsgericht die Hintergründe nicht hinreichend beachtet. Die Klägerin habe auf Zusatzverdienst für sechs Stunden verzichtet und die finanzielle Belastung von Sprachkursen zur Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse unter Verzicht auf Freizeit übernommen. Die Schule habe sich nicht wegen der Sprachschwierigkeiten von der Klägerin trennen wollen, die Kündigungsvorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen, teilweise hätten die Vorfälle bereits vor Abschluss der Vereinbarung aus dem September 2014 stattgefunden.



Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils nach ihren erstinstanzlichen Schlussanträgen zu erkennen.



Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.



Der Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er beschäftigte unter Berücksichtigung der individuellen Arbeitszeiten nicht mehr als 10 Arbeitnehmer. Sämtliche Arbeitgeberfunktionen würden ausschließlich vom Beklagten wahrgenommen. Einen generellen Kündigungsverzicht habe er nicht erklärt.



Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 10.08.2015, 08.09.2015, 18.12.2015, 28.12.2015, 23.01.2016, 18.06.2016, 27.06.2016, 02.08.2016 und 10.08.2016, die Sitzungsniederschriften vom 01.06.2016 und 01.03.2017 sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.



Entscheidungsgründe



I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64 Abs. 2 c) ArbGG statthaft und wurde ordnungsgemäß innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet.



II. Der Berufung blieb in der Sache der Erfolg versagt. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Kündigung des Beklagten vom 21.01.2015 das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31.03.2015 beendet hat.



1. Zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht den besonderen Schutzbestimmungen des KSchG unterliegt, da der Beklagte in der Regel nicht mehr als 10 Arbeitnehmer nach § 23 Abs. 1 Satz 3 und 4 KSchG beschäftigt.



a) Das KSchG enthält keine eigene Definition des Betriebsbegriffs. Es gilt daher im Wesentlichen der Betriebsbegriff des § 1 BetrVG. Die Darlegungs- und Beweislast für die betrieblichen Geltungsvoraussetzungen nach § 23 Abs. 1 KSchG trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer. Etwaigen Schwierigkeiten, die sich mangels eigener Kenntnismöglichkeiten ergeben, ist durch die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen (BAG, Urt. v. 19.07.2016 - 2 AZR 468/15 - m. w. N.).



b) Die vom Arbeitsgericht festgestellten Zählwerte für die Arbeitnehmerinnen B , H , K , T , V , W und W werden von Klägerin in der Berufung nicht angegriffen. Die Addition dieser Zählwerte im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG ergibt eine Arbeitnehmerzahl von 3,75.



c) Soweit die Klägerin bezüglich ihrer eigenen Person den Zählwert von 1,00 statt 0,75 ansetzt, überzeugt dies nicht. Selbst wenn man von einer Regelmäßigkeit ihres Einsatzes in der Ferienbetreuung ausgeht, obwohl sie nur einmal im Jahre 2014 an dieser Maßnahme teilgenommen hat, so wäre durch die zweiwöchige Ferienbetreuung im Umfang von insgesamt 80 Stunden abzüglich der arbeitsvertraglichen Einsatzzeit von 20,75 Stunden die Woche lediglich eine Mehrstundenzahl von 38,5 Stunden im Jahr angefallen, was umgerechnet auf die Woche (52,14286 Wochen pro Jahr) etwa 0,74 Stunden ausmacht, so dass eine Gesamtarbeitszeit von 21,49 Stunden die Woche zugrunde zu legen wäre, womit der vom Arbeitsgericht angesetzte Zählwert von 0,75 sich als zutreffend erweist. Dass die Ferienbetreuung gesondert vergütet wurde, ändert nichts daran, dass nur im dargelegten Umfang zusätzliche Arbeitsstunden angefallen sind. Nicht nachvollziehbar ist, wenn die Klägerin trotz Vertragsänderung vom 15.09./17.09.2014 weiterhin eine regelmäßige Arbeitszeit von 26,75 Stunden zugrunde legt. Die Arbeitszeitreduzierung war nicht zeitlich befristet. Selbst wenn man jedoch die ursprüngliche vereinbarte Arbeitszeit von 26,75 Stunden die Woche zugrunde legt, führt dies nicht zu einer Änderung des Zählwerts. Die Mehrstundenzahl pro Jahr wäre dann für die zweiwöchige Ferienbetreuung mit 26,5 Stunden anzusetzen, was umgerechnet auf das Jahr ca. 0,51 Stunden pro Woche ausmacht, so dass sich die Arbeitszeit der Klägerin auf 27,26 Stunden die Woche beliefe.



d) Auch bei den Mitarbeiterinnen B und D ist eine Erhöhung des Zählwertes von mehr als 0,5 nicht angezeigt. Die Klägerin hat nicht plausibel dargelegt, dass unter Berücksichtigung der Ferienbetreuung die regelmäßige Wochenstundenzahl der Arbeitnehmerin B über 20 Stunden liegt. Zwar hat die Klägerin erstinstanzlich in den Schriftsätzen vom 04.03.2015 und 13.05.2015 eine Ferienbetreuung im Umfang von 24 Arbeitstagen Ferienzeit zu je zwei Stunden behauptet, jedoch führen diese 48 Stunden abzüglich der in diesem Zeitraum aufgrund des Arbeitsvertrags sowieso zu erbringenden 14,5 Stunden pro Woche ersichtlich nicht zu einer Erhöhung der regelmäßigen wöchentlichen Stundenzahl. Selbst wenn man die 48 Stunden im Jahr hinzurechnet und sodann auf die Woche umrechnet, liegt die Mehrarbeit bei lediglich 0,92 Stunden die Woche, die regelmäßige Gesamtarbeitszeit unterschreitet deutlich die Grenzschwelle von 20 Stunden die Woche. Hinsichtlich der Arbeitnehmerin D ist zu bemerken, dass selbst wenn man zusätzlich zur regulären Arbeitszeit von 14,5 Stunden die Woche von acht Stunden Küchenreinigung im Monat sowie 3,65 Stunden Toilettenputzen die Woche ausgeht, hieraus lediglich eine wöchentliche Stundenzahl von 19,99 Stunden die Woche folgt. Wieso die Mitarbeiterin regelmäßig über 20 Stunden arbeiten soll, ist anhand des Tatsachenvortrags der Klägerin nicht nachvollziehbar, die Teilnahme an einer Ferienbetreuung im Übrigen nicht konkret dargetan.



e) Bezüglich der Mitarbeiterin P behauptete die Klägerin zwar erstinstanzlich eine Arbeitszeit von 20 Stunden die Woche nebst Ferienbetreuung, erhöht dies ohne nähere Begründung zweitinstanzlich auf eine reguläre Arbeitszeit von 31 Wochenstunden. Die Beklagte hingegen hat vor dem Arbeitsgericht die Arbeitszeit von unter 20 Stunden die Woche vorgetragen hat und zudem einen Einsatz in der Ferienbetreuung in Abrede gestellt. Die Klägerin legt keinerlei Tatsachen dafür dar, woraus ihre Annahme eines höheren Stundenansatzes resultiert und hat auch nicht vorgetragen, wann für welchen Zeitraum und in welchem Umfang die Arbeitnehmerin P an einer Ferienbetreuung teilgenommen hat, so dass ein höhere Ansatz als 0,5 nicht berechtigt ist.



f) Hinsichtlich der Mitarbeiterin L ist ebenfalls von einem Zählwert von 0,5 auszugehen. Warum die 1,5 Stunden reguläre Arbeitszeit pro Woche nebst angeblicher Ferienbetreuung mehr als 20 Stunden die Woche begründen sollen, ist nicht nachvollziehbar, erst Recht nicht die Behauptung des Klägerin einer regelmäßigen Wochenstundenzahl von 31 Stunden.



g) Selbst wenn man mit der Klägerin im Falle A D vom Zählwert 1,0 und bei der Arbeitnehmerin K - obwohl nicht einmal dargetan ist, dass Frau K überhaupt eine Ferienbetreuung durchgeführt hat - den Zählwert von 0,75 zugrunde legt, beträgt die Arbeitnehmerzahl 8,25. Berücksichtigt man ferner den geringfügigen wöchentlichen Arbeitseinsatz in der Tischtennis AG, der alternativ von der Mitarbeiterin M oder Herrn L geleistet wurde, so erhöht sich der Wert auf 8,75.



h) Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die beiden Praktikanten P und M nicht mitzuzählen, denn sie wurden zur Berufsbildung im Sinne des § 1 Abs. 1 BBiG beschäftigt. Zur Berufsbildung beschäftigte Personen sind nicht als Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 KSchG zu betrachten (vgl. u.a.: APS/Moll, 5. Auflage, § 23 KSchG Rdn 28 m. w. N.).



Grundlage der Praktika waren die Praktikumsverträge vom 29.06.2014 (Bl. 272 f. d. A.) und 20.07.2014 (Bl. 274 f. d. A.). Die Praktikanten waren Schüler auf dem R -W -Berufskolleg. Die Fachschule für Sozialpädagogik des genannten Berufskollegs vermittelt laut Internet-Auftritt während der Ausbildung die Fähigkeit, in sozialpädagogischen Bereichen als Erzieher Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben zu übernehmen, um dort selbständig und eigenverantwortlich zu handeln. Die Praktikanten gingen in die 11. Klasse der Fachoberschule und haben unterrichtsbegleitend das Praktikum absolviert, um erste Berufserfahrungen zu sammeln. In beiden Fällen ging es laut Praktikumsvertrag darum, erste Einblicke in das (angestrebte) Tätigkeitsfeld eines Sozialpädagogen zu erhalten. Zur Berufsausbildung gehört es, erforderliche Berufserfahrungen zu ermöglichen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BBiG). Nicht der Austausch von Arbeit und Entgelt prägt das Vertragsverhältnis der Praktikanten, sondern die Vermittlung von Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten, § 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG. Selbst wenn der Ausbildungszweck nur unzureichend verwirklicht wird, führt dies noch nicht zur Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus hat die Klägerin auch nicht dargetan, dass der Beklagte über den Einsatzzeitraum der Praktikanten P und M hinaus regelmäßig Praktikanten in einem bestimmten Umfang mit einem nur vorgeschobenen Praktikumsvertrag als Arbeitnehmer beschäftigt.



i) Ebenso unbeachtet bleiben im Rahmen der Feststellung der regelmäßigen Arbeitnehmerzahl des Beklagten die Schulsekretärin R und der Schulhausmeister C , denn die Klägerin hat nicht konkret dargetan, dass diese beiden Arbeitnehmer überhaupt eine arbeitsvertragliche Vereinbarung mit dem Beklagten abgeschlossen haben, sie also nicht nur Arbeitnehmer des Landes bzw. der Stadt sind, sondern sie atypischerweise auch Arbeitnehmer des Beklagten sind. Bei der Mitarbeiterin F handelt es sich lediglich um die Vorgängerin für die zur Jahresmitte ausgeschiedene Arbeitnehmerin V , was nicht zu einer Erhöhung der Beschäftigtenzahl führt. Die Mitarbeiterin L D wurde nur einmalig in der Ferienbetreuung 2014 eingesetzt, Anhaltspunkte für eine regelmäßige Beschäftigung bestehen nicht. Eine Beschäftigung von D W , der im Lohnjournal 2014 (Bl. 238 d. A.) ohne Stundenzahl und ohne Vergütung aufgeführt wird, behauptet die Klägerin nicht.



j) Auch die Beschäftigung von Frau P , die den Flötenunterricht in der Flöten AG gegen Honorar auf freiberuflicher Basis erteilt, dabei bis zu 200,-- € im Monat auf der Grundlage eines Stundenhonorars von 20,-- € verdient, führt nicht zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes. Zum einen hat die Klägerin nicht hinreichend Fakten dafür vorgetragen, dass es sich um eine "scheinselbständige" Tätigkeit handelt. Es fehlt die konkrete Darlegung von Tatsachen aus denen sich schließen lassen würde, Frau P sei einem Weisungsrecht des Beklagten für diesen Zusatzunterricht, insbesondere inhaltlicher Art, im Sinne des § 106 Satz 1 GewO unterworfen. Dass der außerhalb des Lehrplans erteilte Flötenunterricht im Schulgebäude zu bestimmten Zeiten bei Anwesenheit der Schüler zu erbringen ist, liegt in der Natur der Sache und begründet noch nicht die Annahme, sie könne ihre Tätigkeit nicht im Wesentlichen frei gestalten (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Es ist aber weder vorgetragen noch objektiv ersichtlich, dass Frau P in den regulären Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, ihr Vorgaben zum Unterrichtsinhalt oder zur Art und Weise des Unterrichtserteilung gemacht werden oder sie Nebenarbeiten für den beklagten Verein zu verrichten hat (vgl. hierzu z.B.: BAG, Urt. v. 09.03.2005 - 5 AZR 493/04 - m. w. N.). Selbst wenn man dem nicht folgen und einen Zählwert von 0,5 ansetzen würde, wäre die Schwelle des § 21 Abs. 1 Satz 3 KSchG nicht überschritten.



2. Die Anwendbarkeit des KSchG lässt sich auch nicht damit begründen, der beklagte Verein mit dem Betrieb der OGS und die Schule seien als Gemeinschaftsbetrieb anzusehen, so dass durch Hinzurechnung der bei Schule angestellten Arbeitnehmer die Schwelle des § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG überschritten sei.



a) Ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrerer Unternehmen zu arbeitstechnischen Zwecken zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat betriebsbezogen gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben, so dass der Kern der Arbeitgeberfunktion im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird. Diese Voraussetzung trifft nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen unternehmerisch zusammenarbeiten (BAG, Urt. v. 24.10.2013 - 2 AZR 1057/12 - m. w. N.). Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen eines Arbeitgebers in sozialen und personellen Angelegenheiten erstrecken, z.B. Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen oder Anordnung von Überstunden (vgl.: BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 6 AZR 132/10 - m. w. N.). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Kündigungszeitpunkt ein gemeinsamer Betrieb bestanden hat, trägt der Arbeitnehmer. Mit Rücksicht auf seine typischerweise mangelhafte Kenntnis vom Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen kommen ihm dabei Erleichterungen zugute. Der Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast in einem ersten Schritt, wenn er äußere Umstände aufzeigt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen über die gemeinsame Führung eines Betriebs unter einem einheitlichen Leitungsapparat geeinigt haben. Darauf hat der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen zu erwidern und darzulegen, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines einheitlichen Betriebs sprechen sollen (BAG, Urt. v. 10.04.2012 - 2 AZR 647/13 - m. w. N.). Liegt ein gemeinsamer Betrieb vor, sind die von den beteiligten Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer bei der Ermittlung der nach § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG maßgebenden Arbeitnehmerzahl zusammenzurechnen (BAG, Urt. v. 23.05.2013 - 2 AZR 54/12 - m. w. N.).



b) Die Klägerin hat keine hinreichenden äußeren Umstände vorgetragen, die für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs sprechen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass eine enge arbeitsorganisatorische Verzahnung zwischen der Grundschule und dem Beklagten, der das OGS-Konzept an der Grundschule umsetzt, besteht. Die Kinder verbleiben auf dem Schulgelände und werden im Rahmen des Ganztagskonzepts von den Mitarbeitern des Beklagten mittags und in den Nachmittagsstunden beaufsichtigt, betreut und gefördert. Ebenfalls ist zu konzedieren, dass der Rektor der Grundschule sich aus fachlichen Gründen in die Angelegenheiten der OGS in erheblichem Umfang einmischt, er auch bei Abschluss der Vereinbarung vom 15.09./17.09.2014 beteiligt war und sogar das Zwischenzeugnis der Klägerin vom 08.01.2016 (Bl. 236 d. A.) mitunterzeichnet hat, jedoch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass er über Einstellung, Entlassung, Versetzungen oder Überstunden der Mitarbeiter des beklagten Vereins entscheidet.



3. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Herausnahme des Betriebs des Beklagten aus der Kleinbetriebsklausel des § 23 KSchG aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen abgelehnt.



a) Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht angesichts der vom Arbeitgeber geschaffenen konkreten Organisation die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben bei verständiger Betrachtung ins Leere gehen und die Bestimmung des Betriebsbegriffs nach herkömmlicher Definition zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt. Die Anwendung der Kleinbetriebsklausel ist nicht schon dann ausgeschlossen, wenn die als "Betrieb" im kündigungsschutzrechtlichen Sinne zu verstehende Einheit nicht sämtliche vom Bundesverfassungsgericht (vgl. hierzu: BVerfG, Beschl. v. 27.01.1998 - 1 BvL 15/87 -) als charakteristisch benannten Merkmale eines Kleinbetriebs erfüllt. Dieses hat lediglich typologisch Gesichtspunkte angeführt, die für einen Kleinbetrieb bezeichnend sind, ohne dass diese wie tatbestandliche Voraussetzungen einer Norm zu behandeln wären. Maßgeblich ist vielmehr eine alle Umstände des Einzelfalls einbeziehende, wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel nach Maßgabe des allgemeinen Betriebsbegriffs unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird (BAG, Urt. v. 19.07.2016 - 2 AZR 468/15 -; BAG Urt. v. 02.03.2017 - 2 AZR 427/16 - m. w. N.).



b) Die Klägerin hat nicht konkret dargetan, dass sich die Tätigkeiten beim beklagten Verein wesentlich von einer Tätigkeit in einem typischen Kleinbetrieb unterscheiden. Warum sich Persönlichkeit und Leistung der Arbeitnehmer des beklagten Vereins nicht unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit des Betriebs auswirken, wie dies für einen Kleinbetrieb typischerweise anzunehmen ist, ist nicht konkret vorgetragen. Anhaltspunkte für eine willkürliche Aufteilung der Arbeitnehmer auf die Grundschule einerseits und den unterstützenden Verein andererseits sowie einer willkürlichen Beschäftigung der Arbeitnehmer als Teilzeitbeschäftigte bestehen nicht. Die angeblich üppige Finanzausstattung des Vereins ist für die Frage des Betriebsbegriffs nicht von Relevanz, die Behauptung der Klägerin, das Vertrauensverhältnis zwischen Verein und den Angestellten unterscheide sich nicht von einem Großunternehmen mit 1000 Mitarbeitern, substanzlos.



4. Mit zutreffenden Gründen, auf die Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die Vereinbarung vom 15.09./17.09.2014 keinen Kündigungsverzicht enthält.



Ein solcher Kündigungsverzicht lässt sich auch nicht aus einer Auslegung der Vereinbarung gemäß den §§ 133, 157, 242 BGB herleiten. Gegenstand der Vereinbarung ist vielmehr das Einräumen einer Bewährungschance für die Klägerin. Der Beklagte hat der Klägerin verdeutlicht, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls dann nicht in Frage kommt, wenn sie nicht bis zu den Sommerferien 2015 ihre Deutschkenntnisse entscheidend verbessert. Die Klägerin wurde durch die vorübergehende Entbindung ihrer Aufgaben bezüglich der Klasse 1a aus dem aktuellen Konfliktfeld genommen, durch Reduzierung ihrer Arbeitszeit zeitlicher Raum zur Durchführung von Maßnahmen zur Überwindung der Sprachprobleme geschaffen und einer Berichtspflicht nebst Übungszeit unterworfen. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Klägerin zur Erfüllung der Auflagen ein zeitlicher und finanzieller Aufwand traf, jedoch erhielt sie als Gegenleistung eine befristete Bewährungschance, um die ansonsten aus Sicht des Beklagten gebotene Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen unzureichender Sprachkenntnisse zu vermeiden. Ein plausibler und nachvollziehbarer Grund, dass ein zeitlich befristeter, genereller Kündigungsverzicht, also auch bezüglich sprachunabhängiger Gründe, auch der Interessenlage des Beklagten entsprochen hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.



III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.



IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen.

Vorschriften§ 23 KSchG, § 64 Abs. 2 c) ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 23 Abs. 1 Satz 3 und 4 KSchG, § 1 BetrVG, § 23 Abs. 1 KSchG, § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG, § 1 Abs. 1 BBiG, § 1 Abs. 3 Satz 2 BBiG, § 1 Abs. 3 Satz 1 BBiG, § 106 Satz 1 GewO, § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, § 21 Abs. 1 Satz 3 KSchG, § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG, § 138 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG, §§ 133, 157, 242 BGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 Abs. 2 ArbGG

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